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Verkehrsunfall – Schätzungsgrundlage der ersatzfähigen Mietwagenkosten

LG Lübeck –  Az.: 1 S 87/13 –  Urteil vom 20.12.2013

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 29. Mai 2013 verkündete Urteil des Amtsgerichts Eutin – 22 C 456/12 – abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gem. §§ 313 aAbs. 1 Satz 1, 540 Abs. 1 ZPO abgesehen.

Die zulässige Berufung ist begründet.

Dem Kläger steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Zahlung von 444,36 € aus §§ 7 StVG, 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG, 398 BGB nicht zu. Nach ständiger Rechtsprechung des BGH kann der Geschädigte vom Schädiger und dessen Haftpflichtversicherer nach § 249 BGB als erforderlichen Herstellungsaufwand nur den Ersatz derjenigen Mietwagenkosten verlangen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten darf. Der Geschädigte ist hierbei nach dem aus dem Grundsatz der Erforderlichkeit hergeleiteten Wirtschaftlichkeitsgebot gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren von mehreren möglichen den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen. Das bedeutet, dass er von mehreren auf dem örtlich relevanten Markt – nicht nur für Unfallgeschädigte – erhältlichen Tarifen für die Anmietung eines vergleichbaren Ersatzfahrzeuges (innerhalb eines gewissen Rahmens) grundsätzlich nur den günstigeren Mietpreis als zur Herstellung objektiv erforderlich ersetzt verlangen kann. Demgemäß kann der Geschädigte grundsätzlich nur den sog. Normal-Tarif verlangen, der im Wege der Schadensschätzung gem. § 287 ZPO unter Heranziehung der Mietpreisspiegel von Schwacke und Fraunhofer bestimmt werden kann. Der Geschädigte verstößt allerdings noch nicht allein deshalb gegen seine Pflicht zur Schadensgeringhaltung, weil er ein Kraftfahrzeug zu einem Unfallersatztarif anmietet, der gegenüber dem „Normaltarif“ teurer ist, soweit die Besonderheiten dieses Tarifs mit Rücksicht auf die Unfallsituation einen gegenüber dem „Normaltarif“ höheren Preis rechtfertigen, weil sie auf Leistungen des Vermieters beruhen, die durch die besondere Unfallsituation veranlasst und infolgedessen zur Schadensbehebung nach § 249 BGB erforderlich sind (vgl. etwa BGH Urteile vom 14. Februar 2006, VI ZR 126/05, VersR 2006, 669, 670; vom 12. Juni 2007, VI ZR 161/06, VersR 2007, 1144; vom 26. Juni 2007, VI ZR 163/06, VersR 2007, 1286, 1287, jeweils m.w.N.). Der bei der Schadensberechnung nach § 287 ZPO besonders freie Tatrichter muss für die Prüfung der betriebswirtschaftlichen Rechtfertigung eines „Unfallersatztarifs“ die Kalkulation des konkreten Unternehmens nicht in jedem Falle nachvollziehen. Vielmehr kann sich die Prüfung darauf beschränken, ob spezifische Leistungen bei der Vermietung an Unfallgeschädigte allgemein einen Aufschlag rechtfertigen, wobei unter Umständen auch ein pauschaler Aufschlag auf den „Normaltarif“ in Betracht kommt.

