AG Schleswig, Az.: 3 C 94/12, Urteil vom 26.06.2013
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.
4. Der Streitwert wird festgesetzt auf 780,- €.
Tatbestand
Der Kläger nimmt die Beklagten aus einem Verkehrsunfall auf Zahlung von Schadensersatz und Schmerzensgeld in Anspruch.
Am 02.08.2011 gegen 19:45 Uhr ereignete sich auf der B 202 zwischen K. und E. ein Verkehrsunfall zwischen dem Pkw Mazda 121 des Klägers, amtliches Kennzeichen: … und dem Pkw VW Golf des Beklagten zu 1, amtliches Kennzeichen: …, der bei der Beklagten zu 2 haftpflichtversichert ist. Im Pkw des Beklagten befanden sich zu diesem Zeitpunkt auf der Beifahrerseite die Zeugin N., auf der Rückbank dahinter der Zeuge K. und auf der Rückbank hinter der Fahrerseite der Zeuge H..
Der Kläger befuhr während dieser Fahrt die B 202 unter anderem in Höhe des Ortes G.. Am Ende dieses Ortes befindet sich rechts eine Einbiegung in den A.weg und – der B 202 weiter in dieselbe Richtung folgend – links eine Einbiegung in den E.weg. Wegen der Einzelheiten der örtlichen Verhältnisse wird auf den Ausdruck von googlemaps (Anlage I zum Protokoll vom 08.02.2013) verwiesen.
Etwa 400 Meter vor der späteren Unfallstelle setzte der Kläger den Fahrtrichtungsanzeiger zunächst nach rechts und bog schließlich nach links in den E.weg ab. Weil der Beklagte zu 1 mit seinem Pkw in diesem Zeitpunkt gerade zum Überholen angesetzt hatte, kam es auf Höhe der Einbiegung in den E.weg zu einem Zusammenstoß des Pkw des Beklagten zu 1 mit demjenigen des Klägers an dessen hinterer linken Ecke. An dem Fahrzeug des Klägers entstand dabei ein wirtschaftlicher Totalschaden.
Mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 16.11.2011 (Anlage K 3) forderte der Kläger die Beklagte zu 2 zur Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 550,- € für den beschädigten Pkw zuzüglich 30,- € Kostenpauschale sowie zur Zahlung von Schmerzensgeld in Höhe eines Betrages von 800,- € bis zum 23.11.2011 auf. Wegen der weiteren Einzelheiten des Schreibens wird auf die Anlage K3 verwiesen.
Der Kläger behauptet, er habe lediglich über eine Fahrtstrecke von ca. 80 m den Fahrtrichtungsanzeiger nach rechts gesetzt gehabt und habe sodann bis zum Linksabbiegen in den E.weg den linken Fahrtrichtungsanzeiger gesetzt. Überdies habe er eine Schädelprellung frontal erlitten, sei 3 Tage arbeitsunfähig erkrankt gewesen und habe noch längere Zeit nach dem Unfall unter Folgesymptomen gelitten.
Der Kläger beantragt,
1. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn einen Betrag in Höhe von 380,- € nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 24.11.2011 zu zahlen,
2. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn ein Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 400,- €, dessen genaue Höhe aber in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 24.11.2011 zu zahlen,
3. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn einen weiteren Betrag in Höhe von 342,72 € zu zahlen.
Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.
Sie behaupten, der Beklagte zu 1 habe vor Eintritt in den Überholvorgang seinen Fahrtrichtungsanzeiger nach links gesetzt und sich vergewissert, dass ein Ausscheren gefahrlos möglich sei. Zudem bestreiten sie aufgrund der Angaben des Zeugen K. im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 22.05.2013 die Aktivlegitimation des Klägers.
Das Gericht hat die Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft Flensburg (Az.: 113 Js 20108/11) beigezogen und Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen N., H. und K.. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Protokolle der mündlichen Verhandlungen vom 08.02.2013, 03.04.2013, und 22.05.2013 verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet. Die mit ihr geltend gemachten Ansprüche stehen dem Kläger gegenüber dem Beklagten unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu.
1.
