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Verkehrsunfall – Auswahl des Sachverständigen

Verkehrsunfall-Urteil: OLG Frankfurt entscheidet über Schadensregulierung

In einem Verkehrsunfall, bei dem ein Fahrschulfahrzeug beschädigt wurde, hat das OLG Frankfurt entschieden, dass der Kläger teilweise Anspruch auf weitere Ersatzansprüche gegen den Haftpflichtversicherer des Unfallgegners hat, einschließlich der vollen Sachverständigenkosten und der Mehrheit der angeforderten Mietwagenkosten, jedoch ohne den Umsatzsteueranteil auf die merkantile Wertminderung.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 4 U 294/22 >>>

✔ Das Wichtigste in Kürze

  • Der Kläger, ein Fahrschulinhaber, hat nach einem Unfall mit einem von seiner Fahrschule genutzten Fahrzeug teilweise Ansprüche auf Schadensersatz gegen die Versicherung des Unfallgegners durchgesetzt.
  • Das Gericht anerkannte die volle Höhe der Sachverständigenkosten und größtenteils die angeforderten Mietwagenkosten, verneinte aber den Anspruch auf den Umsatzsteueranteil der merkantilen Wertminderung.
  • Es wurde betont, dass der Geschädigte nicht zu überobligatorischen Anstrengungen zur Schadensminderung verpflichtet ist, aber im Falle von Reparaturverzögerungen eine gewisse Erkundigungspflicht besteht.
  • Der Kläger konnte nicht nachweisen, dass die Voraussetzungen für eine Differenzbesteuerung erfüllt waren, wodurch der Umsatzsteueranteil bei der Wertminderung abgezogen wurde.
  • Die Entscheidung beinhaltet auch Hinweise auf die Verpflichtung des Geschädigten, im Rahmen des Zumutbaren den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen.
  • Das Urteil lässt Revision zu, da die Frage der Abzugsfähigkeit der Umsatzsteuer auf die merkantile Wertminderung höchstrichterlich nicht entschieden ist.

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Ob bei einem Autounfall, einer Windschutzreparatur oder einem LeasingrückläuferKfz-Sachverständige spielen eine entscheidende Rolle. Sie bewerten Fahrzeugschäden professionell und objektiv. Diese Gutachten dienen als Grundlage für Reparaturen, Wertermittlungen und Regulierungen mit Versicherungen.

Die Auswahl des richtigen Sachverständigen ist für Fahrzeughalter und Haftpflichtversicherer gleichermaßen wichtig. Viele Faktoren wie Unabhängigkeit, Qualifikation, Erfahrung und Kosten sind zu berücksichtigen. Falsche Weichenstellungen können späteren Ärger, Mehrkosten und Rechtsstreitigkeiten nach sich ziehen.

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➜ Der Fall im Detail


Schadensregulierung nach Verkehrsunfall: OLG Frankfurt fällt Urteil

Im Fokus des Rechtsstreits stand ein Verkehrsunfall vom 28. September 2021, bei dem ein Fahrschulfahrzeug in Stadt1 beschädigt wurde. Der Kläger, Inhaber einer Fahrschule und Halter sowie Leasingnehmer des betroffenen Fahrzeugs, forderte weiterführenden Schadenersatz vom Haftpflichtversicherer des Unfallgegners. Die Haftung war grundsätzlich unstreitig, doch die Höhe der Ersatzansprüche führte zu gerichtlichen Auseinandersetzungen. Neben der Schadenshöhe waren insbesondere die Angemessenheit der Sachverständigenkosten, Mietwagenkosten und die Behandlung der Umsatzsteuer auf die Wertminderung umstritten.

Die Entscheidung des Gerichts

Das OLG Frankfurt entschied zugunsten des Klägers hinsichtlich der Sachverständigenkosten in voller Höhe und eines Großteils der geltend gemachten Mietwagenkosten. Die Gerichtsentscheidung begründete sich durch das Prinzip der vollen Schadenskompensation, solange die Aufwendungen des Geschädigten als erforderlich und zweckmäßig erachtet werden können. Die Forderung des Klägers nach einer Kompensation der merkantilen Wertminderung inklusive Umsatzsteuer wurde hingegen abgelehnt, da der Kläger zum Vorsteuerabzug berechtigt war und somit keine realen Umsatzsteuerkosten trug.

Bewertung der Sachverständigenkosten

Das Gericht bestätigte, dass die Kosten für das Sachverständigengutachten zur Schadensfeststellung vollständig vom Versicherer zu tragen sind, solange diese im üblichen Rahmen liegen. Die Entscheidung stützt sich auf die Rechtsprechung des BGH, wonach die tatsächliche Bezahlung der Rechnung durch den Geschädigten ein Indiz für die Erforderlichkeit der Kosten darstellt.

Umgang mit Mietwagenkosten

Zur Bewertung der Mietwagenkosten griff das Gericht auf das Prinzip der Schadensminderungspflicht zurück. Demnach muss der Geschädigte im Rahmen des Zumutbaren den wirtschaftlichsten Weg der Schadensbehebung wählen. Das Gericht erkannte einen Großteil der Mietwagenkosten an, setzte jedoch Grenzen bei der Dauer der Anmietung basierend auf der zu erwartenden Reparaturzeit und einer angemessenen Überlegungszeit für den Geschädigten.

Umsatzsteuer auf die merkantile Wertminderung

Ein bedeutender Diskussionspunkt war der Anspruch auf Erstattung der Umsatzsteuer auf die merkantile Wertminderung. Das Gericht lehnte diesen ab, da bei einem vorsteuerabzugsberechtigten Geschädigten wie dem Kläger die Umsatzsteuer lediglich ein durchlaufender Posten ist und somit keine tatsächliche Belastung darstellt.

Rechtliche Einordnung und Abwägung

Die Entscheidung des OLG Frankfurt verdeutlicht die komplexe Abwägung zwischen der vollständigen Kompensation des Geschädigten und der Vermeidung einer ungerechtfertigten Bereicherung. Insbesondere die Behandlung der Umsatzsteuer bei der merkantilen Wertminderung zeigt die Notwendigkeit einer differenzierten Betrachtung je nach Steuerstatus des Geschädigten.

✔ Häufige Fragen – FAQ

Wer trägt die Kosten für einen Sachverständigen nach einem Verkehrsunfall?

Nach einem Verkehrsunfall werden die Kosten für einen Sachverständigen in der Regel von der Haftpflichtversicherung des Unfallverursachers getragen. Die Gutachterkosten richten sich normalerweise nach der Höhe des Schadens im Einzelfall. Wenn der Geschädigte selbst einen Gutachter hinzuzieht, übernimmt die Haftpflichtversicherung des Unfallverursachers ebenfalls die Kosten.

Es gibt jedoch Ausnahmen, insbesondere bei Bagatellschäden. Ein Bagatellschaden ist ein Schaden, der weniger als 750 Euro beträgt. In solchen Fällen wird in der Regel kein Kfz-Gutachten verlangt, und der Unfallverursacher bzw. seine Versicherung muss nicht für die Kosten des Gutachtens aufkommen. Wenn ein Gutachter trotz Bagatellschaden beauftragt wird, muss der Auftraggeber selbst für die Kosten aufkommen.

Bei Teilschuld wird durch das Gericht bestimmt, welche Partei welchen Prozentsatz der Kosten übernehmen muss. Der Prozentsatz gibt an, für welchen Anteil an den gesamten Unfallkosten jede Partei aufzukommen hat.

Die Erforderlichkeit und Zweckmäßigkeit eines Gutachtens sind aus der Sicht des Geschädigten zum Zeitpunkt der Beauftragung zu beurteilen. Es kommt darauf an, ob ein verständig und wirtschaftlich denkender Geschädigter nach seinen Erkenntnissen und Möglichkeiten die Einschaltung eines Sachverständigen für notwendig erachtet hätte.

