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Ersatzfähigkeit des merkantilen Minderwerts bei Anschaffung eines Ersatzfahrzeugs

AG Aschaffenburg – Az.: 123 C 2007/11 – Urteil vom 20.03.2012

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.

Tatbestand

Am 31.3.2011 gegen 4.45 Uhr wurde das Fahrzeug der Klägerin Mercedes Benz, amtliches Kennzeichen … bei einem Verkehrsunfall im Bereich der Ampelanlage nach der Autobahnausfahrt H. der A3 durch den bei der Beklagten versicherten LKW, amtliches Kennzeichen … beschädigt. Die vollständige Haftung der Beklagten für den Schaden der Klägerin ist zwischen den Parteien unstreitig. Das von der Klägerin eingeholte Sachverständigengutachten, für das sie 1.461,44 € bezahlte, errechnete einen Reparaturkostenschaden in Höhe von 14.365,53 € netto, die Mehrwertsteuer hierauf mit 2.729,45 €. Den Wiederbeschaffungswert errechnete das Gutachten regelbesteuert inklusive 19 % Mehrwertsteuer mit 39.000,00 €, den Restwert, ebenfalls brutto, mit 19.500,00 €. Die Wertminderung des Fahrzeugs gab das Gutachten mit 2.000,00 € an. Die Klägerin machte gegenüber der Beklagten weiter Nutzungsausfall für 14 Tage à 65,00 € geltend, zusammen 910,00 €, sowie 26,00 € als Auslagenpauschale geltend. Die Kosten einer erforderlichen Fahrzeugvermessung beliefen sich auf 137,45 €.

Die Klägerin veräußerte das Fahrzeug in unrepariertem Zustand und schaffte ein Neufahrzeug an, für das Mehrwertsteuer anfiel. Die Beklagte bezahlte 11.000,00 € als Vorschuss zur beliebigen Verrechnung am 02.05.2011, weitere 3.898,00 € am 21.06.2011 auf Restwert, sonstige Auslagen und Vermessungskosten sowie am 05.08.2011 weitere 7.136,90 € zur Verrechnung auf Nutzungsausfall und anteilige Mehrwertsteuer, zusammen 22.034,90 €.

Die Klägerin begehrt von der Beklagten Erstattung der Differenz zwischen Wiederbeschaffungswert und Restwert in Höhe von 19.500,00 €, die Sachverständigenkosten in Höhe von 1.461,44 €, Nutzungsausfall in Höhe von 910,00 €, Kosten der Vermessung in Höhe von 37,35 € sowie die allgemeine Unkostenpauschale in Höhe von 26,00 € sowie die vom Sachverständigen mit 2.000,00 € angegebene Wertminderung, zusammen 24.034,89 €. Abzüglich der bereits gezahlten 22.034,90 € verbleibt der Klagebetrag in Höhe von 1.999,99 €, zu deren Zahlung die Klägerin die Beklagte unter Fristsetzung zum 28.07.2011 durch ihren Prozessbevollmächtigten aufforderte.

Die Klägerin meint, ihr stehe auch die Wertminderung zu wie im Sachverständigengutachten ausgewiesen, da sich diese ausgewirkt habe. Bei der Inzahlunggabe des beschädigten Fahrzeugs und Kauf des Neuwagens sei in Höhe keine Anrechnung bzw. Reduzierung des Kaufpreises erfolgt unter Berücksichtigung der Erstattungspflicht der beklagten Haftpflichtversicherung des Schädigers. Entsprechend sei ihr durch den Verkäufer des Neufahrzeugs Mitteilung gemacht worden. Damit habe sie sich die Wertminderung bei der Klägerin ausgewirkt und sei auch durch die Beklagte zu erstatten.

Die Klägerin beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 1.999,99 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 29.07.2011 zu bezahlen.

Die Beklagte beantragt, Klageabweisung.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze verwiesen.

Die Parteien haben mit Schriftsatz vom 22.02.2012 und 27.02.2012 ihr Einverständnis mit der Entscheidung im schriftlichen Verfahren erklärt, das mit Beschluss des Gerichts vom 28.02.2012 angeordnet wurde.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Klägerin steht kein Anspruch auf Erstattung der Wertminderung zu gemäß § 249 BGB, da sie das Fahrzeug in unrepariertem Zustand verkaufte und die Wertminderung deshalb nicht zum Tragen kommt, der Klägerin insoweit kein Schaden entstand.

