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Verkehrsunfall – Umfang der Erstattungsfähigkeit von Reparaturkosten

Das Amtsgericht Hanau entschied, dass die Haftpflichtversicherung dem Geschädigten die vollen Reparaturkosten erstatten muss, auch wenn die Werkstatt möglicherweise unsachgemäß oder unwirtschaftlich gearbeitet hat. Der Geschädigte trägt keine Auswahl- oder Überwachungspflicht gegenüber der Werkstatt, sodass das Werkstattrisiko beim Schädiger bzw. dessen Versicherung verbleibt.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 39 C 186/22 (19)

✔ Kurz und knapp


  • Im Schadensersatzfall kann der Geschädigte statt Wiederherstellung den erforderlichen Geldbetrag verlangen.
  • Der erforderliche Betrag bemisst sich nach den konkreten Umständen des Geschädigten (subjektbezogene Schadensbetrachtung).
  • Übergibt der Geschädigte das Fahrzeug einer Fachwerkstatt, sind deren Reparaturkosten grundsätzlich ersatzfähig.
  • Das Werkstattrisiko verbleibt beim Schädiger, selbst wenn die Kosten überhöht erscheinen.
  • Ausnahme: Dem Geschädigten trifft ein Auswahl- oder Überwachungsverschulden.
  • Sachverständigenkalkulation ist nicht strikt maßgeblich, Überschreitung ist unschädlich.
  • Einwände zur objektiven Erforderlichkeit einzelner Reparaturpositionen sind unbeachtlich.
  • Vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten sind ebenfalls erstattungsfähig gemäß Gesetz.

Verkehrsunfall: Wer trägt das Werkstattrisiko?

Wenn ein Verkehrsunfall zu Schäden am Fahrzeug führt, stellt sich für den Geschädigten oft die Frage, welche Reparaturkosten vom Schädiger oder dessen Versicherung erstattet werden müssen. Das Gesetz sieht hier einen Anspruch des Geschädigten auf Ersatz des zur Wiederherstellung des Zustands vor der Beschädigung erforderlichen Geldbetrags vor. Allerdings ist die genaue Berechnung dieses Betrags nicht immer eindeutig, da neben dem objektiven Reparaturaufwand auch die individuelle Situation des Geschädigten zu berücksichtigen ist. So spielt etwa eine Rolle, ob der Geschädigte das Fahrzeug in einer Fachwerkstatt reparieren lässt und inwiefern er auf deren Expertise angewiesen ist. Ebenso können Überschreitungen der ursprünglichen Kostenschätzung durch den Sachverständigen die Erstattungsfähigkeit beeinflussen. Ein konkreter Gerichtsfall soll nun die Rechtslage und die relevanten Aspekte näher beleuchten.

Unsere Expertise für Ihre Ansprüche

Als erfahrene Verkehrsrechtsanwälte wissen wir, wie komplex und belastend ein Verkehrsunfall für Betroffene sein kann. Oft stehen Geschädigte vor der Herausforderung, ihre Rechte gegenüber der gegnerischen Versicherung durchzusetzen – insbesondere wenn es um die Erstattung von Reparaturkosten geht. Wir kennen die relevanten rechtlichen Aspekte wie die Vorgaben des Gesetzes und die maßgeblichen Gerichtsurteile in solchen Fällen. [Lassen Sie sich von uns in einer unverbindlichen Ersteinschätzung beraten, um Ihre Ansprüche bestmöglich durchzusetzen und eine faire Regulierung zu erzielen.]

✔ Der Fall vor dem Amtsgericht Hanau


Verkehrsunfall und Erstattungsfähigkeit der Reparaturkosten

Im vorliegenden Fall begehrte der Kläger weiteren Schadensersatz aufgrund eines Verkehrsunfalls. Der Kläger war Eigentümer eines Pkw mit dem amtlichen Kennzeichen KENNK1. Die Beklagte war die Haftpflichtversicherung des Fahrzeugs mit dem amtlichen Kennzeichen KENNB1. Der Unfall ereignete sich in ORT am DATUM, wobei die Beklagte dem Grunde nach zu 100 % haftete.