Vorliegend hat das Amtsgericht in Entsprechung der bisherigen Rechtsprechung der Kammer den Normaltarif anhand der Schwacke-Liste 2011 nach § 287 ZPO geschätzt, wobei es in nicht zu beanstandender Weise den Pkw der Geschädigten aufgrund dessen höheren Alters um zwei Stufen herabgestuft hat. Es ist indes sachgerecht, von dieser Rechtsprechung nunmehr abzuweichen und den arithmetischen Mittelwert aus dem gewichteten Mittelwert des jeweiligen Schwacke-Mietpreisspiegels einerseits und der zeitlich einschlägigen Fraunhofer-Liste andererseits sich ergebenden Werte zugrunde zu legen. Dieses ist bereits vom BGH gebilligt worden (BGH, NW-RR 2010, 1251) und entspricht – insbesondere in der obergerichtlichen Rechtsprechung – einer im Vordringen befindlichen Auffassung (OLG Karlsruhe, Urt. v. 01. Februar 2013, 1 U 130/12; OLG Köln, Urt. v. 01. August 2013, 15 U 9/12; OLG Celle, Urt. v. 29. Februar 2012, 14 U 49/11, jeweils zitiert nach juris). Angesichts der Differenzen beider Tabellen und der Kritik, die an beiden Werken jeweils von dem Lager der Gegner geübt wird, erscheint es angemessen und gerecht, beide in gleichrangiger Weise anzuwenden. Denn es lässt sich nicht überzeugend begründen, warum eine von beiden Tabellen deren Vorzug gebührt. Beide haben Schwächen und Stärken. So würde man auch konkreten Angriffen auf die Schwacke-Liste letztlich entgehen. Denn nach der Rechtsprechung des BGH bedarf es auch bei konkreten Angriffen auf eine Tabelle nicht zwingend der Einholung eines Sachverständigengutachtens. Vielmehr kann der Tatrichter diesen Angriffen und Zweifeln an der Tabelle im Rahmen seines Schadensschätzungsrechts dadurch Rechnung tragen, dass er sie mit Ab- oder Zuschlägen anwendet (BGH, Urt. v. 18. Dezember 2012 (VI ZR 316/11). Indem die Schwacke-Liste nur noch zur Hälfte angewandt wird, wird ein solcher Abschlag von ihr von vornherein vorgenommen, so dass es auf die Frage, ob ausreichend konkrete Angriffe vorliegen und wie auf diese zu reagieren ist, nicht mehr ankommt.

Die Berechnung erfolgt dabei unter Anwendung der für den Anmietungszeitpunkt aktuellen bzw. zeitnächsten Tabelle, die nunmehr auch jährlich herausgegeben werden, da es für die ortüblichen Mietkosten auf die zu diesem Zeitpunkt geltenden Mietpreise ankommt. Maßgeblicher Postleitzahlenbezirk ist der Anmietort, also der Postleitzahlenbezirk des Vermieters (vgl. BGH, VersR 2010, 683 ff.). Auszugehen ist in beiden Tabellen jeweils von dem arithmetischen Mittel. Da die Fraunhofer-Tabelle – anders als die Schwacke-Liste – keinen Modus (d. h. den am häufigsten genannten Wert innerhalb der gesamten erhobenen Werte), sondern lediglich das arithmetische Mittel aller erhobenen Einzelwerte ausweist, werden dadurch die beiderseitig maßgebenden Erhebungsmethoden