AG Zwickau, Az.: 24 C 1250/10, Urteil vom 25.11.2011
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtstreits.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger kann die Vollstreckung durch die Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht zuvor die Beklagten Sicherheit in gleicher Höhe leisten.
Streitwert: 799,14 EUR
Tatbestand
Die Parteien streiten über Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall.
Am … gegen … Uhr parkte der Kläger sein Fahrzeug …, amtliches Kennzeichen: …, vorwärts in einer Parklücke auf dem Parkplatz des Berufschulzentrums … in der … in Zwickau in einem 90 Grad-Winkel zur Parkgasse. Folgend parkte der Kläger rückwärts aus der Parklücke aus. In der Parkgasse fuhr der Beklagte zu 2. mit dem Fahrzeug …, amtliches Kennzeichen: …, dessen Halterin Frau … ist und war. Infolge kam es zur Kollision beider Fahrzeuge. An dem Fahrzeug des Klägers kam es hierbei zu Sachschäden.
Auf dem Parkplatz herrschten zum Zeitpunkt der Kollision winterliche Witterungsverhältnisse, sprich es lag Schnee und auf dem Parkplatz war Eisbildung, so dass der Untergrund für die Fahrzeuge sehr rutschig war.
Der Kläger behauptet, er habe sich bei dem von ihm durchgeführten rückwärts gerichteten Ausparkvorgang vergewissert, dass sich in der Parkgasse hinter ihm kein Fahrzeug befand. Er sei dann ausgeparkt und habe seinen Ausparkvorgang bereits abgeschlossen gehabt, so dass er vollständig in der Parkgasse gestanden habe, als der Beklagte zu 2. mit seinem Fahrzeug auf das Fahrzeug des Klägers aufgefahren sei. Der Beklagte zu 2. sei dabei mit einer Geschwindigkeit von mindestens 15 km/h in der Parkgasse mit seinem Fahrzeug gefahren.
Der Kläger beantragt,
1. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger 799,14 EUR zuzüglich 5 Prozentpunkten Zinsen über dem jeweils gültigen Basiszinssatz seit dem 06.03.2010 zu zahlen;
2. die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an den Kläger nicht anrechenbare vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 120,67 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.
Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.
Die Beklagten behaupten, der Beklagte zu 2. sei in der Parkgasse mit angemessener Geschwindigkeit gefahren, als plötzlich der Kläger mit seinem Fahrzeug rückwärts aus der Parklücke, ohne sich offensichtlich über Fahrzeuge in der Parkgasse zu vergewissern, ausgeparkt sei. Der Kläger habe mit seinem Fahrzeug bei Kollision nicht gestanden und habe zu diesem Zeitpunkt seinen Ausparkvorgang noch nicht abgeschlossen gehabt. Der Beklagte habe mit seinem Fahrzeug bei Kollision in der Parkgasse gestanden.
Es wurde Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen … . Desweiteren wurde Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen unfallanalytischen Sachverständigengutachtens durch Herrn Dipl.-Ing. … .
Hinsichtlich der Zeugenvernehmung wird den Inhalt des Sitzungsprotokolls vom 10.11.2010 und hinsichtlich des Inhalts des unfallanalytischen Sachverständigengutachtens auf das schriftliche Sachverständigengutachten vom 27.04.2011 Bezug genommen.
Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die aktengegenständlichen wechselseitig gewechselten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie den Inhalt der Sitzungsprotokolle vom 10.11.2010 und 07.09.2011 sowie den Inhalt der beigezogenen Akte der Staatsanwaltschaft Zwickau, AZ: …, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig, jedoch unbegründet.
1.)
Dem Kläger steht gegen den Beklagten zu 2. kein Anspruch auf Schadenersatz gemäß § 7, 17, 18 StVG hinsichtlich des Unfallereignisses vom … zu.
Wird beim Betrieb eines Kfz eine Sache beschädigt, so ist gemäß § 7 StVG der Halter des Fahrzeugs verpflichtet, dem Verletzten den dadurch entstandenen Schaden zu ersetzen. Gemäß § 18 StVG trifft auch den Fahrzeugführer, hier den Beklagten zu 2., eine Ersatzpflicht hinsichtlich des Schadens, wenn nicht die Ersatzpflicht dadurch ausgeschlossen ist, dass der Schaden nicht durch ein Verschulden des Führers, hier des Beklagten zu 2., verursacht worden ist. Unzweifelhaft entstand am Fahrzeug des Klägers ein Schaden beim Betrieb des Pkw, welcher von dem Beklagten zu 2. zum Unfallzeitpunkt geführt wurde. Ein Ausschluss der Haftung gemäß § 7 Abs. 2 StVG liegt offensichtlich nicht vor, da ein Anzeichen höherer Gewalt nicht erkennbar ist.
