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Verkehrsunfall – Reparaturversuche und unsachgemäße Maßnahmen der Reparaturwerkstatt

AG Stockach – Az.: 1 C 43/14 – Urteil vom 13.05.2014

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leisten.

Tatbestand

Die Klägerin verfolgt mit ihrer Klage einen restlichen Schadensersatzanspruch nach einem Verkehrsunfall.

Am 8.5.2011 stand die Klägerin mit ihrem Pkw in einem Stau auf dem Beschleunigungsstreifen der Autobahnauffahrt Stockach zur Autobahn A 81. Auf dem Beifahrersitz saß der Ehemann der Klägerin, der Zeuge B.. Dieser öffnete die Beifahrertüre, als gerade der Erstbeklagte mit dem bei der Zweitbeklagten haftpflichtversicherten Motorrad rechts an der Fahrzeugschlange vorbeifuhr. Der linke der beiden am Motorrad des Beklagten angebrachten Koffer prallte gegen die Hinterkante der Beifahrertüre des klägerischen Fahrzeuges. Die Klägerin beziffert die ihr entstandenen Schäden auf insgesamt 3178,36 € (Reparaturkosten: 1975,65 €; Mietwagenkosten: 426,02 €; Gutachterkosten: 501,59 €; Wertminderung: 250 €; Pauschale: 25 €). Hierauf regulierte die Beklagte mit Schreiben vom 14.6.2011 (AS 57) unter Berücksichtigung von Reparaturkosten i.H.v. 1922,10 €, Mietwagenkosten von nur 205 € und einer Pauschale von nur 20 € zunächst die Hälfte sowie vorgerichtliche Rechtsverfolgungskosten von 186,24 €. Mit weiterem Schreiben vom 19.7.2011 (AS 61) regulierte die Zweitbeklagte unter Berücksichtigung einer Haftungsquote von 73 % weitere 660 € (Sachverständigenkosten: 112,85 €; Reparatur- und Mietwagenkosten: 478,60 €; Direktzahlung: 63,55 €; weitere vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten: 86,63 €).

Gerichtlich macht die Klägerin allerdings, ausgehend von Reparaturkosten i. H. v. 1922,10 € und Mietwagenkosten i. H. v. 300 € abzüglich hierauf bezahlter 1542,15 € bzw. 363,65 € nur 817,89 € geltend:

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Verkehrsunfall - Reparaturversuche und unsachgemäße Maßnahmen der Reparaturwerkstatt
Symbolfoto: Von ESB Professional /Shutterstock.com

Die Klägerin behauptet, ihr Ehemann habe sich durch einen Schulterblick nach rechts hinten davon überzeugt, dass kein Fahrzeug heran naht. Er habe dann die Tür wenige Zentimeter geöffnet, als der verbotswidrig rechts überholende Erstbeklagte mit dem Koffer seines Motorrades gegen die Tür des klägerischen Fahrzeuges geprallt sei. Ihr Ehemann habe nicht damit rechnen müssen, dass sich rechts ein Motorrad würde vorbeidrängen wollen. Der Unfall sei für die Klägerin unvermeidbar gewesen. Ihr Ehemann habe sich als idealer Verkehrsteilnehmer erwiesen und den Erstbeklagten trotz Schulterblicks nicht sehen können. Jedenfalls trete die vom klägerischen Fahrzeug ausgehende Betriebsgefahr zurück. Die Beklagten seien daher verpflichtet, den der Klägerin entstandenen Schaden dem Grunde nach in voller Höhe zu ersetzen. Der Höhe nach seien der Klägerin auch die ihr für die Endreinigung, Endkontrolle und Probefahrt (AS 23) in Rechnung gestellten 53,55 € brutto zu erstatten. Diese Maßnahmen seien erforderlich gewesen; jedenfalls trage nicht die Klägerin, sondern die Beklagtenseite das Risiko von Kosten nicht erforderlich gewesener Maßnahmen. Die Mietwagenkosten sein der Höhe nach ebenfalls nicht zu beanstanden, da diese nach dem Schwacke-Mietpreisspiegel errechnet seien. Die beklagtenseits zu erstattende Pauschale betrage 25 €, nicht 20 €.