angeglichen. Zudem spricht für ein Anknüpfen an den arithmetischen Mittelwert eine in der Gesamtschau geringere Fehlerneigung, denn beim Modus kann es zu erheblichen Verzerrungen kommen, wenn unter einer Vielzahl individueller Angebotspreise nur zwei vollständig übereinstimmen, die dann unabhängig von der Höhe der anderen Werte den Modus bilden (vgl. OLG Celle, NJW-RR 2012, 802 ff.). Im Hinblick auf die erforderliche Vergleichbarkeit der in den Tabellen angegebenen Werte (die jeweils schon inkl. Mehrwertsteuer zu verstehen sind – z. B. Editorial Schwacke 2012, Seite 12 bzw. Fraunhofer-Liste 2012, Seite 15) sind bei der Bemessung des Vergleichswertes aus der Schwacke-Liste jedenfalls betreffend die Jahre bis einschließlich Ausgabe 2010 der Schwacke-Liste die dort in einer gesonderten Tabelle aufgeführten (Neben-) Kosten für eine Vollkaskoversicherung hinzuzusetzen (vgl. OLG Celle, NJW-RR 2012, 802 ff.; OLG Hamm, RuS 2011, 536 ff.). Die Fraunhofer-Tarife enthalten ausweislich der Erläuterungen zu dem entsprechenden Marktpreisspiegel (vgl. z. B. für das Jahr 2009 auf Seite 18) bereits eine Vollkaskoversicherung mit einer Selbstbeteiligung zwischen 750,00 € und 950,00 €. Demgegenüber erfassen die Schwacke-Tarife seit der Ausgabe 2011 eine Vollkaskoversicherung mit einer Selbstbeteiligung von üblicherweise 500,00 €, eventuell bei kleineren Vermietern bzw. Fahrzeugen ab einer höheren Klasse auch in Höhe von rund 1.000,00 €. Soweit im konkreten Schadensfall eine Selbstbeteiligung unterhalb von 500,00 € vereinbart worden ist, sind dafür etwa anfallende weitere Mehrkosten in den Grundtarifen beider Erhebungen nicht enthalten und deshalb – wie auch sonstige andere Nebenleistungen – außerhalb der zu ermittelnden arithmetischen Mittelwerte in die Berechnung aufzunehmen. Für die Berechnung ist ferner grundsätzlich – unabhängig von der bei Mietbeginn absehbaren bzw. geplanten Mietdauer – die jeweils tatsächlich erreichte Gesamtmietdauer maßgebend. Dieser wird der davon umfasste größte Zeitabschnitt entsprechend den Tabellenwerken entnommen und daraus ein entsprechender 1-Tages-Wert errechnet, der sodann mit der Anzahl der tatsächlichen Gesamtmiettage multipliziert wird (vgl. OLG Celle, NJW-RR 2012, 802 ff.; OLG Köln, Schaden-Praxis 2010, 396 ff.) Diese Berechnungsmethode, die sich im Rahmen des durch § 287 ZPO eingeräumten Schätzungsermessens bewegt (vgl. BGH, NJW 2009, 58 ff.), erscheint vorzugswürdig, weil aus anderen Verfahren bekannt ist, dass bei früherer Rückgabe des Mietfahrzeugs oder nachträglicher Verlängerung der Mietzeit keine Mehrkosten entstehen, der sich bei längerer Mietdauer anteilig geringere Kostenaufwand für die Abwicklung des Vertrages also nicht erhöht (vgl. OLG Celle, NJW-RR 2012, 802 ff.).

