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Erstattungsfähigkeit von Mietwagenkosten – Verkehrsunfall

AG Soltau, Az.: 4 C 711/12, Urteil vom 02.07.2013

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 804,44 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz p. a. seit dem 13. März 2012 zu zahlen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar; der Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung durch den Kläger gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

4. Streitwert: „bis 900,00 €“.

Tatbestand

Der Kläger nimmt die Beklagte auf Zahlung eines restlichen Schadensersatzes für Mietwagenkosten in Anspruch.

Aufgrund des Verkehrsunfalls vom … April 2011 auf der Straße … in S zwischen den im Eigentum des Klägers stehenden Pkw … amtliches Kennzeichen … und dem bei der Beklagten haftpflichtversicherten Fahrzeug, amtliches Kennzeichen … ist die Beklagte gegenüber dem Kläger dem Grunde nach voll einstandspflichtig.

Erstattungsfähigkeit von Mietwagenkosten - Verkehrsunfall
Symbolfoto: Mario Lopes/Bigstock

Der Kläger mietete ausweislich der Rechnung der W, S, vom … für die bei Anmietung unbekannte Dauer der Reparaturzeit den Pkw … an, wodurch ihm für die Zeit vom 26.04.2011 bis 06.05.2011 (11 Tage) ein Mietpreis von 1.385,16 € in Rechnung gestellt wurde. Auf den Rechnungsbetrag zahlte die Beklagte einen Betrag von 580,72 €, so dass der Kläger den Restbetrag im Klagewege geltend macht.

Der klägerische Pkw war durch den Verkehrsunfall massiv beschädigt worden.

Der Kläger trägt unter Vorlage einer Rückabtretungsvereinbarung mit dem Vermieter W (Blatt 153 d. A.) vor, die Beklagte sei zur Leistung von Schadensersatz in Höhe der gesamten Mietwagenkosten verpflichtet. Für das streitgegenständliche Postleitzahlengebiet ergebe sich – unter Berücksichtigung eines unfallbedingten Mehraufwandes in Höhe eines Aufschlages von 20 % – über den Schwacke-Mietpreisspiegel, Ausgabe 2011, ein Vergleichsbetrag von Mietwagenkosten in Höhe von 1.505,76 €, so dass sich der hier tatsächlich angefallene Mietwagenpreis von 1.385,16 € in einem erstattungsfähigen Bereich bewege.

Als Unfallgeschädigter, der zu Beginn der Fahrzeuganmietung die Dauer der Notwendigkeit der Mietwagennutzung nicht gekannt habe, habe er den Mietwagen zu dem in Rechnung gestellten Preis anmieten dürfen. Der Schwacke-Mietpreisspiegel habe keine überteuerten Tarife und sei ein geeigneter Maßstab für die Bestimmung des Mietpreises. Auf Vergleichsangebote im Internet brauche er sich nicht einzulassen. Die Frauenhofer Liste sei ungeeignet, einen tatsächlichen Mietpreisspiegel wiederzugeben, zumal sie hauptsächlich auf Internetpreisen basiere.

Zur Vorfinanzierung der Mietwagenkosten sei er nicht in der Lage gewesen.

Ein Aufschlag von 20 bis 30 % auf den „Normaltarif“ sei zulässig, falls unfallbedingte Mehrleistungen berechtigterweise in Anspruch genommen würden, wobei er auf die unklare Mietdauer, die fehlende Vorfinanzierung durch Kreditkarte, die fehlende Planbarkeit der Anmietung wegen der ungewissen Dauer der Reparatur und die geringere Sicherheit ohne Vorfinanzierung verweise.

Der Kläger beantragt, wie erkannt worden ist.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte, die die Aktivlegitimation des Klägers in Abrede stellt, trägt vor, der Kläger könne als Geschädigter als Schadensersatz den Geldbetrag verlangen, der zur Herstellung erforderlich sei, wobei die Erforderlichkeit von Mietwagenkosten lediglich anhand des Normaltarifs zu beurteilen sei. Der Schwacke-Mietpreisspiegel sei durch Alternativangebote im Internet angreifbar. Geeignet sei dagegen die Frauenhofer Liste. Ausgehend von Angeboten der Autovermietungen A und E sowie H und Si sei ein Fahrzeug der Gruppe 5 für 11 Tage im Mittel zu einem Mietpreis von 426,13 € erhältlich gewesen. Vor diesem Hintergrund komme ein Rückgriff auf den Schwacke-Mietpreisspiegel nicht mehr in Betracht. Für den Kläger seien diese Tarife frei zugänglich gewesen. Er hätte sich als Geschädigter nach einem günstigeren Tarif erkundigen müssen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist begründet.

Dem Kläger steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 804,44 € aus § 115 VVG i. V. m. § 7 StVG zu.

Der ausgeurteilte Betrag ergibt sich, wenn man von dem in der Mietwagenrechnung der W ausgewiesenen Betrag von 1.385,16 € die Zahlung der Beklagten von 580,72 € in Abzug bringt.

