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Verkehrsunfall – Anspruch auf Rückstufung Schadensfreiheitsklasse oder Schadensfreistellung

Verkehrsunfall in Bremen: Kläger muss Versicherung 1.982,82 € zzgl. Zinsen erstatten

Das Urteil des AG Bremen (Az.: 18 C 511/13) stellt klar, dass der Kläger keinen Anspruch auf Rückstufung seiner Schadensfreiheitsklasse oder auf Schadensfreistellung hat. Die Beklagte, seine Versicherung, war berechtigt, den Unfallschaden zu regulieren. Der Kläger, der sich nach einem Unfall unerlaubt vom Unfallort entfernte, hat durch sein Verhalten die Obliegenheiten gegenüber der Versicherung verletzt. Daher muss er der Beklagten die entstandenen Kosten erstatten.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 18 C 511/13 >>>

✔ Das Wichtigste in Kürze

Die zentralen Punkte aus dem Urteil:

  1. Klage und Widerklage: Die Klage des Klägers wird abgewiesen, während die Widerklage der Beklagten erfolgreich ist.
  2. Schadensregulierung: Die Beklagte war berechtigt, den Schaden zu regulieren, und hat keine Pflichtverletzung begangen.
  3. Obliegenheitsverletzung: Der Kläger hat durch sein unerlaubtes Entfernen vom Unfallort eine vorsätzliche Obliegenheitsverletzung begangen.
  4. Zahlungspflicht des Klägers: Der Kläger wird zur Zahlung von 1.982,82 € plus Zinsen an die Beklagte verurteilt.
  5. Unfallhergang: Der Kläger entfernte sich vom Unfallort, ohne den Schaden zu prüfen oder Feststellungen zu ermöglichen.
  6. Regulierungsermessen der Beklagten: Die Beklagte hat im Rahmen ihres Ermessens korrekt gehandelt und war nicht verpflichtet, die Regulierung zu verweigern.
  7. Kein Kausalitätsgegenbeweis durch den Kläger: Der Kläger konnte nicht nachweisen, dass seine Obliegenheitsverletzung nicht ursächlich für den Umfang der Leistungspflicht war.
  8. Keine Belehrungspflicht der Beklagten: Die Argumentation des Klägers, er sei nicht ausreichend belehrt worden, greift nicht.

Gegenseitige Forderungen nach einem Verkehrsunfall

In vielen Fällen von Verkehrsunfällen kommt es zu gegenseitigen Forderungen zwischen den beteiligten Parteien. Der Kläger möchte in solchen Fällen oft die Schadensfreistellung seines Versicherungsvertrages erreichen, während die Beklagte vom Kläger den Ausgleich des an den Unfallgegner erstatteten Schadens verlangt. Die Schuldfrage und die Prüfung der Schadensersatzansprüche sind dabei von entscheidender Bedeutung.

Es gilt, die Rechtslage zu klären und herauszufinden, ob einer der Beteiligten den Unfall verursacht hat und inwiefern die Versicherung des Klägers in Anspruch genommen werden kann. Dabei müssen verschiedene Aspekte berücksichtigt werden, wie beispielsweise die Feststellung der Schuldfrage, die Klärung der Ansprüche beider Parteien und die Prüfung der Schadensersatzansprüche.

In einigen Fällen kann es auch vorkommen, dass der Kläger möglicherweise Anspruch auf Schadensersatz hat, wenn er nicht direkt am Unfall beteiligt war. Die Schuldfrage und die Prüfung der Schadensersatzansprüche sind somit zentrale Aspekte, die im Falle eines Unfalls geklärt werden müssen, um eine faire Entscheidung zu treffen.

Eine detaillierte Betrachtung eines konkreten Urteils zu diesem Thema kann dabei helfen, die rechtlichen Herausforderungen besser zu verstehen und einen Einblick in die rechtliche Bewertung solcher Fälle zu gewinnen.

