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Verkehrsunfall – Nutzungsausfallentschädigung bei gewerblich genutztem Fahrzeug

LG Aachen, Az.: 8 O 295/15, Urteil vom 08.06.2016

1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 372,75 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 12.08.2015 zu zahlen.

2. Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

3. Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 20 % und die Beklagten als Gesamtschuldner zu 80 %.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Den Parteien wird jeweils nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die jeweils andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Der Kläger begehrt Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall vom 11.7.2015 auf der G-Straße in F.

Der Kläger ist Halter und Eigentümer eines Kraftfahrzeuges mit dem amtlichen Kennzeichen XXX.

Der Beklagte zu 2) fuhr mit einem sog. „Quad“, das bei der Beklagten zu 1) haftpflichtversichert gewesen ist, auf den Pkw des Klägers auf, den der Kläger zu diesem Zeitpunkt an einer Rotlicht zeigenden Lichtsignalanlage zum Stillstand gebracht hatte. Bei dem Unfall wurde die Heckscheibe des klägerischen Fahrzeuges total beschädigt und Glasscherben in das Fahrzeuginnere geschleudert.

Die Haftung der Beklagten für das Zustandekommen des Verkehrsunfalles ist unstreitig.

Die durch den Vorfall vom 11.07.2015 entstandenen Fahrzeugschäden hat der Kläger in Eigenreparatur instandgesetzt.

Der Kläger begehrt nunmehr den Ersatz seiner unfallbedingten Schäden in einer Gesamthöhe von 6.798,23 EUR, die sich wie folgt zusammensetzen:

fiktive Reparaturkosten netto i.H.v. 5442,90 EUR, Wertminderung i.H.v. 300 EUR, Verbringungskosten netto von 135,00 EUR, Nutzungsausfallentschädigung für 4 Tage á 75 EUR, Sachverständigengebühren netto i.H.v. 553,12 EUR, Kosten für die Nachbesichtigung in Höhe von netto 41,21 EUR sowie Kostenpauschale i.H.v. 26,00 EUR.

Verkehrsunfall - Nutzungsausfallentschädigung bei gewerblich genutztem Fahrzeug
Symbolfoto: FreedomTumZ/Bigstock

Der Kläger ließ die Beklagte außergerichtlich zuletzt mit Schreiben vom 28.07.2015 unter Fristsetzung zum 11.08.2015 zur Schadensersatzzahlung auffordern. Des Weiteren begehrt er die Erstattung der außergerichtlichen Gebühren i.H.v. 546,50 EUR.

Die Beklagte zu 2) hat zwischenzeitlich einen Betrag von 4.476,50 EUR auf die Reparaturkosten, die Sachverständigengebühren und einen Betrag von 25,00 EUR als Pauschale gezahlt.

Der Kläger behauptet, dass das Kraftfahrzeug seit der Zulassung regelmäßig in einer Mercedes Benz Vertragswerkstatt gewartet worden sei. Er ist der Ansicht, dass er sich deshalb nicht auf eine günstigere Alternative hinsichtlich der Reparaturmöglichkeit verweisen lassen müsse. Die kalkulierten Verbringungskosten seien im Fall einer fiktiven Schadensabrechnung zu erstatten.

Die Beklagte zu 1) ist dem Beklagten zu 2) als Nebenintervenientin beigetreten.

Am 16.10.2015, nach Rechtshängigkeit, zahlte die Beklagte an den Kläger einen Betrag von 5054,62 EUR sowie auf die außergerichtlichen Gebühren einen Betrag von 480,2 EUR.

Nachdem die Parteien den Rechtsstreit Hinblick auf die geleisteten Zahlungen teilweise übereinstimmend für erledigt erklärt haben beantragt der Kläger nunmehr,

1. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen an ihn 6798,23 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 12.08.2015 abzüglich des am 14.10.2015 gezahlten Betrages von 5054,62 EUR zzgl Zinsen in Höhe von 40,47 EUR zu zahlen,

2. zur Freistellung des Klägers an die Rechtsanwälte X und Q aus F zu Az. 539/15 einen Betrag von 546,50 EUR abzüglich am 17.08.2015 gezahlter 480,20 EUR zu zahlen.

