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Auffahrunfall nach Anfahren an grüner Ampel und anschließende Vollbremsung

Verkehrsunfall in Solingen: Wer haftet bei Auffahrunfall nach Vollbremsung?

Im Straßenverkehr sind Auffahrunfälle an Ampeln keine Seltenheit. Oft resultieren sie aus einer Kombination von Unaufmerksamkeit, zu geringem Sicherheitsabstand und unerwarteten Verhaltensweisen vorausfahrender Fahrzeugführer. Ein besonderes Augenmerk liegt dabei auf Situationen, in denen ein Fahrzeug nach dem Anfahren an einer grünen Ampel plötzlich eine Vollbremsung durchführt. Hierbei stellt sich die Frage der Haftungsverteilung und der angemessenen Schadensregulierung. Das Verkehrsrecht bietet in solchen Fällen einen Rahmen, um Ansprüche der beteiligten Parteien zu klären. Dabei sind insbesondere die Umstände des Einzelfalls, das Verhalten der Beteiligten und die daraus resultierenden Folgen des Auffahrunfalls zu berücksichtigen. In der Regel steht die Sicherheit im Vordergrund, und aggressive oder rücksichtslose Fahrweisen können zu einer vollen Haftung führen. Es ist essentiell, dass Verkehrsteilnehmer ihre Pflichten kennen und sich entsprechend verhalten, um Unfälle zu vermeiden und im Schadensfall ihre Rechte und Pflichten zu kennen.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 13 C 427/15 >>>

Das Wichtigste in Kürze


Das Gericht entschied, dass der Beklagte zu 2) absichtlich scharf gebremst hat, um die Klägerin zu disziplinieren, und er haftet zu 100% für die Folgen des Auffahrunfalls.

Die zentralen Punkte aus dem Urteil:

  1. Verkehrsunfall ereignete sich am 28.06.2015 in Solingen.
  2. Die Klägerin fuhr einen Opel Astra und wurde von einem Opel Corsa, gefahren vom Beklagten zu 2), überholt.
  3. Der Beklagte zu 2) bremste plötzlich und ohne verkehrsbedingten Grund, was zum Auffahrunfall führte.
  4. Es gab eine rechtliche Auseinandersetzung über die Haftungsfrage und den genauen Unfallhergang.
  5. Das Gericht stellte fest, dass der Beklagte zu 2) die Klägerin bedrängend überholt hatte und keinen Grund für das Überholen angab.
  6. Der Beklagte zu 2) versuchte, sein Verhalten durch eine angebliche Handgeste der Klägerin zu rechtfertigen.
  7. Akte der Selbstjustiz im Straßenverkehr werden laut OLG Düsseldorf nicht toleriert.
  8. Die Klägerin erhielt Schadensersatz und die Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltsgebühren.

Ein umstrittener Verkehrsunfall in Solingen

Am 28. Juni 2015 ereignete sich ein Verkehrsunfall, der zu einer rechtlichen Auseinandersetzung führte. Die Klägerin, Eigentümerin, Halterin und Fahrerin eines Opel Astra, befuhr die Wuppertaler Straße in Richtung Solingen Innenstadt. Der Beklagte zu 2), der einen Opel Corsa fuhr, welcher bei der Beklagten zu 3) haftpflichtversichert war, fuhr hinter ihr. Es ist umstritten, ob er dies in einer bedrängenden Weise tat. Im Stadtbereich Solingen überholte der Beklagte zu 2) das Fahrzeug der Klägerin und hielt an einer roten Ampel. Er stieg aus, um mit der Klägerin zu sprechen, wobei der genaue Grund für dieses Gespräch zwischen den Parteien umstritten ist.

Die rechtliche Herausforderung: Wer trägt die Schuld?

Die rechtliche Herausforderung in diesem Fall liegt in der Klärung der Haftungsfrage. Die Klägerin behauptet, dass der Beklagte zu 2) sie bedrängt habe, während er hinter ihr fuhr. Der Beklagte zu 2) behauptet jedoch, dass die Klägerin ihm während des Überholvorgangs eine unflätige Geste gezeigt habe. Als die Ampel auf Grün wechselte, fuhr er an, legte jedoch den falschen Gang ein, was zu einem Ruckeln des Fahrzeugs führte. Er bremste daraufhin ab, was die Klägerin zu spät bemerkte und auf das Fahrzeug des Beklagten auffuhr.