In Kaskofällen, also bei Schäden am eigenen Fahrzeug, die selbst verschuldet oder durch Ereignisse wie Unwetter entstanden sind, kann der Geschädigte in der Regel keinen eigenen Gutachter auf Kosten der Versicherung beauftragen. Die Kaskoversicherung beauftragt und bezahlt den Gutachter nur, wenn sie es für erforderlich hält.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Kosten für einen Sachverständigen nach einem Verkehrsunfall in den meisten Fällen von der Haftpflichtversicherung des Unfallverursachers übernommen werden, sofern der Schaden über der Bagatellgrenze liegt und die Beauftragung des Gutachters aus Sicht des Geschädigten zum Zeitpunkt des Unfalls erforderlich und zweckmäßig war. Bei Bagatellschäden oder wenn die Versicherung die Kosten als unangemessen hoch ansieht, kann es jedoch sein, dass der Geschädigte auf den Kosten sitzen bleibt.

Welche Rolle spielt die Vorsteuerabzugsberechtigung bei der Schadensregulierung?

Die Vorsteuerabzugsberechtigung spielt eine wesentliche Rolle bei der Schadensregulierung nach einem Verkehrsunfall, insbesondere in Bezug auf die Erstattung der Umsatzsteuer auf die merkantile Wertminderung und andere Schadenspositionen. Die Vorsteuerabzugsberechtigung ermöglicht es Unternehmen, die Umsatzsteuer, die sie auf Eingangsleistungen zahlen, vom Finanzamt erstattet zu bekommen. Dies hat direkte Auswirkungen auf die Schadensregulierung, da die Umsatzsteuer in bestimmten Fällen nicht als Teil des Schadens angesehen wird, den der Geschädigte erleidet.

Bei vorsteuerabzugsberechtigten Geschädigten wird die Umsatzsteuer nicht als Teil des zu erstattenden Schadens betrachtet, da diese durch den Vorsteuerabzug vom Finanzamt zurückerstattet werden kann. Daher erhalten vorsteuerabzugsberechtigte Geschädigte in der Regel nur die Netto-Beträge ihrer Schadenspositionen erstattet. Dies betrifft nicht nur die Reparaturkosten, sondern auch andere Schadenspositionen wie die merkantile Wertminderung, die als umsatzsteuerneutrale Position behandelt wird, da ihr kein Leistungsaustausch zugrunde liegt, der umsatzsteuerpflichtig wäre.

Die merkantile Wertminderung, die den Wertverlust eines Fahrzeugs nach einem Unfall unabhängig von der Reparatur beschreibt, wird daher in der Regel ohne Berücksichtigung der Umsatzsteuer berechnet und erstattet. Dies gilt sowohl für vorsteuerabzugsberechtigte als auch für nicht vorsteuerabzugsberechtigte Geschädigte, da die Wertminderung eine umsatzsteuerneutrale Position darstellt.

In Fällen, in denen der Geschädigte nicht vorsteuerabzugsberechtigt ist, beispielsweise Privatpersonen, umfasst der erstattungsfähige Schaden hingegen auch die Mehrwertsteuer, sofern diese tatsächlich entstanden ist. Dies bedeutet, dass die Umsatzsteuer auf Reparaturkosten und andere Schadenspositionen, die tatsächlich bezahlt wurden, vom Schädiger bzw. dessen Versicherung zu erstatten ist.

Zusammenfassend hängt die Behandlung der Umsatzsteuer bei der Schadensregulierung maßgeblich von der Vorsteuerabzugsberechtigung des Geschädigten ab. Vorsteuerabzugsberechtigte Geschädigte erhalten in der Regel nur Netto-Beträge erstattet, da sie die Umsatzsteuer vom Finanzamt zurückerstattet bekommen können. Die merkantile Wertminderung wird unabhängig vom Vorsteuerabzugsrecht als umsatzsteuerneutrale Position behandelt.

Wie wird die Angemessenheit der Mietwagenkosten nach einem Verkehrsunfall bewertet?

Die Angemessenheit der Mietwagenkosten nach einem Verkehrsunfall wird anhand mehrerer Kriterien bewertet, die sich aus der Rechtsprechung und den Grundsätzen des Schadensrechts ergeben. Diese Kriterien sollen sicherstellen, dass die Mietwagenkosten, die der Geschädigte geltend macht, sowohl notwendig als auch wirtschaftlich vertretbar sind.

  • Erforderlichkeitsgrundsatz: Die Mietwagenkosten müssen einem verständigen, wirtschaftlich denkenden Menschen in der Lage des Geschädigten als zweckmäßig und notwendig erscheinen. Dies bedeutet, dass die Anmietung eines Ersatzfahrzeugs grundsätzlich nur dann erstattungsfähig ist, wenn sie zur Überbrückung der Reparaturzeit oder bis zur Ersatzbeschaffung eines Fahrzeugs objektiv notwendig ist.
  • Wirtschaftlichkeitsgebot: Der Geschädigte ist gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen. Dies impliziert, dass bei der Anmietung eines Ersatzfahrzeugs auf die Kosten geachtet werden muss. Die Miete ist demgemäß grundsätzlich nur bis zur Höhe des sogenannten Normaltarifs erstattungsfähig.
  • Normaltarif: Der Normaltarif kann vom Tatrichter in Ausübung seines Ermessens nach § 287 Abs. 1 ZPO geschätzt werden. Dabei können Listen oder Tabellen, wie die Schwacke-Liste oder der Fraunhofer-Mietspiegel, bei der Schadensschätzung Verwendung finden. Es gibt jedoch unterschiedliche Auffassungen zu den Referenzwerten für die Mietwagenkosten, wobei einige Gerichte das arithmetische Mittel aus den ermittelten Preisen der Schwacke-Liste und denen der Fraunhofer-Gesellschaft als angemessenen Referenzwert ansehen.
  • Schadenminderungspflicht: Der Geschädigte hat die Pflicht, den Schaden so gering wie möglich zu halten. Dies beinhaltet unter anderem, dass bei der Anmietung eines Ersatzfahrzeugs Preisvergleiche durchgeführt werden sollten und gegebenenfalls ein günstigeres Angebot angenommen wird.
  • Klassengleichheit: Der Geschädigte hat Anspruch auf ein Ersatzfahrzeug der gleichen Klasse wie das beschädigte Fahrzeug. Eine höherwertige Fahrzeugklasse ist nur dann erstattungsfähig, wenn kein Fahrzeug der gleichen Klasse verfügbar ist.
  • Mindestnutzung: Die Rechtsprechung des BGH zufolge ist eine Mindestnutzung von 20 km/Tag Voraussetzung für die Erstattungsfähigkeit der Mietwagenkosten. Allerdings können die Mietwagenkosten unter bestimmten Voraussetzungen auch dann zu erstatten sein, wenn das Fahrzeug weniger oder gar nicht genutzt wird, sofern der Geschädigte auf die ständige und sofortige Verfügbarkeit eines Ersatzfahrzeugs angewiesen ist.

Zusammenfassend wird die Angemessenheit der Mietwagenkosten nach einem Verkehrsunfall anhand der Notwendigkeit der Anmietung, der Einhaltung des Wirtschaftlichkeitsgebots, der Orientierung am Normaltarif, der Erfüllung der Schadenminderungspflicht, der Klassengleichheit des Ersatzfahrzeugs und der tatsächlichen Nutzung des Mietwagens bewertet.