Nach dem Unfall holte der Kläger ein Gutachten über die Schäden an seinem Fahrzeug ein und ließ es in einer Werkstatt reparieren. Die Werkstatt stellte ihm dafür eine Rechnung aus. Der Kläger bezifferte den entstandenen Schaden insgesamt auf 16.126,24 €. Er beauftragte einen Anwalt, der die Beklagte zur Zahlung der Reparatur- und Anwaltskosten aufforderte. Die Beklagte regulierte die meisten Forderungen, bestritt jedoch die Notwendigkeit eines Restbetrags an Reparatur- und Anwaltskosten.

Die Beklagte argumentierte, dass die Rechnung der Werkstatt einen Reparaturaufwand enthielt, der nicht erforderlich war. Sie behauptete, dass nur die bereits gezahlten Beträge gerechtfertigt seien und dass die Überhöhung der Rechnung für den Kläger erkennbar gewesen sei.

Gerichtliche Entscheidung zur Schadensersatzpflicht

Das Amtsgericht Hanau entschied, dass die Klage des Klägers begründet sei. Der Kläger konnte von der Beklagten die Zahlung von weiteren 977,20 € sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten von 80,44 € verlangen. Das Gericht stellte fest, dass der Kläger gemäß § 249 Abs. 2 S. 1 BGB anstelle der Herstellung den dafür erforderlichen Geldbetrag verlangen könne. Der erforderliche Betrag muss so bemessen sein, dass der Geschädigte weder reicher noch ärmer wird, als wenn der Schädiger den Schaden beseitigt hätte.

Das Gericht wies darauf hin, dass der erforderliche Herstellungsaufwand auch durch die spezielle Situation des Geschädigten bestimmt wird, einschließlich seiner Abhängigkeit von Fachleuten. Wenn der Geschädigte das Fahrzeug ohne eigenes Verschulden einer Werkstatt übergibt, sind die dadurch anfallenden Reparaturkosten auch dann ersatzfähig, wenn die Werkstatt unsachgemäß oder unwirtschaftlich arbeitet. Das Werkstattrisiko bleibt beim Schädiger.

Berücksichtigung der Reparaturkosten und Werkstattrisiko

Das Gericht stellte klar, dass die Reparaturkosten gemäß der Rechnung der Werkstatt dem Kläger von der Beklagten vollständig zu erstatten sind. Der Kläger hatte keine Auswahl- oder Überwachungsverpflichtung gegenüber der Werkstatt, und es gab keine Anhaltspunkte für ein Verschulden seinerseits. Daher blieb das Werkstattrisiko bei der Beklagten.

Selbst wenn die Reparaturkosten aufgrund unsachgemäßer oder unwirtschaftlicher Arbeitsweise der Werkstatt unangemessen hoch gewesen wären, wäre dies für den Kläger unerheblich. Dies gilt auch für die Überschreitung der Kostenschätzung des Sachverständigen um etwa 15 %. Im vorliegenden Fall war die Überschreitung geringer. Über die Einwände der Beklagten zur Höhe der Rechnung musste daher kein Beweis erhoben werden.

Zusätzliche Zins- und Anwaltskosten

Der Kläger hatte auch Anspruch auf die zugesprochenen Zinsen gemäß §§ 280 Abs. 1, 2, 286 Abs. 1 S. 1, 288 Abs. 1 BGB. Zusätzlich konnte er die Zahlung weiterer vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von 80,44 € verlangen. Diese setzten sich aus einer 1,3-Geschäftsgebühr zuzüglich Auslagenpauschale und Umsatzsteuer nach dem RVG zusammen, abzüglich bereits geleisteter Teilzahlungen der Beklagten. Auch hierfür ergab sich der Anspruch auf Zinsen aus den entsprechenden gesetzlichen Bestimmungen.

Kosten des Rechtsstreits und vorläufige Vollstreckbarkeit

Die Kosten des Rechtsstreits wurden der Beklagten auferlegt. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgte den §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

✔ Die Schlüsselerkenntnisse in diesem Fall


Das Urteil stellt klar, dass der Geschädigte bei der Beauftragung einer Werkstatt keine Überwachungspflicht hat und das Werkstattrisiko beim Schädiger verbleibt. Somit sind auch unangemessen hohe Reparaturkosten aufgrund unsachgemäßer oder unwirtschaftlicher Arbeitsweise der Werkstatt vom Schädiger zu tragen. Diese Entscheidung stärkt die Rechte des Geschädigten und entlastet ihn von der Verantwortung für das Verhalten der beauftragten Werkstatt.