Nach der Vorlage der Rückabtretungserklärung (Anlage K 7, Blatt 153 d. A.) ist die alleinige Anspruchsberechtigung des Klägers hinreichend dargelegt und belegt, so dass der Kläger den Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte geltend machen kann.

Der Kläger kann von der Beklagten Mietwagenkosten für insgesamt 11 Tage für den Zeitraum vom 26.04. bis 06.05.2011 als Schadensersatz einfordern. Die von dem Kläger geltend gemachten Mietwagenkosten sind erstattungsfähig im Rahmen des § 249 BGB.

Zwar steht dem Geschädigten nur der erforderliche Herstellungsaufwand als Schadensersatz zu. Der Geschädigte kann von dem Schädiger und dessen Haftpflichtversicherer als erforderlichen Herstellungsaufwand nur den Ersatz von Mietwagenkosten verlangen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten darf. Der Geschädigte ist aus dem Grundsatz der Erforderlichkeit heraus, der das Wirtschaftlichkeitsgebot beinhalt, im Rahmen des ihm zumutbaren verpflichtet, von mehreren möglichen, den wirtschaftlichsten Weg zur Schadensbehebung zu wählen. Dies bedeutet, dass er von mehreren auf dem Markt örtlich relevanten Anbietern und den dort genannten Tarifen für die Anmietung eines vergleichbaren Ersatzfahrzeugs grundsätzlich nur den günstigeren Mietpreis als zur Herstellung erforderlich ersetzt verlangen darf.

Der Kläger hat vorliegend ein Fahrzeug angemietet, das ausweislich der Rechnung vom 12.05.2011 für 11 Tage mit 1.385,16 € abgerechnet worden ist. Unter Heranziehung des Schwacke-Mietpreisspiegels, Ausgabe 2011, ergibt sich für die Mietdauer von 11 Tagen einen Betrag von 1.145,80 €. Erhöht man diesen Betrag um einen unfallbedingten Mehraufwand in Höhe eines Aufschlags von 20 %, ergibt sich ein Betrag von 1.374,96 €, der in etwa der Höhe der Mietwagenrechnung entspricht.

Dass es in Internetportalen Pkw zu Anmietpreisen gibt, die deutlich unterhalb der Preise von Autowerkstätten liegen, dürfte allgemein bekannt sein. Der Kläger war dennoch nicht verpflichtet, sich einen Ersatz-Pkw im Internet anzumieten. Bei dem Internetmarkt handelt es sich um einen Sondermarkt mit nicht konstanten Preisen. Des Weiteren war der Kläger zu Beginn der Anmietung, d. h. vor der Durchführung der Reparatur, gar nicht in der Lage, den Zeitraum der Anmietung zu benennen, so dass ihm ein entscheidender Vorteil für die Anmietung eines Pkw im Internet fehlte. Der Vortrag des Klägers, er habe für die Anmietung eines Mietfahrzeugs keine Kreditkarte zur Verfügung gehabt, ist hinzunehmen. Die Pflicht des Klägers zur Schadensminderung geht im Übrigen nicht so weit, dass er seine kontorelevanten Daten im Internet preisgeben muss. Gleiches gilt für eine etwaige Vorfinanzierung der Mietwagenkosten.

Wenn der Kläger der Unfallgeschädigte ist, müssen sich die an ihn gestellten Anforderungen zur Anmietung eines Ersatzfahrzeuges im Rahmen des Zumutbaren halten. Auch aus dem Vortrag der Parteien in diesem Rechtsstreit wird offensichtlich, dass es keine einheitliche Rechtsprechung hinsichtlich der als ersatzfähig anzusehenden Mietwagenkosten im Sinne des Herstellungsaufwandes des § 249 BGB gibt. Da die Anwendbarkeit des Schwacke-Mietpreisspiegels und die Frage, ob dem Frauenhofer-Modell der Vorzug zu geben sei, in den verschiedenen Amts- und Landgerichtsbezirken sowie Oberlandesgerichtsbezirken unterschiedlich diskutiert wird, stellt sich in der Tat das Problem, wie der Kläger als geschädigte Person zum Zeitpunkt der Anmietung eines Ersatzfahrzeuges zu einer umfassenden Überzeugung gelangen soll. Dies ist völlig lebensfremd. Die allgemein bekannte Schwacke-Liste darf der Kläger als Geschädigter durchaus für erforderlich halten, um sich eine Meinung über die Höhe des Mietpreises im Zeitpunkt der Anmietung des Fahrzeuges zu bilden. Die schlecht überschaubare Diskussion über die Berechtigung der jeweiligen Mietpreishöhen ist in diesem Zeitpunkt für den Kläger irrelevant.

Der Zinsanspruch folgt aus den §§ 286, 288 BGB.

Die prozessualen Nebenentscheidungen ergeben sich aus den §§ 91, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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