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Verkehrsunfall in Kreuzungsbereich – Anscheinsbeweis spricht gegen einen Wartepflichtigen

AG Essen, Az.: 14 C 60/16

Urteil vom 10.07.2017

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 1.498,74 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB seit dem 12.03.2016 zu zahlen.

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die hinter dem Kläger stehende Rechtsschutzversicherung (… …) einen Betrag in Höhe von 201,71 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB seit dem 12.03.2016 für die außergerichtliche Interessenvertretung seiner Prozessvertreter zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Widerklage wird abgewiesen.

Verkehrsunfall in Kreuzungsbereich – Anscheinsbeweis spricht gegen einen Wartepflichtigen
Symbolfoto: robuart/ Bigstock

Die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten des Klägers tragen der Kläger zu 5 %, die Beklagten als Gesamtschuldner zu 23 % und die Beklagte zu 1) darüber hinaus zu 72 %. Die außergerichtlichen Kosten der Widerbeklagten zu 2) trägt die Beklagte zu 1). Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1) trägt diese selbst. Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2) und 3) tragen der Kläger zu 19 % und die Beklagten zu 2) und 3) zu 81 %.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem jeweiligen Vollstreckungsschuldner wird nachgelassen die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Der Kläger macht gegen die Beklagten Schadensersatz aufgrund eines … Verkehrsunfalls geltend, der sich am 15.02.2016 gegen 10:10 Uhr auf der Straße in … ereignete.

Der Kläger ist Fahrer des Pkws Seat mit dem amtlichen Kennzeichen …

Die Beklagte zu 1) ist Fahrerin des Kfz Renault Twingo mit dem amtlichen Kennzeichen …, dessen Halter der Beklagte zu 2) und das bei der Beklagten zu 3) haftpflichtversichert ist.

Der Kläger befuhr die … Straße.

Die Beklagte zu 1) befuhr die … in Fahrtrichtung … Straße, um diese zu überqueren.

Die … Straße ist der …straße gegenüber übergeordnet.

Hierbei kam es zur Kollision.

Der Kläger macht mit der Klage folgende Schäden geltend:

– Reparaturkosten netto: 1.522,10 Euro

– Sachverständigenkosten: 186,27 Euro

– Nutzungsausfall: 114,00 Euro (3 Tage á 38,00 Euro)

– Kostenpauschale: 30,00 Euro

1.852,37 Euro

Mit anwaltlichem Schreiben vom 19.02.2016 forderte der Kläger die Beklagte zu 3) unter Fristsetzung bis zum 11.03.2016 zur Zahlung auf.

Der Kläger behauptet, er sei Eigentümer des bei dem Unfall beschädigten Fahrzeugs.

Der Kläger beantragt, die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen,

1. an ihn 1.852,37 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB seit dem 12.03.2016 zu zahlen,

2. an die hinter hm stehende Rechtsschutzversicherung (… …) einen Betrag in Höhe von 291,55 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB seit dem 12.03.2016 für die außergerichtliche Interessenvertretung seiner Prozessvertreter zu zahlen.

Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.

Widerklagend beantragt die Beklagte zu 1), den Kläger und die Widerbeklagte zu 2) gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an sie 4.744,39 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15.03.2016 zu zahlen und sie von Kosten ihres außergerichtlichen Bevollmächtigten Rechtsanwaltes … in Höhe von 258,17 Euro gemäß Rechnung vom 19.02.2016 freizustellen.

Der Kläger und die Widerbeklagte zu 2) beantragen, die Widerklage abzuweisen.

Die Beklagten behaupten, die Beklagte zu 1) habe sich langsam an die Sichtlinie herangetastet als der Kläger mit überhöhter Geschwindigkeit gegen ihr stehendes Fahrzeug gestoßen.

Die Beklagte zu 1) macht mit der Widerklage folgende Schäden geltend:

– Reparaturkosten netto: 3.547,99 Euro

– Wertminderung: 100,00 Euro

– Sachverständigenkosten: 723,40 Euro

– Nutzungsausfall: 348,00 Euro (12 Tage á 29,00 Euro)

– Kostenpauschale: 25,00 Euro

4.744,39 Euro

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Gutachten des Dipl.-Ing … vom 15.05.2017 Bezug genommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und die zu den Akten gereichten Unterlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist teilweise begründet, wohingegen die zulässige Widerklage unbegründet ist.