✔ FAQ – Häufige Fragen: Erstattungsfähigkeit von Reparaturkosten


Kann ich als Unfallgeschädigter die Werkstatt für die Reparatur frei wählen?

Nach einem Verkehrsunfall hat der Geschädigte grundsätzlich das Recht, die Werkstatt für die Reparatur seines Fahrzeugs frei zu wählen. Dies ergibt sich aus dem Anspruch auf Naturalrestitution gemäß § 249 BGB. Der Schädiger bzw. dessen Haftpflichtversicherung ist verpflichtet, den Zustand wiederherzustellen, der ohne das schädigende Ereignis bestehen würde.

Der BGH hat in mehreren Urteilen klargestellt, dass der Geschädigte sein Fahrzeug in die Werkstatt seiner Wahl bringen darf und vom Schädiger die Erstattung der erforderlichen Reparaturkosten verlangen kann. Dies gilt selbst dann, wenn die Rechnung möglicherweise überhöht ist (sogenanntes „Werkstattrisiko“). Der Geschädigte muss lediglich eine Fachwerkstatt mit der Reparatur beauftragen und darf kein Auswahl- oder Überwachungsverschulden treffen.

Eine Verweisung des Geschädigten an eine günstigere Werkstatt durch die gegnerische Versicherung ist nur unter engen Voraussetzungen zulässig. Sie muss dem Geschädigten zumutbar sein, was beispielsweise nicht der Fall ist, wenn die empfohlene Werkstatt schwer erreichbar ist oder die Reparatur nicht zeitnah durchführen kann. Auch ein kostenpflichtiger Hol- und Bringservice macht die Verweisung nicht automatisch zumutbar.

Viele Kfz-Versicherungen bieten günstigere Verträge mit Werkstattbindung an. Hat der Geschädigte eine solche Police abgeschlossen, ist er im Schadensfall verpflichtet, sein Fahrzeug in der Vertragswerkstatt reparieren zu lassen. Andernfalls riskiert er, auf einem Teil der Kosten sitzen zu bleiben. Ohne ausdrückliche Vereinbarung kann die Versicherung den Geschädigten aber nicht zur Reparatur in einer bestimmten Werkstatt zwingen.

Beispiel Herr Müller erleidet als Unschuldiger einen Verkehrsunfall. Die gegnerische Versicherung verweist ihn an eine Partnerwerkstatt in einem entfernten Industriegebiet. Herr Müller möchte sein Auto aber lieber in der vertrauten Markenwerkstatt um die Ecke reparieren lassen. Da die Anfahrt zur Verweisungswerkstatt für ihn sehr umständlich wäre und er keinen kostenlosen Hol- und Bringservice angeboten bekommt, darf Herr Müller die Reparatur in seiner Wunsch-Werkstatt durchführen lassen. Die gegnerische Versicherung muss die Kosten dafür tragen.

Muss die gegnerische Versicherung auch die Reparaturkosten übernehmen, wenn diese höher ausfallen als im Gutachten geschätzt?

Wenn nach einem Verkehrsunfall die tatsächlichen Reparaturkosten höher ausfallen als im Gutachten geschätzt, muss die gegnerische Versicherung diese Mehrkosten in der Regel trotzdem übernehmen. Entscheidend ist, dass die durchgeführte Reparatur in Art und Umfang objektiv erforderlich war, um den Schaden fachgerecht zu beheben.

Der Bundesgerichtshof hat klargestellt, dass das sogenannte „Prognoserisiko“ zulasten des Schädigers geht. Das bedeutet der Geschädigte haftet nicht für unvorhersehbare Unwägbarkeiten bei der Reparatur und darf daraus keinen Nachteil erleiden. Voraussetzung ist jedoch, dass die Mehrkosten vom Sachverständigen bestätigt werden.

Ein Beispiel Während der Reparatur stellt die Werkstatt fest, dass zusätzliche Arbeiten nötig sind, die im ursprünglichen Gutachten nicht enthalten waren. Wird der Gutachter erneut hinzugezogen und bestätigt er die Notwendigkeit, muss die gegnerische Versicherung die gesamten Reparaturkosten erstatten. Das gilt selbst dann, wenn die 130%-Grenze überschritten wird.

