LG Bochum, Az: I-5 S 55/13, Urteil vom 20.09.2013
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 26.03.2013 verkündete Urteil des Amtsgerichts Bochum teilweise abgeändert:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger über die rechtskräftige erstinstanzliche Verurteilung auf Zahlung eines Betrages von 436,98 Euro nebst ausgeurteilter Zinsen hinaus 272,33 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.12.2011 zu zahlen.
Die Beklagte wird darüber hinaus verurteilt, den Kläger gegenüber den Rechtsanwälten N und Dr. M aus I von den außergerichtlichen Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 130,50 Euro freizustellen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtstreits erster Instanz trägt der Kläger zu 70 % und die Beklagte zu 30 %.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger zu 86 % und die Beklagte zu 14 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Das angefochtene Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar, soweit die Berufung zurückgewiesen worden ist.
Gründe
(gem. § 540 ZPO)
Die Parteien streiten über die Zahlung von restlichem Schadensersatz wegen eines Verkehrsunfalls am Freitag, dem 02.11.2011 gegen 17:30 Uhr auf der Bundesautobahn 43 in Höhe der Anschlussstelle Bochum-Laer, bei dem der Pkw des Klägers, VW-Passat Variant TBI, Erstzulassung 14.07.2010, beschädigt worden ist.
Mit der Klage hat der Kläger nach vorprozessual geleisteten Zahlungen restlichen Schadensersatz für Nutzungsausfall 301,00 Euro, Wiederbeschaffungsaufwand 2.094,49 Euro, insgesamt 2.395,49 Euro nebst Zinsen sowie die Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 265,70 Euro geltend gemacht. Das Amtsgericht hat der Klage in Höhe von weiteren 2.366,82 Euro nebst Zinsen sowie einer Freistellung in Höhe von 265,70 Euro stattgegeben und im Übrigen die Klage abgewiesen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das erstinstanzliche Urteil Bezug genommen.
Gegen das Urteil wendet sich die Beklagte mit der Berufung, mit der sie die Abweisung der Klage in Höhe eines Betrages von 1.929,84 Euro beantragt.
Die Berufung der Beklagten ist zulässig und teilweise begründet.
Der Kläger hat gegenüber der Beklagten wegen des Verkehrsunfalls vom 02.11.2011 Ansprüche auf Schadensersatz aus §§ 7, 18 StVG in Verbindung mit § 115 VVG. Unstreitig haftet die Beklagte als Versicherer für den Verkehrsunfall zu 100 %.
Der Kläger hat einen Anspruch auf Ersatz des Wiederbeschaffungsaufwandes. Im Hinblick auf den wirtschaftlichen Totalschaden kann der Kläger den Wiederbeschaffungswert minus Restwert ersetzt verlangen. Die Berechnung des restlichen Wiederbeschaffungsaufwandes durch das Amtsgericht in Höhe von 13.815,60 Euro bzw. abzüglich geleisteter Zahlungen in Höhe von weiteren 3.907,84 Euro ist nicht zutreffend.
Auszugehen ist von einem Wiederbeschaffungswert von 19.579,83 Euro netto.
Grundlage für die Berechnung des Wiederbeschaffungswertes ist das außergerichtliche Gutachten des Sachverständigen Q1. Der Sachverständige hat in seinem Gutachten vom 04.11.2011 einen differenzbesteuerten Wiederbeschaffungswert von 23.300,00 Euro brutto angenommen. Für die Berechnung des zugrunde zu legenden Wiederbeschaffungswertes ist keine Differenzbesteuerung, sondern die Regelbesteuerung anzunehmen. Bei einer Abrechnung auf Wiederbeschaffungsbasis ist gem. § 249 Abs. 2 Satz 2 BGB eine gemäß dem vom Sachverständigengutachten im Wiederbeschaffungswert enthaltene Mehrwertsteuer nur dann zu erstatten, wenn sie tatsächlich angefallen ist. Bei einer fiktiven Abrechnung ist nur der Wiederbeschaffungswert netto ohne Mehrwertsteuer erstattungsfähig, sofern keine Mehrwertsteuer angefallen ist (Heß, ZfS 2002, 367). Entscheidend ist daher, in welchem Umfang in dem angegebenen Wiederbeschaffungswert Umsatzsteuer enthalten ist.