Die Haftungsverteilung zwischen den Unfallparteien richtet sich gemäß § 17 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 StVG nach den Umständen des konkreten Einzelfalls, insbesondere danach, inwieweit der Schaden überwiegend von dem einen oder dem anderen Beteiligten verursacht worden ist. In vorliegendem Fall führte diese Abwägung dazu, dass der Beklagte zu 2. als Führer des Pkw der Frau … dem Kläger nicht auf Erstattung von Schäden haftet.
Im Rahmen der durchgeführten Beweisaufnahme steht für das Gericht nachfolgender Sachverhalt fest:
Am … hatte der Kläger sein Fahrzeug auf dem Parkplatz des Berufschulzentrums in der … in Zwickau vorwärts in einer Parklücke, welche sich in einem 90 Grad-Winkel zur Fahrgasse befand, eingeparkt. Als der Kläger sein Fahrzeug ausparken wollte, setzte er zum Ausparken an, wobei nicht geklärt werden kann, inwieweit er sich tatsächlich über die Freiheit der Parkgasse von anderen Fahrzeugen vergewissert hatte. Der Kläger setzte zunächst zum Ausparkvorgang an, hielt jedoch dann kurzfristig ausweislich der Angaben des Zeugen …, dem das Gericht folgt, an. Sodann setzte der Kläger sein Ausparkmanöver fort, wobei er zu diesem Zeitpunkt mindestens mit einer Geschwindigkeit von 5 km/h den weiteren Ausparkvorgang durchführte. Mit einer Geschwindigkeit um ca. 5 km/h kollidierte sodann der Kläger mit dem Fahrzeug, welches von dem Beklagten zu 2. geführt wurde, in der Parkgasse. Der Beklagte zu 2. führte dabei sein Fahrzeug in der Parkgasse mit Schrittgeschwindigkeit.
Vorgenannter Sachverhalt steht für das Gericht aufgrund der durchgeführten Zeugenvernehmung des Herrn … und der Feststellungen des Sachverständigen im eingeholten schriftlichen unfallanalytischen Sachverständigengutachten fest.
Der Zeuge … erklärte in seiner Vernehmung am 10.11.2010 für das Gericht glaubhaft, dass der Beklagte zu 2. mit dem Fahrzeug, das er führte, in der Parkgasse auf dem Parkplatz mit ca. Schrittgeschwindigkeit langsam fuhr. Dann setzte der Kläger rechterhand zu einem Rückwärtsausparkvorgang an, so dass der Beklagte zu 2. sein Fahrzeug zunächst anhielt. Da sodann auch der Kläger sein Fahrzeug angehalten habe, habe der Beklagte zu 2. seine Fahrt wieder aufgenommen, weiterhin mit Schrittgeschwindigkeit, und sei dann folgend mit dem den Ausparkvorgang fortsetzenden Pkw, der vom Kläger geführt wurde, kollidiert. Zur Kollision sei es gekommen noch beim Zurücksetzen des Klägerfahrzeugs. Der Kläger habe seinen Ausparkvorgang noch nicht ganz beendet gehabt, als es zur Kollision kam.
Der Sachverständige führte zu dem Sachverhalt glaubhaft und nachvollziehbar aus, dass der Unfallhergang, so wie er vom Kläger beschrieben worden ist, mit den Unfallschäden nicht in Übereinstimmung zu bringen sei. Es sei festzustellen, dass das Klägerfahrzeug nicht wie der Kläger behauptet gestanden habe, sondern vielmehr zumindest mit einer Eigengeschwindigkeit um die 5 km/h mit dem Beklagtenfahrzeug kollidiert sei. Der Ausparkvorgang habe zu diesem Zeitpunkt noch nicht vollständig beendet sein können. Das Beklagtenfahrzeug hätte hingegen gestanden oder aber in der Parkgasse gefahren sein können. Die von der Klägerseite behauptete Ausgangsgeschwindigkeit des Beklagtenfahrzeugs von mindestens 15 km/h könne nicht nachgewiesen werden.