Der Geschädigte ist also weitgehend davor geschützt, auf unerwarteten Mehrkosten sitzen zu bleiben, solange er sich an den Reparaturweg des Gutachtens hält. Nur für Reparaturen, die über das objektiv Erforderliche hinausgehen, kann ihm eine Mitschuld zugerechnet werden.

Dennoch empfiehlt es sich für Geschädigte, die Werkstatt frühzeitig zu kontaktieren, wenn sich Mehrkosten abzeichnen. So kann der Gutachter rechtzeitig eingeschaltet werden, um die Erstattungsfähigkeit zu bestätigen. Auch die Versicherung sollte informiert werden, um spätere Diskussionen zu vermeiden.

Bin ich verpflichtet, die Arbeitsweise und Rechnungsstellung der Werkstatt zu überprüfen?

Nein, als Geschädigter eines Verkehrsunfalls sind Sie nicht verpflichtet, die Arbeitsweise und Rechnungsstellung der von Ihnen beauftragten Werkstatt zu überprüfen. Sie dürfen darauf vertrauen, dass die Werkstatt fachgerecht und nach den anerkannten Regeln der Technik arbeitet. Eine Kontrollpflicht trifft Sie als Auftraggeber der Reparatur nicht.

Etwaige Mängel bei der Ausführung der Reparaturarbeiten oder eine unwirtschaftliche Arbeitsweise der Werkstatt fallen nicht in Ihren Verantwortungsbereich. Solche Versäumnisse der Werkstatt berühren Ihren Anspruch auf Ersatz der Reparaturkosten gegenüber dem Schädiger bzw. dessen Haftpflichtversicherung nicht.

Stellt sich im Nachhinein heraus, dass die Reparatur nicht ordnungsgemäß durchgeführt wurde und dadurch weitere Schäden am Fahrzeug entstanden sind, ist dies allein Sache der Werkstatt. Sie als Geschädigter müssen dafür nicht einstehen. Ihr Anspruch auf Ersatz der angefallenen Reparaturkosten bleibt davon unberührt.

Ebenso verhält es sich, wenn die Werkstatt unwirtschaftlich arbeitet, also z.B. zu viele Arbeitsstunden ansetzt oder zu hohe Preise für Ersatzteile berechnet. Auch dies fällt nicht in Ihren Verantwortungsbereich und schmälert Ihren Ersatzanspruch nicht. Der Schädiger bzw. dessen Haftpflichtversicherung kann die Erstattung der Reparaturkosten nicht mit dem Argument verweigern, die Werkstatt habe unwirtschaftlich gearbeitet. Dies wäre allenfalls eine Sache zwischen Schädiger und Werkstatt.

Was kann ich tun, wenn die gegnerische Versicherung die Erstattung der vollen Reparaturkosten ablehnt?

Wenn die gegnerische Versicherung nach einem Unfall die Erstattung der vollen Reparaturkosten ablehnt, sollten Geschädigte ihre berechtigten Ansprüche konsequent durchsetzen. Keinesfalls sollte man sich vorschnell mit einer Teilzahlung zufriedengeben.

Zunächst empfiehlt es sich, mit Hilfe eines spezialisierten Rechtsanwalts nochmals außergerichtlich die Forderung gegenüber der Versicherung geltend zu machen. Der Anwalt wird die Ansprüche umfassend begründen und auf die einschlägige Rechtsprechung verweisen. Oft lenken die Versicherungen in diesem Stadium schon ein, um einen Rechtsstreit zu vermeiden.

Bleibt die Versicherung jedoch bei der Ablehnung, muss der Anspruch gerichtlich durchgesetzt werden. Auch hier ist anwaltliche Unterstützung unverzichtbar. Gerade bei berechtigten Ansprüchen stehen die Erfolgsaussichten einer Klage sehr gut. Die Rechtsprechung stärkt die Position der Geschädigten, wenn diese ein Sachverständigengutachten eingeholt und die Reparatur entsprechend beauftragt haben.

Ein Beispiel dafür ist das Urteil des LG Düsseldorf vom 15.02.2019 (Az. 20 S 109/18). Dort hatte die HUK Coburg die Reparaturkosten eigenmächtig gekürzt. Das Gericht verurteilte den Versicherer jedoch zur Zahlung des vollen Betrags. Es stellte klar, dass der Geschädigte mit Gutachten und Reparaturauftrag alles Erforderliche getan hat. Mögliche Fehler des Gutachters oder der Werkstatt sind für ihn ohne Belang – dieses Risiko trägt der Schädiger bzw. dessen Versicherung.

