LG Osnabrück – Az.: 3 S 414/18 – Urteil vom 18.04.2019
1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Amtsgerichts Papenburg vom 22.11.2018 geändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 1.014,75 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 28.07.2018 zu zahlen.
2. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, den Kläger von vorgerichtlich entstandenen Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 93,18 € freizustellen.
3. Die Kosten des Rechtsstreits haben die Beklagten als Gesamtschuldner zu tragen.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
(Von der Darstellung des Tatbestandes wird gem. § 313 a ZPO abgesehen.)
Die zulässige Berufung des Klägers hat in der Sache Erfolg.
Der Kläger hat gem. §§ 7, 17, 18 StVG, § 823 BGB i. V. m. § 115 VVG Anspruch auf Ersatz seines Schadens.
Wie noch auszuführen sein wird, war der Unfall für die Beklagte zu 1) nicht unabwendbar im Sinne von § 17 Abs. 3 StVG. Es kann offen bleiben, ob der Unfall für den Kläger unabwendbar war. Denn unter Berücksichtigung der beiderseitigen Verursachungsanteile erscheint es gerechtfertigt, die Beklagten mit 100 % des Schadens des Klägers zu belasten.
Zutreffend geht das Amtsgericht davon aus, dass der Beklagten zu 1) ein Verstoß gegen § 9 Abs. 1 S. 4, Abs. 5 StVO zur Last zu legen ist. Auf die Ausführungen der angefochtenen Entscheidung, denen sich das Berufungsgericht in vollem Umfang anschließt, wird insoweit zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen.
Demgegenüber kann dem Kläger ein Pflichtenverstoß nicht zur Last gelegt werden. Er hat nicht entgegen § 5 Abs. 3 Nr. 1 StVO bei unklarer Verkehrslage überholt. Eine solche unklare Verkehrslage liegt dann vor, wenn nach den Umständen mit einem gefahrlosen Überholen nicht gerechnet werden kann. Dies ist dann der Fall, wenn der Vorausfahrende sich unklar verhält, er in seiner Fahrweise unsicher erscheint oder es den Anschein hat, er wolle abbiegen, ohne dass dies deutlich wird (OLG Düsseldorf, Urt. v. 19.12.2017 – 1 U 84/17; OLG Hamm, Beschl. v. 14.06.2018 – 4 RBs 174/18). Allein ein relatives Langsamfahren des Vorausfahrenden ohne sonstige Ausfälle ist nicht mit einer unklaren Situation im Sinne des § 5 Abs. 3 Nr. 1 StVG gleichzusetzen (OLG Hamm a.a.O.). Die theoretische Möglichkeit eines Linksabbiegens in eine der an der Straße befindlichen Grundstückszufahrten schafft noch keine unklare Verkehrslage. Eine das Überholen verbietende Verkehrslage entsteht vielmehr nur dann, wenn Umstände hinzutreten, die für ein unmittelbar folgendes Linksabbiegen sprechen können, wie z. B. eine Fahrtrichtungsanzeige. Wie das Amtsgericht zutreffend ausgeführt hat, bleibt vorliegend ungeklärt, ob die Beklagte zu 1) den Fahrtrichtungsanzeiger rechtzeitig gesetzt hat. Dass der Kläger zunächst davon ausging, die Beklagte zu 1) wolle abbiegen, spricht nicht für eine unklare Verkehrslage. Im Gegenteil durfte er, nachdem die Beklagte zu 1) seinen Angaben zufolge mit reduzierter Geschwindigkeit weiterfuhr, davon ausgehen, dass die Geschwindigkeitsreduzierung nicht im Hinblick auf ein Abbiegemanöver erfolgte.
Bei Gegenüberstellung der beiderseitigen Verursachungsanteile ist zu berücksichtigen, dass der Verkehrsverstoß der Beklagten zu 1) besonders schwer wiegt. Denn sie musste beim Abbiegen in ein Grundstück gem. § 9 Abs. 5 StVO eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausschließen. Demgegenüber ist dem Kläger lediglich die einfache Betriebsgefahr seines Fahrzeugs anzulasten. Diese tritt hinter dem schwerwiegenden Verschulden der Beklagten zu 1) zurück (OLG Düsseldorf a.a.O.).
Der Schaden des Klägers beläuft sich unstreitig auf 3.050,00 € für das Fahrzeug und 25,00 € Kostenpauschale. Abzüglich gezahlter 2.060,25 € verbleibt ein zu zahlender Betrag von 1.014,75 €.
Der Zinsanspruch folgt aus §§ 286, 288 BGB.
Die vorgerichtlich entstandenen Rechtsanwaltsgebühren belaufen sich bei einer 1,3-fachen Gebühr, einem Streitwert von 3.075,00 €, einer Pauschale von 20,00 € und Mehrwertsteuer auf 427,92 €. Abzüglich gezahlter 334,74 € verbleibt ein Betrag von 93,18 €.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 708 Nr. 10 ZPO.