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Radfahrerunfall: Kollision auf dem Gehweg mit einem ausfahrenden Pkw

OLG Dresden, Beschluss vom 12.10.2012, Az: 7 U 885/12, 7 U 0885/12

fahrrad1. Der Sitzungstermin vor dem Senat am 24.10.2012, 11.30 Uhr, Saal 1.3, wird aufgehoben.

2. Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Klägerin durch einstimmigen Beschluss zurückzuweisen, da er ihr keine Aussicht auf Erfolg beimisst. Die Rechtssache hat auch weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts (§ 522 Abs. 2 ZPO); eine mündliche Verhandlung erscheint ebenfalls nicht geboten.

3. Die Klägerin erhält Gelegenheit, zu den Erwägungen des Senats binnen zwei Wochen Stellung zu nehmen. Insbesondere möge sie innerhalb der Frist auch prüfen, ob die Berufung zur Vermeidung eines kostenpflichtigen Zurückweisungsbeschlusses zurückgenommen wird.

Gründe

Die Berufung der Klägerin ist nach § 522 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. den §§ 511, 513, 519, 520 ZPO zulässig.

Entgegen der Auffassung der Beklagten genügt die Berufung dem Begründungserfordernis nach § 520 Abs. 3 ZPO. Die Klägerin hat insbesondere gerügt, die Abwägung der Verursacherbeiträge durch das Landgericht sei rechtsfehlerhaft, zumal ein schuldhafter Verstoß der Beklagten zu 1) gegen § 10 StVO hätte in die Abwägung mit eingestellt werden müssen. Im Übrigen sind weder Schlüssigkeit noch auch nur Vertretbarkeit der Begründung Zulässigkeitsvoraussetzungen (vgl. Zöller-Heßler, ZPO, 29. Aufl., § 520 Rn. 34 m.w.N.).

Die Berufung hat jedoch in der Sache keine Aussicht auf Erfolg.

Denn das Landgericht Bautzen hat im angefochtenen Endurteil vom 20.04.2012 die Klage zu Recht abgewiesen.

fahrradunfall

Die hiergegen erhobenen Einwendungen in der Berufungsbegründung der Klägerin vom 03.07.2012 enthalten keine durchgreifenden rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkte, welche bei umfassender Würdigung des gesamten Akteninhaltes zu einer Abänderung der Erstentscheidung führen müssten:

1.

Vergeblich verlangt die Klägerseite eine andere als die vom Landgericht vorgenommene Quotierung nach Abwägung der beiderseitigen Verursachungs- und Verschuldensbeiträge gemäß den §§ 9 StVG, 254 BGB.

Zu Recht hat das Landgericht zunächst im Verhalten der Klägerin einen groben Verkehrsverstoß gesehen.

Die Klägerin ist mit ihrem Rad als Erwachsene auf einem schmalen Gehweg innerorts -noch dazu in Gegenrichtung – gefahren. Dort aber hatte sie nichts zu suchen (§ 2 Abs. 1 und Abs. 5 StVO). Sie hat  bewusst einen Verkehrsverstoß begangen und die hierdurch bedingte Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer in Kauf genommen. Unter diesen Umständen ist ihr eigener Beitrag zur Unfallentstehung als grob fahrlässig anzusehen (vgl. OLG Karlsruhe, NJW-RR 1991, 547).

Darüber hinaus muss die Klägerin auch entweder ihre Geschwindigkeit nicht den örtlichen Verhältnissen und Gegebenheiten angepasst haben (§ 3 Abs. 1 S.2 StVO) oder aber war sie im Unfallzeit unaufmerksam. Denn gerade im Hinblick darauf, dass ihr auf dem engen Gehweg die Sicht nach links in die Einfahrt versperrt war (und auch auf ihr verbotswidriges Verhalten), hätte sie ihre Geschwindigkeit stark drosseln, die ihr von links drohenden Gefahrenquellen aufmerksam beobachten und jederzeitige Bremsbereitschaft herstellen müssen.

