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Verkehrsunfall – Schmerzensgeldbemessung bei Wirbelsäulenverletzungen

Ein scheinbar leichter Auffahrunfall, doch für eine Autofahrerin wurden daraus langwierige Wirbelsäulenprobleme. Das Pikante: Bereits bestehende „Vorschäden“ an ihrer Wirbelsäule trafen auf die Unfallfolgen. Nun musste ein Gericht klären, wie viel Schmerzensgeld ihr zusteht, wenn ein Unfall alte Leiden verschlimmert.

Zum vorliegenden Urteil Az.: I-7 U 4/18 | Schlüsselerkenntnis | FAQ  | Glossar  | Kontakt

Das Wichtigste in Kürze

  • Gericht: OLG Hamm
  • Datum: 15.03.2018
  • Aktenzeichen: I-7 U 4/18
  • Verfahrensart: Berufungsverfahren
  • Rechtsbereiche: Straßenverkehrsrecht, Versicherungsrecht, Zivilprozessrecht, Gebührenrecht

Beteiligte Parteien:

  • Kläger: Die Geschädigte eines Verkehrsunfalls, die Schmerzensgeld, materiellen Schadensersatz und die Feststellung künftiger Ersatzpflicht forderte.
  • Beklagte: Die Fahrerin des Unfallwagens und deren Haftpflichtversicherung.

Worum ging es in dem Fall?

  • Sachverhalt: Die Klägerin erlitt bei einem Auffahrunfall, verursacht durch die Beklagte, körperliche Schäden. Die grundlegende Haftung der Beklagten für die Unfallfolgen ist unstrittig. Die Klägerin begehrte Schmerzensgeld, Ersatz materieller Schäden und die Feststellung einer Ersatzpflicht für künftige Schäden.
  • Kern des Rechtsstreits: Es ging um die Angemessenheit des zugesprochenen Schmerzensgeldes unter Berücksichtigung von Vorschäden, die Freistellung von außergerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren über den 1,3-fachen Satz hinaus und das Bestehen eines Feststellungsinteresses für künftige Schäden.

Was wurde entschieden?

  • Entscheidung: Das Gericht beabsichtigte, die Berufung der Klägerin per Beschluss zurückzuweisen. Die Berufung hatte keine Aussicht auf Erfolg.
  • Begründung: Die erstinstanzliche Entscheidung war in allen Punkten richtig. Die Schmerzensgeldbemessung berücksichtigte die unfallbedingten Verletzungen und die erheblichen Vorschäden der Klägerin angemessen. Ein Feststellungsinteresse für künftige Schäden und ein Anspruch auf höhere Rechtsanwaltsgebühren bestanden nicht.
  • Folgen: Das erstinstanzliche Urteil, das der Klägerin 3.500 EUR Schmerzensgeld und weitestgehend Ersatz materieller Schäden zusprach, bleibt bestehen. Weitergehende Forderungen der Klägerin, insbesondere ein höheres Schmerzensgeld und die Anerkennung künftiger Schäden, wurden endgültig abgewiesen.

Der Fall vor Gericht


Gerichtsurteil: Unfallfolgen, Vorschäden und die Höhe des Schmerzensgeldes

Wer kennt das nicht: Ein kurzer Moment der Unachtsamkeit im Straßenverkehr, und schon ist es passiert – ein Auffahrunfall. Oft sind die Folgen zum Glück gering, manchmal aber auch schmerzhaft und langwierig.

Zwei Autos bei Auffahrunfall auf Straße, Fahrerinnen reagieren erschrocken
Auffahrunfall im Verkehr: Auto kollidiert frontal, Kollision zwischen zwei PKWs auf der Straße. | Symbolbild: KI-generiertes Bild

Doch was passiert, wenn bereits bestehende gesundheitliche Probleme, sogenannte Vorschäden, durch einen Unfall verschlimmert werden? Wie viel Schmerzensgeld steht einem dann zu? Und wer bezahlt die Anwaltskosten, wenn man sich mit der gegnerischen Versicherung streitet? Ein Urteil des Oberlandesgerichts Hamm gibt hierzu interessante Einblicke.

Der Unfall und seine unmittelbaren Folgen

Alles begann mit einem Verkehrsunfall am 30. November 2015. Frau K. (die Klägerin in diesem Fall) war mit ihrem Auto unterwegs, als eine andere Fahrerin (im Folgenden die Unfallverursacherin genannt) von hinten auf ihren Wagen auffuhr. Die Schuldfrage war schnell geklärt: Die Unfallverursacherin und ihre Haftpflichtversicherung (im Folgenden die Versicherung genannt) mussten grundsätzlich für die Schäden aufkommen, die Frau K. durch den Unfall erlitten hatte. Juristen nennen das „Haftung dem Grunde nach„. Die Versicherung zahlte auch bereits für einen Teil der entstandenen Blechschäden am Auto von Frau K. Außerdem überwies sie 400 Euro als eine Art Vorschuss auf das Schmerzensgeld – also eine Entschädigung für die erlittenen Schmerzen und Beeinträchtigungen. Dabei betonte die Versicherung jedoch, dass diese Zahlung kein Eingeständnis sei, dass Frau K. tatsächlich Anspruch auf mehr Schmerzensgeld habe.

Frau K. war jedoch der Ansicht, dass ihr deutlich mehr zustehe. Sie hatte durch den Unfall Verletzungen erlitten, darunter einen Haarriss am siebten Halswirbelkörper, eine Knochenquetschung sowie Zerrungen der Hals- und Lendenwirbelsäule. Sie forderte daher vor Gericht nicht nur weiteres Schmerzensgeld, sondern auch den Ersatz weiterer materieller Schäden und die Feststellung, dass die Versicherung auch für mögliche zukünftige Unfallfolgen aufkommen müsse.

