AG München – Az.: 343 C 8194/12 – Urteil vom11.07.2012
I. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 589,27 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 27.02.2012 sowie weitere 120,67 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit 05.04.2012 zu bezahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Von den Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger 1/3 und die Beklagte 2/3 zu tragen.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 926,91 € festgesetzt.
Gründe
(abgekürzt nach § 313 a Abs. 1 ZPO)
Die Klage ist zum Teil begründet.
I.
1. Der Unfall ist zur Überzeugung des Gerichts hauptsächlich auf die unglückliche Verkehrsführung am Karolinenplatz zurückzuführen:
In der Beweisaufnahme hat die Zeugin … zu verstehen gegeben, dass sie von ihrem Vorfahrtrecht an der Einmündung der Brienner Straße ausgegangen ist. Nach dem Unfall sei ja auch der Zeugen … von Passanten auf das „Vorfahrt gewähren!“ Schild an der Einmündung zum Kreisverkehr hingewiesen worden.
Auf den in der mündlichen Verhandlung in Augenschein genommenen Fotos ist tatsächlich zu erkennen, dass sich an dieser Einmündung das „Vorfahrt gewähren!“ Schild (Zeichen 205) befindet.
Entgegen verbreiteter Meinung ist es aber nicht so, dass der Verkehr im Kreisverkehr automatisch Vorfahrt hat. In § 9 a Abs. 1 StVO heißt es vielmehr: „Ist an der Einmündung in einem Kreisverkehr Zeichen 215 (Kreisverkehr) unter Zeichen 205 (Vorfahrt gewähren!) angeordnet, hat der Verkehr auf der Kreisfahrtbahn Vorfahrt.“ Das bedeutet, dass die allgemein angenommene Vorfahrtsregelung tatsächlich gilt, wenn diese beiden Zeichen angebracht sind. Ansonsten gilt die übliche Regelung „rechts-vor-links“. Aus der Formulierung des Gesetzestextes wird geschlossen, dass derjenige, der in einen Kreisverkehr einfährt, sich darauf verlassen kann, dass die beiden Schilder auch an allen weiteren Einmündungen aufgestellt sind, wenn sie sich dort befinden, wo er selbst in den Kreisverkehr eingefahren ist. Wenn aber nur das „Vorfahrt gewähren!“ Schild aufgestellt ist, darf er sich nicht darauf verlassen. In der Kommentierung heißt es dazu kryptisch, dass sein Vorfahrtrecht in diesem Fall gewissermaßen nur ein „Reflex“ sei, weil ja der andere wegen des aufgestellten Schildes trotzdem die Vorfahrt beachten muss (Henschel/Koenigs/Dauer, 40. Auflage, § 9 a StVO, Rn 11).
Außerdem sind im Kreisverkehr des Karolinenplatzes die Fahrbahnmarkierungen unglücklich gewählt: Im Inneren des Kreisverkehrs befinden sich zwei Fahrspuren mit Richtungspfeilen geradeaus. Außen gibt es jeweils eine Rechtsabbiegerspur, die an der jeweils nächsten Einmündung aus dem Kreisverkehr herausführt. Dahinter liegt eine schraffierte Fläche und dahinter wird von der Einmündung aus wieder eine weitere Fahrspur in den Kreisverkehr hineingeführt, die zur nächsten Rechtsabbiegerspur wird. Deshalb müssen die Verkehrsteilnehmer, die den Kreisverkehr verlassen wollen, gegebenenfalls von einer der beiden inneren Spuren auf die äußere Rechtsabbiegerspur wechseln. Bei einem Fahrstreifenwechsel hat man sich nach § 7 Abs. 5 StVO aber grundsätzlich so zu verhalten, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist. Das bedeutet, dass der Verkehr, der sich auf dieser Spur bereits befindet, Vorfahrt hat. Beim Karolinenplatz ist dies aber genau die Spur, auf der Fahrzeuge in den Kreisverkehr einfahren, die wegen des Zeichens 205 ja an sich „Vorfahrt gewähren“ müssen.