§ Relevante Rechtsgrundlagen des Urteils

  • §§ 7, 18 StVG, 115 VVG: Diese Paragraphen bilden die rechtliche Grundlage für Ansprüche aus einem Verkehrsunfall im deutschen Straßenverkehrsgesetz und Versicherungsvertragsgesetz. Sie regeln die Haftung bei Verkehrsunfällen und die Leistungspflichten von Haftpflichtversicherern.
  • § 249 BGB: Dieser Paragraph ist zentral für die Schadensregulierung, da er den Umfang der Schadenersatzleistung definiert. Im Falle eines Verkehrsunfalls legt er fest, dass der Geschädigte Anspruch auf Ersatz der notwendigen Aufwendungen zur Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands hat.
  • § 287 ZPO: Dieser Paragraph spielt eine Rolle bei der Schätzung von Schadenshöhen durch das Gericht, wenn der exakte Schadensumfang nicht eindeutig feststellbar ist. Er ermöglicht eine flexible Handhabung bei der Feststellung der Schadenssumme.
  • § 632 Abs. 2 BGB: Dieser Paragraph regelt die Vergütung von Dienstleistungen, wenn keine ausdrückliche Vereinbarung getroffen wurde. Im Kontext von Verkehrsunfällen ist er relevant für die Angemessenheit der Kosten eines Sachverständigengutachtens.
  • § 251 BGB: Dieser Paragraph betrifft die Entschädigung in Geld, wenn eine Naturalrestitution nicht möglich ist, z.B. bei einer nicht behebbaren Wertminderung eines Unfallfahrzeugs.
  • § 25a UStG: Diese Vorschrift zur Differenzbesteuerung kommt ins Spiel, wenn es um die Frage der Umsatzsteuer auf die merkantile Wertminderung geht, insbesondere bei vorsteuerabzugsberechtigten Geschädigten.

Diese Paragraphen und Gesetze sind entscheidend für die rechtliche Beurteilung von Schadensersatzansprüchen nach einem Verkehrsunfall, einschließlich der Bewertung von Sachverständigenkosten, Mietwagenkosten und der Behandlung der Umsatzsteuer auf die merkantile Wertminderung.


Das vorliegende Urteil

OLG Frankfurt – Az.: 4 U 294/22 – Urteil vom 20.12.2023

Auf die Berufung des Klägers wird das am 7. Dezember 2022 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Gießen (Az.: 2 O 38/22) unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 3.569,53 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 18. November 2021 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Von den Kosten des Verfahrens erster Instanz hat der Kläger 39 % und die Beklagte 61 % tragen. Von den Kosten des Berufungsverfahren hat der Kläger 62 % und die Beklagte 38 % zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Jede Partei kann die Vollstreckung des Gegners durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Gegner vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe

I.

Der Kläger macht weitere Ersatzansprüche aus einem Verkehrsunfallereignis geltend, der sich am 28. September.2021 auf der … in Stadt1 ereignete und bei dem das klägerische Fahrschulfahrzeug beschädigt wurde.

Als Inhaber der Fahrschule A ist der Kläger Halter und Leasingnehmer des Fahrzeugs Marke1 Modell1 mit dem amtlichen Kennzeichen .… Er ist zum Vorsteuerabzug berechtigt.

Bei der Beklagten handelt es sich um den Haftpflichtversicherer des unfallgegnerischen Fahrzeugs mit dem amtlichen Kennzeichen ….

Am Unfalltag fuhr der Fahrer des bei der Beklagten haftpflichtversicherten Fahrzeugs auf das an einer „rot“ zeigenden Lichtzeichenanlage auf das klägerische Fahrzeug, das von der Zeugin B geführt wurde.

Die Haftung der Beklagten ist dem Grunde nach zwischen den Parteien unstreitig.

Der Kläger beauftragte das Sachverständigenbüro „www.(…).de“ mit der Berechnung zur Schadensregulierung, das für das Gutachten vom 30. September 2021 einen Betrag von 1.105,60 € netto berechnete. Den Rechnungsbetrag schlüsselte der Sachverständige wie folgt auf:

  • Gutachten (Grundgebühr) 987,00 €
  • Fahrtkostenpauschale 30,00 €
  • Lichtbilder, 17 Stück x 2,00 € 34,00 €
  • Schreibkosten, 7 Seiten x 1,80 € 12,60 €
  • Desinfektionspauschale 20,00 €
  • Telekommunikationspauschale 15,00 €
  • Postversand / Porto 7,00 €
  • Rechnungsbetrag netto 1.105,60 €

Das Gutachten wies einen Nutzungsausfall von 5 Tagen à 59,- €, insgesamt 177,- €, eine Wertminderung von 1.300,- € mit dem Zusatz „MwSt nicht ausweisbar“ sowie einen Fahrzeugschaden in Höhe von 9.927,45 € aus. Auf dieser Grundlage wurde das streitgegenständliche Fahrzeug repariert. Die tatsächlichen Reparaturkosten beliefen sich auf 7.935,17 € netto.

Entgegen der im Gutachten prognostizierten Reparaturdauer von fünf Tagen befand sich das klägerische Fahrzeug wegen Lieferzeiten von Ersatzteilen für einen Monat, konkret in der Zeit vom 28. September 2021 bis zum 28. Oktober 2021, in der Werkstatt.

Ausweislich des von der Werkstatt erstellten Reparaturablaufplans (Anlage 21) erfolgte die Schadensbegutachtung am 28. September 2021. Die Reparatur begann am 30. September 2021. Am 27. Oktober 2021 erfolgte eine vorläufige Endmontage, woraufhin der Kläger das Fahrzeug am 28. Oktober 2021 abholte. Nachdem ein fehlendes Ersatzteil am 26. November 2021 geliefert worden war, wurden an dem streitgegenständlichen Fahrzeug am 6. Dezember 2021 die Abschlussarbeiten vorgenommen.

Für den Zeitraum vom 28. September 2021 bis 28. Oktober 2021 mietete der Kläger von der Fahrschule C ein Fahrschulersatzfahrzeug mit Automatikgetriebe an, für welches Mietwagenkosten in Höhe von 5.560,70 € entstanden (Anlage K7). Dieser Betrag setzt sich aus einem täglichen Mietpreis von 92,50 € für 27 Tage, einem Kilometerpreis von 0,64 € für 4.630 km sowie einer „Anlieferung / Abholpauschale“ von 100,- € (27 x 92,50 € + 0,64 € x 4.630 km + 100,- €) zusammen.

Der Kläger hat behauptet, die Anmietung eines Ersatzfahrzeugs mit Automatikgetriebe sei erforderlich gewesen, weil für die Erzielung der neu eingeführten Führerscheinklasse B 197 Fahrschüler Fahrstunden mit einem Automatikfahrzeug zu absolvieren hätten. Die Zeugin B habe als Fahrlehrerin eine entsprechende Auslastung mit dem Ersatzfahrzeug gehabt. Die im Vergleich zum Gutachten tatsächlich längere Reparaturdauer habe auf Lieferschwierigkeiten der erforderlichen Ersatzteile beruht.

Er hat die Auffassung vertreten, die Wertminderung sei nicht nur zum Nettobetrag wie von der Beklagten vorgerichtlich gezahlt auszugleichen, sondern zum Bruttowert zu ersetzen. § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG finde keine Anwendung, da zum Zeitpunkt des Schadenseintritts die gesetzlichen Voraussetzungen fehlen würden; es sei lediglich Schadensrecht anwendbar.

Seinen materiellen Schadensersatzanspruch hat er wie folgt beziffert:

  • Reparaturkosten 7.935,17 €
  • Sachverständigenkosten 1.105,60 €
  • Wertminderung 1.300,00 €
  • Mietwagenkosten (28.09.2021 – 28.10.2021) 5.560,70 €
  • Insgesamt 15.901,47 €

Nach Abzug der vorgerichtlichen Zahlung von 10.007,16 € durch die Beklagte ergibt sich ein Betrag von rechnerisch 5.894,31 €.

Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes sowie der gestellten Anträge wird Bezug genommen auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils des Landgerichts Gießen vom 7. Dezember 2022.

Das Landgericht hat der Klage nach Vernehmung der Zeugin B sowie des Zeugen D in Höhe von 2.101,02 € Mietwagenkosten sowie weiteren 21,01 € Reparaturkosten, insgesamt 2.122,03 €, teilweise stattgegeben.

Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass der Kläger Ersatz der Mietwagenkosten für die Dauer von insgesamt elf Werktagen -vom 28. September 2021 bis zum 7. Oktober 2021 – zu je 92,50 €, sprich 1.017,50 €, zuzüglich einer Kostenerstattung in Höhe von 1.083,52 € für gefahrene Kilometer verlangen könne. Soweit der Kläger über den 7. Oktober 2021 hinausgehend das Fahrzeug bis zur Abholung am 28. Oktober 2021 in der Werkstatt belassen habe, sei ihm eine Schadensminderungspflichtverletzung entgegenzuhalten. Diese liege darin begründet, dass der Kläger nach Ablauf der laut Sachverständigengutachten prognostizierten Reparaturdauer von fünf Tagen und dem Abschluss der Lackierarbeiten bereits am 6. Oktober 2021 sich nicht nach dem Grund für den fehlenden Reparaturabschluss erkundigt habe. Gestützt auf die Aussage des Zeugen D sei eine vorläufige Endmontage – wie sie letztlich auch am 27. Oktober 2021 stattgefunden habe – auch mit fehlenden Ersatzteilen bereits am 7. Oktober 2021 möglich gewesen. Ein wirtschaftlich denkender und agierender Geschädigter hätte eine solche Zwischenreparatur bereits am 7. Oktober vornehmen lassen. Die Kosten für die gefahrenen Kilometer für die Dauer der elf Tage hat das Landgericht nach § 278 ZPO ausgehend von insgesamt in Rechnung gestellten 4.630 km für 30 Tage auf 1.698 km geschätzt.

Die Kosten für das vom Kläger beauftragte Schadensgutachten hat das Landgericht lediglich in Höhe von 988,60 € gemäß § 249 Abs. 2 BGB als Schadensposition anerkannt und damit geringer als der von der Beklagten bereits außergerichtlich geleisteten Zahlung von 1.000,- € bewertet. Im Einzelnen sei die Grundgebühr zu hoch angesetzt sowie die Nebenkosten bestehend aus Fahrtkostenpauschale, Portokosten und die Desinfektionskostenpauschale nicht erstattungsfähig.

Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, der Begleichung der Rechnung durch den Kläger komme eine maßgebliche Indizwirkung für die Erforderlichkeit der geltend gemachten Kosten zu. Mangels ausdrücklicher Preisvereinbarung richte sich der Vergütungsanspruch gemäß § 632 Abs. 2 BGB nach der üblichen Vergütung für einen Kraftfahrzeugsachverständigen. Zur Ermittlung der üblichen Vergütung hat das Landgericht darauf abgestellt, dass Schadengutachter im Gerichtsbezirk das Grundhonorar üblicherweise nach der BVSK-Honorarbefragung berechnen. Ausgehend von den letztlich im Vergleich zu den nach Gutachten angesetzten tatsächlich geringeren Reparaturkosten in Höhe von 7.935,17 € ergebe sich nach Spalte IV der BVSK-Honorarbefragung 2020 lediglich eine Grundgebühr von 927,- € anstelle der in Rechnung gestellten 987,- €.

Ferner hat es die Ersatzfähigkeit der geltend gemachten Fahrtkostenpauschale in Höhe von 30,00 € abgelehnt, da eine Pauschalierung von Fahrtkosten unabhängig von tatsächlich gefahrenen Kilometern auch sonst im Wirtschaftsleben nicht üblich sei.

Die weitere Pauschale für Desinfektionskosten in Höhe von 20,00 € sei als Gemeinkosten bereits mit der Grundgebühr abgegolten und sei nicht einzeln erstattungsfähig.

Einen Anspruch auf eine weitere Wertminderung gerichtet auf den Umsatzsteueranteil in Höhe von 207,00 € hat das Landgericht verneint. Bei einem vorsteuerabzugsberechtigten Geschädigten sei die Umsatzsteuer aus der vom Sachverständigen steuerneutral ermittelten merkantilen Wertminderung herauszurechnen, denn bei einem vorsteuerabzugsberechtigten Geschädigten entstehe ein Schaden nur in Höhe der merkantilen Wertminderung ohne Umsatzsteueranteil.

Gegen das ihm am 9. Dezember 2022 zugestellte Urteil hat der Kläger am 29. Dezember 2022 Berufung eingelegt und diese am 10. Januar 2023 begründet.

Mit der Berufung verfolgt er sein erstinstanzliches Begehren weiter. Er wendet sich gegen die Kürzung der von ihm geltend gemachten Mietwagenkosten auf eine Dauer von nur elf Tagen und begehrt für die gesamte Dauer des angemieteten Fahrschulersatzfahrzeugs weitere 3.459,68 €. Das Risiko der verzögerten Ersatzteilbeschaffung sei nicht vom geschädigten Kläger zu tragen. Aus Sicht des Klägers sei nicht erkennbar gewesen, zu welchem Zeitpunkt die fehlenden Ersatzteile für die Reparatur geliefert werden könnten. Entgegen der Ansicht des Landgerichts sei der Kläger auch nicht verpflichtet gewesen, sich mit einer Teilreparatur zufrieden zu geben. Das tatsächliche Abholen des Fahrzeugs vor der Endmontage sei vielmehr als überobligatorisch zu werten; insofern habe die Beklagte für die Zeit bis zur Endmontage, sprich vom 28. Oktober 2021 bis 6. Dezember 2021 weitergehende Mietwagenkosten erspart.

In Bezug auf die Erstattung der Sachverständigenkosten sei dem Kläger eine Toleranzgrenze von 15 % einzuräumen und der weitere Rechnungsbetrag in Höhe 105,60 € netto ersatzfähig.

Es sei zudem zu Unrecht ein Abzug der Mehrwertsteuer hinsichtlich der Wertminderung in Höhe von 207,00 € vorgenommen worden. Ein solcher Abzug stehe in Widerspruch zu § 1 Abs. 1 UStG. Unabhängig davon unterliege das streitgegenständliche Gebrauchtwagenfahrzeug der Differenzbesteuerung.

Der Kläger beantragt, unter Abänderung des am 07.12.2022 verkündeten Urteils des Landgerichts Gießen, Az.: 2 O 38/22, wird die Beklagte verurteilt, an den Kläger einen weiteren Betrag in Höhe von 3.772,28 € nebst Zinsen in Höhe von 5 % Punkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 18.11.2021 zu bezahlen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Zutreffend habe das Landgericht einen Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht durch den Kläger angenommen, indem er das Fahrzeug nicht schon am 7. Oktober bei dem Reparaturbetrieb abgeholt habe, obwohl es bis zu diesem Zeitpunkt möglich gewesen wäre, das Fahrzeug fahrbereit zu machen und eine Zwischenreparatur vorzunehmen. Aus technischer Sicht sei das Fahrzeug fahrbereit gewesen. Sie verteidigt zudem die vom Landgericht vorgenommene Kürzung des Rechnungsbetrages der Sachverständigenrechnung. In Übereinstimmung mit dem Landgericht vertritt sie die Rechtsansicht, die Umsatzsteuer sei bei einem vorsteuerabzugsberechtigten Geschädigten aus der vom Sachverständigen steuerneutral ermittelten merkantilen Wertminderung herauszurechnen.

II.

Die zulässige Berufung des Klägers ist teilweise begründet.

Sie führt zur Abänderung der angefochtenen Entscheidung nach Maßgabe des Tenors dieses Urteils.

1. Dem Kläger steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Ersatz der Kosten des eingeholten Sachverständigengutachtens in Höhe von 1.105,60 € aus §§ 7, 18 StVG, 115 VVG zu. Denn diese Kosten gehören zu den mit dem Schaden unmittelbar verbundenen und gemäß § 249 BGB auszugleichenden Vermögensnachteilen, soweit die Begutachtung zur Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs erforderlich und zweckmäßig ist (BGH, Urteil vom 17. Dezember 2019 – VI ZR 315/18, NJW 2020, 1001, Rn. 10).