Nach der Schwacke-Liste 2011, deren Erhebungszeitraum das Anmietdatum erfasst, wären bei einem Wochentarif von Gruppe 3 532,00 € pro Woche angefallen. Dies ergibt einen Tagestarif von 76,00 €. Für 14 Tage würde sich mithin ein Wert von 1.064,00 €. ergeben. An dieser Stelle sei angemerkt, dass der tatsächliche Anmietzeitraum, der auch eingeklagt war, 15 Tage betrug. Warum das Amtsgericht den letzten Tag nicht berücksichtigt hat, ist nicht verständlich. Allerdings darf in Ermangelung einer Anschlussberufung wegen dem Verschlechterungsverbot im Berufungsverfahren dieser Tag nicht berücksichtigt werden. Der Wochentarif nach der insoweit anwendbaren Liste nach Fraunhofer 2012 beträgt für die Fahrzeugkategorie 3 236,28 €, so dass sich ein Tagestarif von 33,75 € errechnet, für 14 Tage mithin 472,50 €. Das arithmetische Mittel beträgt somit 1.064,00 € + 472,50 € = 1.536,50 € : 2 = 768,25 €.

Ein höherer Normaltarif kann nicht mit dem Hinweis darauf verlangt werden, der Geschädigten sei nur der (höhere) Haustarif des Klägers zugänglich gewesen, da dieser in Eutin und einem gewissen Umkreis von Eutin der einzige Mietwagenunternehmer sei. Nach der Rechtsprechung des BGH kann nur der Normaltarif erstattet verlangt werden, der für den örtlich relevanten Markt abstrakt durch Sachverständigengutachten oder durch eine Schätzung nach § 287 ZPO zu ermitteln ist. Bei der Schätzung nach § 287 ZPO können – wie ausgeführt – die Tabellen des Fraunhofer Institutes oder der Schwacke-Liste zugrunde gelegt werden. Diese Tabellen weisen die üblichen Tarife für einen gewissen Umkreis (Postleitzahlengebiet mit zwei oder drei Ziffern) aus und keinen spezielle Werte nur für einzelne Orte, wie Eutin. Diese von Tabellen ausgewiesenen weiten Gebiete sind indessen mit der Anerkennung der Listen durch den BGH als Schätzungsgrundlage ebenfalls (implizit) vom BGH akzeptiert worden. Der für die Bestimmung des Normaltarifs maßgebende örtlich relevante Markt wird daher weiter gefasst, als von dem Kläger vertreten. Damit kann der Geschädigte nicht mit dem Argument gehört werden, in Eutin werde der Normaltarif nur durch das eine Mietwagenunternehmen geprägt. Die weitere Frage der Zugänglichkeit des Normaltarifs in der konkreten Situation betrifft – wie nachstehend ausgeführt wird – nach der Rechtsprechung des BGH nur die Frage der ausnahmsweise vorliegenden Erstattungsfähigkeit des Unfallersatztarifs, nicht aber die nach der Bestimmung des grundsätzlich nur ersatzfähigen Normaltarifs (vgl. Palandt/Grüneberg, BGB, 73. Aufl., § 249 Rn. 34 m.w.N.).