Verkehrsunfall in Bremen: Kläger versus Versicherung

In einem bemerkenswerten Rechtsstreit am Amtsgericht Bremen (Az.: 18 C 511/13) standen sich ein Kläger und seine Versicherung gegenüber. Ausgangspunkt war ein Verkehrsunfall auf einem Parkplatz hinter dem Hauptbahnhof, in den der Kläger verwickelt war. Nachdem er einen Anstoß verspürte, fuhr er weiter, ohne den Unfall zu melden oder den Schaden zu prüfen. Er ging irrtümlich davon aus, gegen einen Betonpfeiler oder ein Verkehrsschild gestoßen zu sein. Tatsächlich hatte er jedoch das Fahrzeug des Herrn Sp. beschädigt, der daraufhin die Polizei informierte.

Der Streit um die Schadensregulierung

Der Kläger meldete den Unfall später seiner Haftpflichtversicherung, der Beklagten in diesem Fall. Diese forderte ihn auf, eine Haftpflicht-Schadensanzeige auszufüllen, was er jedoch unterließ. Die Beklagte regulierte daraufhin die Schäden am Fahrzeug des Herrn Sp. und forderte den Kläger später zur Erstattung der Kosten auf. Der Kläger weigerte sich zu zahlen und vertrat die Auffassung, die Beklagte habe ungerechtfertigt reguliert, da er den Schaden nicht verursacht haben könne. Die Beklagte wiederum behauptete, aufgrund der fehlenden Kooperation des Klägers und der vorhandenen Beweise sei die Regulierung gerechtfertigt gewesen.

Gerichtliche Auseinandersetzung und Urteil

Das Gericht musste nun entscheiden, ob die Regulierung des Schadens durch die Versicherung gerechtfertigt war und ob der Kläger zur Erstattung der Kosten verpflichtet ist. Im Kern des Falls stand die Frage, ob der Kläger seine Aufklärungspflicht verletzt hatte und ob dies einen Einfluss auf die Regulierungsentscheidung der Beklagten hatte. Das Gericht kam zu dem Schluss, dass die Beklagte im Rahmen ihres Regulierungsermessens korrekt gehandelt hatte. Der Kläger wurde zur Zahlung von 1.982,82 € nebst Zinsen an die Beklagte verurteilt. Dies begründete das Gericht damit, dass der Kläger seine Aufklärungspflichten vorsätzlich verletzt hatte, indem er sich unerlaubt vom Unfallort entfernte.

Rechtliche Betrachtungen und Schlussfolgerungen

Das Gericht berücksichtigte in seiner Entscheidung, dass die Beklagte aufgrund des ihr zustehenden Ermessens zur Regulierung des Schadens berechtigt war. Die Beklagte hatte alle verfügbaren Informationen ausgewertet, bevor sie die Regulierung vornahm. Der Kläger konnte nicht nachweisen, dass seine Obliegenheitsverletzung nicht ursächlich für den Umfang der Leistungspflicht war. Die Frage, ob die Beklagte eventuell zu viel reguliert hatte, war für das Gericht irrelevant, da die Beklagte aufgrund der ihr vorliegenden Informationen von der Korrektheit der Ansprüche ausgehen durfte.

Fazit: Das Urteil betont die Bedeutung der Aufklärungspflichten von Versicherungsnehmern nach einem Unfall und die Ermessensfreiheit von Versicherungen bei der Schadensregulierung. Das vollständige Urteilstext kann unten nachgelesen werden.

✔ Wichtige Fragen und Zusammenhänge kurz erklärt

Was versteht man unter der Aufklärungspflicht in der Kfz-Versicherung?

Die Aufklärungspflicht in der Kfz-Versicherung bezieht sich auf die Verpflichtung des Versicherungsnehmers, alles zu tun, was zur Aufklärung eines Schadensfalls beitragen kann. Dies bedeutet, dass der Versicherungsnehmer verpflichtet ist, alle Fragen des Versicherers zu den Umständen des Schadenereignisses, zum Umfang des Schadens und zur Leistungspflicht wahrheitsgemäß und vollständig zu beantworten.

Die Aufklärungspflicht ist eine der Obliegenheiten, die der Versicherungsnehmer im Schadenfall hat. Andere Obliegenheiten umfassen die Anzeigepflicht gegenüber dem Versicherer und die Schadenminderungspflicht.