Das Urteil der ersten Instanz: Schmerzensgeld ja, aber begrenzt

Das Landgericht E, die erste gerichtliche Station in diesem Fall, gab Frau K. bei den materiellen Schäden größtenteils Recht. Beim Schmerzensgeld sah die Sache jedoch anders aus. Das Gericht sprach Frau K. zwar weitere 3.100 Euro zu (also insgesamt 3.500 Euro abzüglich der bereits gezahlten 400 Euro). Aber warum nicht mehr? Das Gericht begründete dies vor allem damit, dass die Kräfte, die bei der Kollision auf Frau K.s Körper gewirkt hatten, vergleichsweise gering gewesen seien. Entscheidend war für das Gericht aber ein anderer Punkt: Frau K. hatte bereits vor dem Unfall sogenannte degenerative Vorschäden an ihrer Wirbelsäule. Das sind Abnutzungserscheinungen, die im Laufe des Lebens entstehen können. Das Gericht meinte, diese Vorschäden seien mitursächlich für die Beschwerden von Frau K. gewesen. Die durch den Unfall direkt verursachten Beeinträchtigungen seien daher nur für einen begrenzten Zeitraum von höchstens neun Monaten den Beklagten, also der Unfallverursacherin und ihrer Versicherung, zuzurechnen.

Auch den Antrag von Frau K., festzustellen, dass die Versicherung für zukünftige, heute noch nicht absehbare Schäden haften müsse (ein sogenannter Feststellungsantrag), lehnte das Landgericht ab. Es stützte sich dabei auf das Gutachten eines Sachverständigen, Herrn T. Dieser kam zu dem Schluss, dass mit künftigen, unfallbedingten Beeinträchtigungen nicht zu rechnen sei. Gekürzt wurde zudem die Forderung nach Erstattung der Anwaltskosten für die außergerichtliche Vertretung. Das Gericht hielt hier nur eine sogenannte 1,3-fache Gebühr für angemessen, nicht die von Frau K.s Anwalt angesetzte 1,5-fache Gebühr. Was das genau bedeutet, klären wir später.

Die Berufung: Frau K. kämpft um mehr Geld und Anerkennung

Mit dieser Entscheidung wollte sich Frau K. nicht zufriedengeben. Sie legte Berufung beim Oberlandesgericht Hamm ein. Ihr Ziel: Das Urteil des Landgerichts sollte geändert werden. Sie forderte weiterhin ein deutlich höheres Schmerzensgeld, nämlich insgesamt 8.000 Euro. Ihrer Meinung nach hatte das Landgericht ihre tatsächlichen Verletzungen und deren Folgen nicht ausreichend berücksichtigt. Insbesondere sei zu wenig beachtet worden, dass ihre Vorschädigung an der Wirbelsäule vor dem Unfall keinerlei Beschwerden verursacht habe. Sie sei deswegen auch nicht in Behandlung gewesen.

Weiterhin kritisierte Frau K., dass das Landgericht zwar angedeutet habe, sich an anderen Urteilen orientieren zu wollen, aber keine konkreten Vergleichsfälle genannt habe. Die Annahme des Gerichts, dass ihre Beschwerden im Brustbereich nicht mehr auf den Unfall zurückzuführen seien, empfand sie als willkürlich. Auch das zögerliche Verhalten der Versicherung bei der Schadensregulierung hätte ihrer Ansicht nach zu einem höheren Schmerzensgeld führen müssen. Bezüglich des abgelehnten Feststellungsantrags meinte Frau K., das Landgericht habe das Gutachten falsch interpretiert. Schließlich beharrte sie darauf, dass für die Anwaltskosten eine 1,5-fache Gebühr erstattet werden müsse.

Die Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamm: Kein Erfolg für die Berufung

Das Oberlandesgericht Hamm (das Berufungsgericht) dämpfte jedoch die Hoffnungen von Frau K. Es kündigte an, ihre Berufung durch einen einstimmigen Beschluss zurückzuweisen, ohne dass es zu einer weiteren mündlichen Verhandlung kommen würde. Das ist nach der Zivilprozessordnung (kurz ZPO), dem Regelwerk für Gerichtsverfahren in Deutschland, dann möglich, wenn das Gericht einstimmig davon überzeugt ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Fall keine grundsätzliche Bedeutung hat und eine Entscheidung auch nicht zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist. Doch warum sah das Oberlandesgericht keine Chance für Frau K.s Anliegen?

Die detaillierte Begründung des Oberlandesgerichts

Das Oberlandesgericht überprüfte die Entscheidung des Landgerichts Punkt für Punkt und kam zu dem Ergebnis, dass sie im Wesentlichen richtig war. Schauen wir uns die Argumente genauer an.

Das Schmerzensgeld: Warum 3.500 Euro als angemessen galten

Das Berufungsgericht muss bei der Überprüfung des Schmerzensgeldes nicht nur nach Rechtsfehlern suchen, sondern gegebenenfalls selbst einen Betrag festlegen, der dem Einzelfall gerecht wird. Es muss also eine eigene, überzeugende Bewertung vornehmen.