Zu Recht hat das Amtsgericht im Wege der Schadensschätzung nach § 287 ZPO auf den Normaltarif einen Zuschlag von 20 % vorgenommen, weil hier ein Unfallersatztarif erforderlich war. Die Erhöhung des Normaltarifs war durch unfallspezifische Kostenfaktoren gerechtfertigt. Für diese betriebswirtschaftliche Rechtfertigung des erhöhten Unfallersatztarifes kommt es nicht auf die konkrete Situation und Kalkulation des Vermieters an. Vielmehr hat sich die Prüfung darauf zu beschränken, ob spezifische Leistungen bei der Vermietung an Unfallgeschädigte allgemein den höheren Mietpreis rechtfertigen (BGH, Urt. 02. Februar 2010, VI ZR 7/09, zitiert nach juris Tz. 10). Ebenso wenig ist es von Bedeutung, ob dem Geschädigten die Mehrleistungen zugute gekommen sind (Palandt/Grüneberg, BGB, 72. Aufl., § 249 Rn. 33 unter Zitierung von BGH NJW 2008, 2910, 2010, 1445). Ob und in welchem Umfang die unfallspezifischen Faktoren kostenerhöhend sich auswirken, ist vom Tatrichter unter Anwendung von § 287 ZPO festzustellen. Vorliegend hat der Kläger u. a. vorgetragen, dass eine Vorfinanzierung durch ihn und eine Ad-hoc-Anmietung den höheren Unfallersatztarif veranlassten. Insbesondere der Punkt der Vorfinanzierung ist bereits vom BGH als unfallspezifischer einen Unfallersatztarif rechtfertigender Umstand anerkannt worden. Damit konnte das Amtsgericht im Ergebnis nach § 287 ZPO den Unfallersatztarif in Höhe eines Aufschlages von 20 % auf den Normaltarif als gerechtfertigt ansehen. Einer Beweisaufnahme hierüber bedurfte es nicht, da es gerade nicht auf die konkrete Situation ankommt. Ebenso wenig kommt es für die Beurteilung der Erforderlichkeit im Sinne von § 249 BGB darauf an, ob dem Geschädigten im konkreten Fall die unfallspezifische kostenerhöhende Leistung des Vermieters zugute kam. Es bedurfte weder eines Vortrages des Klägers noch eines entsprechenden Beweises dazu, dass die Geschädigte zu einer Vorfinanzierung nicht im Stande war. Diese Frage betrifft nicht die Erforderlichkeit der Herstellungskosten im Sinne von § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB, sondern die Schadensminderungspflicht nach § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB (so ausdrücklich BGH, Urt. v. 19. Januar 2010, VI ZR 112/09, Tz. 8 zitiert nach juris). Ebenso wenig kommt es im Streitfall darauf an, ob der geschädigten Zeugin Ri in ihrer konkreten räumlich und zeitlichen Situation bei zumutbarer Anstrengung ein günstigerer Normaltarif nicht zugänglich gewesen wäre. Hierauf kommt es im Rahmen der von dem Geschädigten zu beweisenden Erforderlichkeit erst dann an, wenn aus betriebswirtschaftlichen Gründen keine unfallspezifischen kostenerhöhenden Faktoren vorlägen. In einem solchen Fall kann der Geschädigte gleichwohl die erhöhten Sätze des Unfallersatztarifs verlangen bzw. die Frage nach der Rechtfertigung des Unfallersatztarifs offen bleiben. In einem Fall, wie dem vorliegenden, in dem der Unfallersatztarif zur Herstellung im Sinne von § 249 BGB gerechtfertigt ist, kann demgegenüber der Schädiger seine Ersatzpflicht nur dadurch reduzieren, dass er darlegt und erforderlichenfalls beweist, dass dem Geschädigten ein günstigerer Normaltarif ohne weiteres zugänglich gewesen wäre. Dies ist indessen eine Frage der Schadensminderungspflicht im Sinne von § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB und demgemäß von dem Schädiger bzw. dessen Haftpflichtversicherer darzulegen und zu beweisen (BGH, Urt. v. 24. Juni 2008, VI ZR 2343/07; Urt. v. 19. Januar 2010, VI ZR 112/009, Tz. 11 zitiert nach juris). Die Beklagte hat eine Verletzung der Schadensminderungspflicht durch die Zeugin Ri indessen weder darzulegen noch zu beweisen vermocht. Bei der gebotenen subjektbezogenen Betrachtungsweise kommt es hierfür darauf an, ob dem