Dem folgend ist festzustellen, dass der Unfallverlauf wie vom Kläger behauptet, insbesondere die Behauptung, er habe beim Unfallereignis bereits vollkommen ausgeparkt in der Parkgasse gestanden, nicht stimmt. Insofern hat der Kläger offensichtlich wahrheitswidrig vorgetragen. Dahingehend lässt sich der Vortrag des Beklagten zu 2. mit den Angaben des vernommenen Zeugen … und den Feststellungen des Sachverständigen in Übereinstimmung bringen.
Bei Bewertung der jeweiligen Verursachungsbeiträge der Parteien ist somit festzustellen, dass der Kläger einen vehementen Verstoß gegen § 9 Abs. 5 StVO begangen hat. Gemäß § 9 Abs. 5 StVO muss ein Fahrzeugführer beim Rückwärtsfahren sich so verhalten, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist. Dies setzt vorliegend insbesondere bei den winterlich glatten Verkehrsverhältnissen voraus, dass man sich sehr gewissenhaft über den Verkehr in der Parkgasse, in welche man ausparken will, vergewissert und seine Ausparkgeschwindigkeit den Straßenverhältnissen und den Sichtverhältnissen anpasst. In jedem Fall ist eine Ausparkgeschwindigkeit von um die 5 km/h als zu hoch zu bewerten für die zum damaligen Zeitpunkt herrschenden winterlichen Verhältnisse. Es besteht insofern hinsichtlich des Verstoßes gegen § 9 Abs. 5 StVO ein grober Fahrfehler des Klägers. Das Gericht kann aufgrund der bereits festgestellten wahrheitswidrigen Angaben des Klägers dem Kläger auch nicht dahingehend folgen, dass er sich tatsächlich über die Freiheit der Parkgasse vor seinem Ausparkvorgang vergewissert hat. Vielmehr spricht der gesamte Unfallverlauf dafür, dass der Kläger sich eben nicht über andere Fahrzeuge in der Parkgasse vergewissert hat, sondern vielmehr in den von ihm nicht eingesehenen Parkgassenbereich schwungvoll ausgeparkt ist. Hierbei nahm er nach Auffassung des Gerichts billigend in Kauf, dass er andere Fahrzeuge ggf. gefährdete, was sich infolge auch durch Eintritt der Kollision bestätigte.
Ein Verursachungsbeitrag des Führers des Beklagtenfahrzeugs, hier des Beklagten zu 2., ist nicht feststellbar. Ausweislich des Zeugen … ist der Beklagte zu 2. mit langsamer Schrittgeschwindigkeit in der Parkgasse gefahren. Verursachungsbeiträge des Beklagten zu 2. konnten seitens des Sachverständigen nicht bestätigt bzw. festgestellt werden. Dahingehend erklärte der Sachverständige, nach Auffassung des Gerichts auch nachvollziehbar, dass das Verkehrsunfallereignis für den Kläger vermeidbar war.
Unter Berücksichtigung der jeweiligen Verursachungsbeiträge ist somit festzustellen, dass hinsichtlich des groben Verstoßes gegen die Verkehrsregeln seitens des Klägers davon auszugehen ist, dass ein so großer Mitverursachungsbeitrag des Klägers bei dem Unfallereignis vorliegt, dass dahinter jegliche Haftung des Beklagten zu 2. auch aus der Betriebsgefahr des von ihm geführten Fahrzeugs zurücksteht. Insofern ist eine Haftung bzw. Schadenersatzpflicht des Beklagten zu 2. nicht feststellbar.
Nach dem zuvor gesagten war daher die Klage abzuweisen.
2.)
Mangels Hauptanspruchs steht dem Kläger folglich auch kein Anspruch gegen den Beklagten zu 2. auf Ersatz seiner außergerichtlichen Rechtsverfolgungskosten bzw. eines Zinsanspruchs zu.
3.)
Dem Kläger steht auch kein Anspruch gegen die Beklagte zu 1. gemäß §§ 115 VVG, 3 Pflicht-VersG, § 7 StVG zur Seite.
Wie bereits unter Ziffer 1.) festgestellt wurde, hat der Kläger gegen den Halter bzw. den Führer des Beklagtenfahrzeugs keinen Rechtsanspruch auf Zahlung von Ersatzleistungen gemäß § 7 StVG. Haftung nach § 7 StVG wäre Voraussetzung für einen Direktanspruch des Klägers gegen den Versicherer des Beklagtenfahrzeugs gemäß § 115 WG. Insofern war auch diesbezüglich die Klage abzuweisen.
4.)
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 ZPO, da die Klagepartei vollumfänglich unterlegen ist.
5.)
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.