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Verkehrsunfall – Verweisung auf freie Reparaturwerkstatt zulässig?

AG Solingen, Az: 12 C 300/13, Urteil vom 14.11.2013

Werkstattbindung bei VerkehrsunfallDie Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 700,13 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 03.11.2012 sowie außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 57,24 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 19.01.2013 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung seitens der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Der Kläger macht Schadensersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall am 15.10.2012 auf der Oststraße in Solingen gelten, an dem er selbst mit seinem Fahrzeug sowie Frau mit dem Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen … beteiligt war, das bei der Beklagten versichert ist. Die Haftung ist dem Grunde nach zwischen den Parteien unstreitig.

Der Kläger gab ein Sachverständigengutachten in Auftrag. Dieses bezifferte unter anderem den Nettoschaden auf 4.609,57 €. Wegen der Einzelheiten wird auf das Gutachten des Sachverständigen O vom 16.10.2012 (Bl. 6 ff. d. A.) verwiesen. Die übrigen von Klägerseite geltend gemachten Positionen sind von Beklagtenseite beglichen worden.

Auf den Nettoschaden zahlte die Beklagte einen Betrag von 3.909,44 €.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 24.10.2012 forderte der Kläger die Beklagte auf, den Nettoschaden vollständig bis zum 02.11.2012 auszugleichen. Zudem wurde die Beklagte weiterem Schreiben aufgefordert, außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 546,69 € bis zum 18.01.2013 auszugleichen. Die Beklagte zahlte darauf einen Betrag von 489,45 €.

Mit Schreiben vom 06.11.2012 wies die Beklagte den Kläger darauf hin, dass in einer regionalen Werkstatt geringere Stundenverrechnungssätze anfielen und legte den von ihr veranlassten Prüfbericht bei, in dem die Firma S GmbH in Remscheid als Meisterfachbetrieb ausgewiesen ist. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das zu den Akten gereichte Schreiben der Beklagten (Bl. 31 ff. d. A.) und den Prüfbericht (Bl. 36 f. d. A.) Bezug genommen.

Mit weiterem Schreiben vom 19.04.2013 erläuterte die Beklagte, dass sich die Firma S GmbH 9,1 km vom Wohnort entfernt befinde.

Der Kläger beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 700,31 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 03.11.2012 zu zahlen;

2. die Beklagte zu verurteilen, an ihn weitere 57,24 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 19.01.2013 zu zahlen;

Hilfsweise beantragt der Kläger, die Beklagte zu verurteilen, ihn von der Bezahlung der außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 57,24 € freizustellen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte meint, dem Kläger sei es ohne weiteres möglich gewesen, die von ihr benannte Meisterwerkstatt in Anspruch zu nehmen. Hierzu behauptet sie, diese sei für den Kläger mühelos zugänglich und entspreche vom Qualitätsstandard der Reparatur einer markengebundenen Fachwerkstatt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist bis auf einen Betrag von 0,18 € begründet, im Übrigen ist sie unbegründet.

Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch aus §§ 7, 17 StVG i. V. m. § 115 VVG auf Zahlung weiterer 700,13 €

Die Haftung der Beklagten aus dem Unfallereignis vom 15.10.2012 auf der Oststraße in Solingen ist dem Grunde nach zwischen den Parteien unstreitig.

Der Kläger kann aufgrund des Unfallereignisses von der Beklagten die in dem von ihm eingeholten Gutachten des Sachverständigen O vom 16.10.2012 bezifferten Reparaturkosten in Höhe von 4.609,57 € netto in vollem Umfang verlangen.