Das Urteil: Ein klares Statement gegen Selbstjustiz

Das Gericht musste entscheiden, ob der Beklagte zu 2) absichtlich scharf gebremst hat, um die Klägerin zu disziplinieren. Das Gericht kam zu dem Schluss, dass der Beklagte zu 2) tatsächlich absichtlich scharf gebremst hat, um die Klägerin zu disziplinieren. Dies basierte auf verschiedenen Indizien, darunter die Tatsache, dass er aus seinem Fahrzeug ausgestiegen war, um die Klägerin zur Rede zu stellen, und dass er keinen Grund für das Überholen der Klägerin angegeben hatte.

Das Gericht entschied, dass der Beklagte zu 2) für die Folgen des Auffahrunfalls zu 100% haftet, selbst wenn die Klägerin den gegen sie sprechenden Anscheinsbeweis nicht entkräften konnte. Das Gericht stützte sich dabei auf die Rechtsprechung des OLG Düsseldorf, wonach Akte der Selbstjustiz im Straßenverkehr nicht hingenommen werden können.

Die Konsequenzen: Verantwortung im Straßenverkehr

Zusätzlich zu den oben genannten Punkten wurde festgestellt, dass der Beklagte zu 2) das Fahrzeug von der Beklagten zu 1) geliehen hatte. Es wurde angenommen, dass er nicht beabsichtigte, das geliehene Fahrzeug zu beschädigen, sondern lediglich eine Gefährdung herbeiführen wollte.

Die Klägerin begehrte Schadensersatz aufgrund des Unfalls und die Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltsgebühren. Die Beklagten beantragten, die Klage abzuweisen. Das Gericht entschied jedoch zugunsten der Klägerin und verurteilte die Beklagten zur Zahlung.

Das Urteil zeigt die Bedeutung der Verkehrssicherheit und die Notwendigkeit, im Straßenverkehr verantwortungsbewusst und respektvoll zu handeln. Es unterstreicht auch die Gefahren von Selbstjustiz und die rechtlichen Konsequenzen, die daraus resultieren können. Es ist ein klares Signal an alle Verkehrsteilnehmer, dass aggressive und rücksichtslose Fahrweisen nicht toleriert werden und zu schwerwiegenden rechtlichen Konsequenzen führen können.

Wichtige Begriffe kurz erklärt


Welche rechtlichen Konsequenzen hat eine „Selbstjustiz“ im Straßenverkehr?

Selbstjustiz im Straßenverkehr kann verschiedene rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. Aggressives Fahren, wie Beleidigung, Nötigung mit Hupe oder Lichthupe, Bedrängen, Schneiden oder Rasen mit Gefährdung anderer, kann mit Fahrverboten und hohen Geldstrafen geahndet werden.

Wenn ein Fahrer versucht, einen anderen Verkehrsteilnehmer durch abruptes Bremsen zu erziehen, kann dies als vorsätzliche Gefährdung angesehen werden. In diesem Fall kann die Regel „der Auffahrende ist schuld“ nicht gelten, und der Bremsende kann die Gesamtschuld für einen resultierenden Unfall tragen.

Es ist auch wichtig zu beachten, dass nicht alle Rechtsgüter notwehrfähig sind. Beispielsweise sind Straßenverkehrsrechte für sich allein genommen nicht notwehrfähig. Eine Notwehrlage kommt erst dann in Betracht, wenn durch den Verstoß des Gegners gegen die StVO absolut geschützte Rechtsgüter verletzt werden oder bedroht werden.

In Bezug auf Protestaktionen, wie Straßenblockaden durch Klimaaktivisten, ist die Rechtslage komplexer. Während einige argumentieren, dass Autofahrer das Recht haben, solche Blockaden zu beseitigen, betonen andere, dass solche Handlungen den Tatbestand der Körperverletzung erfüllen können und daher illegal sind.

Schließlich ist es illegal, eigene Verkehrszeichen oder Markierungen auf öffentlichen Straßen anzubringen. Ein Vater, der zum Schutz seiner Kinder einen Zebrastreifen auf die Straße malte, wurde zu einem Bußgeld verurteilt und musste die Reinigungskosten übernehmen.