Geschädigte sollten sich also nicht scheuen, ihre berechtigten Ansprüche mit anwaltlicher Hilfe und notfalls auch gerichtlich konsequent durchzusetzen. Die Erfolgsaussichten stehen gut, wenn sie sich an den Sachverständigen und die Fachwerkstatt gehalten haben. Nur so kann eine vollständige Regulierung des Unfallschadens erreicht werden.

Relevanz: 8

§ Relevante Rechtsgrundlagen des Urteils


  • § 249 BGB (Schadensersatz): Dieser Paragraph regelt den Schadensersatz und bestimmt, dass der Geschädigte statt der Reparatur die erforderlichen Kosten verlangen kann. Im konkreten Fall bedeutet dies, dass der Kläger die Erstattung der Reparaturkosten von der Versicherung verlangen kann, anstatt die Reparatur selbst durchführen zu lassen.
  • § 249 Abs. 2 S. 1 BGB (Ersetzungsbefugnis): Dieser Absatz gibt dem Geschädigten das Recht, den zur Herstellung erforderlichen Geldbetrag zu fordern, anstatt auf die tatsächliche Wiederherstellung zu bestehen. Im vorliegenden Fall nutzt der Kläger dieses Recht, indem er die Zahlung der Reparaturkosten verlangt.
  • Subjektbezogene Schadensbetrachtung: Dieser Grundsatz besagt, dass die individuellen Umstände des Geschädigten bei der Bemessung des Schadensersatzes berücksichtigt werden müssen. Im konkreten Fall bedeutet dies, dass die Reparaturkosten auch dann in voller Höhe zu erstatten sind, wenn die Werkstatt unsachgemäß oder teurer arbeitet als andere Werkstätten, da der Geschädigte auf die Werkstatt angewiesen war und keine Kontrollpflicht trifft.
  • Werkstattrisiko: Das Werkstattrisiko bezeichnet die Gefahr, dass die Reparaturkosten höher ausfallen als geplant oder dass Mängel auftreten. Nach deutschem Recht trägt dieses Risiko nicht der Geschädigte, sondern der Schädiger bzw. dessen Versicherung. Im konkreten Fall wird dadurch dem Kläger die Sorge genommen, für Fehler oder Überhöhungen der Werkstatt aufkommen zu müssen.
  • § 115 VVG (Umfang der Ersatzpflicht): Dieser Paragraph des Versicherungsvertragsgesetzes regelt den Umfang der Leistungspflicht der Kfz-Haftpflichtversicherung. Im konkreten Fall ist relevant, dass die Versicherung des Schädigers grundsätzlich für den gesamten Schaden aufkommen muss, der aus dem Unfall entstanden ist, einschließlich der berechtigten Reparaturkosten.
  • §§ 7, 18 StVG (Haftung des Fahrzeughalters): Diese Paragraphen des Straßenverkehrsgesetzes begründen die Haftung des Fahrzeughalters für Schäden, die durch den Betrieb seines Fahrzeugs verursacht werden. Im konkreten Fall führt dies dazu, dass die Versicherung des beklagten Fahrzeughalters für den Schaden des Klägers aufkommen muss.


⬇ Das vorliegende Urteil vom Amtsgericht Hanau

AG Hanau – Az.: 39 C 186/22 (19) – Urteil vom 17.05.2023

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 977,20 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit dem 04.11.2022 sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten von 80,44 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit dem 04.11.2022 zu zahlen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung des Klägers abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aus dem Urteil von dem Kläger insgesamt gegen sie vollstreckbaren Betrages, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Der Kläger begehrt weiteren Schadensersatz aufgrund eines Verkehrsunfalls.

Der Kläger war Eigentümer des Pkw, amtliches Kennzeichen: KENNK1. Die Beklagte war die Haftpflichtversicherung des Pkw, amtliches Kennzeichen: KENNB1. Am DATUM ereignete sich in ORT ein Verkehrsunfall zwischen den oben genannten Fahrzeugen, für den die Beklagte dem Grunde nach zu 100 % haftet.