Geschädigten in seiner konkreten Situation ohne weiteres ein günstigeres Angebot eines bestimmten Autovermieters zur Verfügung gestanden hätte (BGH, Urt. v. 02. Februar 2010, VI ZR 139/08, Tz. 18 zitiert nach juris). Insoweit oblag es der Beklagten, konkrete Umstände aufzuzeigen, aus denen sich dies ergibt, etwa weil die Geschädigte bei dem Kläger zu einem günstigeren Tarif hätte anmieten können. Auf diesen Vortrag bzw. diese Feststellungen kann nicht verzichtet werden, weil die Geschädigte ohne Kenntnisse des üblichen Preisniveaus auf Anfragen bei Drittunternehmen gänzlich verzichtet habe. Dies entbindet nicht davon, im konkreten Fall festzustellen, ob sich dies ausgewirkt hat (BGH a.a.O.). Vorliegend hat die Beklagte lediglich konkrete günstigere Angebote anderer Vermieter vorgelegt, deren Anmietstation nicht in Eutin, sondern in Plön, Neumünster oder Lübeck lagen. Der Zeugin Ri waren diese nicht ohne weiteres in der konkreten Unfallsituation zugänglich. Denn ihr verunfallter Pkw war nicht mehr fahrtüchtig. Sie hätte sich also allenfalls ein Taxi zu diesen Unternehmen nehmen können, was wiederum zu höheren Kosten geführt hätte. Zumal sie einen großen Hund dabei hatte und nicht jedes Taxi bereit ist, diesen mitzunehmen. Darüber hinaus ist nicht vorgetragen, dass die Geschädigte in der konkreten Anmietsituation zwischen 22:00 Uhr und 23:00 Uhr überhaupt bei den genannten Mietwagenunternehmen noch hätte anmieten können. Auch der Kläger hatte bereits geschlossen. Ihr war es nur deshalb möglich, außerhalb der Öffnungszeiten dem Kläger ein Ersatzfahrzeug anzumieten, weil sie zum Zeitpunkt des Unfalls bei einem Treffen ihres Hundevereins war, bei dem auch der Zeuge R, der für den Kläger arbeitet, zugegen war. Dieser hat sie mit seinem Pkw zum Büro des Klägers gefahren. Hätte sie also den günstigeren Internetangeboten nachgehen wollen, hätte sie zunächst mit einem Taxi nach Hause fahren müssen, um sodann am nächsten Tag nach günstigeren Mietwagenangeboten zu recherchieren, um sodann wiederum mit einem Taxi zu der entsprechenden Anmietstation zu fahren. Insoweit kann nicht von einer „Ohne-Weiteres-Zugänglichkeit“ eines günstigeren Tarifs ausgegangen werden. Es ist auch nicht erkennbar, dass die Zeugin Ri ein internetfähiges Mobilfunkgerät bei sich führte, mit dem sie in der konkreten Anmietsituation nach günstigeren Angeboten hätte forschen können. Schließlich war es der Zeugin nicht zumutbar, ihre 80jährige Mutter zu dieser Zeit anzurufen und sie zu bitten, sie abzuholen und nach Hause zu fahren. Eine Verletzung der Schadensminderungspflicht kann der Geschädigten auch nicht insoweit vorgeworfen werden, als dass sie bei dem Kläger selbst nicht zu dessen Normaltarif angemietet hat. Aus der erstinstanzlich erfolgten Aussage des Zeugen R lässt sich entnehmen, dass der Geschädigten erläutert wurde, dass sie zu einem günstigeren Haustarif anmieten könne, wenn sie Vorkasse leisten, drei Tage vorher reservieren sowie eine Kaution hinterlegen würde. Die Bedingungen konnte die Zeugin Ri in der konkreten Situation jedoch nicht erfüllen. Der Zeuge R hat weiter bekundet, dass die Geschädigte diesen Tarif mit der Begründung abgelehnt habe, dass sie keine Vorkasse leisten könne. Die Zeugin Ri selbst hat bekundet, dass sie keine Vorkasse habe leisten können, da sie arbeitslos gewesen sei. Sie habe sich – da die Versicherung nicht sofort gezahlt habe – noch Geld zusammen leihen müssen, um sich ein Ersatzfahrzeug zu beschaffen. Im Übrigen wäre für den Normaltarif des Klägers notwendig gewesen, den Mietwagen drei Tage vorher zu reservieren. Wenngleich eine Eil- oder Notsituation wohl nicht vorlag, war sie nicht gehalten diese Frist abzuwarten, zumal sie für diesen Fall wiederum mit einem Taxi nach Hause hätte fahren müssen.