Es ist daher ratsam, bei Verkehrsverstößen oder -störungen immer die Polizei zu informieren und nicht selbst einzugreifen. Selbstjustiz kann nicht nur rechtliche Konsequenzen haben, sondern auch die Sicherheit aller Verkehrsteilnehmer gefährden.


Das vorliegende Urteil

Amtsgericht Solingen – Az.: 13 C 427/15 – Urteil vom 06.01.2017

1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an

die Klägerin 918,40 € nebst Zinsen in Höhe von fünf

Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 1.182,87 €

für den Zeitraum vom 06.08.2015 bis 15.10.2015 und aus

918,40 € seit dem 15.10.2015 zu zahlen.

2. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, die

Klägerin von den außergerichtlichen Anwaltsgebühren des

Rechtsanwaltes Robert Kersting aus Solingen in Höhe von

156,84 € freizustellen.

3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

4. Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagten als Gesamtschuldner.

5. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Den Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung durch die    Klägerin gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des    aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden,    wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in    Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.

T a t b e s t a n d

Die Klägerin begehrt von den Beklagten als Gesamtschuldnern Schadensersatz aufgrund eines Verkehrsunfalls vom 28.06.2015.

Die Klägerin war zum Unfallzeitpunkt Eigentümerin, Halterin und Fahrerin eines Fahrzeugs der Marke Opel Astra mit dem amtlichen Kennzeichen        . Die Beklagte zu 1) war zum Unfallzeitpunkt Halterin eines Fahrzeugs der Marke Opel Corsa mit dem amtlichen Kennzeichen     , der Beklagte zu 2) war zum Unfallzeitpunkt Fahrer des Fahrzeugs, welches bei der Beklagten zu 3) haftpflichtversichert ist.

Die Klägerin befuhr mit ihrem PKW die Wuppertaler Straße in Fahrtrichtung Solingen Innenstadt. Die Geschwindigkeit war dort zunächst auf 60 km/h beschränkt. Der Beklagte zu 2) fuhr hinter dem Fahrzeug der Klägerin her, wobei streitig ist, ob er dies in bedrängender Weise getan hat. Auf dem Beifahrersitz des vom Beklagten zu 2) geführten PKW befand sich der ursprünglich als Zeuge benannte         . Die Klägerin fuhr innerhalb der zulässigen Höchstgeschwindigkeit. Im Stadtbereich Solingen überholte der Beklagte zu 2) das Fahrzeug der Klägerin, zog wieder auf die rechte Spur und hielt in der Nähe der späteren Unfallstelle als erstes Fahrzeug vor der Haltelinie der dortigen Rotlicht zeigenden Ampelanlage an. Der Beklagte zu 2) stieg aus seinem Fahrzeug aus und begab sich zum dahinter angehaltenen Klägerfahrzeug, um mit der Klägerin zu sprechen, wobei der genaue Grund hierfür zwischen den Parteien streitig ist. Die Klägerin öffnete ihr Fahrzeug nicht. Da der Beklagte zu 2) bemerkte, dass die Klägerin nicht mit sich reden ließ, begab er sich zurück zu dem von ihm geführten Fahrzeug. Als die Lichtzeichenanlage auf Grün umsprang, fuhr er an. Die Klägerin fuhr mit ihrem Fahrzeug ebenfalls an. Der Beklagte zu 2) bremste nach dem Anfahrvorgang das Beklagten-Fahrzeug ab, wobei der Grund hierfür zwischen den Parteien streitig ist. Ein verkehrsbedingter Anlass für die Bremsung des von dem Beklagten zu 2) geführten Fahrzeugs bestand jedoch nicht. Die Klägerin fuhr mit ihrem Fahrzeug auf das Beklagten-Fahrzeug auf. Dabei wurde das klägerische Fahrzeug beschädigt.