Die Verletzung der Aufklärungspflicht kann schwerwiegende Folgen haben. Bei vorsätzlicher Verletzung der Aufklärungspflicht kann der Versicherungsschutz entfallen. Bei grob fahrlässiger Verletzung der Aufklärungspflicht ist der Versicherer zur Kürzung seiner Leistung berechtigt, es sei denn, der Versicherungsnehmer kann nachweisen, dass er nicht grob fahrlässig gehandelt hat.

Der Zweck der Aufklärungspflicht besteht darin, den Versicherer in die Lage zu versetzen, in Bezug auf das Schadensereignis sachgerechte Entscheidungen zu treffen. Eine Verletzung der Aufklärungspflicht liegt daher nicht vor, wenn der Versicherungsnehmer bei der Schadensanzeige Umstände verschweigt, die dem Versicherer bereits bekannt sind.

Wie wird die Leistungsfreiheit der Versicherung bei vorsätzlicher Obliegenheitsverletzung durch den Versicherungsnehmer definiert?

Die Leistungsfreiheit der Versicherung bei vorsätzlicher Obliegenheitsverletzung durch den Versicherungsnehmer ist definiert als das Recht der Versicherung, ihre Leistung im Schadensfall vollständig zu verweigern. Dies tritt ein, wenn der Versicherungsnehmer eine Obliegenheit, also eine Verhaltenspflicht aus dem Versicherungsvertrag, vorsätzlich verletzt hat.

Die Leistungsfreiheit tritt jedoch nicht automatisch ein. Das Versicherungsunternehmen muss sie geltend machen. Zudem muss der Versicherungsnehmer die Obliegenheitsverletzung selbst verschuldet haben. Es ist auch wichtig zu beachten, dass die Leistungsfreiheit nur dann eintritt, wenn die Obliegenheitsverletzung kausal, also ursächlich, für den Versicherungsfall war.

Die vorsätzliche Verletzung einer Obliegenheit bedeutet, dass der Versicherungsnehmer die Verletzung der Obliegenheit kennt und diese billigend in Kauf nimmt. Bei einer vorsätzlichen Obliegenheitsverletzung kann die Versicherung die Leistung vollständig verweigern, es sei denn, die Obliegenheitsverletzung hat keinen Einfluss auf die Regulierungsentscheidung der Versicherung.

Es ist wichtig zu beachten, dass die genauen Konsequenzen einer Obliegenheitsverletzung auch von den individuellen Regelungen im Versicherungsvertrag abhängen können. Daher ist es ratsam, sich bei Unklarheiten an einen Rechtsberater oder direkt an die Versicherung zu wenden.


Das vorliegende Urteil

AG Bremen – Az.: 18 C 511/13 – Urteil vom 13.01.2015

1. Die Klage wird abgewiesen. Auf die Widerklage wird der Kläger verurteilt, an die Beklagte 1.982,82 € nebst Zinsen i.H.v. 4 %- Punkte über dem Basiszinssatz seit dem 25.03.2013 zu zahlen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung der Beklagten i.H.v. 110 % des jeweils beizutreibenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Der Streitwert wird auf 2.763,39 € festgesetzt.

Tatbestand

Der Kläger begehrt von der Beklagten die Schadensfreistellung seines Versicherungsvertrages, wohingegen die Beklagte von dem Kläger Ausgleich des an den Unfallgegner erstatteten Schadens verlangt.

Die Parteien verbindet eine Kraftfahrthaftpflichtversicherung. In den dem Versicherungsvertrag zu Grunde liegenden Allgemeinen Bedingungen für die Kfz- Versicherung (AKB) haben die Parteien folgendes vereinbart:

Aufklärungspflicht

E.1.3 Sie sind verpflichtet, alles zu tun, was der Aufklärung des Schadensereignisses dienen kann. Dies bedeutet insbesondere, dass Sie unsere Fragen zu den Umständen des Schadensereignisses wahrheitsgemäß und vollständig beantworten müssen und den Unfallort nicht verlassen dürfen, ohne die erforderlichen Feststellungen zu ermöglichen. (…)

E.7. Welche Folgen hat eine Verletzung dieser Pflichten?