Die Klägerin verkannte den Inhalt des mit dem Begriff „Wertminderung“ bezeichneten Schadens. Unter den Begriff der Wertminderung fällt der Schaden des Geschädigten, der trotz fachgerechter Reparatur verbleibt, weil das Fahrzeug nunmehr ein Unfallfahrzeug ist und der Markt einem solchen Fahrzeug einen geringeren Preis beimisst als den Zeitwert vor Eintritt des Unfallereignisses.

Die Klägerin wählte vorliegend jedoch nicht den Weg der Schadensbeseitigung durch Reparatur des Unfallfahrzeugs, sondern den zweiten Weg der Naturalrestitution, nämlich die Anschaffung eines Ersatzfahrzeugs. Dabei hat der Geschädigte nach dem Wirtschaftlichkeitspostulat nach § 249 Abs. 2 S. 1 BGB zu handeln. Eine Bereicherung durch Schadenersatz ist nach dem Tatbestandsmerkmal der „Erforderlichkeit“ des § 249 Abs. 3 S. 1 BGB ausgeschlossen (BGH v. 22.09.09, VI ZR 312/08; BGH v. 07.06.2005, VI ZR 192/04). Der Geschädigte soll mithin an dem Schadensfall nicht verdienen, nur der tatsächlich erlittene Schaden soll ausgeglichen werden. Da der Wiederbeschaffungsaufwand abzüglich des Restwertes in Höhe von insgesamt 19.500,00 € (39.000,00 € abzügl. 19.500,00 €) vollständig erstattet wurde, wirkt sich die für den Reparaturfall vom Sachverständigen ermittelte Wertminderung in Höhe von 2.000,00 € bei der Klägerin gerade nicht aus.

Eine Wertminderung kann begrifflich bei der Schadensbeseitigung im Wege der Ersatzbeschaffung nicht eintreten. Bei der Berechnung des Restwertes eines verunfallten Fahrzeugs ist gerade Gegenstand der Bewertung das verunfallte Fahrzeug, das nur als solches weiter Gegenstand des Marktes für gebrauchte Fahrzeuge werden kann. Die Unfalleigenschaft des Fahrzeugs ist mithin dem Begriff des Restwertes immanent und findet darin seine eigene Berücksichtigung. Die zusätzliche Berücksichtigung der Wertminderung bei einer Abrechnung des Schadens unter Anschaffung eines Ersatzfahrzeuges würde mithin die von dem Unfallereignis ausgelöste Wertminderung doppelt berücksichtigen. Dies widerspricht aber dem Gebot des § 249 Abs. 2 BGB, nur den zur Schadensbeseitigung erforderlichen Geldbetrag zu verlangen. Die Klägerin vermischt vorliegend in unzulässiger Weise die beiden Schadensbeseitigungswege.

Auch der Sachvortrag der Klägerin unter Beweisangebot, der Verkäufer des Neuwagens hätte ihr unter Berufung auf eine Erstattungspflicht des Haftpflichtversicherers des Unfallverursachers eine entsprechende Berücksichtigung der Wertminderung beim Verkauf bzw. beim Angebot einer Finanzierung verweigert, kann einen Schadenersatzanspruch der Klägerin nicht begründen. Insoweit war der Ansatz des Verkäufers bzw. des die Finanzierung des Fahrzeugs vermittelnden Person fehlerhaft, bei der Berechnung des Finanzierungsbedarfs einen Anspruch der Klägerin gegen den Versicherer des Schädigers, mithin die Beklagte zu unterstellen, da die Klägerin insoweit keinen Rechtsanspruch hat, wie oben erörtert. Es war Verhandlungssache der Klägerin beim Erwerb des Ersatzfahrzeugs, gegebenenfalls einen noch günstigeren Preis ihres Neufahrzeuges herauszuhandeln oder einen um den Betrag der „Wertminderung“ höheren Finanzierungsbedarf zum Gegenstand eines Darlehens zu machen.

Die Klage war daher, nachdem die Beklagte im Übrigen vollständig Schadenersatz geleistet hatte, als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, die über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 708 Nr. 11, 711 ZPO.

 

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