  • Die Rolle der Vorschäden: Dies war einer der zentralen Punkte. Das Landgericht hatte die Vorschädigungen an der Halswirbelsäule von Frau K. berücksichtigt. Frau K. hatte argumentiert, diese Vorschäden seien vor dem Unfall nicht symptomatisch gewesen. Das Oberlandesgericht stimmte zu, dass dies vom Landgericht auch so gesehen wurde. Im Urteil der ersten Instanz stand, dass Frau K. vor dem Unfall lediglich in der Beweglichkeit des Halses eingeschränkt war, die Schmerzen aber erst durch den Unfall auftraten.
    Aber warum ist das so wichtig? Grundsätzlich gilt: Wer einen anderen schädigt, muss für die Folgen aufkommen, auch wenn die Verletzungen nur deshalb so schlimm wurden, weil das Opfer bereits eine gesundheitliche Schwachstelle hatte. Der Unfall wirkt dann als „Auslöser“. Die Höhe des Schmerzensgeldes wird jedoch nach „Billigkeit“ festgesetzt. Das bedeutet, das Gericht muss fair abwägen und berücksichtigen, wie stark der Unfall tatsächlich zur Gesundheitsbeeinträchtigung beigetragen hat, insbesondere wenn eine gesundheitliche Anfälligkeit des Opfers eine Rolle spielt.
    Hier kam das Gutachten des Sachverständigen Herrn T. ins Spiel. Dieser Experte, dessen Feststellungen von keiner Seite angegriffen wurden, erklärte, dass Frau K.s Wirbelkörper im Halsbereich zum Unfallzeitpunkt bereits erheblich entkalkt waren. Das machte den Knochen „weich“. Zusammen mit einer bereits bestehenden mangelnden Elastizität durch eine Versteifung der Halswirbelsäule konnte dies selbst bei einer niedrigen Aufprallgeschwindigkeit zu einem Bruch, wie dem erlittenen Haarriss, führen. Auch die Zerrung war auf diese individuelle Veranlagung zurückzuführen. Dieser erhebliche Einfluss der massiven Vorschäden rechtfertigte es aus Sicht des Gerichts, dies bei der Höhe des Schmerzensgeldes zu berücksichtigen.
    Das Gericht grenzte den Fall auch von einem anderen Urteil des OLG Hamm ab, auf das sich Frau K. möglicherweise bezog. In jenem Fall war der Kläger trotz Vorschaden durch Muskulatur vollständig beschwerdefrei. Frau K. hingegen hatte nach eigenen Angaben bereits Einschränkungen in der Beweglichkeit. Zudem, so der Gutachter Herr T., war bei Frau K.s Vorschäden ohnehin bald mit einer Behandlungsbedürftigkeit zu rechnen. Nach neun Monaten seien die Beschwerden dann auch eher als verschleißbedingt und nicht mehr als unfallbedingt einzustufen.
  • Umfang der unfallbedingten Verletzungen und Folgen:
    • Brustschmerzen und Blutergüsse: Das Landgericht hatte angenommen, dass keine Brustschmerzen durch Blutergüsse infolge des Gurtes entstanden waren. Das Oberlandesgericht sah dies genauso. Ein ärztliches Attest war hierzu zu ungenau („später, Blutergüsse“). Dem stand das Gutachten von Herrn T. entgegen, der bei der geringen Geschwindigkeitsänderung beim Aufprall (7 bis 10 km/h) Zweifel an einer wesentlichen Gurtverletzung äußerte, es sei denn, es lägen besondere medizinische Umstände vor (z.B. Einnahme von Blutverdünnern), was hier aber nicht der Fall war. Frau K. konnte also nicht beweisen, dass diese Beschwerden vom Unfall kamen.
    • Ausstrahlende Schmerzen: Frau K. hatte zwar von starken Schmerzen in der linken Schulter berichtet, die teilweise in die linke Brust ausstrahlten. Sie hatte aber nicht konkretisiert, wie oft und wie stark diese waren und sie in ihrer mündlichen Anhörung vor Gericht nicht erwähnt. Daher gab das Gericht diesen Schmerzen kein nennenswertes Gewicht.
    • Auswirkungen auf das Leben: Das Landgericht hatte die Auswirkungen des Unfalls auf das Leben von Frau K. umfassend berücksichtigt. Eine behauptete Urlaubsabsage konnte nicht bestätigt werden. Der Ehemann von Frau K., der als Zeuge aussagte, gab an, es seien keine Urlaube geplant gewesen. Die vage Absicht, über Weihnachten/Silvester ins Sauerland zu fahren, war zu unkonkret, um das Schmerzensgeld zu erhöhen.
  • Dauer der unfallbedingten Schmerzen: Das Landgericht hatte, gestützt auf das Gutachten von Herrn T., eine Dauer von neun Monaten für die unfallbedingten Schmerzen angenommen. Frau K. meinte, das Gutachten sei widersprüchlich, da der Gutachter einerseits eine mögliche Dauer von 3 bis 18 Monaten für unfallbedingte Beschwerden nannte, im konkreten Fall aber nur neun Monate annahm. Das Oberlandesgericht sah hier keinen Widerspruch. Der Gutachter habe seine Einschätzung auf Basis seiner Sachkunde und der Plausibilität der Angaben des Ehemannes getroffen.
  • Zögerliches Verhalten der Versicherung: Musste die Versicherung mehr zahlen, weil sie zögerlich reguliert hatte? Nein, meinte das Gericht. Eine Erhöhung des Schmerzensgeldes aus diesem Grund setzt ein wirklich vorwerfbares oder nicht nachvollziehbares Verhalten der Versicherung voraus, das über eine normale Rechtsverteidigung hinausgeht und vom Geschädigten als herabwürdigend empfunden werden muss. Das ist zum Beispiel der Fall, wenn die Versicherung Einwände erhebt, die ganz offensichtlich unzutreffend sind. Hier war es aber so, dass die Versicherung erst nach Einreichung der Klage (im April 2016 für einen Unfall im November 2015) Teilzahlungen leistete und nur 400 Euro Schmerzensgeld zahlte. Das allein reichte nicht. Die Zweifel der Versicherung an der Schwere der Verletzungen waren nachvollziehbar, da es sich um eine geringfügige Kollision handelte und die Verletzungen, wie sich erst durch das Gutachten herausstellte, maßgeblich auf die erheblichen Vorschäden von Frau K. zurückzuführen waren.
  • Vergleichsurteile: Das Landgericht hatte keine konkreten Vergleichsurteile in seiner Entscheidung genannt. Das war für das Oberlandesgericht in Ordnung. Gerichte müssen zwar das Ergebnis ihrer Schmerzensgeldberechnung anhand von Tabellen mit früheren Entscheidungen überprüfen, dürfen diese Beträge aber nicht einfach schematisch übernehmen. Jeder Fall ist ein Einzelfall. Die vom Landgericht festgesetzten 3.500 Euro Schmerzensgeld passten aus Sicht des Oberlandesgerichts zu anderen Urteilen bei Halswirbelsäulenverletzungen. Die von Frau K. angeführten Vergleichsurteile waren nicht passend, da es dort um erheblich längere Beschwerdezeiten, Auswirkungen auf das Berufsleben oder bleibende Schäden ging.