Der Kläger holte hinsichtlich der durch den Verkehrsunfall an seinem Pkw entstandenen Schäden vorgerichtlich das Gutachten des GUTACHTERS vom DATUM ein (Bl. 15 ff. d.A.). Er veranlasste die Reparatur seines Pkw bei der FIRMA, die die Reparatur ausführte und ihm die Rechnung vom DATUM erteilte (Bl. 3 ff. d.A.). Der Kläger bezifferte den ihm entstandenen Schaden auf insgesamt 16.126,24 €. Wegen Einzelheiten der Schadenspositionen wird auf Bl. 1 R ff. d.A. Bezug genommen. Der Kläger beauftragte seinen Prozessbevollmächtigten vorgerichtlich mit der Durchsetzung seiner Ansprüche, der die Beklagte mit Schreiben vom 14.09.2022 unter Fristsetzung auf den 23.09.2022 zur Zahlung der Hauptforderung und der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten aufforderte. Die Beklagte veranlasste hinsichtlich der Reparaturkosten den Prüfbericht vom 05.10.2022 (Bl. 61 ff. d.A.) und regulierte die klägerseits begehrten Positionen überwiegend mit Ausnahme eines Restes der Reparatur- und Anwaltskosten.

Der Kläger ist der Ansicht, die Beklagte müsse ihm auch die weiteren Reparaturkosten abzüglich eines Wertvorteils umfassend erstatten. Die Einwände der Beklagten seien im Verhältnis zu dem Kläger wegen der Grundsätze der subjektbezogenen Schadensbetrachtung und des Werkstattrisikos unerheblich. Der Kläger behauptet, die von der Reparaturwerkstatt abgerechneten Reparaturen und Kosten seien zur ordnungsgemäßen Instandsetzung des klägerischen Pkw umfassend erforderlich gewesen, namentlich seien die technischen Einwände der Beklagten unzutreffend.

Der Kläger beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an ihn 977,20 € und restliche Nebenforderung von 80,44 € jeweils nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über Basiszinssatz seit 04.11.2022 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Ansicht, sie habe bereits alle berechtigten Ansprüche des Klägers erfüllt. Die Beklagte behauptet, die Rechnung der Reparaturwerkstatt berücksichtige einen Reparaturaufwand, der tatsächlich schadenbedingt nicht erforderlich sei. Erforderlich seien allenfalls Reparaturkosten in Höhe des insoweit regulierten Betrages. Wegen weiterer Einzelheiten ihres diesbezüglichen Vortrags wird auf Bl. 58 ff. und 61 ff. d.A. verwiesen. Die Überhöhung der Rechnung sei für den Kläger erkennbar gewesen.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist begründet.

Der Kläger kann von der Beklagten (§ 115 VVG i.V.m. §§ 7, 18 StVG) dem Grunde nach aufgrund des Verkehrsunfalls die Zahlung von Schadensersatz zu 100 % verlangen. Der Höhe nach stehen ihm die begehrten weiteren Reparaturkosten von 977,20 € zu. Der seitens der Reparaturwerkstatt abgerechnete Betrag abzüglich der Teilregulierung der Beklagten und des Wertvorteils ergibt zumindest den zugesprochenen Betrag.