Mit außergerichtlichem Schreiben vom 23.07.2015 machte die Klägerin gegenüber der Beklagten zu 3) unter Fristsetzung bis zum 05.08.2015 folgende Schadenspositionen geltend:

Nettoschaden laut Kostenvoranschlag                       1.092,87 €

Allgemeine Auslagenpauschale                                     25,00 €

Gebühr für die Erstellung des Kostenvoranschlags         65,00 €

Die Beklagte zu 3) hat dem Grunde nach folgende Schadenspositionen anerkannt:

Nettoreparaturkosten in Höhe von   972,87 €

Auslagenpauschale in Höhe von       20,00 €

Kostenvoranschlag in Höhe von        65,00 €

gesamt                                         1057,87 €.

Hierbei vertrat die Beklagte zu 3) die Auffassung, lediglich 25 % dieser Schadenspositionen zahlen zu müssen und zahlte einen Teilbetrag in Höhe von 264,47 €, welcher am 15.10.2015 auf dem Konto des Prozessbevollmächtigten der Klägerin einging.

Ein gegen den Beklagten zu 2) eingeleitetes Ermittlungsverfahren wegen Gefährdung des Straßenverkehrs hat die Staatsanwaltschaft Wuppertal gemäß § 170 Abs. II StPO eingestellt.

Mit der vorliegenden Klage begehrt die Klägerin die Erstattung der vorgenannten Schadenspositionen auf Grundlage einer Haftungsquote von 100 % sowie die Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von weiteren 156,84 €. Auf die ursprünglich geltend gemachten Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 240,38 € zahlte die Beklagte am 15.10.2015 einen Teilbetrag in Höhe von 83,54 €.

Die Klägerin behauptet, der Beklagte zu 2) sei bedrängend auf den PKW der Klägerin aufgefahren. Im Stadtbereich Solingen habe der Beklagte zu 2) sie so knapp überholt, dass er fast an das Heck des PKWs der Klägerin geraten wäre. Anschließend sei er unmittelbar vor dem PKW der Klägerin wieder auf die rechte Spur gezogen. Nach dem Umschalten der Lichtzeichenanlage auf Grünlicht sei der Beklagte zu 2) angefahren, habe allerdings unmittelbar darauf scharf gebremst, wohl um die Klägerin zu provozieren. Die Klägerin habe mit einem solchen groben verkehrswidrigen Verhalten des Beklagten zu 2) nicht gerechnet. Sie habe noch gebremst und eine Ausweichbewegung nach rechts eingeleitet, habe einen Zusammenstoß der Fahrzeuge jedoch nicht mehr verhindern können.

Durch sein Verhalten habe der Beklagte zu 2) einen Unfall verursachen wollen oder diesen zumindest billigend in Kauf genommen. Bei dem starken Abbremsen des Beklagten zu 2) habe es sich offenkundig um eine Straf- bzw. Erziehungsaktion des Beklagten zu 2) gehandelt.

Die Klägerin beantragt, die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie 918,00 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 1.182,87 € für den Zeitraum vom 06.08.2015 bis zum 15.10.2015 sowie aus 918,40 € seit dem 15.10.2015 zu zahlen, die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie weitere 156,84 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 09.10.2015 zu zahlen, hilfsweise die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, die Klägerin von der Bezahlung der oben bezeichneten außergerichtlichen Anwaltsgebühren des Prozessbevollmächtigten freizustellen.

Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.

Sie behaupten, während des Überholvorgangs habe der Beklagte zu 2) eine unflätige Geste seitens der Klägerin bemerkt. Der Beklagte zu 2) sei aus seinem Fahrzeug ausgestiegen und habe sich zum dahinter angehaltenen Klägerfahrzeug begeben, um dort nachzufragen, was sie unflätige Geste solle. Die Klägerin habe ihn jedoch nicht beachtet, sondern habe mit ihrem Handy hantiert. Als die Lichtzeichenanlage auf Grün umgeschlagen habe, sei er angefahren und da er aufgrund der Vorkommnisse etwas aufgewühlt gewesen sei, habe er beim Anfahren den falschen Gang eingelegt, so dass das Beklagten-Fahrzeug geruckelt habe, weshalb er das Fahrzeug abgebremst habe. Dies habe die Klägerin mit ihrem PKW zu spät bemerkt oder habe einen nicht ausreichenden Sicherheitsabstand eingehalten, so dass sie auf das Beklagten-Fahrzeug aufgefahren sei.