Die zulässige Klage ist begründet.

Dem Kläger steht gegen die Beklagten aufgrund des streitgegenständlichen Verkehrsunfallgeschehens ein dem Klageantrag zu 1) entsprechender Anspruch auf Schadensersatz aus §§ 7 StVG i.V.m. § 115 Abs.1 Nr. 1 VVG in Höhe von 1.499,74 Euro zu.

Der Kläger ist insoweit aktivlegitimiert.

Zwar haben die Beklagten die Aktivlegitimation des Klägers mit Nichtwissen bestritten. Da der Kläger aber selbst das bei dem Unfall beschädigte Fahrzeug führte streitet zu seinen Gunsten die Eigentumsvermutung des § 1006 BGB. Der Kläger hat durch Vorlage des Kaufvertrages, aus dem sich auch die Barzahlung ergab, hinreichend zu den Erwerbsumständen vorgetragen.

Der streitgegenständliche Unfall stellte sich für keinen der Unfallbeteiligten als höhere Gewalt oder als nachweislich unabwendbares Ereignis dar, so dass sich der Umfang der Haftung danach richtet, inwieweit der Unfall vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist (§ 17 StVG).

Die vorzunehmende Abwägung der Verursachungsbeiträge führt vorliegend dazu, dass die Beklagte zu 1) den Unfall allein schuldhaft verursacht hat.

Der jeweilige Verursachungsbeitrag wird gebildet aus der Summe der Gefahren, die in der konkreten Unfallsituation von den beteiligten Kraftfahrzeugen ausgegangen sind, und die sich auf die Herbeiführung des Unfalls und die entstandenen Schäden ausgewirkt haben. Solche Gefahren ergeben sich zum einen aus der Beschaffenheit der beteiligten Fahrzeuge, den von ihnen gefahrenen Geschwindigkeiten, den zum Zeitpunkt des Unfalls durchgeführten Fahrmanövern sowie dem konkreten Fahrverhalten und dabei insbesondere aus etwaigen Fahrfehlern oder Verkehrsverstößen. Dabei sind nur solche Umstände zu berücksichtigen, die unstreitig oder beweisen sind, wobei auch die Regeln des Anscheinsbeweises Anwendung finden. Für Verschuldensvermutungen ist hierbei kein Raum. Daraus folgt nach allgemeinen Beweisgrundsätzen, das im Rahmen der nach § 17 StVG vorzunehmenden Abwägung jeweils der eine Halter die Umstände zu beweisen hat, die dem anderen zum Verschulden gereichen.

Auf Seiten der Beklagten ist neben der Betriebsgefahr in die Abwägung einzustellen, dass die Beklagte zu 1) gegen § 8 StVO verstoßen hat.

Hierfür streitet schon der Beweis des ersten Anscheins.

Bei einem Zusammenstoß zwischen zwei Kraftfahrzeugen auf einer vorfahrtgeregelten Kreuzung oder Einmündung spricht der Anscheinsbeweis für eine schuldhafte Vorfahrtverletzung des Wartepflichtigen (BGH, NJW 1982, 2686; Senat, Urt. vom 26. September 1983, 12 U 2583/82; Senat, Urteil vom 24. September 1998, – 12 U 3282/96).

Dieser Anscheinsbeweis gilt auch dann, wenn man mit dem Ergebnis des eingeholten Sachverständigengutachtens davon ausgeht, dass die Beklagte zu 1) mit ihrem Fahrzeug im Moment der Kollision stand.

Denn nach den überzeugenden Ausführungen des Dipl.-Ing. … dem das Gericht folgt, da sie ersichtlich fachgerecht erstellt und in sich schlüssig sind, muss die Beklagte zu 1) derart weit in der Fahrbahn des Klägerfahrzeugs auf der … Straße befunden haben wie sich dies aus Anlage 8 des Gutachtens ergibt, damit die Fahrzeuge die den Schäden abzugreifende Anstoßkonstellation erlangen konnten.