Grundsätzlich kann der Geschädigte den erforderlichen Reparaturaufwand auch fiktiv auf der Basis eines Sachverständigengutachtens berechnen. Dabei sind die Stundenverrechnungssätze einer markengebundenen Werkstatt zu ersetzen. Der Geschädigte kann allerdings aufgrund seiner Schadensminderungspflicht nach § 254 Abs. 2 S. 2 BGB bei technischer Gleichwertigkeit auf eine freie Werkstatt verwiesen werden, wenn ihm dies zumutbar ist. Vorliegend ist das klägerische Fahrzeug zwar älter als drei Jahre und zu der regelmäßigen Wartung in einer Markenwerkstatt ist nichts vorgetragen. Allerdings musste sich der Kläger nicht auf die von Beklagtenseite genannte Referenzwerkstatt verweisen lassen. Dabei kann die Frage, ob die Beklagtenseite mit den offenbar vorformulierten Hinweisen aus ihrem Schreiben vom 06.11.2012 dem Kläger hinsichtlich der Referenzwerkstatt bereits konkrete Angaben zur Gleichwertigkeit der Reparatur gemacht hat, dahinstehen. Denn weitere Voraussetzung für eine Verweisung auf eine freie Werkstatt ist, dass die alternative Reparaturwerkstatt „mühelos und ohne weiteres zugänglich“ ist (s. BGH, Urteil vom 20.10.2009, VI ZR 53/09). Dies ist bei der von Beklagtenseite vorgeschlagenen Werkstatt, die sich 9,1 km vom Wohnort des Beklagten entfernt befindet, nicht der Fall. Mühelos erreichbar sind nur Reparaturmöglichkeiten, die sich auch in der Nähe, d. h. am Wohnort des Geschädigten befinden. Die Verweisung auf eine Referenzwerkstatt in einer anderen Stadt ist jedenfalls dann unzulässig, wenn sich am Wohnort des Geschädigten Fachwerkstätten befinden, die näher liegen als die benannte Referenzwerkstatt. Auch aus Sicht eines verständigen, wirtschaftlich denkenden Fahrzeugeigentümers in der Lage des Klägers ist es nicht zumutbar, das Fahrzeug in eine Werkstatt in einer anderen Stadt zu verbringen, wenn es in unmittelbarer Nähe zum Wohnort diverse Werkstätten gibt. Es ist gerichtsbekannt, dass sich in Solingen zahlreiche sowohl markengebundene als auch nicht markengebundene Fachwerkstätten befinden.

Grundsätzlich kann zwar eine Verweisung auf eine Referenzwerkstatt, die sich nicht am Wohnort des Geschädigten befindet, auch dann zumutbar sein, wenn diese einen kostenlosen Hol- und Bringservice anbietet (vgl. z. B. LG Bochum, Urteil vom 01.07.2011, 5 S 6/11). Dazu ist jedoch von Beklagtenseite nichts vorgetragen worden.

Zudem sind auch die in dem Privatgutachten kalkulierten UPE-Zuschläge erstattungsfähig. Derartige Zuschläge sind im Rahmen einer fiktiven Schadensberechnung berücksichtigungsfähig, wenn sie in einer markengebundenen Fachwerkstatt an dem Ort, an dem die Reparatur auszuführen ist, anfallen (vgl. KG, Urteil vom 10.09.2007, 22 U 224/06 m. w. N.). Das Gericht geht davon aus, dass derartige Zuschläge ortsüblich sind.

Die Beklagte hat auf die Nettoreparaturkosten von 4.609,57 € einen Betrag von 3.909,44 € gezahlt. Es verbleibt der zuerkannte Betrag.

Die Zinsentscheidung ergibt sich aus §§ 286, 288 Abs. 1 BGB. Die Beklagte befand sich mit dem Ausgleich der Reparaturkosten seit dem 03.11.2012 in Verzug, nachdem sie mit Schreiben vom 24.10.2012 zum Ausgleich bis zum 02.11.2012 aufgefordert worden ist.

Der Kläger hat gegen die Beklagte zudem einen Anspruch aus §§ 7, 17 StVG i. V. m. § 249 BGB i. V. m. § 115 VVG auf Zahlung weiterer 57,24 € auf die außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten. Die Klägerseite durfte die außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten aus einem Streitwert von 5.567,49 € berechnen, nachdem – wie oben gesehen – der volle vom Sachverständigen O kalkulierte Betrag für die Reparatur anzusetzen war. Auf die Rechtsanwaltskosten in Höhe von 546,69 € hat die Beklagte 489,45 € gezahlt, so dass der zuerkannte Betrag verbleibt.

Die Zinsentscheidung hinsichtlich der außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten ergibt sich aus §§ 286, 288 Abs. 1 BGB. Die Beklagte befand sich mit dem Ausgleich der außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten nach entsprechender Aufforderung seit dem 19.01.2013 in Verzug.

Soweit der Kläger einen Betrag von 700,31 € anstatt 700,13 € begehrt, war die Klage im Übrigen abzuweisen.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 708 Nr. 11, 709 S. 2, 711 ZPO.

Streitwert: 700,31 €

Symbolfoto: billionphoto.com

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