Die Beklagte zu 3) habe zutreffend die Verbringungskosten zum Fahrzeuglackierer im Rahmen der fiktiven Abrechnung von der geltend gemachten Forderung in Abzug gebracht. Die Klägerin habe die Rechtsanwaltsgebühren noch nicht an ihre Rechtsanwälte gezahlt.

Die Klägerin behauptet die Herbeiführung eines vorsätzlichen Unfalls. In diesem Falle sei die Beklagte zu 3) nicht eintrittspflichtig, § 103 VVG.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen        . Wegen des Ergebnisses dieser Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 04.05.2016 (Blatt 82 bis 86 der Akte verwiesen).

Die Akte der Staatsanwaltschaft Wuppertal, Aktenzeichen       , wurde beigezogen und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

Die zulässige Klage ist begründet.

Der Klägerin steht gegen die Beklagten als Gesamtschuldner ein Schadensersatzanspruch in dem austenorierten Umfang gemäß §§ 7 Abs. I, 17 Abs. I, Abs. II, 18 Abs. I, Abs. III StVG, § 115 Abs. I Satz 1 Nr. 1 VVG, § 249 Abs. II Satz 1 BGB zu.

Das Fahrzeug der Klägerin ist bei Betrieb des bei der Beklagten zu 3) haftpflichtversicherten Fahrzeugs beschädigt worden, dessen Halter die Beklagte zu 1) war, § 7 Abs. I StVG.

Die Beschädigung des klägerischen Fahrzeugs beruht nicht auf höherer Gewalt, § 7 Abs. II StVG.

Die gemäß § 17 Abs. I, Abs. II, 18 Abs. III StVG vorzunehmende Abwägung der Verursachungs- und Verschuldensbeiträge ergibt im vorliegenden Fall eine Haftung der Beklagten im Umfang von 100 %. Dabei hat das Gericht unstreitige bzw. zugestandene und bewiesene Tatsachen berücksichtigt.

Ein Sorgfaltspflichtverstoß gegen § 4 Abs. I Satz 1 StVO ist der Klägerseite nicht vorzuwerfen. Danach muss der Abstand zu einem vorausfahrenden Fahrzeug in der Regel so groß sein, dass auch dann hinter diesem gehalten werden kann, wenn es plötzlich gebremst wird. Nach dem insoweit unstreitigen Parteivorbringen kam es im Rahmen des Anfahrvorgangs zur Kollision. Nachdem die Rotlicht zeigende Ampel auf Grünlicht umgesprungen war, sind beide Parteien angefahren, der Beklagte zu 2) hat unmittelbar danach das Fahrzeug abgebremst. Beim Anfahren bei Grün ist § 4 Abs. I Satz 1 StVO nicht anwendbar. Anderenfalls würden die Grünphasen nicht ausgenutzt und der Verkehr behindert werden (Hentschel / König / Dauer, Straßenverkehrsrecht, 43. Auflage 2015, § 4 StVO Rndnr. 11).

Auch ein Sorgfaltspflichtverstoß gemäß § 1 Abs. II StVO ist der Klägerin nicht vorzuwerfen. Nach dieser Vorschrift hat sich der Verkehrsteilnehmer so zu verhalten, dass kein anderer geschädigt, gefährdet oder mehr, als nach den Umständen unvermeidbar, behindert oder belästigt wird. Dabei ist gem. § 1 Abs. 2 StVO zu berücksichtigen, dass bei einem Anfahrvorgang bei Grünlicht der Abstand zum Vorausfahrenden nur unter besonderer Aufmerksamkeit und erhöhter Bremsbereitschaft verkürzt werden darf (in diesem Sinne Hentschel / König / Dauer, Straßenverkehrsrecht, 43. Auflage 2015, § 4 StVO Rndnr. 11). Ob im vorliegenden Falle grundsätzlich ein Anscheinsbeweis zu Lasten der Klägerin für die fehlende besondere Aufmerksamkeit und erhöhte Bremsbereitschaft besteht, kann im Ergebnis dahinstehen.

Denn nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht auf Grundlage aller Umstände und Indizien hinreichend sicher zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Beklagte zu 2) im Rahmen des Anfahrvorgangs plötzlich und ohne verkehrsbedingten Grund sein Fahrzeug absichtlich scharf abgebremst hat, um die Klägerin als nachfolgenden Verkehr zu disziplinieren.

