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Verkehrsunfall – Erstattung von fakultativen Beilackierungskosten bei fiktiver Schadensabrechnung

AG Tuttlingen, Az.: 3 C 582/14, Urteil vom 23.01.2015

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 426,22 € festgesetzt.

Gründe

(abgekürzt nach § 313a Abs. 1 ZPO)

Verkehrsunfall - Erstattung von fakultativen Beilackierungskosten bei fiktiver Schadensabrechnung
Symbolfoto: Von Dmitry Kalinovsky /Shutterstock.com

Gemäß § 495a ZPO bestimmt das Gericht das Verfahren nach billigem Ermessen. Innerhalb dieses Entscheidungsrahmens berücksichtigt das Gericht grundsätzlich den gesamten Akteninhalt.

I. Die zulässige Klage ist unbegründet.

Die Klägerin hat gegen die Beklagten keinen Anspruch auf Zahlung von restlichen 426,22 EUR aus §§ 7Abs. 1,17 StVG, 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG, 249 Abs. 1 BGB.

1. Die grundsätzliche Haftung der Beklagten als Halter und Versicherer des auf Beklagtenseite beteiligten Fahrzeugs ergibt sich aus §§ 7Abs. 1,17 StVG, 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG, 249 Abs. 1 BGB. Unstreitig ist der Unfallhergang und die Schadensverantwortlichkeit zwischen den Parteien. Die Beklagten haften zu 100 Prozent.

Die Klägerin wählte den Weg der fiktiven Abrechnung. Auf die von Klägerseite benannte Schadenshöhe in Höhe von 2.940,20 EUR bezahlte die Beklagte zu 2) einen Betrag in Höhe von 2.513,98 EUR. Eingeklagt wurde nunmehr die Differenz in Höhe von 426,22 EUR. Dieser Betrag ergibt sich aus den Positionen der Beilackierung der Tür vorne links (vgl. Gutachten BI. 28 d.A.):

Ersatzteile 69,25 EUR, Arbeitslohn 13 Arbeitswerte 119,60 EUR, Lackierung 19 Arbeitswerte 235,98 EUR, Kleinteile (2% von 69,25 EUR) 1,39 EUR.

2. Der Klägerin steht kein Schadensersatzanspruch auf Erstattung dieser fiktiven Reparaturkosten für die Beilackierung der Türe zu. Gemäß § 249 Absatz 1 BGB hat der Schädiger den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre. Ist wegen der Beschädigung einer Sache Schadensersatz zu leisten, so kann der Geschädigte gemäß § 249 Absatz 2 Satz 2 BGB statt der Herstellung den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen. Lässt der Geschädigte sein Fahrzeug reparieren, hat er das in § 249 Absatz 2 Satz 1 BGB verankerte Wirtschaftlichkeitspostulat zu beachten. Danach muss er, den Schaden auf diejenige Weise beheben, die sich in seiner individuellen Lage als die wirtschaftlich vernünftigste darstellt, um sein Vermögen in Bezug auf den beschädigten Bestandteil in einen dem früheren gleichwertigen Zustand zu versetzen (vgl. BGHZ 115, BGHZ Band 115 Seite 375, BGHZ Band 115 378 BGHZ 171, BGHZ Band 171 Seite 287, BGHZ Band 171 289f.; BGHZ 181, BGHZ Band 181 Seite 242, BGHZ Band 181 246f.). Nur der für diese Art der Schadensbehebung nötige Geldbetrag ist im Sinne des § 249 Absatz 2 Satz 1 BGB zur Herstellung erforderlich.

Richtig ist, dass der Sachverständige hinsichtlich der Kosten für die Einlackierung des Türschwellers ausgeführt hat, dass die „Beilackierung zwingend erforderlich“ sei, weil der Farbton am Fahrzeug nach Rücksprache mit dem Lackierfachbetrieb abweichen „kann“, dies aber erst im Zuge der Reparatur festgestellt werden könne (vgl. Sachverständigengutachten BI. 37 d.A.).

Der Grundsatz der Auswahl der wirtschaftlich vernünftigsten Reparaturlösung ist jedoch nicht zu verwechseln mit dem vorgelagerten Erfordernis, dass die einzelne Reparaturmaßnahme überhaupt zur Schadensbehebung erforderlich ist. Der Geschädigte kann eine Beilackierung nur beanspruchen, wenn sie auch tatsächlich notwendig ist. Dies ist zwar letztlich eine Sachverständigenfrage. Für den Nachweis der Notwendigkeit der Einlackierung des Türschwellers ist jedoch die insoweit darlegungs- und beweisbelastete Klägerin gleichwohl beweisfällig geblieben. Denn der Sachverständige hat im Ergebnis ausgeführt, dass die Beilackierung nur erforderlich ist, wenn sich im Zuge der Reparatur herausstellen sollte, dass der Farbton tatsächlich abweicht. Dass er tatsächlich abweichen wird, hat der Sachverständige gerade nicht festgestellt. Vielmehr stellte er fest, dass es zu Abweichungen kommen kann. Und nur, wenn dies der Fall sein sollte, müsste die Tür vorne links lackiert werden. Dies ist jedoch vor der Durchführung der Reparatur offensichtlich nicht feststellbar. Die Beklagten haben insoweit für nachvollziehbar dargelegt, dass die Frage, ob eine Beilackierung erforderlich ist, erst beurteilt werden kann, wenn die zu reparierende Teile der Tür Instand gesetzt und lackiert wurden. Denn erst dann wird sichtbar, ob sich ein farbliche Unterschied zu der ursprünglichen Lackierung ergibt. Dass vorliegend letztlich nicht geklärt ist, ob eine Beilackierung tatsächlich erforderlich ist, da die Klägerin nur fiktiv abrechnet, geht zu Lasten der Klägerin, die sich für diese Abrechnungsart entschieden hat und die Darlegungsund Beweislast für die Schadenshöhe trägt (vgl. LG Berlin, Urteil vom 23. August 2012 – 44 0 262/11; LG Aachen, Urteil vom 24.08.2012 – 6 S 60/12; LG Essen, Urteil vom 13.08.2014 – 10 S 234/14).

Auch die durch die Beklagten vorgenommene Kürzung des Betrages hinsichtlich der Kleinersatzteile in Höhe von 1,39 EUR begegnet keinen Bedenken. Das Gericht kann hier den Schaden gem. § 287 ZPO schätzen, da angesetzten Beträge für Kleinersatzteile stets – so auch hier – auch durch den Sachverständigen nur prozentual anhand der ermittelten Kosten für die sonstigen Ersatzteile geschätzt werden. Aus einer Vielzahl anderer Sachverständigengutachten, die dem Gericht täglich in den verschiedenen Verfahren begegnen, ist erkennbar, dass für Kleinersatzteile regelmäßig 2 Prozent von der Kosten der sonstigen Ersatzteile angesetzt werden (LG Berlin, Urteil vom 23. August 2012 – 44 0 262/11).

3. Da ein Anspruch der Klägerin in der Hauptsache nicht gegeben ist, besteht auch kein Anspruch auf Ersatz der insoweit angefallenen vorgerichtlichen Anwaltkosten.

II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91ZPO.

III. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in den §§ 708Nr. 11, 713 ZPO.

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