Der Geschädigte kann vom Schädiger nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB als erforderlichen Herstellungsaufwand jedoch nur die Kosten erstattet verlangen, die vom Standpunkt eines verständigen, wirtschaftlich denkenden Menschen in der Lage des Geschädigten zur Behebung des Schadens zweckmäßig und notwendig erscheinen (BGH, Urteil vom 22. Juli 2014 – VI ZR 357/13, NJW 2014, 3151). Er ist nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen, sofern er die Höhe der für die Schadensbeseitigung aufzuwendenden Kosten beeinflussen kann (BGH, a.a.O.).

Das Gebot zu wirtschaftlich vernünftiger Schadensbehebung verlangt jedoch vom Geschädigten nicht, zu Gunsten des Schädigers zu sparen oder sich in jedem Fall so zu verhalten, als ob er den Schaden selbst zu tragen hätte (BGH, Urteil vom 11. Februar 2014 – VI ZR 225/13, NJW 2014, 1947, Rn. 7). Überobligatorische Anstrengungen sind daher nicht vom Geschädigten zu verlangen, denn dem Geschädigten soll bei voller Haftung des Schädigers ein möglichst vollständiger Schadensausgleich zukommen. Deshalb ist bei der Prüfung, ob der Geschädigte den Aufwand zur Schadensbeseitigung in vernünftigen Grenzen gehalten hat, eine subjektbezogene Schadensbetrachtung anzustellen, das heißt Rücksicht auf die spezielle Situation des Geschädigten, insbesondere auf seine individuellen Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten sowie auf die möglicherweise gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten zu nehmen (BGH, a.a.O.). Auch der Geschädigte ist grundsätzlich nicht zu einer Erforschung des ihm zugänglichen Markts verpflichtet, um einen möglichst preisgünstigen Sachverständigen ausfindig zu machen (BGH, Urteil vom 23. Januar 2007 – VI 67/06, NJW 2007, 1450, Rn. 17; Urteil vom 11. Februar 2014 – VI ZR 225/13, NJW 2014, 1947).

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs genügt der Geschädigte seiner ihm nach § 249 BGB obliegenden Darlegungslast regelmäßig durch Vorlage der – von ihm beglichenen – Rechnung des mit der Begutachtung seines Fahrzeugs beauftragten Sachverständigen.

Ein einfaches Bestreiten der Erforderlichkeit des ausgewiesenen Rechnungsbetrags zur Schadensbehebung reicht dann grundsätzlich nicht aus, um die geltend gemachte Schadenshöhe in Frage zu stellen. Denn der in Übereinstimmung mit der Rechnung und der ihr zu Grunde liegenden getroffenen Preisvereinbarung vom Geschädigten tatsächlich erbrachte Aufwand bildet (ex post gesehen) bei der Schadensschätzung nach § 287 ZPO ein Indiz für die Bestimmung des zur Herstellung „erforderlichen“ (ex ante zu bemessenden) Betrags im Sinne von § 249 Abs. 2 S. 1 BGB. In ihm schlagen sich die beschränkten Erkenntnismöglichkeiten des Geschädigten regelmäßig nieder (BGH, Urteil vom 22. Juli 2014, – VI ZR 357/13, NJW 2014, 3151, 3153).

In Ausnahme hierzu erkennt der Bundesgerichtshof jedoch an, dass der vom Geschädigten aufgewendete Betrag nicht notwendig mit dem zu ersetzenden Schaden identisch ist (BGH, 23. Januar 2007 – VI ZR 67/06, NJW 2007, 1450 Rn. 13; Urteil vom 11. Februar 2014 – VI ZR 225/13, NJW 2014, 1947). Liegen die mit dem Sachverständigen vereinbarten oder von diesem berechneten Preise für den Geschädigten erkennbar erheblich über den üblichen Preisen, so sind sie nicht geeignet, den erforderlichen Aufwand abzubilden.

Nur wenn der Geschädigte erkennen kann, dass der von ihm ausgewählte Sachverständige Honorarsätze für seine Tätigkeit verlangt, die die in der Branche üblichen Preise deutlich übersteigen, gebietet das schadensrechtliche Wirtschaftlichkeitsgebot, einen zur Verfügung stehenden günstigeren Sachverständigen zu beauftragen (BGH, Urteil vom 15. Oktober 2013 – VI ZR 528/12, VersR 2013, 1590 Rn. 19).

Unter Anwendung dieser Grundsätze ist dem Kläger bei der Auswahl des konkreten Sachverständigen kein Verschuldensvorwurf anzulasten. Vielmehr hat der vom Kläger beauftragte Sachverständige die Vergütung auf Basis der in der Region üblichen BVSK-Honorarbefragung 2020 berechnet. Aus der subjektiven Schadensbetrachtung war es für den Kläger nicht ersichtlich, dass sich nach diesem Zahlenwerk die Berechnung der Vergütung im Grundhonorar nicht anhand der prognostizierten, sondern der tatsächlichen Reparaturkosten bemisst.

Unter Zugrungelegung der subjektiven Betrachtungsweise war es für den Kläger als Geschädigten ebenfalls nicht ersichtlich, dass die abgerechneten Nebenkosten von der üblich geschuldeten Vergütung nach § 632 Abs. 2 BGB erheblich abweichen.

Eine Desinfektionspauschale – wie sie auch im Rahmen der Reparaturkosten angesetzt wurde – kann jedenfalls zu dem Zeitpunkt, in dem das Gutachten erstellt wurde, wegen der geltenden Covid-19-Beschränkungen nicht als ungewöhnlich qualifiziert werden. Gleiches gilt für die Portokosten in Höhe von 7,00 € für die Übersendung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens sowie eine Fahrtkostenpauschale von 30,00 €. Insoweit ist es nicht als unüblich einzuordnen, dass Sachverständige eine Fahrtkostenpauschale ansetzen.

2. Der Kläger kann von der Beklagten Schadensersatz für entstandene Mietwagenkosten in Höhe von 3.442,92 € verlangen.

a) Gemäß § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB kann der Geschädigte als Herstellungsaufwand Ersatz der objektiv erforderlichen Mietwagenkosten verlangen (BGH, Urteil vom 7. Mai 1996 – VI ZR 138/95, NZV 1996, 357). Zur Herstellung erforderlich sind nur die Aufwendungen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten darf. Dabei ist der Geschädigte unter dem Gesichtspunkt der Schadensminderungspflicht gehalten, im Rahmen des Zumutbaren von mehreren möglichen den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbeseitigung zu wählen (vgl. oben unter Ziff. 1, BGH, Urteil vom 22. Juli 2014 – VI ZR 357/13, NJW 2014, 3151).

Die Frage, ob sich der Geschädigte von dem Schädiger eine Verzögerung der Reparatur durch die Werkstatt entgegenhalten lassen muss, ist nach denselben Gesichtspunkten zu beurteilen, die auch die Berücksichtigung unangemessen hoher Reparaturkosten rechtfertigen, zumal Umfang und Dauer der Reparatur eng zusammenhängen (BGH, Urteil vom 29. Oktober 1974 – VI ZR 42/73, NJW 1975, 160, 163). Danach hat als nicht „erforderlich“ nur diejenige Zeit des Nutzungsausfalls unberücksichtigt zu bleiben, die der Geschädigte wegen schuldhafter Verletzung seiner Pflicht zur Geringhaltung des Schadens zu verantworten hat. Für ein Verschulden der Reparaturwerkstatt braucht er nicht nach § 278 BGB einzustehen. Deshalb gehen Verzögerungen, die etwa durch fehlerhafte Organisation des Reparaturbetriebes, Ausfall von Arbeitskräften, unwirtschaftliche oder fehlerhafte Handhabung der Reparatur entstehen, also dem Einfluss oder der Kontrolle des Geschädigten entzogen sind, im Verhältnis zum Schädiger grundsätzlich nicht zu seinen Lasten. Auch insoweit muss der Schädiger auch hier auf die Möglichkeit verwiesen werden, sich von dem Geschädigten etwaige Ansprüche gegen die Werkstatt abtreten zu lassen und sich selbst mit dieser auseinanderzusetzen. Auch hier entfällt eine Ersatzpflicht für Verzögerungen durch Reparaturarbeiten, die nicht im Zusammenhang mit dem Unfallschaden, sondern nur bei Gelegenheit der unfallbedingten Instandsetzungsarbeiten mit ausgeführt werden (BGH, a.a.O.; OLG Jena, Urteil vom 5. Juli 2016, 5 U 165/15, BeckRS 2016, 20367).

