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Verkehrsunfall – Überhöhte Gutachterkosten erstattungsfähig?

AG Münster – Az.: 96 C 1956/13 – Urteil vom 05.02.2014

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 313 a ZPO abgesehen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Dem Kläger steht der geltend gemachte Anspruch auf Freistellung von restlichen Sachverständigenkosten in Höhe von 43,32 € nach einem Verkehrsunfall, den der Versicherte des Beklagten unstreitig allein verschuldet hat, aus keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu.

Verkehrsunfall – Überhöhte Gutachterkosten erstattungsfähig?
Symbolfoto: Von Moobin /Shutterstock.com

Entgegen der Ansicht des Klägers sind pauschal abgerechnete „Nebenkosten“ für das erstellte Gutachten nach dem Unfall lediglich in Höhe von maximal 100,00 € erstattungsfähig, da die abgerechneten „Nebenkosten“, soweit sie diesen Betrag übersteigen, quasi willkürlich überhöht sind und Preis und Leistung für den geschädigten Laien erkennbar in einem auffälligen Missverhältnis zueinander stehen (LG Saarbrücken, 13 S 109/10).

Dass ein Sachverständiger sein „Grundhonorar“ in pauschalierter Weise an der Schadenshöhe orientiert, hindert ihn nicht daran, zusätzlich „Nebenkosten“ pauschal oder nach ihrem tatsächlichen Anfall zu berechnen. Diese Abrechnungsweise ist werkvertraglich zulässig und in den Honorarordnungen einzelner Berufsgruppen ausdrücklich vorgesehen. Auch schadensrechtliche Bedenken gegen die Erstattungsfähigkeit einer solchermaßen aufgespaltenen Abrechnung in pauschalierte „Grund-“ und individualisierte „Nebenkosten“ bestehen nicht (BGH, Urt. v. 23.01.2007 – VI ZR 67/06).

Umgekehrt darf der Sachverständige die Erhebung von „Nebenkosten“ über ein pauschales „Grundhonorar“ hinaus nicht dazu ausnutzen, die Vergütung für seine Tätigkeit über das erforderliche, aber auch ausreichende Maß hinaus künstlich zu erhöhen. Rechnet ein Sachverständiger – wie hier – für seine Tätigkeit eine Pauschale ab und beansprucht er zusätzlich bestimmte „Nebenkosten“, so bringt er damit zum Ausdruck, dass seine Sachverständigentätigkeit mit dem „Grundhonorar“ abgegolten sein soll und daneben lediglich tatsächlich angefallene Aufwendungen ersetzt verlangt werden. Unter diesen Umständen wäre es missbräuchlich, durch verdeckte Zuschläge in den Nebenkosten die (Grund-)Vergütung des Sachverständigen zu erhöhen. Die Geltendmachung der „Nebenkosten“ ist deshalb auf einen Ersatz seiner Aufwendungen beschränkt.

Das Gericht erachtet die BVSK-Honorarbefragung – anders als im Rahmen der Beurteilung des Grundhonorars – nicht für geeignet, die auf dem regionalen Markt zu erwartenden Ansätze für die hiernach anfallenden „Nebenkosten“ verlässlich abzubilden.

Bedenken gegen eine Heranziehung dieser Befragung ergeben sich bereits daraus, dass etwa die Schreibkosten zum Teil pauschaliert, zum Teil je Seite ausgewiesen oder bereits im „Grundhonorar“ enthalten sind. Das konkrete Ausmaß dieser Wechselwirkungen zwischen „Grundhonorar“ und „Nebenkosten“ lässt sich der Studie indes nicht entnehmen. Entsprechendes gilt für das Verhältnis verschiedener „Nebenkostenpositionen“ zueinander. So ist etwa nicht ersichtlich, inwiefern für Kopien beschrifteter Lichtbilddokumentationen neben Schreibkosten zusätzlich noch Kopierkosten oder Photokosten anfallen (vgl. zum Ganzen LG Saarbrücken, Urt. V. 22.06.2012, Az.: 13 S 37/12).

Da eine andere geeignete Bewertungsgrundlage nicht zur Verfügung steht, schätzt das Gericht die Grenze der Erforderlichkeit der „Nebenkosten“ gemäß § 287 Abs. 1 ZPO. Dieser Betrag ergibt sich unter Berücksichtigung folgender Faktoren:

Bei der Bestimmung der Höhe der zu erwartenden Nebenkosten sind Fahrtkosten zu berücksichtigen, da sie regelmäßig nicht im „Grundhonorar“ enthalten sind, sondern zusätzlich geltend gemacht werden. Anzunehmen ist insofern, dass ein Geschädigter in der Regel innerhalb eines Umkreises von 25 km einen Sachverständigen auswählen kann und dieser sodann Auslagen von 0,70 €/km beanspruchen kann (vgl. LG Saarbrücken, Urt. v. 22.06.2012 – Az. 13 S 37/12), sodass Fahrtkosten i. H. v. 35,00 € (2 x 25 km x 0,70 €/km) als erforderlich angesehen werden können. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass das Gericht zu Gunsten des Sachverständigen mit 0,70 €/km weit mehr als Pauschale pro gefahrenem Kilometer angesetzt wird, als dies im Rahmen des Rechts- und Wirtschaftsverkehrs üblich ist, wo durchschnittlich 0,30 bis maximal 0,50 €/km gefordert werden. Eine darüber hinausgehende Pauschalierung ist erkennbar lebensfremd und würde von einem durchschnittlichen Kunden des Sachverständigen auch mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht akzeptiert werden. Auch wenn im konkreten Fall Fahrten von 60 km ausnahmsweise als erforderlich angesehen werden könnten, wären vorliegend Fahrtkosten von maximal 42,00 € (60 km x 0,70 €) anzusetzen.