Die Klägerin beantragt, die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an die Klägerin 817,89 € nebst Zinsen i. H. v. 5-Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 26.11.2011 sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten von 86,63 € nebst Zinsen i. H. v. 5-Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.

Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.

Die Beklagten behaupten, der Ehemann der Klägerin habe den Erstbeklagten herannahen sehen und gleichwohl die Tür geöffnet. Der Erstbeklagte sei rechts an der Fahrzeugschlange vorbei gefahren, da er als Notarzt tätig sei und bei einem etwaigen Unfall habe helfen wollen. Der Erstbeklagte habe zwar noch ausweichen wollen. Gleichwohl sei es zu einer Streifkollision gekommen. Etwaige klägerische Ansprüche seien mit der erfolgten Regulierung abgegolten, da die Parteien die Unfallfolgen jeweils zur Hälfte zu tragen hätten. Die von der Reparaturwerkstatt geltend gemachten 45 € netto für Endreinigung, Endkontrolle und Probefahrt seien nicht geschuldet, da diese Kostenpositionen bereits in den Stundensätzen enthalten seien. Die Mietwagenkosten seien bereits voll reguliert, da ein Betrag von 205 € dem durchschnittlichen Normaltarif entspreche. Die Pauschale belaufe sich auf lediglich 20 €.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Das Gericht hat über den Unfallhergang Beweis erhoben durch uneidliche Vernehmung der Zeugen ……………………Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Terminsprotokoll vom 13.5.2014 Bezug genommen.

Die zulässige Klage ist unbegründet. Die Klägerin kann von den Beklagten unter keinem erdenklichen rechtlichen Gesichtspunkt Zahlung weiterer 817,89 € sowie vorgerichtlicher Rechtsverfolgungskosten von 86,63 € verlangen.

I.

Der Erstbeklagte hat zweifelsohne gegen die ihm gemäß § 5 Abs.1 StVO obliegende Verpflichtung verstoßen, links zu überholen. Im übrigen hat er darüber hinaus auch noch gegen die weitere Verpflichtung verstoßen, hierbei einen ausreichenden Seitenabstand zum Überholten einzuhalten. Beide Pflichtverstöße waren zweifelsfrei auch kausal für die streitgegenständliche Kollision.

Dies sehen wohl auch die Beklagten ein, nachdem sie den klägerischen Gesamtschaden, ausgehend von etwas geringeren Reparaturkosten (1992,10 €) und deutlich geringerer Mietwagenkosten (205 €) mit ca. 72 % reguliert haben und im Prozess jedenfalls eine hälftige Schadensteilung für angemessen erachten.

II.

Ebenso eindeutig hat allerdings der Zeuge B. gegen die ihm gemäß § 14 Abs. 1 StVO obliegende Verpflichtung verstoßen, sich beim Aussteigen so zu verhalten, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist. Die vorgenannte Vorschrift schreibt höchste Sorgfalt des Aus- oder Einsteigenden vor. Derjenige, der die Wagentür öffnen will, muss zunächst nach hinten beobachten; ein Öffnen der Tür ohne vorherigen Rückblick ist grundsätzlich unzulässig.

Diesen strengen Sorgfaltsanforderungen hat der Zeuge B. nicht entsprochen. Von der Klägerin ganz und ausschließlich auf das dem Grunde nach unstreitige Fehlverhalten des Erstbeklagten „geeicht“, hat er unumwunden eingeräumt, vor dem Öffnen der Tür (lediglich) in den rechten Außenspiegel geblickt, sich dann wieder der Klägerin zugewandt und sodann – ohne nochmalige Rückschau – die Tür geöffnet zu haben.