Damit hat sich die Beklagte zu 1) vor der Kollision zumindest mit der Schnauze Ihres Fahrzeugs über die am rechten Fahrbahnrand der … Straße parkenden Fahrzeug hinaus vorbewegt.

Fährt aber der Wartepflichtige soweit vor, dass er mit der Vorderfront über die im ersten Fahrstreifen der bevorrechtigten Straße parkenden Pkws hinausragt, so spricht der Beweis des ersten Anscheins dafür, dass der Wartpflichtige das Vorfahrtsrecht schuldhaft verletzt hat (vgl. KG Berlin 12 U 2453/87, Urteil vom 23.11.1987; BGH VI ZR 199/62; BGH DAR 1982,326).

Diesen Anscheinsbeweis haben die Beklagten nicht widerlegt.

Vielmehr ergibt sich schon aus den Angaben der Beklagten zu 1) im Rahmen ihrer persönlichen Anhörung (§ 141 ZPO) selbst, dass sie ihren Pflichten aus § 8 StVO nicht genügt hat.

Denn nach dieser Regelung darf derjenige, der die Vorfahrt zu gewähren hat, nur weiterfahren, wenn er übersehen kann, dass er den Vorfahrtsberechtigten weder gefährdet noch behindert. Kann er das nicht übersehen, weil die Straßenstelle unübersichtlich ist, so hat er sich vorsichtig in die Kreuzung und Einmündung hineinzutasten, bis er die Übersicht hat. Hierbei kann es geboten sein, lediglich zentimeterweise mit der Möglichkeit zum sofortigen Anhalten bis zum Übersichtspunkt vorzurollen. Gegebenenfalls ist dieser Vorgang mehrfach zu wiederholen (BGH NJW 1985, 2757; KG Berlin MDR 2010, 805; Hentschel/König/Dauer § 8 StVO Rn.58).

Diesen Anforderungen ist die Beklagte zu 1) nicht gerecht geworden.

So hat sie im Rahmen ihrer persönlichen Anhörung (§ 141 ZPO) zwar angegeben, dass sie mindesten zwei oder drei Mal immer nur ein Stück vorgefahren sei. Wie weit konnte sie jedoch nicht angeben.

Dass sich die Beklagte zu 1) daher nur zentimeterweise vorbewegt hätte vermochte das Gericht anhand dieser Angabe daher nicht festzustellen.

Im Übrigen dürfte der Übersichtspunkt für die Beklagte zu 1) auch schon zu einem früheren Zeitpunkt erreicht gewesen sein, als dies der Kollisionsstellung der Anlage 8 des eingeholten Gutachtens entnommen werden kann.

Auch Tatsachen, aus denen sich die Möglichkeit eines atypischen Geschehens im vorliegenden Fall ergeben würde, haben die Beklagten nicht zur Überzeugung des Gerichts nachweisen können, so dass es ihnen nicht gelungen ist, den Anscheinsbeweis zu erschüttern.

Einen Verstoß des Klägers gegen § 3 StVO durch Überschreiten der zulässigen Höchstgeschwindigkeit haben die Beklagten nicht zur Überzeugung des Gerichts nachweisen können.

Zwar hat die Beklagte zu 1) angegeben, dass der Kläger aus ihrer Sicht zu schnell gefahren sei.

Demgegenüber hat der Kläger im Rahmen seiner persönlichen Anhörung geschildert, dass seine Geschwindigkeit bei 50-55 km/h gelegen habe.

Durch das erneut überzeugende Gutachten des Dipl.-Ing. … konnten die Beklagten die Behauptung, dass der Kläger mehr als 70 km/h gefahren sei, nicht beweisen. Danach könne die Annäherungsgeschwindigkeit des Klägerfahrzeugs aufgrund der fehlenden technischen Anknüpfungstatsachen mit den nicht gesicherten Endstellungen der Fahrzeuge nach der Kollision nicht mehr ermittelt werden, da eine Bestimmung der Kollisionsgeschwindigkeit bei der vorliegenden leichten streifenden Kollision nicht möglich gewesen sei.