Entgegen der seitens der Beklagten vertretenen Auffassung ist die Klage nicht bereits deswegen unbegründet, weil es dem Kläger an der erforderlichen Aktivlegitimation fehlte. Selbst wenn man eine Miteigentümereigenschaft des Zeugen K. bezüglich des Pkw des Klägers unterstellte, würde dies der Aktivlegitimation des Klägers nicht entgegenstehen. Rechte aller Miteigentümer aus ihrem Eigentum kann jeder Miteigentümer gegen dritte bezüglich der ganzen Sache geltend machen (vgl. Bassenge, in: Palandt, BGB 72. Auflage 2013, § 1011 Rn 2 mwN; Vollkommer, in: Zöller, ZPO 29. Auflage 2012, § 62 Rn 14 mwN).
2.
Ein Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 380,- € für den beschädigten Pkw, 342,72 € Mietwagenkosten sowie Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 400,- € steht dem Kläger gegenüber dem Beklagten weder aus §§ 7 StVG, 115 VVG noch aus einer anderen Anspruchsgrundlage zu.
a)
Ein Anspruch aus §§ 7 StVG, 115 VVG scheitert daran, dass sich der Unfall für den Beklagten zu 1 als unabwendbares Ereignis im Sinne des § 17 Abs. 3 StVG darstellt mit der Folge, dass eine Haftung der Beklagten vollständig ausscheidet.
Das Gericht ist unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses der Beweisaufnahmen nicht im Sinne des § 286 Abs. 1 ZPO davon überzeugt, dass der Kläger vor dem Linksabbiegen in den E.weg seinen Fahrtrichtungsanzeiger über eine Strecke von ca. 300 Metern links gesetzt hatte, bevor sich der Unfall ereignete. Gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 StVO muss derjenige, der abbiegen will, dies rechtzeitig und deutlich ankündigen; dabei sind die Fahrtrichtungsanzeiger zu benutzen. Im Rahmen des § 9 Abs. 1 StVO spricht der Beweis des ersten Anscheins gegen den nach links abbiegenden Kraftfahrer. Kommt es in unmittelbarem örtlichen und zeitlichem Zusammenhang mit dem Linksabbiegen zu einer Kollision mit einem linksüberholenden Fahrzeug, spricht der Beweis des ersten Anscheins für eine Sorgfaltspflichtsverletzung des Linksabbiegers (vgl. KG Berlin, Beschluss vom 10.09.2009, Az.: 12 U 216/08, MDR 2010, 568 mwN – zitiert nach juris). Dem Kläger ist es nicht gelungen, diesen Anscheinsbeweis zu erschüttern oder zu entkräften durch unstreitige oder bewiesene Tatsachen, die einen atypischen Verlauf möglich gemacht haben können.
So sind die Angaben des Klägers und des Beklagten zu 1 sowie der Zeugen N., H. und K. bezüglich der Fahrtstrecken, während derer der Kläger den Fahrtrichtungsanzeiger zunächst nach rechts und sodann nach links gesetzt haben soll, grundlegend voneinander verschieden. Der Kläger selbst hat hierzu ausgeführt, ab dem auf dem Ausdruck von googlemaps Anlage I eingezeichneten dicken Punkt auf dem G des Wortes G. rechts und ab dem Strich nach dem Schild 202 links geblinkt habe. Der Beklagte hat demgegenüber ausgeführt, das Rechtsblinken habe an der in der Anlage II gekennzeichneten Stelle kurz hinter dem Schild „202“ begonnen und das Linksblinken erst ganz kurz vor der Rechtseinbiegung in den A.weg, als er, der Beklagte, sich schon im Überholvorgang befunden hätte. Die Zeugin N. hat bekundet, der Kläger habe zunächst einmal rechts und dann links geblinkt, wobei das Rechtsblinken an dem weiter unten gelegenen Strich auf der Anlage III und das Linksblinken an dem weiter oben gelegenen Strich des entsprechenden googlemaps-Ausdrucks begonnen