2. Außerdem konnte in der mündlichen Verhandlung nicht exakt genug geklärt werden, wo die beiden Fahrzeuge miteinander kollidiert sind. Nach der Darstellung der Zeugin … war das unmittelbar hinter der Einmündung der Brienner Straße. Der Zeuge … verlegte dagegen die Unfallstelle näher an den Bereich der Ausfahrt zur Barer Straße. Die Fahrzeuge sind zwar in ihrer Endstellung fotografiert worden. Allerdings lässt sich mangels ortsrelevanter Spuren nicht rekonstruieren, wie weit die Fahrzeuge nach der Kollision noch weiterfuhren. Aufgrund der auf den Fotos zu sehenden Richtungspfeile auf der Fahrbahn war der Kollisionsort vermutlich zwischen dem ersten und dem zweiten Rechtsabbiegerpfeil im Bereich zwischen der Brienner Straße und der Barer Straße.
3. Die anzunehmenden Haftungsbeiträge der Unfallbeteiligten ergeben sich zur Überzeugung des Gerichts aus folgenden Überlegungen:
Das Straßenstück zwischen den Einmündungen der Brienner Straße und der Barer Straße in den Kreisverkehr ist nicht so groß, als man davon ausgehen könnte, dass die Vorfahrtbeachtenregelung zulasten des Zeugen … in diesem Bereich irgendwann nicht mehr gegolten hätte. Denn Fahrzeuge, die an der Barer Straße den Kreisverkehr verlassen wollen, können frühestens ab Beginn der schraffierten Fläche der Brienner Straße überhaupt nach rechts blinken und erst hinter der schraffierten Fläche beginnen, sich nach rechts einzuordnen. Damit musste der Beklagte zu eins rechnen. Für ihn galt folglich „Vorfahrt gewähren!“ im gesamten Bereich der Rechtsabbiegerspur hinter der Einmündung der Brienner Straße.
Die Zeugin … musste aber einen Fahrstreifenwechsel nach rechts durchführen. Außerdem durfte sie sie sich nach § 9 a Abs. 1 StVO wegen des Fehlens des Zeichens 215 (Kreisverkehr) gar nicht darauf verlassen, dass sie an der Einmündung der Brienner Straße tatsächlich Vorfahrt hatte. Deshalb und wegen der unglücklich angebrachten Fahrbahnmarkierungen, die sie zu einem Fahrstreifenwechsel nötigten, hätten sie ebenfalls vorsichtig fahren müssen.
Aus diesem Grund ist es angemessen, zulasten des Klägers einen Mithaftungsanteil von 1/3 anzunehmen.
Beklagte haftet daher nur zu 2/3 für den entstandenen Schaden. Im Übrigen war die Klage abzuweisen.
II.
Soweit die geltend gemachten Schadenspositionen unstreitig sind, sind Ausführungen hierzu nicht veranlasst. Der Anspruch ergibt sich hinsichtlich der einzelnen Schadenspositionen und der Rechtsanwaltskosten aus §§249 ff. BGB.
1. Strittig ist hier nur der Nutzungsausgleich. Ein Anspruch darauf besteht nur, wenn nachgewiesen wurde, dass der Kläger wegen einer Reparatur des Fahrzeugs tatsächlich einen Tag auf dieses verzichten musste. Dieser Nachweis wurde nicht erbracht. Dem Kläger stehen daher 2/3 aus 883 ,91 € zu, das sind 589,27 €
2. Die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten können nur hinsichtlich der berechtigten Forderung gegen die Beklagten geltend gemacht werden. Unter Berücksichtigung des sich so ergebenden Gegenstandswertes beträgt die Rechtsanwaltsforderung 120,67 €.
3. Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 286, 291, 288 BGB.
Wegen der übrigen Forderungen war die Klage abzuweisen.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gemäß §§ 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 3 ZPO.