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Verkehrsunfall – Erstattungsfähigkeit von Verbringungskosten

Zwist um Kosten nach Verkehrsunfall: Verbringungskosten unter der Lupe

In der unruhigen Welt des Straßenverkehrs sind Unfälle leider ein häufiges Phänomen. Doch neben dem physischen und emotionalen Schaden führen sie auch oft zu finanziellen Auseinandersetzungen zwischen den Parteien. Eine solche Auseinandersetzung fand vor dem AG Niebüll statt und betraf die Erstattungsfähigkeit von Verbringungskosten nach einem Verkehrsunfall.

Im Mittelpunkt des Disputs stand die Frage, ob die beklagte Partei die volle Höhe der Verbringungskosten zu tragen hat. Diese entstehen, wenn ein beschädigtes Fahrzeug oder dessen Teile von der Werkstatt zur Lackiererei transportiert werden müssen. Die Klägerin forderte eine vollständige Kostenübernahme für die Verbringung, während die Beklagte nur einen Teil der Kosten akzeptierte.

Direkt zum Urteil Az: 10a C 187/20 springen.

Ein tiefer Blick in das juristische Geplänkel

Es ging um den Betrag von 45,22 €, der zusätzlich zu den bereits von der Beklagten erstatteten Kosten für die Verbringung verlangt wurde. Einige Kosten waren bereits reguliert worden, die strittige Höhe der Verbringungskosten aber noch nicht. Laut § 7 Abs. 1 StVG in Verbindung mit den §§ 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG, 398 BGB ergibt sich ein Anspruch der Klägerin auf Erstattung der Kosten. Die Erstattungsfähigkeit von Verbringungskosten ist im Grunde genommen unbestritten, da solche Kosten in markengebundenen Fachwerkstätten regelmäßig anfallen.

Ein Fall von Werkstattrisiko

In dem Zusammenhang wurde das Konzept des Werkstattrisikos ins Spiel gebracht. Es besagt, dass das Risiko, zu teuer oder ineffizient zu reparieren, nicht beim Auftraggeber (in diesem Fall die Geschädigte), sondern beim Schädiger liegt. Demnach muss die eintrittspflichtige Haftpflichtversicherung dieses Risiko tragen. Aus diesem Grund war die Klage in Bezug auf den Anspruch auf Zahlung von Verbringungskosten in Höhe von 45,22 € zulässig und erfolgreich.

Der Streitwert und die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten

Der Streitwert wurde auf 45,22 € festgesetzt, dem Betrag, den die Klägerin als zusätzliche Verbringungskosten forderte. Darüber hinaus wurden auch vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 70,20 € berücksichtigt. Beide Kosten mussten von der beklagten Partei getragen werden, zusätzlich zu den bereits regulierten Verbringungskosten. Damit endete das Gerichtsverfahren mit einem Erfolg für die Klägerin.

Obwohl dieses Urteil nur einen kleinen Ausschnitt der komplexen Welt des Verkehrsrechts darstellt, illustriert es, wie wichtig es ist, sich der potenziellen finanziellen Folgen von Verkehrsunfällen bewusst zu sein. Selbst kleine Aspekte wie die Verbringungskosten können zu erheblichen Diskussionen und Streitigkeiten führen, die juristische Intervention erfordern.


Das vorliegende Urteil

AG Niebüll – Az.: 10a C 187/20 – Urteil vom 09.01.2021

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger einen Betrag in Höhe von 45,22 € zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 17.10.2019.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 70,20 € zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 14.05.2020.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 45,22 € festgesetzt.

Gründe

Verkehrsunfall – Verbringungskosten Erstattung
Ein Gerichtsfall in Niebüll befasste sich mit der Erstattung von Verbringungskosten nach einem Autounfall. Die Klägerin forderte eine vollständige Kostenübernahme, und das Gericht stimmte zu. (Symbolfoto: hedgehog94/Shutterstock.com)

Gemäß § 495a ZPO bestimmt das Gericht das Verfahren nach billigem Ermessen. Innerhalb dieses Entscheidungsrahmens berücksichtigt das Gerächt grundsätzlich den gesamten Akteninhalt.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in den §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.

Die Klage ist zulässig. In der Sache hat sie in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.

1) Die Klägerin hat gegen die Beklagte in der Hauptsache einen Anspruch auf Zahlung weiterer Verbringungskosten in Höhe von 45,22 €. Dieser Anspruch ergibt sich aus § 7 Abs. 1 StVG in Verbindung mit den §§ 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG, 398 BGB. Die vollständige Einstandspflicht der Beklagten dem Grunde nach aus dem streitgegenständlichen Verkehrsunfall ist zwischen den Parteien unstreitig, streitgegenständlich ist lediglich noch die Höhe der von der Beklagten zu erstattenden Verbringungskosten. Diese sind – entgegen der Auffassung der Beklagten – in Höhe von insgesamt 140,42 € ersatzfähig. Verbringungskosten fallen bei einer Reparatur in einer markengebundenen Fachwerkstatt regelmäßig an, weil – allgemein bekannt – die wenigsten solcher Werkstätten über eine eigene Lackiererei verfügen (LG Kiel, Beschluss vom 15.02.2010, 1 S 107/09, zitiert nach juris) – dies unabhängig davon, ob das gesamte Fahrzeug verbracht wird, oder ob nur Fahrzeugteile verbracht werden. Dementsprechend hat die Beklagte vorgerichtlich auch einen Teil der von der Klägerin abgerechneten Lackierkosten erstattet.