Der Beklagte zu 2) hat im Rahmen seiner Anhörung bekundet, er habe die Klägerin überholt, welche diesem dauerhaft einen Mittelfinger gezeigt habe. Er sei dann an der roten Ampel ausgestiegen und habe die Klägerin gefragt, warum sie dies getan habe. Nachdem die Klägerin ihr Handy rausgeholt und ein Video angefertigt habe, sei der Beklagte zu 2) total aufgebracht gewesen, er habe sich frisch von seiner Frau getrennt. Er sei dann in seinen Wagen eingestiegen, habe Vollgas gegeben und nur von dieser „bösen Frau“ wegfahren wollen. Er habe dann wohl in den dritten Gang geschaltet. Ca. sieben Meter nach dem Anfahren habe das Fahrzeug gestottert, er habe dann die Kupplung und die Bremse getreten. Er habe eine Vollbremsung mit ca. 10 bis 15 km/h durchgeführt und sich ca. sieben Meter hinter der Ampel befunden.  Er habe die Vollbremsung deshalb durchgeführt, weil er gedacht habe, dass sein Fahrzeug einen Getriebeschaden habe, es habe geklappert. Es habe sich dabei um das Fahrzeug der Beklagten zu 1) gehandelt, das er sich geliehen habe, um eine Waschmaschine zu transportieren.

Die von dem Beklagten zu 2) abgegebene Begründung für die durchgeführte Vollbremsung ist für sich genommen weder plausibel noch nachvollziehbar. Zum einen deshalb nicht, weil nicht klar ist, weshalb der Beklagte zu 2) von dem Klappern des Fahrzeugs auf einen Getriebeschaden geschlossen hat. Zum anderen deshalb nicht, weil keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass aufgrund eines vermuteten Getriebeschadens eine Vollbremsung erforderlich ist. Dies ist auch unter Berücksichtigung des Umstandes keine plausible Erklärung, dass es sich um ein für den Beklagten zu 2) fremdes Fahrzeug handelt.

Nach dem weiteren Vortrag des Beklagten zu 2) im Rahmen seiner persönlichen Anhörung sei er total aufgebracht gewesen, weil die Klägerin ihm dauerhaft den Mittelfinger gezeigt habe. Dass er offenbar tatsächlich sehr aufgebracht war zeigt der Umstand, dass er an der Rotlicht zeigenden Ampel ausgestiegen ist um die Klägerin zur Rede zu stellen.

Das Gericht ist weiter davon überzeugt, dass der Beklagte zu 2) entsprechend dem Vortrag der Klägerin bedrängend auf das klägerische Fahrzeug auffuhr. Die Klägerin ist unstreitig innerhalb der zulässigen Höchstgeschwindigkeit gefahren. Unstreitig hat der Beklagte zu 2) die Klägerin überholt. Der Beklagte zu 2) benennt keinen Grund dafür, weshalb er die Klägerin überholt hat. Die Klägerin und der Beklagte zu 2) sind einander unbekannt. Es ist lebensfremd, dass die Klägerin dem ihr völlig unbekannten Beklagten zu 2) grundlos einen „Vogel“ oder – wie es der Beklagte zu 2) behauptet – den Mittelfinger zeigt. Welchen anderen Grund als das von der Klägerin benannte bedrängend Auffahren des Beklagten zu 2) die Klägerin dazu bewogen haben soll, dem Beklagten zu 2) mit ihrer Hand etwas zu bedeuten, ist der vorliegenden Situation nicht zu entnehmen. Wahrscheinlicher ist es, dass die Klägerin ihrem Unmut über das Fahrverhalten des Beklagten zu 2) – dem bedrängenden Auffahren – durch eine Handgeste Luft gemacht hat, was den Beklagten zu 2) offenkundig geärgert hat.