b) Gemessen an diesen Grundsätzen sind als erforderliche Mietwagendauer 18 Tage, vom 28. September 2023 bis einschließlich 14. Oktober 2023 zuzüglich den 6. Dezember 2021, anzusetzen. Ausgangspunkt hierbei bildet die ausweislich des Gutachtens ausgewiesene Reparaturdauer von fünf Tagen. Ausgehend von dem Unfallereignis am Dienstag, den 28. September 2021, und einem Reparaturbeginn am Donnerstag, den 30. September 2023, ergibt sich unter Außerachtlassung des Wochenendes (25./.26. September 2021) ein Zeitraum bis zum Mittwoch, den 6. Oktober 2021. Da dem Geschädigten jedoch nicht der gleiche Sorgfaltsmaßstab heranzuziehen ist, den er in eigenen Angelegenheiten zum größtmöglichen Sparen an den Tag legen würde, ist dem Kläger jedoch nicht abzuverlangen, dass er sich bereits unmittelbar nach Ablauf der fünftägigen Reparaturdauer mit der Werkstatt wegen des Reparaturfortschritts in Verbindung setzt. Vielmehr ist ihm im Rahmen seiner subjektiven Schadensbetrachtung ein angemessener Überlegungszeitraum zuzugestehen. Diesen bewertet der Senat im konkreten Einzelfall mit der doppelten prognostizierten Reparaturdauer von zehn Reparaturtagen, bis zum 13. Oktober 2021. Innerhalb dieses Zeitrahmens durfte der Kläger darauf vertrauen, dass sich etwaige Verzögerungen innerhalb des vom Schädigers zu tragenden Werkstattrisikos bewegt. Nach Ablauf dieses Zeitrahmens hätte es jedoch am Kläger gelegen, sich über den Reparaturfortschritt und einer etwaigen Zwischenreparaturlösung zu informieren. Hätte er am 13. Oktober 2021 sich bei der beauftragten Werkstatt erkundigt, hätte eine Zwischenreparatur wie sie schließlich auch erfolgt ist, bereits am 14. Oktober 2021 stattfinden können. Im Hinblick auf die bereits am 28. bzw. 29. September 2021 erfolgte Bestellung der Ersatzteile waren jedenfalls 14 Tage, also auch ein für den Kläger ersichtlicher üblicher Lieferzeitraum für Kfz-Ersatzteile, erreicht. Zu diesem Zeitpunkt waren die Lackierarbeiten bereits abgeschlossen und es fehlten lediglich zwei Ersatzteile; zum einen ein Leitungssatz für die Heckpartie und ein Steuergerät. Indem der Kläger dieser Erkundigungspflicht nicht nachkam, verstieß er gegen seine ihm obliegende Schadensminderungspflicht. Entgegen der Ansicht des Klägers stellt das Veranlassen der Zwischenreparatur ohne die beiden fehlenden Ersatzteile keine überobligatorische Handlung dar. Vielmehr ist eine provisorische Reparatur dann von einem Geschädigten zu verlangen, wenn das Fahrzeug bei einer außergewöhnlich langen Lieferverzögerung wie vorliegend von nahezu zwei Monaten dennoch zuvor fahrbereit fertiggestellt werden kann.

Sofern der Kläger zur Stützung seiner Rechtsansicht auf die Entscheidung des Oberlandesgerichts Düsseldorf (Urteil vom 9. März 2021 – 1 U 77/20, NJW-RR 2021, 1541) abstellt, vermag er damit nicht durchzudringen, denn die jeweils zu beurteilenden Sachverhalte sind nicht identisch. Während im vom Oberlandesgericht Düsseldorf zu beurteilenden Fall die Lieferverzögerung ein Airbag-Modul und damit ein sicherheitsrelevantes Ersatzteil betraf, fehlten vorliegend mit dem Leitungssatz für die Heckpartie und einem Steuergerät gerade keine Ersatzteile, die die Fahrtüchtigkeit des Fahrzeugs betrafen.

Als weiterer zu berücksichtigender Tag für die erforderliche Mietdauer kommt – in Übereinstimmung mit dem Landgericht – für die Endmontage der 6. Dezember 2021 hinzu.

c) Unter Zugrundelegung der vom Landgericht angenommenen Schätzgrundlage nach § 287 ZPO, die keinen rechtlichen Bedenken begegnet und auch nicht von der Berufung angegriffen wurde, schätzt der Senat die erstattungsfähigen Mietwagenkosten auf einen Betrag von 3.442,92 € (= 18 Tage x 92,50 € + 18 Tage x 4.630 km/30 x 0,64 €) als erstattungsfähige Mietwagenkosten.

3. Dem Kläger steht kein Anspruch auf den auf die Wertminderung entfallenden Umsatzsteueranteil in Höhe von 207,00 € zu.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs handelt es sich beim merkantilen Minderwert um eine Minderung des Verkaufswerts, die trotz völliger und ordnungsgemäßer Instandsetzung eines mit einem Unfall erheblich beschädigten Kraftfahrzeugs allein deshalb verbleibt, weil bei einem großen Teil des Publikums, vor allem wegen des Verdachts verborgen gebliebener Schäden, eine den Preis beeinflussende Abneigung gegen den Erwerb unfallbeschädigter Kraftfahrzeuge besteht. Diese Wertdifferenz stellt einen unmittelbaren Sachschaden dar (BGH, Urteil vom 23. November 2004 – VI ZR 357/03, Rn. NJW 2005, 277).

Trotz der heutzutage hohen Qualität der Reparaturtechnik besteht der Verdacht verborgen gebliebener Schäden oder einer höheren Schadensanfälligkeit einer unfallbeschädigten Sache (BGH, a.a.O.).

Mangels Möglichkeit der Naturalrestitution gemäß § 251 BGB ist der merkantile Minderwert durch Entschädigung in Geld auszugleichen (Grüneberg/Grüneberg, BGB, 82. Auflage 2023, § 251 Rn. 14 ff.). Der Anspruch aus § 251 BGB richtet sich auf den Ersatz des Wertinteresses. Zu ersetzen ist der Wert des Vermögens, wie er sich ohne das schädigende Ereignis darstellen würde, und dem durch das schädigende Ereignis verminderten Wert (Grüneberg/Güneberg, BGB, 82. Auflage 2023, § 251 Rn. 10).

Die Höhe des merkantilen Minderwertes wird zum Zeitpunkt der Rückgabe an den Geschädigten nach Abschluss der Reparaturarbeiten bemessen (= Zeitpunkt der Wiederingebrauchnahme) (BeckOGK/Brand, Stand 1. März 2022, BGB § 251 Rn. 36). Die Ermittlung und Schätzung des Minderwerts steht gemäß § 287 Abs. 1 ZPO im freien Ermessen des Tatrichters (BGH, Urteil vom 25. Januar 2013 – V ZR 222/12, DS 2013, 100).

Ob bei dem Ersatz des merkantilen Minderwertes die Umsatzsteuer in Abzug zu bringen ist, wenn der Geschädigte zum Vorsteuerabzug berechtigt ist, wird in Literatur und Rechtsprechung bislang uneinheitlich beurteilt.

a) Die Ansicht, die sich für einen Umsatzsteuerabzug auf die Wertminderung ausspricht, stützt sich maßgeblich auf das im Schadensrecht geltende Bereicherungsverbot.