Die Beklagte zu 1) beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte zu 1 ist der Ansicht, dass die im Gutachten veranschlagten Reparaturkosten zur Behebung des unfallbedingten Schadens nicht erforderlich seien. Sie behauptet, dass Reparaturkosten von netto 4476,50 EUR ausreichend seien. Der im Gutachten in Ansatz gebrachte Arbeitslohn für die Position Glassplitter entfernen sei ebenso wie die Instandsetzungszeit für den Kabelstrang H Parktronic nicht bzw. nicht in vollem Umfang nachvollziehbar. Insoweit sei eine Kürzung von 101,25 Euro vorzunehmen. Darüber hinaus seien die im Gutachten angesetzten Stunden Verrechnungssätze überhöht und zwar die Lohnkosten um 449,67 EUR und die Lackierkosten um 415,48 EUR. Sie ist der Ansicht, dass der Kläger auf die Verrechnungssätze einer nicht markengebundenen Fachwerkstatt verwiesen werden könne. Die vorgesehenen Wartungsintervalle im Scheckheft seien überschritten gewesen. Eine Wertminderung trete bei ordnungsgemäßer Reparatur des Fahrzeuges nicht ein. Es stehe nicht fest, dass Verbringungskosten tatsächlich anfallen werden. Sie ist der Ansicht, dass im Hinblick auf die gewerbliche Nutzung des Fahrzeuges die vom Kläger vorgenommene Berechnung der Nutzungsausfallentschädigung nicht den Grundsätzen der Rechtsprechung entspreche. Eine Nachbesichtigung sei nicht erforderlich gewesen. Die Kostenpauschale sei nur i.H.v. 25 EUR angemessen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und die zu den Akten gereichten Unterlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage hat – soweit der Kläger sie nach teilweiser übereinstimmender Erledigungserklärung gegen die Parteien noch weiterverfolgt – nur teilweise Erfolg.

I.

Dem Kläger steht ein Anspruch auf Ersatz fiktiver Reparaturkosten in Höhe von 4.549,25 EUR zu.

Über den von der Beklagten bei der Abrechnung zugrundegelegten Betrag von netto 4.476,50 EUR steht dem Kläger ein weitergehender Anspruch von 72,75 EUR zu.

Insoweit hat der Kläger schlüssig dargelegt, dass zur fachgerechten Reparatur aufgrund des Umstandes, dass die Heckscheibe des Fahrzeuges total beschädigt wurde und Glasscherben in das Fahrzeuginnere geschleudert wurden, Glasscherben aus dem Inneren zu entfernen waren. Des Weiteren waren nach seinem Vortrag infolge des Heckanstoßes auch die Sensoren der Parktronic zu erneuern waren, was von der Beklagten sodann auch nicht mehr in erheblicher Weise bestritten worden ist.

Dementsprechend ist eine Kürzung der Arbeitszeiten um 6 AW für die Position „Glassplitter entfernen“ ebenso wenig geboten wie diejenige um 3 AW für die Position „Kabelstrang H Parktronic. Anzusetzen ist allerdings – aus den nachstehenden Gründen – ein Arbeitslohn von nur 97,00 EUR, so dass sich für 9 AW ein noch zu berücksichtigender Betrag von 72,75 EUR ergibt.

Ein weitergehender Anspruch ist nicht begründet.

Nach der Rechtsprechung des BGH ist bei der fiktiven Schadensberechnung von folgenden Grundsätzen auszugehen: Der Geschädigte darf, sofern die Voraussetzungen für eine fiktive Schadensberechnung vorliegen, dieser grundsätzlich die üblichen Stundenverrechnungssätze einer markengebundenen Fachwerkstatt zugrunde legen, die ein von ihm eingeschalteter Sachverständiger auf dem allgemeinen regionalen Markt ermittelt hat. Nach der Rechtsprechung des BGH besteht grundsätzlich ein Anspruch des Geschädigten auf Ersatz der in einer markengebundenen Vertragswerkstatt anfallenden Reparaturkosten unabhängig davon, ob der Geschädigte den Wagen tatsächlich voll, minderwertig oder überhaupt nicht reparieren lässt. Allerdings ist unter Umständen – auch noch im Rechtsstreit – ein Verweis des Schädigers auf eine günstigere Reparaturmöglichkeit in einer mühelos und ohne Weiteres zugänglichen anderen markengebundenen oder „freien“ Fachwerkstatt möglich, wenn der Schädiger darlegt und gegebenenfalls beweist, dass eine Reparatur in dieser Werkstatt vom Qualitätsstandard her der Reparatur in einer markengebundenen Fachwerkstatt entspricht und der Geschädigte keine Umstände aufzeigt, die ihm eine Reparatur außerhalb der markengebundenen Fachwerkstatt unzumutbar machen. Die Verweisung auf eine günstigere Reparaturmöglichkeit wird zugelassen, weil die Angaben des Sachverständigen in seinem Gutachten zur Höhe der voraussichtlich anfallenden Reparaturkosten keinesfalls stets verbindlich den Geldbetrag bestimmen, der i.S. der § 249 Abs.2 S.1 BGB zur Herstellung erforderlich ist. Bei fiktiver Abrechnung ist der objektiv zur Herstellung erforderliche Betrag ohne Bezug zu tatsächlich getätigten Aufwendungen zu ermitteln. Der Geschädigte, der nicht verpflichtet ist, zu den von ihm tatsächlich veranlassten oder auch nicht veranlassten Herstellungsmaßnahmen konkret vorzutragen, disponiert hier dahin, dass er sich mit einer Abrechnung auf einer objektiven Grundlage zufrieden gibt. Hinweise der Schädigerseite auf Referenzwerkstätten dienen dazu, der Behauptung des Geschädigten entgegenzutreten, der vom Sachverständigen ermittelte Betrag gebe den zur Herstellung erforderlichen Betrag zutreffend wieder. Kann die Schädigerseite die zumutbare Möglichkeit der Inanspruchnahme einer preiswerteren Werkstatt ausreichend darlegen und notfalls beweisen, ist auf der Grundlage der preiswerteren Reparaturmöglichkeit abzurechnen.