Der Zeuge          hat bekundet, er habe an der Bushaltestelle angehalten, zwei PKW´s hätten bei Rot an der Ampel angehalten. Einer sei ausgestiegen und zu dem hinteren PKW gegangen. Als es Grün geworden sei, habe der Zeuge leicht auf die Hupe gedrückt und der Mann sei dann wieder in das Fahrzeug eingestiegen. Er habe zunächst leicht Gas gegeben und dann leicht abgebremst. Dann habe er wieder Gas gegeben und dann eine Vollbremsung durchgeführt. Das Fahrzeug mit der „Dame“ habe das andere Fahrzeug touchiert. Der Zeuge habe dem Fahrer und dem Beifahrer, die ausgestiegen waren, erklärt, dass er „keine Kartoffeln im Bus habe“ und dass es so nicht gehen würde. Der Fahrer und der Beifahrer hätten ihm gegenüber erklärt: „Ja, aber sie hat uns beleidigt“. Der Zeuge hat weiter bekundet, dass das vorderste Fahrzeug – das von dem Beklagten zu 2) geführte – ganz normal angefahren sei, so als ob es im ersten Gang angefahren worden sei. Das Fahrzeug habe beim ersten Anfahren ganz normal beschleunigt, dann abgebremst und beim zweiten Mal dann wieder beschleunigt und habe dann eine Vollbremsung durchgeführt. Weder der Beklagte zu 2) noch sein Beifahrer hätten gegenüber dem Zeugen bekundet, dass sie sich verschaltet oder einen Getriebeschaden vermutet hätten. Es sei vielmehr so gewesen, dass der Zeuge die Beiden mit ihrem Fahrverhalten konfrontiert und diese dann erklärt hätten, dass die Frau – die Klägerin – sie beleidigt hätte.

Diese Aussage über das Fahrverhalten des Beklagten zu 2) lässt sich nicht mit der von dem Beklagten zu 2) abgegebenen Begründung für sein Fahrverhalten in Einklang bringen. Dabei kommt der Erklärung des Beklagten zu 2) sowie der Erklärung des Beifahrers gegenüber dem Zeugen      unmittelbar nach dem Unfallgeschehen eine erhebliche indizielle Bedeutung zu (OLG Düsseldorf, Urteil vom 21.06.2016 – I U 158/15, juris, Orientierungssatz 2). Nachdem der Zeuge den Beklagten zu 2) und seinen Beifahrer mit dem Fahrverhalten konfrontiert habe, hätten diese geantwortet, dass sie von der Klägerin beleidigt worden seien. Diese Äußerung des Beklagten zu 2) kann in dem Kontext nicht anders gedeutet werden, als dass er sein verkehrswidriges Verhalten mit dem Handzeichen der Klägerin rechtfertigen wollte. Damit hat der Beklagte zu 2) klar zum Ausdruck gebracht, dass sein Fahrverhalten eine Reaktion auf das (Fehl-) Verhalten der Klägerin gewesen ist. Andernfalls hätte es nahe gelegen, sein Fahrverhalten auch gegenüber dem Zeugen mit dem behaupteten sachlichen Grund zu rechtfertigen, er habe einen Getriebeschaden vermutet bzw. beim Anfahren den 3. Gang eingelegt.

Inwieweit grundsätzlich aufgrund des Umstandes eine Haftung der Klägerin verbleibt, weil diese auf das Beklagten-Fahrzeug aufgefahren ist, bedarf hier keiner abschließenden Beurteilung. Denn das Verhalten des Beklagten zu 2) stellt sich als Akt der Selbstjustiz dar. Nach der zutreffenden ständigen Rechtsprechung des OLG Düsseldorf (Urteil vom 12.12.2005 – I-1 U 91/05, juris, Rndnr. 17 f.), von der abzuweichen im vorliegenden Fall keine Veranlassung besteht, können Akte der Selbstjustiz im Straßenverkehr nicht hingenommen werden. Wer absichtlich nur deshalb scharf abbremst, um den nachfolgenden Verkehrsteilnehmer zu disziplinieren oder zu maßregeln, haftet für die Folgen eines Auffahrunfalls selbst dann zu 100 %, wenn der Nachfolgende den gegen ihn sprechenden Anscheinsbeweis dafür, dass er die im Verkehr erforderliche Sorgfalt nicht beachtet hat, nicht entkräften kann. Im Rahmen der Gefährdungshaftung gem. § 7 StVG ist dabei nicht entscheidungserheblich, ob sich der Vorsatz des Beklagten zu 2)lediglich auf die Herbeiführung einer Gefährdung oder auf die Beschädigung erstreckt.es genügt vielmehr, dass aufgrund des verkehrswidrigen Verhaltens ein Schaden eingetreten ist.