Schließlich bestätigte das Gericht auch, dass die bereits gezahlten 400 Euro korrekt von den zugesprochenen 3.500 Euro abgezogen wurden.

Keine Aussicht auf zukünftige Schäden (Feststellungsantrag)

Auch die Abweisung des Feststellungsantrags durch das Landgericht war korrekt. Frau K. hatte kein sogenanntes Feststellungsinteresse. Was bedeutet das? Man braucht ein berechtigtes Interesse daran, dass ein Gericht eine bestimmte Rechtslage feststellt, hier also die Pflicht der Versicherung, für künftige Schäden aufzukommen. Dieses Interesse fehlt, wenn man bei vernünftiger Betrachtung nicht damit rechnen muss, dass überhaupt noch weitere Schäden eintreten werden.

Genau das war hier der Fall, wie das Gutachten von Herrn T. zeigte. Der Haarriss war ein unverschobener Knochenbruch, der normalerweise in etwa sechs Wochen heilt. Die Knochenquetschung war vollständig ausgeheilt, mit einer möglichen Beschwerdedauer von 3 bis 18 Monaten, die der Gutachter hier konkret auf neun Monate festlegte. Die Aussage des Gutachters, dass „spätestens nach neun Monaten von weiteren Beschwerden im Rahmen der ausgeprägten Degeneration auszugehen sei“, verstand das Gericht so: Nach diesem Zeitraum sind alle Beschwerden nicht mehr als unfallbedingt, sondern als folgen der bereits bestehenden Abnutzungserscheinungen einzustufen.

Anwaltskosten: Warum nicht mehr als der Regelsatz?

Zuletzt ging es um die vorgerichtlichen Anwaltskosten. Frau K. wollte, dass die Versicherung die Kosten für eine 1,5-fache Geschäftsgebühr nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) übernimmt. Das Landgericht hatte aber nur eine 1,3-fache Gebühr zugesprochen. Das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) ist quasi die Gebührenordnung für Anwälte. Die Ziffer 2300 des Vergütungsverzeichnisses (VV) zum RVG regelt die sogenannte Geschäftsgebühr für die außergerichtliche Tätigkeit des Anwalts. Normalerweise, bei einer durchschnittlich schwierigen und umfangreichen Sache, kann der Anwalt hier eine 1,3-fache Gebühr verlangen. Das ist die sogenannte Schwellengebühr. Eine höhere Gebühr (bis zu 2,5-fach) kann nur gefordert werden, wenn die Tätigkeit des Anwalts besonders umfangreich oder schwierig war.
Der Anwalt hat zwar einen gewissen Spielraum bei der Festsetzung seiner Gebühr (ein sogenanntes Ermessen), und Gerichte tolerieren hier eine Überschreitung um bis zu 20 %. Aber ob die Voraussetzungen für eine Überschreitung der wichtigen 1,3-fachen Schwellengebühr vorliegen, das dürfen und müssen die Gerichte überprüfen.
Im Fall von Frau K. sah das Oberlandesgericht die Tätigkeit ihres Anwalts weder als besonders umfangreich noch als besonders schwierig an. Es handelte sich um einen Verkehrsunfall mit Personen- und Sachschaden. Die Anzahl der einzelnen Schadenspositionen war nicht ungewöhnlich hoch, und es gab auch keine besonders kniffligen Rechtsfragen zu klären. Die grundsätzliche Haftung war ja unstreitig, es ging von Anfang an nur um die Höhe. Allgemeine Behauptungen, es habe zahlreiche außergerichtliche Besprechungen gegeben, reichten nicht aus, um eine besondere Schwierigkeit oder einen besonderen Umfang zu begründen. Ein Verkehrsunfall, auch mit Personenschäden, ist für Anwälte ein alltägliches Geschäft und nicht vergleichbar mit wirklich komplexen Fällen. Auch wenn der Anwalt Spezialwissen hat, macht das einen Standardfall nicht automatisch zu einem schwierigen Fall. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Mandanten spielen zwar für die Höhe der Anwaltsgebühr innerhalb des normalen Rahmens eine Rolle, aber nicht für die Frage, ob die 1,3-fache Schwellengebühr überschritten werden darf. Das hängt allein von Umfang und Schwierigkeit ab.

Da alle Argumente von Frau K. das Oberlandesgericht nicht überzeugen konnten, blieb es bei der Entscheidung des Landgerichts.


Die Schlüsselerkenntnisse

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Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Muss ich mit weniger Schmerzensgeld rechnen, wenn ich vor dem Unfall schon gesundheitliche Probleme hatte?

Grundsätzlich ist es so, dass Sie Schmerzensgeld nur für diejenigen Beeinträchtigungen erhalten, die durch den Unfall verursacht wurden. Wenn Sie bereits vor dem Unfall gesundheitliche Probleme hatten, die unabhängig vom Unfall Schmerzen oder Einschränkungen verursachen, wird das Schmerzensgeld für diese nicht unfallbedingten Beschwerden in der Regel nicht berücksichtigt. Es geht also darum, den zusätzlichen Schaden oder die Verschlimmerung zu ersetzen, die der Unfall bewirkt hat.

Der Grundsatz: Unfall als Verursacher

Im deutschen Recht muss ein Unfall der tatsächliche und rechtliche Verursacher der Gesundheitsschäden sein, für die Schmerzensgeld verlangt wird. Das bedeutet, dass ein klarer Zusammenhang zwischen dem Unfall und Ihren Beschwerden bestehen muss. Für Sie bedeutet das: Die Schmerzen und Einschränkungen, für die Sie eine Entschädigung fordern, müssen nachweislich die Folge des Unfalls sein.