Der Berufungsangriff der Beklagten, das Amtsgericht habe gem. § 142 ZPO dem Kläger bzw. der Zeugin Ri aufgeben müssen, dass Anschreiben zur Übersendung der zweiten Abtretungserklärung vorzulegen, bleibt erfolglos. Insoweit dar die Möglichkeit der materiellen Prozessleitung, die § 142 ZPO dem Tatrichter in sein pflichtgemäßes Ermessen stellt, nicht zu einer Ausforschung führen. Dies wäre hier aber der Fall gewesen. Denn es gibt in concreto keinen Anhalt dafür, dass der Kläger in diesem Schreiben gegenüber der Zeugin Ri auf weitergehende Ansprüche verzichtet hätte, mag dies auch einmal in einem anderen Verfahren des Beklagtenvertreters mit anderen Parteien der Fall gewesen sein.

Der Zuerkennung des Unfallersatztarifs kann nicht mit Erfolg entgegen gehalten werden, dass ein solcher gar nicht in dem Mietvertrag vereinbart wurde. Entgegen der Annahme des Amtsgerichts ist dieser Tarif zwischen der geschädigten Zeugin Ri und dem Kläger vereinbart worden, so dass es zur Schließung einer Vertragslücke keiner entsprechenden Anwendung von §§ 612Abs. 2, 632 Abs. 2 BGB bzw. einer ergänzenden Vertragsdarlegung bedarf. In diesem Sinne ist es ausreichend, wenn nach dem Vertrag die konkrete Vergütung bestimmbar ist. Wenngleich in dem ausgefüllten Mietvertrag kein konkreter Betrag genannt ist, so ist doch der Tarif als „Normal Plus“ bezeichnet und vereinbart worden. Gleichzeitig wurde in dem Mietvertrag auf die Mietbedingungen und die Preisliste des Klägers hingewiesen. Damit war auch für den Kläger klar, dass die Höhe sich nach diesem Tarif und der entsprechenden Preisliste des Klägers richtete. Daher war die Höhe der Miete jedenfalls hinreichend bestimmbar im Wege einer einfachen erläuternden Auslegung nach §§ 133, 157 BGB. Eine Vertragslücke lag nicht vor. Dies gilt umso mehr, als dass der Aussage des Zeugen R zu entnehmen ist, dass diese Preisliste tatsächlich in dem Ladenlokal des Klägers, in dem der Mietvertrag unterzeichnet wurde, aushing. Dass die Geschädigte auf diesen Aushang nicht hingewiesen wurde, wie sich ebenfalls der Aussage des Zeugen R ergibt, ist unschädlich (vgl. Insoweit § 305 Abs. 2 Nr. 1 BGB). Wie sich bereits aus dem Begriff „Normal Plus“ ergibt, musste einem durchschnittlichen Empfänger in der Situation der Zeugin Ri klar sein, dass es sich eben nicht um den Normaltarif handelte, sondern um einen gesteigerten Tarif. Ferner lässt sich der Aussage des Zeugen R entnehmen, dass er ihr den „Haustarif“ erläutert hatte und sie diesen in Ermangelung der Möglichkeit zur Leistung der Vorkasse nicht haben wollte. Schließlich lässt sich für einen durchschnittlichen Empfänger unter Berücksichtigung der Verkehrssitte (§§ 133, 157 BGB) aus der an demselben Tag unterzeichneten Abtretungserklärung entnehmen, dass hier ein besonderer, nämlich ein Unfallersatztarif, vereinbart werden sollte. Selbst, wenn man die konkreten Preise des Klägers nicht als vereinbart ansehen würden, so wäre jedenfalls dem Grunde nach ein Unfallersatztarif vereinbart worden, der sodann im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung bzw. in analoger Anwendung von §§ 632Abs. 2, 612 Abs. 2 BGB durch den bereits ermittelten Normaltarif zuzüglich eines Aufschlages von 20 % zu ermitteln wäre und insofern mit dem bereits dargelegten objektiv zu erstattenden Schadensersatz korrespondieren würde. Denn in der gegebenen Situation entsprach der erhöhte Unfallersatztarif der üblichen und angemessenen Vergütung. 20 % von dem obigen Betrag sind 153,65 €. Zzgl. des oben bereits in Höhe von 768,25 € festgestellten Normaltarifs ergibt sich ein erstattungsfähiger Betrag von 921,90 €. Hiervon ist ein Betrag in Höhe von 10 % wegen ersparter Eigenaufwendungen in Abzug zu bringen, mithin 92,19 €. Es verbleibt ein erstattungsfähiger Betrag von 859,71 €. Zzgl. der unstreitigen und von der Beklagten vorgerichtlich anerkannten Notdienstgebühr von 39,00 € ergibt sich der Betrag von 898,71 €. Hierauf hat die Beklagte (einschließlich der Notdienstgebühr 956,76 € gezahlt, so dass Erfüllung eingetreten ist.

Zu Unrecht hat das Amtsgericht zusätzlich zu dem Unfallersatztarif noch die Kosten für die Vollkaskoversicherung zugesprochen. Eine solche wurde unstreitig nicht vereinbart und lässt sich auch dem Mietvertrag nicht entnehmen. Da gar keine Versicherung vereinbart wurde, müsste man im Gegenteil einen Betrag aus den Mietpreisen von Schwacke und Fraunhofer noch herausrechnen. Denn diese enthalten immer eine Vollkaskoversicherung mit einer Selbstbeteiligung von 500,00 € bis 1.000,00 €. Wie der Betrag, der herauszurechnen ist, bestimmt werden kann, ist jedoch unklar, da die Tabellen von Schwacke und Fraunhofer hierfür keine Anhaltspunkte liefern. Hierauf kommt es nach den vorstehenden Ausführungen aber nicht mehr an.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91Abs. 1 Satz 1, 708 Nr. 10,711 und 713 ZPO.

Die Revision war nach § 543 Abs. 2 ZPO nicht zuzulassen, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht erfordert.

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