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Verkehrsunfall – Schadensersatzansprüche für die Verfolgung des Unfallgegners

Amtsgericht Bremen, Az: 9 C 556/14, Urteil vom 19.03.2015

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger bleibt nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.

bus photo

Tatbestand

Der Kläger macht nach einem Verkehrsunfall Erstattungsansprüche geltend

Am 16.01.2014 verunfallte gegen 08:40 Uhr auf Höhe der Bushaltestelle Habenhauser Brückenstraße der PKW VW Golf, amtliches Kennzeichen: DH…, mit einem Linienbus der Beklagten zu 1., welcher von der Beklagten zu 2. gesteuert wurde.

Der Kläger trägt vor, dass er den PKW seinerzeit gesteuert habe. Der Bus sei von der Busspur auf die Fahrspur des vorfahrtberechtigten Klägers gezogen und habe hierbei mit dem Heck den vorderen rechten Kotflügel des PKW beschädigt. Da der Bus im fließenden Stop-and-Go-Verkehr langsam weiter fuhr, seien der Kläger und der Zeuge J… dem Bus hinterher gelaufen. Hierbei sei der Kläger auf regennasser Straße gestürzt, wodurch er im rechten Knie einen Riss des hinteren Kreuzbandes sowie einen Riss des Innenmeniskus erlitten habe. Der Kläger ist der Ansicht, dass die Beklagten Erstattung der materiellen Arztkosten in Höhe von 301,21 € und Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von wenigstens 3.000,00 € schuldeten, weil die Unfallflucht der Beklagten zu 2. die Verfolgung durch den Kläger provoziert habe. Der verfolgungstypische Sturz sei den Beklagten zuzurechnen.

Der Kläger beantragt:

1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 301,21 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 22.07.2014 zu zahlen.

2. Die Beklagten werden ferner als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger ein in das Ermessen des Gerichts gestelltes Schmerzensgeld nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten seit dem 16.01.2014 zu zahlen.

3. Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger sämtliche zukünftigen materiellen Schäden aus dem Unfallereignis vom 16.01.2014 auf der Habenhauser Brückenstraße in Bremen zu bezahlen, soweit Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind.

4. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, den Kläger von vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten bei seinen Prozessbevollmächtigten in Höhe von 413,64 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit freizustellen.

Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.

Sie tragen vor, dass die Beklagte zu 2. den behaupteten Kontakt der Fahrzeuge nicht bemerkt habe. Der Bus habe nach dem Fahrtgastwechsel und vor dem Einscheren links geblinkt. Von der Verfolgungssituation habe die Führerin des Busses nichts bemerkt.

Das Gericht hat den Parteien im Termin vom 19.03.2015 Hinweise erteilt.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Die Klage ist nicht schlüssig; Ansprüche aus §§ 18, 7 StVG, 823, 249, 253 BGB i.V.m. § 256 ZPO kommen nicht in Betracht. Denn der klägerseits geltend gemachte Schaden folgt nicht unmittelbar aus dem Unfallereignis, sondern aus dem erst anschließend erfolgten Sturz des Klägers im Zuge der Verfolgung des Linienbusses der Beklagten zu 1. Insofern hat sich lediglich das allgemeine Lebensrisiko des Klägers verwirklicht.

Zwar wäre der Unfall für den späteren Sturz kausal gewesen. Auch stellt sich der Sturz als adäquate Folge des Laufens auf regennasser Fahrbahn dar. Gleichwohl ist der erforderliche Zurechnungszusammenhang zwischen dem Unfall und dem Sturz bereits nach dem Klägervortrag nicht gegeben:

Der nach einem Verkehrsunfall flüchtende Fahrer haftet für die bei seiner Verfolgung entstehenden Schäden, sofern der Verletzte zur Verfolgung herausgefordert worden ist und sich im Schaden ein verfolgungstypisches Risiko verwirklicht hat (Palandt, 73. A., Vorb v § 249, Rn. 43 m.w.N.). Die den einschlägigen BGH-Entscheidungen zugrunde liegende Fälle sind jedoch dadurch gekennzeichnet, dass die Verfolgung durch die Polizei erfolgte (vgl. insbesondere BGH NJW 2012, 1951).

Eine Fluchtlage war vorliegend bereits objektiv nicht gegeben. Der Kläger ist als Privatperson – im Gegensatz zu Polizeibeamten – zur Verfolgung eines Tatverdächtigen nicht verpflichtet. Dass sich die Beklagte zu 2. in Kenntnis des Unfallereignisses bewusst der Feststellung ihrer Personalien entziehen wollte, ist nicht erweislich und erscheint äußerst fernliegend: Schließlich hätte der Kläger im Nachhinein – durch Kenntnis des Unfallorts und der Unfallzeit – unschwer ermitteln können, welcher Linienbus mit welchem Busfahrer seinerzeit vor Ort im Einsatz war. Der Kläger hätte sich insofern nicht einmal das Kennzeichen des Busses merken müssen. Es gibt keinen Grund, warum ein Busfahrer nach einem (versicherten) Unfall wegen eines strafrechtlich relevanten Verhaltens – Unfallflucht – den Verlust seines Arbeitsplatzes riskieren sollte. Folglich hätte der Kläger in Betracht ziehen müssen, dass der mit Passagieren besetzte Linienbus im Stop-and-Go-Verkehr unter Umständen lediglich deshalb seine planmäßige Fahrt fortsetzte, weil die Fahrerin den im Heckbereich erfolgten Unfall nicht bemerkt hatte. Er durfte sich nicht zwingend herausgefordert fühlen, den Bus bei regennasser Fahrbahn zu Fuß zu verfolgen. Vielmehr hätte es nahe gelegen, die Polizei zu verständigen, damit diese – gegebenenfalls nach telefonischer Rücksprache mit der Beklagten zu 1. – den Bus nachträglich in Augenschein nimmt und die Beklagte zu 2. zu dem behaupteten Unfallereignis befragt. Denn die Unfallaufnahme obliegt der Polizei und nicht den Unfallbeteiligten. Vorliegend drohte dem Kläger bei Unterlassen der Verfolgung aus den genannten Gründen gerade nicht die faktische Undurchsetzbarkeit seiner (behaupteten) Ansprüche.

Der Sturz erfolgte aufgrund einer eigenverantwortlichen Entscheidung des – aus seinem Wagen aussteigenden und dem Bus hinterher laufenden – Klägers; die Betriebsgefahr des Busses hat sich im anschließenden Sturz nicht verwirklicht. Eine Privatperson, welche die Verfolgung eines – vermeintlich – Flüchtenden aufnimmt, handelt grundsätzlich auf eigene Gefahr; das Festnahmerecht nach § 127 StPO beinhaltet keine Verfolgungspflicht.

Die Beklagte zu 2. hat sich auch im Rahmen ihrer informatorischen Befragung dahingehend eingelassen, dass sie einen Fahrzeugkontakt am Heck des Busses seinerzeit nicht bemerkt habe („Ich sagte: Nein“). Dies erscheint angesichts der Schwere und der Trägheit eines Linienbusses plausibel. Gegenteiliges ist den Beklagten nicht nachzuweisen.

Mangels Hauptforderungen bestehen keine Nebenforderungen.

Die Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 91, 708 Nr. 11 Alt. 2, 711 ZPO.

Fotos: vitalyzator,

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