Die Rolle von Vorerkrankungen: Auslöser oder Verschlimmerung

Häufig kommen sogenannte Vorerkrankungen oder degenerative Veränderungen (altersbedingte Abnutzungserscheinungen) vor. Stellen Sie sich vor, Sie hatten vor dem Unfall bereits leichte Rückenbeschwerden aufgrund von altersbedingtem Verschleiß. Wenn der Unfall diese Beschwerden massiv verstärkt, neue Symptome hervorruft oder eine bislang symptomlose Vorschädigung zu akuten Schmerzen macht, spricht man von einer Auslöser-Wirkung oder Verschlimmerung. In solchen Fällen kann der Unfall als der Verursacher der Verschlimmerung oder des Ausbruchs der Symptome angesehen werden. Das Schmerzensgeld bemisst sich dann an dem Umfang der Beschwerden, die durch den Unfall entstanden oder verschlimmert wurden. Es muss also eine klare Abgrenzung zwischen den ursprünglichen, nicht unfallbedingten Beschwerden und denjenigen Beschwerden erfolgen, die neu hinzugekommen oder sich verschlimmert haben.

Die Bedeutung medizinischer Nachweise

Diese Abgrenzung ist oft komplex und erfordert detaillierte medizinische Nachweise. Medizinische Gutachten spielen hier eine entscheidende Rolle. Sie dienen dazu, den Gesundheitszustand vor dem Unfall zu dokumentieren und festzustellen, in welchem Umfang die aktuellen Beschwerden tatsächlich durch das Unfallereignis verursacht oder wesentlich verschlimmert wurden. Nur wenn durch ärztliche Befunde und Gutachten klar gezeigt werden kann, dass der Unfall die Ursache für neue oder verschlimmerte Schmerzen ist, können diese bei der Bemessung des Schmerzensgeldes berücksichtigt werden. Es geht also nicht darum, ob Sie überhaupt Vorerkrankungen hatten, sondern darum, ob und wie der Unfall Ihre Gesundheit darüber hinaus beeinträchtigt hat.


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Was beeinflusst die Höhe des Schmerzensgeldes nach einem Unfall?

Die Höhe des Schmerzensgeldes nach einem Unfall wird in Deutschland nicht nach einer festen Formel berechnet, sondern ist immer eine Einzelfallentscheidung. Gerichte berücksichtigen eine Vielzahl von Faktoren, um den Betrag angemessen festzulegen. Es geht darum, das erlittene Leid, die Beeinträchtigungen und die Folgen des Unfalls so umfassend wie möglich zu würdigen.

Entscheidende Faktoren für die Bemessung

Die wichtigsten Umstände, die die Höhe des Schmerzensgeldes beeinflussen, sind:

  • Schwere und Art der Verletzungen: Dies ist der grundlegendste Faktor. Eine schwere Knochenfraktur wird anders bewertet als eine leichte Prellung. Auch die Art der Verletzung spielt eine Rolle, zum Beispiel ob innere Organe betroffen sind oder Nerven geschädigt wurden.
  • Dauer und Intensität der Schmerzen: Je länger und stärker die Schmerzen andauern, desto höher kann das Schmerzensgeld ausfallen. Chronische Schmerzen, die das Leben dauerhaft beeinflussen, wirken sich besonders stark aus.
  • Medizinische Behandlungen: Umfangreiche und schmerzhafte Behandlungen wie mehrere Operationen, lange Krankenhausaufenthalte, Reha-Maßnahmen oder langwierige Therapien zeigen den Umfang des erlittenen Leidens und beeinflussen die Höhe des Schmerzensgeldes.
  • Dauer der Arbeitsunfähigkeit und Heilbehandlung: Ein längerer Ausfall im Beruf oder Alltag und eine lange Genesungsphase, in der Sie von den Folgen des Unfalls beeinträchtigt sind, erhöhen den Anspruch.
  • Psychische Auswirkungen: Neben körperlichen Verletzungen werden auch psychische Folgen wie Schock, Angstzustände, Depressionen oder posttraumatische Belastungsstörungen (PTBS) berücksichtigt. Diese können das Leben ebenso stark beeinträchtigen wie körperliche Leiden.
  • Dauerhafte Beeinträchtigungen und Folgeschäden: Wenn der Unfall zu bleibenden Schäden wie Narben, Bewegungseinschränkungen, dem Verlust von Gliedmaßen oder Organen, Invalidität oder einer dauerhaften Pflegebedürftigkeit führt, hat dies einen erheblichen Einfluss auf die Höhe des Schmerzensgeldes. Es geht um die Kompensation für die langfristigen Einschränkungen in Ihrem Leben.
  • Auswirkungen auf den Alltag: Hier wird betrachtet, wie der Unfall Ihr tägliches Leben beeinflusst: Können Sie Ihren Hobbys noch nachgehen? Sind Sie im Haushalt eingeschränkt? Benötigen Sie Hilfe bei der Körperpflege? Alle Einschränkungen in der Lebensführung sind relevant.
  • Vergleichsurteile: Gerichte ziehen zur Orientierung oft frühere Urteile in ähnlichen Fällen heran. Diese Schmerzensgeldtabellen oder -sammlungen dienen als Richtschnur, da sie eine gewisse Einheitlichkeit in der Rechtsprechung gewährleisten sollen. Es ist jedoch wichtig zu verstehen, dass dies nur eine Orientierung ist und Ihr individueller Fall immer gesondert betrachtet wird, da selbst ähnliche Unfälle unterschiedliche Auswirkungen haben können.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Bemessung des Schmerzensgeldes eine umfassende Abwägung aller individuellen Umstände des Geschädigten ist. Es ist kein standardisierter Betrag, sondern ein Ausgleich für das persönliche Leid und die erlittenen Einbußen an Lebensqualität.


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Wer trägt die Kosten für meinen Anwalt nach einem Verkehrsunfall?

Grundsätzlich gilt: Wurden Sie unverschuldet in einen Verkehrsunfall verwickelt, muss die Versicherung des Unfallverursachers auch die notwendigen und angemessenen Kosten für Ihren Anwalt tragen. Dies folgt dem Prinzip, dass derjenige, der einen Schaden verursacht hat, auch alle damit verbundenen erforderlichen Aufwendungen erstatten muss. Das Ziel ist, dass Sie so gestellt werden, als wäre der Unfall nie passiert – also auch keine zusätzlichen Kosten für die Rechtsverfolgung entstehen.