Auch eine Erkennbarkeit des Vorfahrtsverstoßes der Beklagten zu 1) für den Kläger und damit ein Verstoß dieses gegen § 1 Abs.2 StVO hat die Beweisaufnahme nicht zur Überzeugung des Gerichts ergeben.

So hat die Beklagte zu 1) im Rahmen ihrer persönlichen Anhörung geschildert, dass sie das Klägerfahrzeug bereits wahrgenommen habe, als sich dieses kurz hinter der A. Tankstelle befunden habe. Sie habe zu diesem Zeitpunkt schon gestanden und noch zurückfahren wollen. So schnell habe sie aber nicht mehr reagieren können. Wie lange sie gestanden habe, könne sie nicht sagen.

Deren Angaben stehen auch insoweit im Einklang mit dem Gutachten des Dipl.-Ing. … als dass das Beklagtenfahrzeug danach bei der Kollision gestanden hat.

Aus diesem Umstand ergibt sich aber nicht, dass die Beklagte zu 1) bereits so lange stand, dass es dem Kläger möglich gewesen wäre hierauf unfallverhütend zu reagieren.

Hierzu vermochte das Sachverständigengutachten Feststellungen nicht zu treffen.

Zweifel daran, dass das Fahrverhalten der Beklagten zu 1) für den Kläger erkennbar gewesen ist, ergeben sich auch schon aus der Schilderung der Beklagten zu 1) selbst. Denn wenn es dieser nach eigenen Angaben nicht mehr möglich war ihr Fahrzeug aus dem Stand heraus zurückzusetzen, ist auch nicht ersichtlich weshalb es dem Kläger bei einer Fahrgeschwindigkeit von 50-55 km/h möglich gewesen sein sollte noch auf das stehende Beklagtenfahrzeug zu reagieren.

Eine Erkennbarkeit haben die Beklagten demnach jedenfalls nicht zur Überzeugung des Gerichts nachweisen können.

Die Betriebsgefahr des Klägerfahrzeugs allein tritt aber hinter dem überwiegenden Verschulden der Beklagten zu 1), deren Verhalten sich die Beklagten zu 2) und 3) zurechnen lassen muss, zurück.

Der Höhe nach sind dem Kläger zunächst die durch das Unfallgeschehen entstandenen erforderlichen Reparaturkosten zu ersetzen.

Diese belaufen sich auf einen Betrag von lediglich 1.287,47 Euro und nicht auf die von Klägerseite eingeforderten 1.522,10 Euro.

Soweit die Beklagten eingewandt haben, dass die im Ausgangsgutachten veranschlagte Ersatzteilposition „Reparatursatz Stoßfänger vorn” in Höhe von 139,23 Euro nicht erforderlich sei, ist die Klägerseite dem nicht entgegen getreten und hat insbesondere auch keinen Beweis für die Erforderlichkeit angetreten.

Insoweit war daher ein Abzug in Höhe von 139,23 Euro zu machen.

Ein weiterer Abzug in Höhe von 95,40 Euro war deshalb zu machen, weil sich der Kläger hinsichtlich der Stundenverrechnungssätze aufgrund seiner Schadensminderungspflicht nach § 254 Abs. 2 BGB auf die von den Beklagten benannte günstigere Reparaturmöglichkeit in der Werkstatt … verweisen lassen muss.

Die Beklagten haben den Kläger auf die günstigere Reparaturmöglichkeit in der Werkstatt … verwiesen. Dabei haben die Beklagten insbesondere darauf hingewiesen, dass es sich bei der genannten Werkstatt um einen qualifizierten Meisterbetrieb für Karosserie- und Lackierarbeiten handelt, der regelmäßig durch einen Verband oder eine Zertifizierungsstelle überprüft und bei dem ausschließlich mit Originalersatzteilen nach Herstellerrichtlinien repariert wird. Es wird überdies eine zweijährige Garantie auf die Arbeiten gegeben.