Leistungsfreiheit bzw. Leistungskürzung

E.7.1 Verletzen sie vorsätzlich eine Ihrer in E.1 bis E.6 geregelten Pflichten, haben Sie keinen Versicherungsschutz. Verletzen Sie eine Ihrer Pflichten grob fahrlässig, sind wir berechtigt, unsere Leistung in einem der Schwere Ihres Verschuldens entsprechenden Verhältnis zu kürzen. Weisen Sie nach, dass sie die Pflicht nicht grob fahrlässig verletzt haben, bleibt der Versicherungsschutz bestehen.

E.7.2 Abweichend von E. 7.1 sind wir zur Leistung verpflichtet, soweit Sie nachweisen, dass die Pflichtverletzung weder für die Feststellung des Versicherungsfalls noch für die Feststellung oder den Umfang unserer Leistungspflicht ursächlich war. Dies gilt nicht, wenn sie die Pflicht arglistig verletzen.

… war der Kläger in einen Verkehrsunfall verwickelt, der sich auf dem Parkplatz … hinter dem Hauptbahnhof ereignet hat. Der Kläger ließ dort einen flüchtigen Bekannten aussteigen. Beim Zurücksetzen verspürte der Kläger einen Anstoß. Er ging davon aus, gegen einen Betonpfeiler oder ein mobiles Verkehrsschild gestoßen zu sein und setzte seine Fahrt, ohne nach hinten zu schauen nach vorne fort und verließ den Parkplatz.

Tatsächlich war der Kläger gegen das Fahrzeug des Herrn Sp. gefahren, der sodann die Polizei hinzurief. Der Verkehrsunfall wurde unter der Registriernummer … von der Polizei aufgenommen und ein Ermittlungsverfahren wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort gegen den Kläger eingeleitet. Das Strafverfahren wurde gegen Geldauflage gemäß § 153a Abs. 1 StPO eingestellt. Noch während der Verkehrsunfallaufnahme fuhr ein Polizeifahrzeug zur Adresse des Klägers und konfrontierte diesen mit dem Tatvorwurf. Zugleich wurde ein Atemalkoholtest durchgeführt, der einen Wert von 0,00 mg/l ergab. Die Polizeibeamten stellten am Fahrzeug des Beklagten ein verbogenes Nummernschild und einen linksseitig eingedrückten Kühlergrill fest. Am Fahrzeug des Klägers stellten sie einen Kratzer hinten links an der Stoßstange fest.

Der Zeuge Sp. machte gegenüber der Beklagten als Haftpflichtversicherung des Klägers folgende Schäden geltend:

  • Reparaturkosten brutto 1.605,58 €
  • Mietwagenkosten 352,24 €
  • Auslagenpauschale 25,00 €
  • Gesamtschaden 1.982,82 €.

Unter dem 30.08.2012 meldete der Kläger den Unfall telefonisch bei der Beklagten. Am 31.08.2012 sandte die Beklagte dem Kläger eine Haftpflicht-Schadensanzeige mit der Bitte um Vervollständigung und Rücksendung. Der Kläger sandte die Schadensanzeige nicht zurück. Die Beklagte nahm Einsicht in die Ermittlungsakte und regulierte schließlich am 23.11.2012 die Reparaturkosten nebst Auslagenpauschale und am 20.12.2012 die Mietwagenkosten.

Mit Schreiben vom 27.02.2013 forderte die Beklagte den Kläger auf, den von ihr regulierten Betrag i.H.v. 1.982,82 € zu erstatten. Mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 05.03.2013 lehnte der Kläger eine Zahlung mit der Begründung ab, dass aufgrund der Fahrgeschwindigkeit von vielleicht 5 km/h die Schadenshöhe der Gegenseite befremdlich erscheine und zudem keine Vorsatzstraftat vorliege.