Was sind „notwendige und angemessene“ Anwaltskosten?

Die Höhe der Anwaltsgebühren ist in Deutschland durch das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) geregelt. Dieses Gesetz legt fest, welche Gebühren ein Anwalt für seine Tätigkeit abrechnen darf. Bei einem Verkehrsunfall handelt es sich in der Regel um die sogenannte Geschäftsgebühr, also die Gebühr für die außergerichtliche Bearbeitung Ihres Falles (z.B. Korrespondenz mit der gegnerischen Versicherung, Prüfung der Ansprüche).

Die Geschäftsgebühr bewegt sich in einem Rahmen von 0,5 bis 2,5. Für einen durchschnittlich schwierigen Fall sieht das RVG eine Regelgebühr von 1,3 vor. Diese 1,3-fache Gebühr wird von den Versicherungen des Unfallverursachers üblicherweise anstandslos übernommen, wenn der Fall keine besonderen Schwierigkeiten aufweist. Die genaue Höhe der Gebühr berechnet sich immer auf Basis des sogenannten Streitwerts, also der Höhe des Gesamtschadens, der geltend gemacht wird.

Wann können höhere Anwaltskosten gerechtfertigt sein?

Eine höhere Gebühr als die Regelgebühr (also beispielsweise eine 1,5-fache oder 1,8-fache Geschäftsgebühr) kann nur dann gerechtfertigt sein, wenn der Fall besondere Schwierigkeiten oder einen ungewöhnlich hohen Arbeitsaufwand für den Anwalt mit sich bringt. Solche Umstände können sein:

  • Hoher Schwierigkeitsgrad der Rechtslage: Wenn beispielsweise die Haftungsfrage (also die Schuldfrage) nicht klar ist und intensive rechtliche Prüfung erfordert.
  • Umfang des Falles: Wenn viele Beteiligte vorhanden sind, es um diverse Schadenspositionen geht (z.B. Sachschaden, Personenschaden, Haushaltsführungsschaden) oder eine aufwendige Beweissicherung notwendig ist.
  • Besondere Bedeutung für den Geschädigten: Wenn der Unfall gravierende Folgen hat, die über den reinen Sachschaden hinausgehen.
  • Schwierige Verhandlungen: Wenn die gegnerische Versicherung sehr widerwillig ist oder sich der Fall über einen langen Zeitraum zieht und intensive Korrespondenz erforderlich macht.

Ihr Anwalt muss eine höhere Gebühr gegenüber der gegnerischen Versicherung begründen können. Die Versicherung des Unfallverursachers zahlt nur die Gebühren, die sie für notwendig und angemessen hält. Sollten Sie mit Ihrem Anwalt eine höhere Gebühr vereinbart haben, als die Versicherung als notwendig und angemessen erachtet, müssten Sie den Differenzbetrag möglicherweise selbst tragen. Die 1,3-fache Gebühr ist jedoch für durchschnittliche Fälle der Standard.

Was passiert bei Teilschuld oder unklarer Haftung?

Sollte Ihnen eine Teilschuld am Unfall zugesprochen werden, bedeutet dies, dass Sie einen Teil des Schadens selbst tragen müssen. Entsprechend würde die gegnerische Versicherung auch nur einen anteiligen Anteil an Ihren Anwaltskosten übernehmen. Wenn Sie beispielsweise zu 25 % mitschuldig sind, würde die gegnerische Versicherung 75 % Ihrer Anwaltskosten tragen und Sie die restlichen 25 %.

Es ist wichtig zu verstehen, dass die Kostentragungspflicht der gegnerischen Versicherung an die Erforderlichkeit und Angemessenheit der anwaltlichen Tätigkeit gebunden ist.


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Kann ich auch Schmerzensgeld für zukünftige Beschwerden oder Spätfolgen fordern?

Ja, das ist grundsätzlich möglich und ein sehr wichtiger Aspekt bei langfristigen gesundheitlichen Folgen. Wenn nach einem Unfall oder einem anderen schädigenden Ereignis nicht sofort klar ist, ob und welche Spätfolgen eintreten werden, besteht die Möglichkeit, bereits jetzt die Haftung für zukünftige Schäden feststellen zu lassen. Dies sichert Ihre Ansprüche für den Fall, dass sich die Gesundheitsprobleme später manifestieren oder verschlimmern.

Wie zukünftige Schäden rechtlich gesichert werden

Um Ansprüche für noch nicht eingetretene, aber wahrscheinliche Gesundheitsschäden zu sichern, wird in der Regel ein sogenannter Feststellungsantrag gestellt. Das bedeutet, dass ein Gericht oder die Gegenseite gerichtlich feststellen lässt, dass sie für alle zukünftigen Schäden haften, die aus dem ursprünglichen Ereignis resultieren. Ein solcher Feststellungsantrag ist besonders wichtig, weil Ansprüche sonst unter Umständen verjähren könnten, bevor die Spätfolgen überhaupt bemerkbar werden. Für Sie bedeutet das: Auch wenn ein Schmerzensgeld heute beziffert und ausgezahlt wird, kann durch einen Feststellungsantrag der Anspruch auf weiteres Schmerzensgeld für später eintretende Beschwerden offen gehalten werden.

Voraussetzungen für einen erfolgreichen Feststellungsantrag

Damit ein Feststellungsantrag Erfolg hat und die Haftung für zukünftige Beschwerden gesichert wird, müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein:

  • Gewisse Wahrscheinlichkeit: Es muss eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür bestehen, dass zukünftige Schäden oder Spätfolgen tatsächlich eintreten werden. Eine bloße, sehr entfernte Möglichkeit reicht hierfür nicht aus.
  • Medizinische Begründung: Diese Wahrscheinlichkeit muss medizinisch begründbar sein. Das bedeutet, dass Ärzte oder medizinische Gutachter bestätigen können, dass es nach der Art der erlittenen Verletzung und dem bisherigen Verlauf zu weiteren gesundheitlichen Problemen kommen kann. Stellen Sie sich vor, ein Knochenbruch ist zwar gut verheilt, aber der Arzt weist darauf hin, dass eine erhöhte Wahrscheinlichkeit für spätere Arthrose besteht. Solche Hinweise sind entscheidend.