Diese Verhaltensweise stellt schon deshalb einen groben Sorgfaltsverstoß dar, weil, was jedem einleuchten muss, der Beifahrer in dem auf die Position des Fahrers eingestellten rechten Außenspiegel von rechts hinten herannahenden Verkehr überhaupt nicht sehen kann. Dass er sich aber, um den Blickwinkel in den rechten Außenspiegel zu variieren, nach vorn gebeugt hätte, hat der Zeuge nicht bestätigt. Er hat auch keinen Schulterblick getätigt.

Hinzu kommt, dass sich der Zeuge nach dem Blick in den Außenspiegel zunächst wieder der Klägerin zugewandt und ihr erklärt hat, dass er nun aussteigen würde. Erst dann hat er, ohne nochmalige Rückschau, die Seitentür geöffnet. Das bedeutet zwangsläufig, dass zwischen der geschilderten Rückschau und dem Öffnen der Tür Zeit vergangen ist, in der Überholverkehr herannahen konnte. Dass sich der Zeuge, wie die Klägerin meint, als idealer Verkehrsteilnehmer verhalten hätte und dass der Unfall für sie daher unvermeidbar gewesen sei, bedarf vor diesem Hintergrund keiner Kommentierung!

Unter Berücksichtigung der wechselseitigen Verursachungs- und Verschuldensbeiträge schätzt das Gericht die beklagtenseits dem Grunde nach zu tragende Quote auf 50, allenfalls 60 %.

III.

1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Gerichts, sämtlicher anderer Amtsgerichte des Bezirks und des Landgerichts Konstanz errechnet sich der der Klägerin zustehende Anspruch wegen gehabter Mietwagenkosten nach dem Mittelwert von Schwacke & Fraunhofer. Dies führt zu folgendem Ergebnis im Streitfall:

………………..

2. Ohne Erfolg machen die Beklagten demgegenüber geltend, nicht 53,55 € (brutto) zu schulden für Endreinigung, Endkontrolle und Probefahrt. Zu Recht verweist die Klägerin darauf, dass die Beklagten verpflichtet sind, der Klägerin den zur Wiederherstellung erforderlichen Geldbetrag zu ersetzen (§ 249 Abs. 2 BGB). Dabei bestimmt sich die Erforderlichkeit im vorgenannten Sinne nach ganz herrschender Meinung nicht nach objektiven Kriterien, sondern nach denjenigen Aufwendungen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten durfte. Dies hat im Umkehrschluss zur Folge, dass der Schädiger dem Geschädigten auch Kosten zu erstatten hat, die durch erfolglose Reparaturversuche und nicht notwendige Aufwendungen entstehen, sofern der Geschädigte die getroffenen Maßnahmen als aussichtsreich ansehen durfte. Die Ersatzpflicht erstreckt sich auch auf Mehrkosten, die ohne Schuld des Geschädigten durch unsachgemäße Maßnahmen der von ihm beauftragten Werkstatt verursacht worden sind.

3. Die Höhe der beklagtenseits zu erstattenden Unfallkostenpauschale schätzt das Gericht in ständiger Rechtsprechung gemäß § 287 ZPO auf zumindest 25 €.

4. Dies ergibt im Ergebnis folgende Abrechnung:

Reparatur 1.975,65 €

MW   295,55 €

SV   501,59 €

WeMi   250,00 €

Pauschale   25,00 €

3.047,79 €

50%  1.523,90 €

60%   1.828,67 €

Bezahlt hat die Zweitbeklagte 2.109,35 €, so dass die klägerischen Ansprüche bereits deutlich überreguliert sind. Bei dieser Sach- und Rechtslage war die Klage abzuweisen. Die Beklagten schulden dann auch keine vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten mehr, da diese ebenfalls überzahlt sind:

Streitwert 1.828,00 €

Anwaltskosten:

1,3-fache Geschäftsgebühr (Ziff. 2300 Kostenverzeichnis)  172,90 €

Unkostenpauschale (Ziff. 7002 Kostenverzeichnis)   20,00 €

Zwischensumme  192,90 €

19 % MwSt.   36,65 €

Anwaltskosten gesamt  229,55 €

abzügl.- 186,24 € abzügl. –  86,63 €

= –  43,32 €

IV.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 708 Nummer 11, 711 ZPO.

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