Der außergerichtliche Sachverständige hat in seinem Gutachten den Wiederbeschaffungswert differenzbesteuert angegeben. Für die Frage, ob sich die anfallende Umsatzsteuer nur auf die Händlerspanne bezieht oder die Voraussetzungen einer Differenzbesteuerung gem. § 25 a UStG zu bejahen sind, sind die Gegebenheiten des Gebrauchtwagenmarktes maßgeblich. Allgemein wird eine Differenzbesteuerung gem. § 25 a UStG angenommen, wenn ein gebrauchtes Fahrzeug beim Händler erworben wird, welches dieser in der Regel oder typischerweise von einem Privatmann erworben hat (vgl. Heß, ZfS 2002, 365; Lemke r+s 2002, 265; Wagner, NJW 2002, 249; BGH NJW 2004, 1943). Von einer Differenzbesteuerung kann in der Regel ausgegangen werden bei Gebrauchtfahrzeugen, die älter als drei Jahre sind (vgl. LG Rottweil, Urteil vom 07.06.2003, Beck RS 2003, 12282). Im Hinblick auf das geringe Alter des Fahrzeugs des Klägers von nur 16 Monaten ist nicht davon auszugehen, dass der Händler das Fahrtzeug von einem Privatmann erworben hat. Damit ist für die Berechnung des Mehrwertsteueranteils im Wiederbeschaffungswert nicht von einer Differenzbesteuerung, sondern von der Regelbesteuerung von 19 % auszugehen.
Zur Berechnung des Mehrwertsteueranteils ist der gegebene Betrag auf die Bezugsgröße von 100 % zu ermitteln. Bei einem Betrag von 23.300,00 Euro ergibt sich bei einer Umsatzsteuer von 19 % ein Steuerbetrag von 3.720,17 Euro und als Bemessungsgrundlage für die Besteuerung ein Betrag von 19.579,83 Euro.
Ebenso ist die rechnerische Ermittlung des Restwertes vorzunehmen. Der außergerichtliche Sachverständige Q1 hat in seinem Gutachten vom 04.11.2011 einen Restwert von 10.900,00 Euro brutto ermittelt. Für diesen Betrag ergibt sich bei einer Umsatzsteuer von 19 % ein Steuerbetrag von 1.754,71 Euro und als Bemessungsgrundlage für die Besteuerung ein Betrag von 9.235,29 Euro. Damit errechnet sich der Wiederbeschaffungsaufwand mit 19.579,83 Euro minus 9.235,29 Euro in Höhe von 10.344,54 Euro. Abzüglich der geleisteten Zahlung in Höhe von 9.907,56 Euro verbleibt ein restlicher Anspruch von 436,98 Euro.
In Höhe dieses Betrages von 436,98 Euro ist der vom Amtsgericht zuerkannte Zahlungsbetrag berechtigt. In dieser Höhe hat die Beklagte ausweislich ihres Antrages in der Berufungsinstanz das Urteil des Amtsgerichts auch nicht weiter angegriffen.
Darüber hinaus steht dem Kläger eine Nutzungsausfallentschädigung in Höhe des vom Amtsgericht zuerkannten Betrags von 272,33 Euro zu.
Allgemein wird für privat genutzte Fahrzeuge für einen Nutzungsausfall eine Entschädigungspflicht anerkannt. Voraussetzung für einen Anspruch auf Nutzungsentschädigung ist eine Nutzungsmöglichkeit und ein Nutzungswille (BGH NJW 1985, 2471, BGH VersR 1975, 37; Palandt, BGB, vor § 249 Rn. 22).
Zutreffend ist das Amtsgericht davon ausgegangen, dass dem Kläger ein Nutzungsausfall für die Zeit von dem Unfall bis zu dem Eingang des Sachverständigengutachtens zusteht. Die Voraussetzungen einer Ersatzfähigkeit sind zu bejahen. Zwar wird bei gewerblichen Fahrzeugen eine abstrakte Nutzungsausfallentschädigung grundsätzlich nicht zuerkannt, vorliegend ist jedoch zu berücksichtigen, dass es sich um ein gemischt genutztes Fahrzeug handelte, das auch privat gefahren werden durfte. Insoweit ist von einer rechtlichen Beurteilung wie bei einem Privatfahrzeug auszugehen. Damit stellt sich die vom Amtsgericht vorgenommene Berechnung einer Nutzungsausfallentschädigung als berechtigt dar.
Darüber hinaus hat der Kläger einen Anspruch in Höhe von 130,50 € auf Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten auf der Grundlage des berechtigten Schadensbetrages.
Die Nebenentscheidungen folgen bezüglich der Kosten aus §§ 91, 92, 97 ZPO und bezüglich der vorläufigen Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
Die Zulassung der Revision gem. § 543 ZPO ist nicht veranlasst.