hätte. Der Zeuge H. hat bekundet, der Kläger hätte 1 – 2 mal rechts geblinkt an der Stelle, an der Stelle, an der sich der weiter unten gelegene Strich in der Anlage zum Protokoll vom 10.04.2013 befinde und etwa 50 Meter danach links geblinkt. Das Rechtsblinken habe nach seiner groben Schätzung etwa 100 – 200 Meter vor dem Unfallort angefangen und das Linksblinken etwa 100 – 150 Meter vor dem Ort der Kollision. Der Zeuge K. hat schließlich bekundet, der Kläger hätte etwa 1 – 2 mal rechts geblinkt und sodann links. Das Rechtsblinken habe ab dem auf der Anlage zum Protokoll vom 22.05.2013 befindlichen längeren Strich und das Linksblinken sodann ab dem dort eingezeichneten kürzeren Strich begonnen. Der erste längere Strich befinde sich nach seiner groben Schätzung etwa 400 – 500 Meter von der Einbiegung in den E.weg entfernt und links geblinkt habe der Kläger dann etwa 350 Meter vor der Einbiegung in den E.weg. Der Abstand zwischen dem zunächst Rechtsblinken und dem sodann Linksblinken betrage nach seiner Schätzung etwa 50 – 75 Meter. Aufgrund der großen Bandbreite der von den Parteien und Zeugen geschilderten Fahrtstrecken, während derer der Kläger zunächst den rechten Fahrtrichtungsanzeiger und sodann den linken Fahrtrichtungsanzeiger betätigt haben soll, ist das Gericht nicht mit der gemäß § 286 ZPO erforderlichen Gewissheit davon überzeugt, dass der Kläger seinen Abbiegevorgang rechtzeitig und deutlich genug im Sinne des § 9 Abs. 1 StVO angekündigt hat. Vor diesem Hintergrund lag auch eine unklare Verkehrslage im Sinne des § 5 Abs. 3 Nr. 1 StVO mit der Folge, dass der Beklagte zu 1 hätte nicht überholen dürfen, nicht vor (vgl. OLG München, Urteil v. 09.11.2012, Az.: 10 U 1860/12). Vielmehr durfte der Beklagte zu 1 nach alledem davon ausgehen, dass der Kläger tatsächlich nach rechts in den A.weg abbiegen würde, so dass ein Überholen seinerseits unproblematisch möglich gewesen wäre.
b)
Weil der Kläger den ihn treffenden Anscheinsbeweis nach den obigen Ausführungen nicht widerlegt hat, kommt auch ein Anspruch aus anderen Anspruchsgrundlagen wie etwa § 823 Abs. 1 BGB nicht in Betracht.
c)
Entgegen der Auffassung des Klägers rechtfertigen auch die Entscheidungen des saarländischen OLG Saarbrücken vom 11.03.2008 (Az.: 4 U 228/07, NJW-RR 2008, 1611 – zitiert nach juris) und des LG Arnsberg vom 23.11.2011 (Az.: 5 S 104/11, ZfSch 2012, 77 – zitiert nach juris) keine andere Entscheidung, weil die darin behandelten Fallgestaltungen mit der vorliegenden nicht vergleichbar sind. Anders als im vorliegenden Fall ist die Beklagte in dem Fall des OLG Saarbrücken von einer untergeordneten Straße nach links auf die bevorrechtigte Straße eingebogen, wobei es dann im Einmündungsbereich zur Kollision kam. Streitgegenstand war demnach nicht die Frage des etwaigen Vorliegens einer unklaren Verkehrslage im Sinne des § 5 Abs. 3 Nr. 1 StVO im Zusammenhang mit einem Verkehrsunfall zwischen Linksabbieger und Überholer auf der gleichen Straße. Auch die Fallgestaltung des LG Arnsberg stellt sich insofern anders dar, als dort ein Verstoß gegen § 10 StVO und nicht § 9 StVO im Raum steht.
d)
Da dem Kläger die mit der Klage geltend gemachten Hauptforderungen nicht zustehen, besteht auch kein Anspruch auf Zahlung von Zinsen.
3.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO. Der Streitwert wurde gem. § 3 ZPO festgesetzt.