Auch in der Höhe sind die abgerechneten Verbringungskosten nicht zu beanstanden – wie die Beklagte auf die von ihr für angemessen gehaltene und bereits regulierte Pauschale in Höhe von 80,00 € netto kommt, trägt sie auch gar nicht vor.

Im Übrigen entspricht es dem üblichen Werkstattrisiko, wenn ein Autohaus zu lange, zu teuer oder sonst außerhalb des Einflussbereichs der Auftraggeberin unwirtschaftlich reparieren sollte. Ein solches Risiko trägt jedenfalls nicht die Geschädigte als Auftraggeberin, sondern der Schädiger, mithin die eintrittspflichtige Haftpflichtversicherung (AG Coburg, Urteil vom 13.07.2017, 15 C 466/17, zitiert nach juris). Es würde nämlich dem Sinn und Zweck des § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB widersprechen, wenn der Geschädigte bei Ausübung der Ersetzungsbefugnis im Verhältnis zum ersatzpflichtigen Schädiger mit Mehraufwendungen der Schadensbeseitigung belastet bliebe, deren Entstehung seinem Einfluss entzogen und die ihren Grund darin haben, dass die Schadensbeseitigung in einer fremden, vom Geschädigten nicht mehr kontrollierbaren Einflusssphäre stattfinden muss. Das Werkstattrisiko geht zulasten des Schädigers (AG Coburg, Urteil vom 27.11.2018, 14 C 1819/18, zitiert nach juris). Es macht dabei keinen Unterschied, ob die Werkstatt dem Geschädigten unnötige Arbeiten in Rechnung stellt, überhöhte Preise oder Arbeitszeiten in Ansatz bringt oder Arbeiten berechnet, die in dieser Weise nicht ausgeführt worden sind. Es besteht kein Grund dem Schädiger das Risiko für ein solches Verhalten abzunehmen (LG Köln, Urteil vom 07.05.2014, 9 S 314/13, zitiert nach juris).

Dementsprechend sind die Verbringungskosten in voller Höhe von 140,42 € als ersatzfähiger Schaden anzusehen. Da die Beklagte bereits einen Betrag in Höhe von 95,20 € gezahlt hat, verbleibt ein Anspruch in Höhe des geltend gemachten Betrages von 45,22 €.

Den entsprechenden Anspruch hat die Zedentin als Geschädigte entgegen der Auffassung der Beklagten auch wirksam an die Klägerin abgetreten, dies jedenfalls mit der als Anlage K3 vorliegenden Abtretungserklärung vom 16.10.2020.

2) Der Anspruch auf Verzinsung des zugesprochenen Betrages in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 17.10.2019 ergibt sich aus den §§ 286, 288 BGB. Die Beklagte ist mit Ablauf der in dem als Anlage K2 vorliegenden anwaltlichen Schreiben vom 09.10.2019 gesetzten Frist in Verzug geraten.

3) Der Anspruch erstreckt sich auch auf die Zahlung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe 70,20 €. Die Inanspruchnahme eines Rechtsanwalts war vorliegend zweckmäßig und erforderlich, um den Schadensersatzanspruch geltend zu machen und durchzusetzen.

Ein Anspruch auf Verzinsung der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 14.05.2020 ergibt sich aus den §§ 291, 288 BGB. Dass die Beklagte bezüglich der Rechtsanwaltskosten zu einem früheren Zeitpunkt in Verzug geraten wäre, ist weder vorgetragen noch ersichtlich. Insbesondere ergibt sich ein Verzug nicht aus dem Verstreichenlassen der einseitig vom klägerischen Prozessbevollmächtigten gesetzten Zahlungsfrist.

4) Die Klägerin hat gegen die Beklagte hingegen unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt einen Anspruch auf die geltend gemachte Verzinsung der von ihr eingezahlten Gerichtskosten. Ein solcher Anspruch ergibt sich entgegen der klägerischen Auffassung vorliegend nicht aus den §§ 280, 288 BGB – denn zwar hat die Klägerin vorgetragen, dass ihr ein konkreter Zinsschaden durch die Aufnahme eines Bankkredits entstanden sei, dies hat die Beklagte jedoch bestritten. Einen Beweis hat die insoweit darlegungs- und beweisbelastete Klägerin nicht angetreten. Entgegen der klägerischen Auffassung ist die Beklagte hinsichtlich der Gerichtskosten auch nicht in Verzug geraten. Ein solcher Verzug ergibt sich insbesondere nicht im Zusammenhang mit der in der Klageschrift gesetzten Zahlungsfrist von vier Wochen ab Rechtshängigkeit – zum einen löst bereits das Verstreichenlassen einer einseitig gesetzten Zahlungsfrist keinen Verzug aus, zum anderen war der klägerische Anspruch bei Ablauf dieser Frist auch nicht fällig – denn fällig wird der Kostenerstattungsanspruch erst mit der Kostengrundentscheidung, nicht bereits ab Rechtshängigkeit oder ab Stellung eines Klageabweisungsantrags (OLG München, Urteil vom 30.11.2016, 7 U 2038/16, zitiert nach juris).

5) Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf den §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.

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