Der Kläger ist der Meinung, die Beklagte habe ungeprüft reguliert und daher gegen ihre Regulierungsvollmacht verstoßen. Allein aufgrund der Fahrgeschwindigkeit sei eine Schadensverursachung durch den Kläger undenkbar. Durch den Stoßfänger werde ein solch minimaler Anstoß aufgefangen, so dass die Schäden nicht erklärbar seien. Mietwagenkosten seien bei diesem Bagatellunfall allenfalls für einen Tag gerechtfertigt. Darüber hinaus seien die Reparaturkosten unverhältnismäßig und es sei von einem wirtschaftlichen Totalschaden auszugehen. Dass die Beklagte am 23.11.2012 und 20.12.2012 reguliert habe bestreitet der Kläger. Die Verletzung der Obliegenheitspflicht des Klägers sei weder für die Feststellung des Versicherungsfalles noch für die Feststellung des Umfangs der Leistung ursächlich gewesen. Darüber hinaus habe die Beklagte den Kläger nicht darüber belehrt, dass sie im Falle einer vorsätzlichen Obliegenheitsverletzung sich auf die Leistungsfreiheit berufen werde.

Der Kläger beantragt, festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Versicherungsvertrag des Klägers zu Kraftfahrtversicherung … frei zu stellen bezüglich eines Verkehrsunfalls vom 28.08.2012.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Widerklagend beantragt die Beklagte, den Kläger zu verurteilen, an die Beklagte 1.982,82 € nebst Zinsen i.H.v. 4 % über dem Basisdiskontsatz nach § 247 BGB seit 25.03.2013 zu zahlen.

Der Kläger beantragt, die Widerklage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Meinung, dass aufgrund der Entfernung des Klägers vom Unfallort in Kenntnis dessen, dass eine Berührung stattgefunden hat, Leistungsfreiheit seitens der Beklagten bestehe. Dass der Kläger lediglich 5 km/h gefahren sei wird bestritten. Ein Verstoß gegen die Regulierungsvollmacht liege nicht vor, da die Beklagte mit Ausnahme der Zeugenangaben des Herrn Sp. und der Ermittlungsakte keinerlei Angaben zum Verkehrsunfall hatte und aufgrund dieser Informationen eine Regulierung angezeigt gewesen sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Die Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft Bremen zum … war … beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Das Gericht hat den Kläger persönlich angehört. Wegen des Ergebnisses der persönlichen Anhörung wird auf die Sitzungsniederschrift vom 01.04.2014 (Bl. 40 ff. der Akte) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig aber unbegründet. Die Widerklage ist zulässig und begründet.

Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Rückstufung der Schadensfreiheitsklasse wegen einer fehlerhaften Regulierung des Verkehrsunfalles vom 28.08.2012 gemäß § 280 BGB.

Die Beklagte war aufgrund des ihr zustehenden Regulierungsermessens (Ziff. A. 1.1.4 AKB) berechtigt, den Unfallschaden zu regulieren, mit der Folge der Höherstufung des Klägers in der KFZ-Haftpflichtversicherung. Soweit der Kläger die Regulierung selbst bestreitet, ist das einfache Bestreiten nach Vorlage der Zahlungsbelege (Bl. 97 f.d.A.) unerheblich.

Die Beklagte ist aufgrund von § 115 I Nr. 1 VVG einem Direktanspruch des Unfallgegners des Klägers ausgesetzt. Sie darf deswegen selbstständig darüber entscheiden, ob sie in eine Regulierung eintritt, oder ob sie sich verklagen lassen will. Sie ist nicht gehalten, eine Regulierung deshalb zu verweigern, weil ihr Versicherungsnehmer eine Schadensersatzpflicht von vorneherein bestreitet oder sich nicht äußert.