Zur Berücksichtigung der Differenzhypothese und des schadensrechtlichen Bereicherungsverbots müsse bei einem vorsteuerabzugsberechtigten Geschädigten die Umsatzsteuer in Abzug gebracht werden, wenn der merkantile Minderwert sachverständigenseits nach dem Bruttomarktpreis ermittelt worden sei (Geigel, Haftpflichtprozess/Katzenstein, 28. Auflage 2020, Kap. 3, Rn. 119).

Dem Geschädigten sei schadensrechtlich nur derjenige Wertminderungsbetrag zu erstatten, der ihm verblieben wäre, wenn er aktuell die Wertminderung durch Veräußerung des reparierten Kraftfahrzeugs realisieren würde (AG Düsseldorf, Urteil vom 5. August 2019 – 39 C 107/19, BeckRS2019, 35991). Sei der Minderwert ausgehend von einem Bruttomarktpreis bestimmt, enthalte er einen Mehrwertsteueranteil, der den Vorsteuerabzugsberechtigten bereichern würde (Lutz, NJW-Spezial 2023, 265). D.h. wenn der Minderwert ausgehend vom Bruttomarktpreis bestimmt worden sei, sei zur Vermeidung einer Besserstellung von vorsteuerabzugsberechtigten Geschädigten, für den die Umsatzsteuer nur ein „durchlaufender Posten“ sei, die Wertminderung nur netto zu erstatten (Lutz, NJW-Spezial 2023, 265).

Der Unternehmer betrachte sein Betriebsvermögen immer nur netto, denn er habe es unter Inanspruchnahme des Vorsteuerabzugs netto gekauft und verkaufe es auch wieder zum Nettopreis, weil er beim Verkauf zwar Umsatzsteuer erhalte, diese aber wieder abführen müsse (Freyberger, NZV 2000, 290).

Die Gegenansicht sei nicht mit der grundlegenden Entscheidung des Gesetzgebers in § 249 Abs. 2 S. 1 BGB in Einklang zu bringen, dass Umsatzsteuer nur erstattungsfähig sein soll, wenn diese konkret angefallen sei (Lutz, NJW-Spezial 2023, 265). Eine Bereicherung in Höhe der Umsatzsteuer sei auch im Rahmen des § 251 BGB nicht gewollt (Lutz, NJW-Spezial 2023, 265).

Dem Abzug der Umsatzsteuer zur Ermittlung des merkantilen Minderwertes stehe nicht entgegen, dass ein merkantiler Minderwert regelmäßig als „steuerneutral“ bezeichnet werde. Mit diesem Begriff werde lediglich ausgedrückt, dass es sich bei dem Unfallereignis gerade nicht um eine Lieferung oder sonstige Leistung i.S.d § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 3 Abs. 9 UStG handelt, so dass kein steuerbarer Umsatz vorliege, mithin durch den Unfall keine Umsatzsteuer anfalle (LG Dortmund, Urteil vom 8. November 2022 – 21 O 363/21, Rn. 16, BeckRS 2022, 41354). Gleiches gelte beim vorsteuerabzugsberechtigten Geschädigten auch für Positionen wie Reparaturkosten, Gutachterkosten oder Mietwagenkosten, die ebenfalls nur netto ausgezahlt würden, so dass mit einer rein steuerrechtlichen Betrachtung für die Frage des Schadensersatzrechtes nichts gewonnen sei (Balke, SVR 2023, 294; AG Frankenthal, Urteil vom 8. März 2023 – 3 a C 292/22, Rn. 6).

Der merkantile Minderwert könne nur die Differenz ausgleichen, die bei einem Verkauf des Fahrzeugs tatsächlich auftrete (LG Dortmund, Urteil vom 8. November 2022 – 21 O 363/21, Rn. 17, BeckRS 2022, 41354; Nugel, jurisPR-VerkR 19/2022 Anm. 1). Schadensrechtlich sei dem Geschädigten, der zum Vorsteuerabzug berechtigt sei, nur derjenige Betrag zu erstatten, der ihm verbliebe, wenn er aktuell die Wertminderung durch Veräußerung des reparierten Kraftfahrzeuges realisieren würde (LG Schweinfurt, Beschluss vom 15. März 2023 – 33 S 4/23, Rn. 28, BeckRS 2023, 6180). Als weiteres Argument für einen Abzug der Umsatzsteuer führt das Landgericht Karlsruhe an, dass der Geschädigte das Fahrzeug regelmäßig unter Inanspruchnahme von Vorsteuerabzug gemäß § 15 UStG und damit billiger als ein privater Käufer erworben habe. Zu einem entsprechend niedrigeren Wert sei es während der Zugehörigkeit zum Betriebsvermögen aktiviert (LG Karlsruhe, Urteil vom 26.05.2023 – 20 S 23/22, Rn. 24, juris).

Im Übrigen sei es dem Schadensrecht nicht fremd, den Umstand zu berücksichtigen, dass es sich bei dem Geschädigten um einen umsatzsteuerpflichtigen Unternehmer handelt. So sei anerkannt, dass Reparaturkosten in diesem Falle aufgrund der bestehenden Vorsteuerabzugsberechtigung selbst dann nur „netto“, d.h. ohne den Umsatzsteueranteil zu erstatten seien, wenn Umsatzsteuer angefallen und bezahlt worden sei (LG Karlsruhe, Urteil vom 26.05.2023 – 20 S 23/22, Rn. 25, juris). Nach dem Rechtsgedanken des § 249 Abs. 2 S. 2 BGB sei gerade eine Überkompensation zu vermeiden, weswegen zu Recht selbst diejenigen, die fiktive Ersatzbeschaffungskosten über § 251 Abs. 1 BGB gewähren, insbesondere über eine Vorsteuerabzugsberechtigung ersparte Umsatzsteuer schadensmindernd anrechnen (Katzenstein in Geigel, Haftpflichtprozess, 28. Auflage 2020, BGB §§ 249, 250 Rn. 119). So wenig wie dort sei hier die dogmatische Verankerung in § 251 Abs. 1 BGB entscheidend, sondern es komme auf die wertend zu entscheidende Sachfrage an (Katzenstein in Geigel, Haftpflichtprozess, 28. Auflage 2020, BGB §§ 249, 250 Rn. 119).

b) Die Gegenmeinung, die eine ungekürzte Wertminderung befürwortet, stützt sich dogmatisch darauf, dass der Gesetzgeber die Neuregelung zur Umsatzsteuer lediglich auf die Restitutionsfälle des § 249 BGB beschränken wollte und die Kompensationsfälle nach § 251 BGB hiervon unberücksichtigt gelassen hat (BT-Drs. 14/7752, Seite 13 f.).

Im Weiteren beruft sich die Gegenansicht auf den Wortlaut des Gesetzes. Der für die merkantile Wertminderung einschlägige § 251 BGB enthalte im Gegensatz zu § 249 Abs. 2 S. 2 BGB keine Regelung, dass die Mehrwertsteuer nur zu ersetzen sei, wenn diese tatsächlich anfalle. Hieraus sei der Umkehrschluss zu ziehen, dass beim Wertersatz nach § 251 BGB die Mehrwertsteuer auch dann in dem zu erstattenden Betrag enthalten sei, wenn diese bei einem vorsteuerabzugsberechtigten Geschädigten konkret nicht anfalle (AG München, Urteil vom 26.09.2022 – 336 C 1795/22).

Im Übrigen wirke sich auf die Wertminderung nicht aus, ob überhaupt oder gegebenenfalls in welcher Höhe sich die Wertminderung jemals realisiere. Denn bei dem Ausgleich der Wertminderung handele es sich nicht um einen Schadensersatzanspruch, der zum Ziel habe, den Geschädigten so zu stellen wie er ohne das schädigende Ereignis stünde, sondern es handele sich um einen Entschädigungsanspruch i.S.d. § 251 BGB (AG München, a.a.O).