Der Zeuge         konnte zunächst mangels Mitteilung einer ladungsfähigen Anschrift nicht geladen werden. Mit Schriftsatz der Beklagtenseite vom 18.07.2016 verzichtete diese auf den Zeugen S.

Entgegen der Auffassung der Beklagtenseite ist die Haftung der Beklagten zu 3) nicht gemäß § 103 VVG ausgeschlossen. Nach dieser Norm ist der Versicherer nicht zur Leistung verpflichtet, wenn der Versicherungsnehmer vorsätzlich und widerrechtlich den bei dem Dritten eingetretenen Schaden herbeigeführt hat.

Zum einen trägt die Beklagte zu 3) die Beweislast dafür, dass der Schaden vorsätzlich herbeigeführt worden ist (Prölls / Martin Versicherungsvertragsgesetz, 29. Auflage 2015, § 103 Rndnr. 7). Dies behauptet die Beklagtenseite  gerade nicht. Es ist auch nicht von der vorsätzlichen Herbeiführung eines Schadens auszugehen, sondern vielmehr von der vorsätzlichen Herbeiführung einer Gefährdung, weil der Beklagte zu 2) das Fahrzeug von der Beklagten zu 1) geliehen hatte und ohne weitere Anhaltspunkte nicht davon auszugehen ist, dass er die Beschädigung des geliehenen Fahrzeugs billigend in Kauf genommen hat. Die Sachlage stellt sich vielmehr so dar, dass der Beklagte zu 2) die Gefährdung bewusst in Kauf genommen und die eingetretene Beschädigung fahrlässig herbeigeführt hat.

Der Klägerin ist ein ersatzfähiger Schaden im austenorierten Umfang gemäß § 249 Abs. II BGB entstanden.

Die Erforderlichkeit der Nettoreparaturkosten ist zwischen den Parteien nur bezüglich der Verbringungskosten streitig. Nach der Rechtsprechung des OLG Düsseldorf sind bei einer fiktiven Abrechnung Verbringungskosten ersatzfähig, wenn nach den örtlichen Gepflogenheiten im Falle einer Reparatur bei markengebundenen Fachwerkstätten – vorliegend der Marke Opel – typischerweise Verbringungskosten erhoben werden. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme werden im Umkreis von ca. 20 Kilometer von Solingen bei den markengebundenen Fachwerkstätten der Marke Opel im Regelfall Verbringungskosten erhoben. Der Sachverständige N hat bei acht Werkstätten angefragt. In Sieben von Acht Werkstätten werden Verbringungskosten fakturiert, die mit einer äquivalenten Leistung entsprechend 1,0 Arbeitsstunden berechnet werden. Daher sind auch die geltend gemachten Verbringungskosten ersatzfähig.

Ein Anspruch auf Ersatz der Auslagenpauschale besteht in Höhe von 25,00 € (§ 287 ZPO). Die geltend gemachte Gebühr für die Erstellung des Kostenvoranschlags i.H.v. 65 € ist ebenfalls ersatzfähig.

Die Beklagte zu 3) hat dem Grunde nach Nettoreparaturkosten in Höhe von 972,87 €, eine Auslagenpauschale in Höhe von 20,00 € sowie die Kosten des Kostenvoranschlags in Höhe von 65,00 € anerkannt und von diesen Positionen 25 % ausgeglichen. Dies entspricht einem Teilbetrag in Höhe von 264,47 €, die am 15.10.2015 auf dem Konto des Kläger-Vertreters eingingen. In dieser Höhe sind die geltend gemachten Schadenspositionen durch Erfüllung erloschen, § 362 Abs. I BGB.

Der Zinsanspruch sowie der Anspruch auf Ersatz der vorgerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren folgt aus § 7 Abs. I, 17 Abs. I, Abs. II, 18 Abs. I, Abs. III StVG, § 115 Abs. I Satz 1 Nr. 1 VVG, § 280 Abs. I, Abs. II, § 286, § 288 BGB.

Die Klägerin behauptet die Zahlung der vorgerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren nicht, so dass diesbezüglich ein Freistellungsanspruch besteht, der nicht zu verzinsen ist.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs. II Nr. 1, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Streitwert:  918,40 €

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