Einwendungen des Versicherungsnehmers zur Frage der Schadensersatzpflicht hat sie zwar zur Kenntnis zu nehmen, aber sodann im Rahmen ihres Ermessensspielraums selbstständig über die Befriedigung der an sie gerichteten Ansprüche zu befinden. Unter diesen Umständen hätte die Beklagte bei der Entscheidung, den Schaden zu regulieren, ihre Pflichten gegenüber dem Kläger nur dann verletzt, wenn sie offensichtlich unbegründete Ansprüche, die leicht nachweisbar unbegründet sind, und ohne weiteres abzuwehren wären, reguliert oder den Geschädigten ohne Prüfung der Sachlage „auf gut Glück“ befriedigt (BGH VersR 1981, 180; AG Essen NJW-Spezial 2007, 259, AG Köln, Urteil vom 28.01.09, Az 269 C 293/08). Entscheidend für das Regulierungsverhalten des Versicherers ist sein Kenntnisstand zum Zeitpunkt der Regulierung. Hierbei muss ihm allerdings ein Ermessensspielraum eingeräumt werden. Dieser geht so weit, dass der Versicherer auch dem Gesichtspunkt der Prozessökonomie den Vorrang geben darf.

Eine Pflichtverletzung der Beklagten, mithin eine fehlerhafte Ausübung des der Beklagten zustehenden Regulierungsermessens, ist der Beklagten im vorliegenden Fall nicht vorzuwerfen.

Die Beklagte hat durch Einsichtnahme in die Ermittlungsakte, Auswertung der darin enthaltenen Zeugenaussagen, Anforderung eines Unfallberichts bei dem Kläger und Prüfung des Kostenvoranschlages den Sachverhalt hinreichend geprüft, bevor sie in die Regulierung eingetreten ist Der Kläger gab bis zur Schadensregulierung keine weiteren Einzelheiten zum Schadensverlauf bekannt. Aufgrund der Aktenlage durfte die Beklagte von der Begründetheit der Ansprüche ausgehen, so dass ihr ein Ermessensfehler nicht vorzuwerfen ist. Dies insbesondere auch vor dem Hintergrund, dass die Beklagte bei ihrer Ermessensentscheidung auch berücksichtigen durfte, dass der Kläger sich wegen des zur Zeit der Regulierung noch laufenden Strafverfahrens nicht selbst belasten muss.

Nach alledem ist der Beklagten aufgrund der von ihr vorgenommenen Regulierung kein Vorwurf zu machen.

Die Klage war mithin abzuweisen.

Die Beklagte hat einen Anspruch auf Zahlung von 1.982,82 € gegen den Kläger gemäß § 116 Abs. 1 S. 1 und 2 VVG, § 426 Abs. 1 a. E. i.V.m. E.1.3, E.7.1 AKB.

Die Beklagte ist dem Kläger aus dem Versicherungsverhältnis aufgrund eines vorsätzlichen Verstoßes gegen Ziffer E.1.3 nicht zur Leistung verpflichtet, so dass in dem Verhältnis der Parteien als Gesamtschuldner zueinander der Kläger alleine für den Schaden haftet.

Unstreitig hat sich der Kläger, nachdem er mit seinem Fahrzeug bei der Rückwärtsfahrt einen Anstoß verspürt hat, von dem Unfallort entfernt, ohne die erforderlichen Feststellungen zu ermöglichen. Auch wenn der Kläger behauptet, er sei davon ausgegangen, er habe lediglich einen Betonpfeiler getroffen, und habe keinen Schaden verursacht, so hat er durch sein fluchtartiges Entfernen ohne vorherige Prüfung des Sachverhalts doch zumindest billigend in Kauf genommen, dass genau dies passiert ist. Versperrt sich der Betroffene einer Überprüfung dessen, was gerade passiert ist, so nimmt er zumindest billigend in Kauf, einen Unfall mit Sachschaden verursacht zu haben und die Feststellung seiner Personalien zu vereiteln. Eine vorsätzliche Obliegenheitsverletzung liegt selbst nach der Einlassung des Klägers damit vor. Gemäß Ziffer E. 7.1 S. 1, § 28 Abs.2 S. 1 VVG ist die Beklagte damit von ihrer Leistungspflicht gegenüber dem Kläger befreit.