Ist wegen Beschädigung einer Sache Schadensersatz zu leisten, so kann der Geschädigte gemäß § 249 Abs. 2 S. 1 BGB statt der Herstellung den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen (sogenannte „Ersetzungsbefugnis“). Im Ausgangspunkt ist der Anspruch auf Befriedigung seines Finanzierungsbedarfs in Form des zur Wiederherstellung objektiv erforderlichen Geldbetrags und nicht etwa auf Ausgleich von Rechnungen gerichtet. Die dem Geschädigten zur Verfügung zu stellenden Mittel müssen so bemessen sein, dass er, sofern er nur wirtschaftlich vernünftig verfährt, durch die Ausübung der Ersetzungsbefugnis nicht reicher, aber auch nicht ärmer wird, als wenn der Schädiger den Schaden gemäß § 249 Abs. 1 BGB beseitigt. Nach dem Grundsatz der subjektbezogenen Schadensbetrachtung wird der „erforderliche“ Herstellungsaufwand dabei nicht nur durch Art und Ausmaß des Schadens sowie die örtlichen und zeitlichen Gegebenheiten für seine Beseitigung, sondern auch durch die spezielle Situation des Geschädigten, insbesondere seine Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten sowie die möglicherweise gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten bestimmt. Zu berücksichtigen ist etwa auch die Abhängigkeit des Geschädigten von Fachleuten, die er zur Instandsetzung des Unfallfahrzeugs heranziehen muss. Übergibt der Geschädigte das beschädigte Fahrzeug an eine Fachwerkstatt zur Instandsetzung, ohne dass ihn insoweit ein (insbesondere Auswahl- oder Überwachungs-)Verschulden trifft, so sind die dadurch anfallenden Reparaturkosten im Verhältnis des Geschädigten zum Schädiger deshalb auch dann vollumfänglich ersatzfähig, wenn sie aufgrund unsachgemäßer oder unwirtschaftlicher Arbeitsweise der Werkstatt im Vergleich zu dem, was für eine entsprechende Reparatur sonst üblich ist, unangemessen sind; in einem solchen Fall gegebenenfalls bestehende Ansprüche des Geschädigten gegen den Werkstattbetreiber spielen nur insoweit eine Rolle, als der Schädiger im Rahmen des Vorteilsausgleichs deren Abtretung verlangen kann. Das Werkstattrisiko verbleibt damit – wie bei § 249 Abs. 1 BGB – auch im Rahmen des § 249 Abs. 2 S. 1 BGB im Verhältnis des Geschädigten zum Schädiger beim Schädiger (BGH, Urt. v. 26.04.2022 – VI ZR 147/21, juris Rn. 12).

Nach diesen Grundsätzen sind die Reparaturkosten gemäß der Rechnung der Reparaturwerkstatt dem Kläger seitens der Beklagten umfassend zu erstatten. Der Kläger beauftragte die Instandsetzung seines Fahrzeuges in einer Fachwerkstatt, die die Reparatur tatsächlich durchführte. Anhaltspunkte für ein Auswahl- oder Überwachungsverschulden des Klägers sind weder dargelegt, noch sonst ersichtlich. Es kann dahinstehen, ob die angefallenen Reparaturkosten aufgrund unsachgemäßer oder unwirtschaftlicher Arbeitsweise der Werkstatt im Vergleich zu dem, was für eine entsprechende Reparatur sonst üblich ist, unangemessen sind; das Werkstattrisiko verbleibt bei der Beklagten. Der BGH hat in diesem Rahmen der Nichtzahlung der Rechnung der Reparaturwerkstatt seitens des Geschädigten keine dem Geschädigten nachteilhafte Bedeutung beigemessen (BGH, Urt. v. 26.04.2022 – VI ZR 147/21, juris Rn. 2 u. 16). Gleiches gilt für die Überschreitung der Kalkulation eines vor der Reparatur beauftragten Sachverständigen durch den in der Rechnung der Reparaturwerkstatt abgerechneten Betrag um ca. 15 % (BGH, Urt. v. 26.04.2022 – VI ZR 147/21, juris Rn. 2 u. 14). Vorliegend überschreitet die Rechnung die Kalkulation des Sachverständigen um einen geringeren Prozentsatz. Über die Einwände der Beklagten hinsichtlich der Rechnungshöhe, die auf die objektive Erforderlichkeit der streitigen Positionen gerichtet sind, war kein Beweis zu erheben.

Die weiteren, zwischen den Parteien streitigen Umstände können dahinstehen.

Der Anspruch auf die zugesprochenen Zinsen folgt aus §§ 280 Abs. 1, 2, 286 Abs. 1 S. 1, 288 Abs. 1 BGB.

Der Kläger kann die Zahlung von weiteren vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten von 80,44 € verlangen, § 115 VVG i.V.m. §§ 7, 18 StVG. Eine 1,3 Geschäftsgebühr zuzüglich Auslagenpauschale und Umsatzsteuer nach dem RVG aus dem dem Kläger insgesamt zustehenden Betrag von 16.031,69 €, der den maßgeblichen Gegenstandswert bildet, belaufen sich auf 1.214,99 €. Abzüglich der Teilzahlung der Beklagten von 1.134,55 € ergibt sich der zugesprochene Betrag.

Der Anspruch auf die diesbezüglich zugesprochenen Zinsen folgt aus §§ 280 Abs. 1, 2, 286 Abs. 1 S. 1, 288 Abs. 1 BGB.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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