Die Firma … ist in der Lage den Unfallschaden genauso kompetent und gleichwertig zu beheben, wie eine markengebundene Fachwerkstatt

Für die Beurteilung der Frage der Gleichwertigkeit gilt nämlich auch im Rahmen des § 254 Abs. 2 S. 1 BGB das erleichterte Beweismaß des § 287 ZPO (BGH NJW 2010, 2941).

Es besteht hier kein Grund, an der Gleichwertigkeit der Reparaturqualität zu zweifeln. Die Beklagten haben diese insoweit ausreichend dargelegt und der Kläger ist dem nicht in erheblicher Weise entgegen getreten.

Bei der Firma … handelt sich ferner um eine für den Kläger mühelos und ohne weiteres zugängliche Fachwerkstatt, da sie sich nur 19,3 Kilometer vom Wohnort des Klägers entfernt befindet (vgl. BGH VI ZR 91/09, Urteil vom 23.02.2010). Zudem bietet diese Firma unstreitig einen kostenlosen Hol- und Bringservice.

Der Kläger hat auch keine besonderen Umstände vorgetragen, die es ihm gleichwohl unzumutbar machen würden, sein Fahrzeug in einer nicht markengebundenen Werkstatt reparieren zu lassen.

So war das klägerische Fahrzeug zum Unfallzeitpunkt bereits fast 10 Jahre alt, so dass sich Probleme für die Inanspruchnahme von Gewährleistungsrechten, Herstellergarantien oder Kulanzleistungen nicht stellen (BGH NJW 2010, 606).

Dass er das regelmäßig in einer markengebundenen Fachwerkstatt gewartet und repariert hat, hat der Kläger ebenfalls nicht dargelegt.

Entgegen der Ansicht des Klägers bedarf der Verweis auch nicht der Vorlage eines konkreten Angebotes (LG Essen 15 S 147/11, Urteil vom 23.08.2011; OLG Düsseldorf NJW-Spezial 2012,362). Für den Kläger hätte es bei Erhalt des Prüfberichts nur eines Anrufs bei der Firma … bedurft, um sicherzustellen, dass die Reparatur dort zu den angegebenen Preisen ausgeführt würde.

Den somit als erforderlich anzusehenden Reparaturkosten in Höhe von 1.287,47 Euro sind die Sachverständigenkosten in Höhe von 186,27 Euro hinzuzusetzen.

Dabei ist der Kläger zur Geltendmachung dieser aufgrund der erfolgten Rückabtretung als aktivlegitimiert anzusehen. Dabei enthält das Schreiben des Sachverständigenbüros vom 09.06.2016 zwar keine ausdrückliche Rückabtretung. Bei der gebotenen Auslegung (§§ 133, 157 BGB) kann die erklärte Rücknahme der Abtretungserklärung aber nur als Rückabtretung verstanden werden, insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Forderung zur Zeit der Abgabe dieser Erklärung schon seitens des Klägers im Klagewege geltend gemacht wurde.

Hinzu kommt die allgemeine Unkostenpauschale, die das Gericht in ständiger Rechtsprechung auf 25,00 Euro schätzt (§ 287 ZPO).

Dagegen steht dem Kläger ein Anspruch auf die geltend gemachte Nutzungsausfallentschädigung nicht zu.

Denn ein Nutzungsausfall ist nicht notwendiger Teil des Fahrzeugschadens. Es handelt sich zwar um einen typischen, nicht aber um einen notwendigen Folgeschaden, der im Unfallzeitpunkt weder überhaupt noch seiner Höhe nach fixiert ist. Der Anspruch auf eine Nutzungsausfallentschädigung hängt vielmehr davon ab, ob der Geschädigte das Fahrzeug tatsächlich nutzen wollte und konnte (BGH VI ZR 211/08, Urteil vom 10.03.2009). Der Geschädigte darf im Rahmen seiner Dispositionsfreiheit zwar den Fahrzeugschaden fiktiv auf Basis des Gutachtens abrechnen. Ein Nutzungsausfall ist aber nur zu ersetzen, wenn er tatsächlich entstanden ist (OLG Hamm 27 U 10/97, Urteil vom 25.11.1997).