Ob und inwieweit die Wertminderung sich tatsächlich realisiere, habe keinen Einfluss auf deren Erstattungsfähigkeit. Nur wenn der Geschädigte das Fahrzeug nach Reparatur als Gebrauchtwagen zu dem angenommenen Minderwert verkaufe, wirke sich die Wertminderung überhaupt aus. Wenn der Geschädigte das Fahrzeug nach der Reparatur behalte und schlichtweg bis zum Zeitpunkt der Entsorgung weiter behalte, realisiere sich die Wertminderung zu keinem Zeitpunkt. In diesem Fall erhalte der Geschädigte die Wertminderung als Kompensation für einen merkantilen Minderwert, obwohl sich dieser in keiner Weise auswirke. Die Frage der Vorsteuerabzugsberechtigung wirke sich in diesem Fall nicht aus. Auch bei einem sehr späten Verkauf – nach mehreren Jahren – wirke sich die Wertminderung möglicherweise nur noch zu einem anteilig geringeren Wert aus. Die Frage, ob überhaupt oder gegebenenfalls in welcher Höhe sich die Wertminderung jemals realisiert, wirke sich nicht auf die merkantile Wertminderung aus, da es sich dabei nicht um einen Schadensersatzanspruch handele, der zum Ziel hätte, den Geschädigten so zu stellen, wie er ohne das schädigende Ereignis stünde, sondern weil es sich um einen Entschädigungsanspruch i.S.d. § 251 BGB handele. Die Höhe der Entschädigung sei unabhängig davon, ob und unter welchen Bedingungen das Unfallfahrzeug jemals dem Gebrauchtwagenmarkt tatsächlich angeboten werde. Dem Argument des geltenden Bereicherungsverbots wird entgegengehalten, dass man sich in den Fällen, in denen sich der Minderwert nicht auswirke, generell fragen, ob dies gegen das Bereicherungsverbot verstoße. Wenn man aber akzeptiere, dass der Geschädigte eine merkantile Wertminderung auch dann erhalte, wenn er das Fahrzeug nicht verkauft, müsse man auch akzeptieren, dass dies unabhängig davon sei, ob bei dem Verkauf eine Umsatzsteuer angefallen wäre. Der Verkauf sei schließlich keine Voraussetzung für die Gewährung der Wertminderung und könne deshalb keine Relevanz für deren Höhe haben (AG München, a.a.O.).

Im Übrigen sei die Prämisse, der vorsteuerabzugsberechtigte Geschädigte werde das Fahrzeug im Inland unter Geltung eines Umsatzsteuersatzes von 19 % weiterveräußern, nicht zwingend. Es sei ebenso gut denkbar, dass das Fahrzeug in ein anderes Land exportiert werde und daher keine oder auch eine andere Umsatzsteuer anfalle. Daher sei die Aussage, die Mehrwertsteuer sei bei einem Vorsteuerabzugsberechtigten nur ein durchlaufender Posten, nur dann richtig, wenn der Vorsteuerabzugsberechtigte das Unfallfahrzeug tatsächlich unmittelbar nach der Reparatur in Deutschland verkaufe und sich der Mehrwertsteuersatz nicht verändere (AG München, a.a.O.).

Die Wertminderung sei eine steuerneutrale Position, die gerade keine Mehrwertsteuer enthalte; für diese Schadensposition gebe es kein „brutto“ oder „netto“, da ihr gerade kein Leistungsaustausch zugrunde liege (AG München, Urteil vom 15. März 2022 – 332 C 273/22, BeckRS 2022, 22672).

Für diese Ansicht wird auch auf eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 15. Februar 2005 – VI ZR 172/04, NJW 2005, 1110, 1111) abgestellt, in der der Bundesgerichtshof feststellt, dass § 249 Abs. 2 S. 2 BGB im Fall der Kompensation außer Betracht bleibe, aber grundsätzlich Anwendung im Falle der Naturalrestitution durch Ersatzbeschaffung finde.

c) Der Senat schließt sich der erstgenannten Ansicht an.

Diese Meinung steht nicht in Widerspruch zur dogmatischen Abgrenzung von Restitution nach § 249 BGB und Kompensation nach § 251 BGB. Wenn auch grundsätzlich ein Abzug von Umsatzsteuer – insoweit im Einklang mit dem Wortlaut und der Gesetzesbegründung – im Rahmen der Kompensation von § 251 BGB fremd ist, so dient aber auch die Kompensation „lediglich“ dem Ausgleich einer Vermögensminderung. Damit ist aber diesem Ausgleich immanent, dass nicht ein „mehr“ als die Vermögensminderung geschuldet wird. Im Falle eines vorsteuerabzugsberechtigten Geschädigten besteht das Vermögen aus den Betriebsmitteln. Diese sind jedoch nur in Höhe des Nettobetrages zu bewerten. Denn beim Erwerb zahlt der Vorsteuerabzugsberechtigte zwar zunächst den Bruttobetrag an den Verkäufer, aber es entsteht zugleich ein Erstattungsanspruch gegenüber dem Fiskus, den er bei der nächsten Umsatzsteuervoranmeldung in Abzug bringen kann. Ihm ist damit lediglich der Nettobetrag real abgeflossen.

Außer Betracht zu bleiben hat nach Überzeugung des Senats zudem die Überlegung, ob der Geschädigte anschließend das Fahrzeug behält oder weiter veräußert und ob im Falle einer Weiterveräußerung Umsatzsteuer anfällt, denn maßgeblicher Zeitpunkt für die Bestimmung der Wertminderung ist, wie oben dargelegt, die Rückgabe des Fahrzeugs an den Geschädigten nach Abschluss der Reparaturarbeiten.

Es handelt sich hierbei um einen Fall der Vorteilsausgleichung, der – auch wenn es sich um Umsatzsteuer handelt – unabhängig von der grundsätzlichen dogmatischen Einordnung der Kompensation in Abzug zu bringen ist. Die angeführte Gesetzesbegründung hatte lediglich im Blick, ob der Geschädigte durch seine Entscheidung, ob er eine Reparatur durchführt oder nicht, einen Vorteil erlangt oder nicht. Diese Entscheidung kann der Geschädigte im Falle der Kompensation gerade nicht treffen, weil eine Wiederherstellung der beschädigten Sache unmöglich ist. Hiermit werden aber die Grundsätze der Vorteilsausgleichung nicht grundsätzlich ausgenommen. Der Gesetzgeber hat schlicht die Differenzierung zwischen einem vorsteuerabzugsberechtigten und einem nicht vorsteuerabzugsberechtigten Geschädigten nicht im Blick gehabt.

Sofern sich der Kläger auf eine Differenzbesteuerung beruft, sind die hierfür erforderlichen Voraussetzungen nach § 25a UStG nicht ersichtlich; insbesondere ist nicht dargelegt, dass es sich bei dem Kläger um einen Wiederverkäufer handelt.

4. Unter Berücksichtigung der vorstehend unter 1. bis 2. dargestellten Schadenspositionen kann der Kläger folglich Zahlungen an die Beklagten gemäß folgender Berechnung beanspruchen:

  • Reparaturkosten 7.935,17 €
  • Unkostenpauschale 25,00 €
  • Sachverständigenkosten 1.105,60 €
  • Wertminderung 1.093,00 €
  • Mietwagenkosten 3.442,92 €

Abzüglich unstreitiger vorgerichtlicher Regulierungszahlungen 10.032,16 €

Insgesamt 3.569,53 €

5. Die Kostenentscheidung für die 1. und 2. Instanz folgt jeweils aus § 92 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

6. Die Revision war zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen, da die Frage einer Abzugsfähigkeit von Umsatzsteuer auf die merkantile Wertminderung höchstrichterlich bislang nicht entschieden wurde und für eine Vielzahl von Fällen Bedeutung hat.

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