Es ist also wichtig, alle medizinischen Befunde und Arztberichte sorgfältig aufzubewahren, die auf mögliche zukünftige Beschwerden hinweisen. Eine kontinuierliche medizinische Dokumentation ist hierbei von großer Bedeutung.


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Welche Rolle spielen medizinische Gutachten bei der Bewertung meiner Unfallverletzungen?

Medizinische Gutachten sind bei der Bewertung von Unfallverletzungen von zentraler Bedeutung. Sie dienen dazu, die medizinischen Folgen eines Unfalls objektiv und nachvollziehbar zu beurteilen. Besonders wichtig sind sie, wenn es darum geht, den Zusammenhang zwischen einem Unfall und den erlittenen Verletzungen zu klären, die Schwere und Dauer der Beschwerden einzuschätzen sowie mögliche Vorschäden oder andere Ursachen abzugrenzen.

Bedeutung als Beweismittel im Verfahren

Stellen Sie sich vor, Sie haben nach einem Unfall Schmerzen und möchten beispielsweise Schmerzensgeld oder Schadensersatz für daraus entstandene Kosten geltend machen. Gerichte benötigen hierfür eine neutrale und fachkundige Einschätzung. Sie ziehen daher in der Regel unabhängige medizinische Sachverständige hinzu. Diese Experten erstellen auf Basis von Untersuchungen, Befunden und der Krankengeschichte ein Gutachten. Dieses Gutachten ist dann ein maßgebliches Beweismittel im Gerichtsverfahren.

Was wird im Gutachten beurteilt?

Ein Medizinisches Gutachten beantwortet wichtige Fragen, die für die rechtliche Bewertung Ihrer Verletzungen entscheidend sind:

  • Unfallbedingtheit: Besteht ein direkter ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Unfallereignis und Ihren aktuellen Beschwerden oder Diagnosen? Hat der Unfall die Verletzungen verursacht oder eine Vorerkrankung verschlimmert?
  • Schwere und Dauer der Verletzungen: Wie schwer sind die erlittenen Verletzungen objektiv einzuschätzen und wie lange werden die Beschwerden voraussichtlich anhalten? Sind dauerhafte Einschränkungen zu erwarten?
  • Auswirkungen auf den Alltag: Welche konkreten Beeinträchtigungen ergeben sich aus den Verletzungen für Ihr berufliches und privates Leben? Das kann zum Beispiel die Arbeitsfähigkeit, die Notwendigkeit von Hilfe oder Pflege oder die Fähigkeit zur Ausübung von Hobbys betreffen.
  • Behandlungsbedürftigkeit und Prognose: Welche medizinischen Behandlungen sind notwendig und wie ist die weitere Entwicklung der Verletzungen (Prognose) zu erwarten?

Objektivität und richterliche Entscheidung

Das Ziel dieser Gutachten ist es, den Gerichten eine objektive Grundlage für ihre Entscheidung zu liefern. Der Gutachter ist dabei nicht Partei, sondern ein neutraler Fachmann. Die Ergebnisse des medizinischen Gutachtens sind oft entscheidend für die richterliche Entscheidung, da sie fundierte Antworten auf die medizinischen Sachfragen geben, die für die Bemessung von Schmerzensgeld und anderen Schadensersatzansprüchen unerlässlich sind. Ohne eine klare medizinische Beurteilung ist es für ein Gericht schwierig, den Umfang des Schadens und die Höhe der Entschädigung zu bestimmen.


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Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren. Wir klären Ihre individuelle Situation und die aktuelle Rechtslage.


Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt

Haftung dem Grunde nach

„Haftung dem Grunde nach“ bedeutet, dass grundsätzlich festgestellt wird, dass der Schädiger für den eingetretenen Schaden verantwortlich ist. Dabei geht es um die Frage, ob überhaupt eine Pflicht zur Schadensersatzleistung besteht, bevor über die Höhe oder den Umfang der Entschädigung entschieden wird. Im vorliegenden Fall wurde anerkannt, dass die Unfallverursacherin und ihre Versicherung grundsätzlich für die Schäden von Frau K. aufkommen müssen, die direkt durch den Unfall entstanden sind.

Beispiel: Wenn Ihnen jemand beim Autofahren ins Fahrzeug fährt und den Unfall verursacht, wird zunächst geprüft, ob diese Person rechtlich für die Folgen verantwortlich ist — das ist die sogenannte Haftung dem Grunde nach.


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Vorschäden

Vorschäden sind bereits vor einem Unfall vorhandene, bestehende gesundheitliche Probleme oder Abnutzungserscheinungen, die die aktuelle Beschwerdelage beeinflussen können. Sie sind wichtig, weil sie bei der Bemessung von Schmerzensgeld berücksichtigt werden: Das Schmerzensgeld deckt grundsätzlich nur die Verletzungen und Schmerzen ab, die durch den Unfall verursacht oder verschlimmert wurden. Wenn Vorschäden vorliegen, muss geprüft werden, inwieweit der Unfall tatsächlich für die jetzigen Beschwerden verantwortlich ist.

Beispiel: Wenn jemand vor einem Autounfall schon eine leichte Wirbelsäulenabnutzung hat, kann der Unfall diese Vorschädigung verschlimmern oder neue Schmerzen auslösen. Nur diese zusätzlichen Folgen sind dann Teil des Schmerzensgeldanspruchs.