Weiterhin sind neben dem Grundhonorar zunächst Kosten für Digitalfotos als erforderlich anzusehen. Diese können schon deswegen nicht durch das Grundhonorar aufgezehrt sein, da sich die Anzahl der anzufertigenden Fotos anders als das Grundhonorar nicht zwingend nach der Schadenshöhe berechnet, sondern individuell zu bemessen ist. Allerdings dürfte sich der erforderliche Betrag für die Anfertigung der Fotos angesichts der Tatsache, dass solche in der Größe von 10×15 cm im Internet etwa 0,10 € – 0,20 € kosten, was auch für den Laien leicht feststellbar ist, allenfalls auf 1,50 € pro Foto belaufen. Auch wenn vorliegend die durchgeführte Begutachtung die Fertigung von 18 Fotos gerechtfertigt hätte, könnten folglich maximal 27,50 € als pauschale Fotokosten geltend gemacht werden. Ein Ansatz von pauschal 2,30 € pro Foto ist zur Überzeugung des Gerichts dagegen nicht üblich und übersteigt durchschnittliche Kosten erheblich.

Für Porto-/Telefon- und Telefaxkosten können 15,00 € mit Blick darauf, dass regelmäßig wenige Telefonate und Internetverbindungen für die Erstellung des Sachverständigengutachtens erforderlich sind, als angemessen angesehen werden. (So auch insgesamt LG Saarbrücken, Urt. v. 22.06.2012 – Az. 13 S 37/12).

Daneben sind auch Schreibkosten erforderlich. Entsprechende Kosten werden auch nach der BVSK Honorarbefragung regelmäßig abgerechnet. Hierbei ist die Ausfertigung eines Originals nebst einer Kopie ausreichend (LG Dortmund, NJW-RR 2011, 321, 323). Insofern kann der geltend gemachte Betrag von 15,50 € (3,10 € x 5 Seiten) vor dem Hintergrund als erforderlich gelten, dass – obgleich eine vollständige Orientierung an der BVSK Befragung wie dargelegt nicht angemessen ist – die dort dargelegten Spannen jedenfalls indiziell herangezogen werden kann. Insofern aber bewegen sich die vom Sachverständigen erforderlich erachteten Kosten eher unterhalb des dortigen Korridors von 2,47 € bis 3,75 € für Schreibkosten, sodass der Geschädigte diese im Rahmen einer ex ante Plausibilitätskontrolle für erforderlich halten durfte.

Insgesamt ergibt sich hiernach eine Erforderlichkeit der Nebenkosten in folgendem Umfang:

Kosten Fotos (18 x 1,50 €) 27,50 €

Fahrtkosten maximal 42,00 €

Porto-/Telefon-/Telefaxkosten 15,00 €

Schreibkosten 15,50 €

Gesamt 100,00 €

Nach Maßgabe dieser Grundsätze sind die geltend gemachten „Nebenkosten“ nur in Höhe von 100,00 € erstattungsfähig. Im Übrigen sind sie für den geschädigten Laien aufgrund deren Unüblichkeit erkennbar nicht erforderlich.

Folglich macht auch dieser Rechtsstreit deutlich, dass eine pauschale Schätzung der Nebenkosten auf maximal 100,00 € angemessen erscheint, der allgemeinen Lebenswirklichkeit entspricht und dabei die Interessen aller Beteiligter berücksichtigt. Es gilt daher folgender Grundsatz:

Rechnet ein Sachverständiger für die Erstellung eines routinemäßigen Schadensgutachtens seine eigentliche Gutachtertätigkeit pauschal ab und macht er zusätzlich „Nebenkosten“ von bis zu 100,00 € geltend, so darf der Geschädigte diese „Nebenkosten“ auf dem regionalen Markt grundsätzlich für erforderlich halten. Soweit die „Nebenkosten“ diesen Betrag jedoch übersteigen, sind sie nicht erstattungsfähig, weil sie für den geschädigten Laien erkennbar quasi willkürlich festgesetzt sind und Preis und Leistung in einem auffälligen Missverhältnis stehen. Das schließt nicht aus, dass die besonderen Umstände des Einzelfalls einen gesteigerten Begutachtungsaufwand erforderlich machen können, der unter Würdigung einer Gesamtschau aller „Nebenkosten“ mit einem pauschalen Betrag von bis zu 100,00 € nicht mehr abgegolten ist.

Solche besonderen Umstände sind vorliegend jedoch weder geltend gemacht noch sonst ersichtlich.

Nach alldem ergibt sich eine Erforderlichkeit der Kosten für das Sachverständigengutachten i. H. v. 560,00 € (Grundhonorar) + 100,00 € (Nebenkosten) = 660,00 € zzgl. 19 % MwSt = 785,40 €. Nach Zahlung von 785,40 € durch den Beklagten, wodurch der Anspruch gem. § 362 I BGB untergegangen ist, ist ein Anspruch gem. §§ 7 StVG, 115 I 1 Nr. 1 VVG i. V. m. § 1 PflVG und § 398 BGB nicht mehr gegeben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708Nr. 11, 713 ZPO.

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