Angesichts dieser Rechtslage versteht es sich von selbst, dass auf der Grundlage einer preiswerteren Reparaturmöglichkeit abzurechnen ist, wenn der Geschädigte die Möglichkeit einer vollständigen und fachgerechten, aber preiswerteren Reparatur selbst darlegt und sogar wahrgenommen hat (vgl. BGH, VersR 2014,214).

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze kann der Kläger, der sich darauf beruft, die erforderliche Reparatur in Eigenregie ausgeführt zu haben (die von der DEKRA als augenscheinlich fachgerecht bezeichnet worden ist), nur die von der Beklagten in Ansatz gebrachten Stundenverrechnungssätze beanspruchen. Durch die fachgerechte Reparatur in Eigenregie hat er gezeigt, dass er auf die Arbeit einer markengebundenen Werkstatt keinen Wert gelegt hat.

II.

Verbringungskosten sind danach ebenfalls hier nicht erstattungsfähig.

III.

Der Anspruch auf Wertminderung in Höhe von 300,00 EUR ist gegeben.

Der Kläger hat unter Berufung auf das von ihm vorprozessual eingeholte Gutachten schlüssig dargelegt, dass eine merkantile Wertminderung in dieser Höhe eintritt, dem ist die Beklagte lediglich pauschal entgegengetreten.

IV.

Dem Kläger steht der geltend gemachte Anspruch auf Zahlung einer Nutzungsausfallentschädigung ebenfalls nicht zu. Unstreitig nutzt der Kläger das Fahrzeug gewerblich. Beim Ausfall eines gewerblich genutzten Kfz bemisst sich der Schaden nach dem konkret zu berechnenden entgangenen Gewinn, den Vorhaltekosten eines Reservefahrzeuges oder der Miete eines Ersatzfahrzeuges (vergleiche Palandt – Grüneberg, BGB, 75. Auflage, traf 249, Rn. 47), nicht aber unter Anwendung von Nutzungsausfallentschädigungstabellen. Hierauf hat die Beklagte hingewiesen, so dass es eines Hinweises des Gerichtes nicht bedurft hat.

V.

Da dem Kläger ein Anspruch auf Nutzungsentschädigung nicht zusteht, sind auch die Kosten der Nachbesichtigung, durch die die Reparaturdauer belegt werden sollte, nicht erforderlich gewesen und damit nicht erstattungsfähig.

VI.

Die Kostenpauschale ist i.H.v. 25 EUR angemessen berücksichtigt, ein weitergehender Anspruch steht dem Kläger insoweit nicht zu.

VII.

Der Zinsanspruch folgt aus Verzugsgesichtspunkten, wobei die Beklagte auf die Zinsen aus 5.534,82 seit dem 12.8.2015 bereits einen Betrag von 40,47 EUR gezahlt hat.

VIII.

Dem Kläger steht unter Berücksichtigung der berechtigten Forderung gegenüber den Beklagten in Höhe von insgesamt 4.848,25 EUR zuzüglich der von der Beklagten außergerichtlich bereits vollständig regulierten Positionen Sachverständigengebühren und Kostenpauschale, mithin insgesamt 5.426,37 EUR kein weitergehender Anspruch auf Erstattung von außergerichtlichen Kosten zu.

VIII.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 a, 92 ZPO.

Soweit die Parteien den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt haben, tragen die Beklagten die Kosten, da sie sich mit der Begleichung der berechtigten Forderung in Verzug befunden haben.

IX

Streitwert: Bis zum 5.11.2015 6.798,23 EUR Danach: 1.743,61 EUR

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