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Feststellungsantrag

Ein Feststellungsantrag ist ein gerichtlicher Antrag, mit dem eine Partei die verbindliche Feststellung erlangen möchte, dass eine andere Partei für zukünftige, noch nicht eingetretene Schäden haftet. Er dient dazu, rechtliche Unsicherheiten zu vermeiden und Ansprüche für Spätfolgen eines Unfalls oder Schadensereignisses zu sichern, bevor diese tatsächlich entstehen. Voraussetzung für einen Erfolg ist eine hinreichende Wahrscheinlichkeit, dass künftige Schäden eintreten, sowie eine medizinische Begründung dafür.

Beispiel: Nach einem Verkehrsunfall kann ein Verletzter mit einem Feststellungsantrag gerichtlich klären lassen, dass die Versicherung auch für mögliche spätere Beschwerden zahlen muss, etwa wenn eine Arthrose infolge der Verletzung droht.


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Geschäftsgebühr (Rechtsanwaltsvergütungsgesetz – RVG)

Die Geschäftsgebühr ist eine feste Gebühr im Rahmen des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG), die ein Anwalt für seine außergerichtliche Tätigkeit im Auftrag eines Mandanten abrechnen darf. Sie wird nach dem Umfang und der Schwierigkeit der anwaltlichen Leistung bemessen und bewegt sich üblicherweise zwischen 0,5- und 2,5-fach der Grundgebühr. Die Regelgebühr von 1,3 gilt als durchschnittlicher Satz für Standardfälle. Höhere Gebühren sind nur gerechtfertigt, wenn die Angelegenheit besonders umfangreich oder schwierig ist.

Beispiel: Nach einem Autounfall übernimmt meist die gegnerische Versicherung die Anwaltskosten in Höhe der 1,3-fachen Geschäftsgebühr, wenn der Fall keine außergewöhnlichen Schwierigkeiten aufweist.


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Medizinisches Gutachten

Ein medizinisches Gutachten ist eine fachliche Einschätzung eines unabhängigen Sachverständigen über die Art, Schwere und Ursache von Verletzungen und gesundheitlichen Beeinträchtigungen. Es dient als entscheidendes Beweismittel vor Gericht, um festzustellen, ob und in welchem Umfang ein Unfall tatsächlich für Gesundheitsschäden verantwortlich ist, welche Behandlung erforderlich ist und wie lange die Beschwerden voraussichtlich andauern. Das Gutachten hilft, die Ansprüche auf Schmerzensgeld und Schadenersatz objektiv zu bewerten.

Beispiel: Bei einem Verkehrsunfall kann ein medizinischer Gutachter feststellen, ob ein Wirbelbruch direkt durch den Aufprall verursacht wurde oder ob ein Vorschaden ausschlaggebend war, und wie lange die Schmerzen im Durchschnitt anhalten werden.

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Wichtige Rechtsgrundlagen


  • § 823 BGB (Schadensersatzpflicht): Regelt die Haftung für Schäden, die durch unerlaubte Handlungen verursacht werden, insbesondere bei Verkehrsunfällen, wenn jemand fahrlässig Rechte eines anderen verletzt. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Unfallverursacherin haftet nach § 823 BGB für die durch den Unfall verursachten Gesundheitsschäden und Sachschäden von Frau K., was die Grundlage für den Anspruch auf Schmerzensgeld und Schadensersatz bildet.
  • § 253 BGB (Schmerzensgeldanspruch): Beschreibt den Anspruch auf eine Geldentschädigung für immaterielle Schäden, also insbesondere Schmerzen und Leiden, die durch eine Verletzung hervorgerufen werden. Die Höhe wird nach Billigkeitsgründen festgesetzt. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die zentrale Frage war die Höhe des Schmerzensgeldes unter Berücksichtigung der Vorschäden von Frau K. Dabei wurde geprüft, inwieweit der Unfall die bestehenden Beschwerden verschlimmert hat und wie sich dies fair und angemessen in der Entschädigung widerspiegelt.
  • Grundsatz der Haftung mit Vorschäden („Mitursächlichkeit“): Bei der Haftung ist zu beachten, dass auch Vorschäden berücksichtigt werden, die einen Unfallverletzten anfälliger machen, jedoch wird die Haftung nach Billigkeit entsprechend reduziert. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Da Frau K. erhebliche degenerative Vorschäden hatte, wurde die Haftung der Unfallverursacherin für die Unfallfolgen auf die konkrete Verschlimmerung und die tatsächliche Dauer der Beschwerdefreiheit beschränkt.
  • § 287 ZPO (Beweiswürdigung und freie Beweiswürdigung): Das Gericht hat bei unklaren Tatsachen selbst zu schätzen, wie glaubhaft und überzeugend vorliegende Beweise sind. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Gericht bewertete das Sachverständigengutachten und die Zeugenaussagen frei und schloss daraus, dass die unfallbedingten Schmerzen nur für neun Monate bestanden und andere Beschwerden nicht konkret beweisbar waren, was die Schmerzensgeldhöhe beeinflusste.
  • § 256 ZPO (Feststellungsinteresse): Eine Feststellungsklage ist zulässig, wenn ein rechtliches Interesse daran besteht, eine bestimmte Rechtslage zu klären, etwa für künftige Schadensersatzansprüche. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Frau K.s Antrag auf Feststellung der zukünftigen Haftung der Versicherung wurde abgelehnt, weil das Gericht aufgrund des Gutachtens nicht mit weiteren unfallbedingten Schäden rechnete, somit fehlte das erforderliche Feststellungsinteresse.
  • Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG), insbesondere Nr. 2300 VV RVG (Geschäftsgebühr): Regelt die Vergütung der anwaltlichen Tätigkeit bei außergerichtlicher Vertretung, üblicherweise mit einer 1,3-fachen Gebühr, die nur bei besonderem Umfang oder Schwierigkeit erhöht wird. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Gericht bewertete die anwaltliche Tätigkeit als durchschnittlich, sodass die von Frau K. geforderte 1,5-fache Gebühr nicht gerechtfertigt war und höchstens der Regelsatz von 1,3-fach anerkannt wurde.

Das vorliegende Urteil


OLG Hamm – Az.: I-7 U 4/18 – Beschluss vom 15.03.2018


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