Der Kausalitätsgegenbeweis, der gemäß Ziffer E. 7.2 AKB, § 28 Abs.3, S. 1 VVG wiederum zur Leistungspflicht der Beklagten führen würde, gelingt dem Kläger nicht. Der Kläger kann nicht nachweisen, dass die Verletzung seiner Obliegenheitspflicht für die Feststellung des Umfangs der Leistungspflicht nicht ursächlich geworden ist. Die definitive Entfernung des wartepflichtigen Versicherungsnehmers vom Unfallort ist generell geeignet, das Aufklärungsinteresse des Versicherers erheblich zu gefährden. Der Kläger selbst behauptet, dass aufgrund seiner Fahrgeschwindigkeit die geltend gemachten Schäden unplausibel seien. Die Information, dass der Kläger lediglich mit geringer Fahrgeschwindigkeit gegen das Fahrzeug gestoßen sei, hat die Beklagte erst nach der Regulierung erhalten. Wäre der Kläger am Unfallort verblieben, hätte aufgrund seiner Behauptung der Schaden näher inspiziert werden können, auf Plausibilität geprüft und gegebenenfalls ein Gutachten über die Frage von Vorschäden eingeholt werden können. So ergaben sich keine Anhaltspunkte für die Beklagte hier weiter nachzuforschen. Auch hätte sich bei einem Verbleib des Klägers am Unfallort klären lassen, ob und gegebenenfalls wer als weiterer Zeuge zur Verfügung steht. Insoweit käme z.B. der Fahrgast des Klägers in Betracht. Unklarheiten zum Unfall und zu den Schäden gehen zulasten des Pflichtigen. Im vorliegenden Fall hätte die Information, dass der Kläger lediglich 5 km/h gefahren sei die Einstandspflicht der Beklagten beeinflussen können.

Soweit der Kläger der Auffassung ist, die Beklagte könne sich auf die vorsätzliche Obliegenheitsverletzung nicht berufen, da sie den Kläger zuvor nicht gemäß § 28 Abs. 4 VVG ausreichend belehrt habe, so greift diese Argumentation nicht. Ein solches Regelungsbedürfnis entfällt nämlich aus der Natur der Sache, wenn spontan vom Versicherungsnehmer nach Eintritt des Versicherungsfalles zu erfüllende Obliegenheiten, wie hier das Verbleiben am Unfallort, infrage stehen, bei denen schon in tatsächlicher Hinsicht gar keine Möglichkeit für eine vorherige Belehrung von Seiten des Versicherers besteht (vergleiche Prölss/Martin, VVG, 28. Auflage, 2010, § 28 Rn. 152).

Die Frage, ob die Beklagte möglicherweise zu viel reguliert hat, weil evtl. Vorschäden am Fahrzeug des Zeugen Sp. vorlagen o.ä. ist für die Entscheidung dieses Rechtsstreits irrelevant. Der Kläger kann als Ausgleichsverpflichteter nach § 426 Abs. 1 S. 1 BGB dem vorleistenden Gesamtschuldner nicht die Einwendungen gegen die dem Ausgleichsanspruch zu Grunde liegende Forderung entgegenhalten, sondern grundsätzlich nur solche Einwände aus dem Grundverhältnis, die bei Zahlung offensichtlich und so gravierend waren, dass das Begleichen der Forderung einen Rechtsmissbrauch darstellt (vergleiche OLG München, NJW 2008, 3 1505). Eine solche rechtsmissbräuchliche Zahlung liegt aus den oben genannten Gründen nicht vor. Die Beklagte hatte vor Regulierung ausreichend Erkundigungen eingeholt und hatte zum Zeitpunkt der Regulierung keine Gründe an der Korrektheit der geltend gemachten Ansprüche zu zweifeln. Auch der Umstand dass die Beklagte zum Zeitpunkt der Regulierung Kenntnis von ihrer Leistungsfreiheit gegenüber dem Kläger hatte, führt nicht zu einer Rechtsmissbräuchlichkeit, da sie aufgrund des § 117 Abs. 1 VVG gegenüber dem Geschädigten weiterhin zur Leistung verpflichtet war.

Der Zinsanspruch folgt aus §§ 286 Abs.1, 288 Abs.1 BGB. Dass die Beklagte weniger Zinsen geltend macht, als es gesetzlich möglich ist, schadet nicht.

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91 Abs. 1, 709 S. 2 ZPO.

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