Stattdessen hat die Klägerin erstinstanzlich selbst eingeräumt, sie sei auf dem Gehweg „normal gefahren“. Auch die vernommene Zeugin B. G. bekundete, die Klägerin sei mit einem Tempo gefahren, wie ein Fahrradfahrer auch auf der Straße fährt.

2.

Soweit die Klägerin in der Berufungsbegründung rügt, der Zeuge T. W. sei vom Landgericht nicht vernommen worden, ist darauf hinzuweisen, dass die Klägerin den Zeugen erstinstanzlich dafür benannt hat, sie sei zum Unfallzeitpunkt mit geringer Geschwindigkeit (Schrittgeschwindigkeit) gefahren. Der Zeuge W. hatte jedoch bereits zeitnah zum Unfallgeschehen anläßlich seiner polizeilichen Vernehmung am 13.04.2011 ausdrücklich bekundet:

„Zur vorherigen Fahrweise der Radfahrerin vor dem Sturz kann ich keine Angaben machen.“

Im Übrigen haben in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht sowohl die Klägerin als auch die Zeugin G. eine höhere Fahrgeschwindigkeit des Rades als „Schrittgeschwindigkeit“ angegeben.

3.

Ebenfalls ohne Rechtsfehler hat das Landgericht nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme einen Verstoß der Beklagten zu 1) gegen § 10 StVO verneint. Die Beklagte zu 1) hat bei ihrer Anhörung durch das Landgericht bekundet, „langsam“ und „im ersten Gang“ aus der Ausfahrt herausgefahren zu sein. Dies wurde auch durch die Zeugin G. bestätigt:

„Das Auto fuhr langsam, mit Schrittgeschwindigkeit sozusagen, raus.“

Strengere Sorgfaltsanforderungen als das langsame Herausfahren aus der Einfahrt im Schritttempo waren der Beklagten zu 1) jedoch hier gemäß § 10 StVO nicht aufzuerlegen, soweit es das Passieren des Gehwegs vor dem Einfahren auf die Fahrbahn (wo mit erheblich höheren Geschwindigkeiten zu rechnen war) betraf.

Damit ist der Sachverhalt nicht mit demjenigen vergleichbar, der dem von Klägerseite in der Berufungsbegründung zitierten Urteil des LG Freiburg (NZV 2008,101) zugrunde lag, wo ein Verstoß gegen § 10 StVO positiv festgestellt wurde.

Selbst wenn man aber der Beklagten zu 1) ein (hier allenfalls geringfügiges) Mitverschulden wegen eines minimal überhöhten Ausfahrtempos vorwerfen würde, was der Senat – wie ausgeführt – als nicht bewiesen ansieht, so würde dieses aber gleichwohl nach der obergerichtlichen Rechtsprechung einschließlich der Betriebsgefahr des Kraftfahrzeuges gegenüber dem Verursachungs- und Verschuldensanteil der grob fahrlässig handelnden Klägerin zurücktreten (vgl. OLG München, ZfS 1997, 171; LG Dessau, NZV 2006, 149).

4.

Bei der vorzunehmenden Abwägung der beiderseitigen Verursachungs- und Verschuldensbeiträge gemäß den §§ 254 BGB, 9 StVG war demgemäß hier mit der gefestigten obergerichtlichen Rechtsprechung zu konstatieren, dass die Betriebsgefahr des Beklagtenfahrzeuges durch das grob fahrlässige Handeln der Klägerin verdrängt wurde.

Ein derartig schwerwiegender Verkehrsverstoß lässt den Radfahrer regelmäßig allein haften (vgl. nur OLG Celle, MDR 2003, 928; OLG Hamm, NZV 1995, 152; OLG Schleswig, r+s 1991, 261; OLG Karlsruhe, a.a.O.; LG Erfurt, NZV 2007, 522).

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