Hierzu fehlt es bereits an hinreichendem Vortrag durch den Kläger.

So hat der Kläger nicht dargelegt, für welchen konkreten Zeitraum sein Fahrzeug ausgefallen ist.

Die bloße Vorlage einer Reparaturbescheinigung ist insoweit ungeeignet, da hierdurch allenfalls eine Reparatur nachgewiesen wird, nicht aber wie lange diese gedauert hat und ob sämtliche im Gutachten aufgeführten Arbeiten durchgeführt wurden. Auch können unfallunabhängig weitere Reparaturen durchgeführt worden sein (LG Essen, Urt. v. 06.01.1998 – 13 S 433/97; AG Osnabrück, Urt. v. 10.09.2003 – 52 C 173/03 (XXXI); AG Münster, Urt. v. 02.07.2003 – 6 C 1874/03; AG Herne-Wanne, Urt. v. 31.08.2001 – 3 C 155/01 und AG Münster, Urt. v. 26.11.1999 – 3 C 4337/99). Bei einer Reparatur in Eigenregie ist auch nicht ausgeschlossen, dass die Reparatur in Zeiten erfolgt ist, in denen das Fahrzeug ohnehin nicht genutzt wurde (AG Dortmund, Urt. v. 16.11.2000 – 7 C 477/00 und AG Bochum, Urt. v. 14.05.1991 – 67 C 161/91).

Der Geschädigte hat daher für einen Anspruch auf eine Nutzungsausfallentschädigung substantiiert darzulegen und nachzuweisen, dass sein Fahrzeug an im Einzelnen zu bezeichnenden Tagen bei bestehendem Nutzungswillen und Nutzungsmöglichkeit reparaturbedingt nicht nutzbar war (AG Dortmund, Urt. v. 25.10.1996 – 131 C 9213/96).

Daran fehlt es hier.

Der als erforderlich anzusehende Gesamtschaden des Klägers beläuft sich demnach auf 1.498,74 Euro

Auf diesen Betrag waren aus dem Gesichtspunkt des Verzuges (§§ 280 Abs.1, 2, 286 BGB) Zinsen seit dem tenorierten Zeitpunkt zuzusprechen, nachdem der Kläger die Beklagte zu 3) unter entsprechender Fristsetzung zur Zahlung aufgefordert hatte.

Dabei hält das Gericht eine Prüf- und Überlegungsfrist auf Seiten der Beklagten von 4 Wochen für angemessen, die hier auch gesetzt worden ist.

Aufgrund der deliktischen Haftung der Beklagten kann der Kläger auch entsprechend dem Klageantrag zu 2) die Freistellung von den vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten begehren.

Dabei wurde der Kläger von seiner Rechtsschutzversicherung ermächtigt die Gebühren im Wege gewillkürter Prozessstandschaft geltend zu machen.

Der Kläger kann jedoch nur die erforderlichen Anwaltskosten für den berechtigten Teil seiner Forderung ersetzt verlangen.

Diese belaufen sich unter Zugrundelegung einer 1,3 Gebühr auf 201,71 Euro.

Soweit der Klägervertreter eine 1,5 Gebühr abgerechnet hat, hat er bereits nicht dargelegt, dass die Bearbeitung einen Aufwand erfordert hätte, der denjenigen in einer durchschnittlichen Verkehrsunfallsache übersteigt.

Eine Gebühr von mehr als 1,3 kann aber nur dann gefordert werden, wenn die Tätigkeit umfangreich und schwierig war.

Die zulässige Widerklage ist unbegründet.

So kann die Beklagte zu 1) von dem Kläger und der Widerbeklagten zu 2) keinen Ersatz für die ihr durch den Unfall entstandenen Schäden verlangen, da sie – wie bereits ausgeführt – selbst zu 100 % für das streitgegenständliche Verkehrsunfallgeschehen verantwortlich ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs.1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr.11, 711 ZPO.

Streitwert: 6.596,76 Euro (Klage: 1.852,37 Euro, Widerklage: 4.744,39 Euro)

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