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Mietwagenkostenersatz bei gewerblich genutztem Fahrzeug

LG Gera, Az.: 1 S 284/11, Urteil vom 11.04.2013

1.

Das Versäumnisurteil der Kammer vom 05.12.2012 (Az. 1 S 284/11) wird insoweit aufgehoben, als dass auf die Berufung des Beklagten das Urteil des Amtsgerichts Stadtroda vom 14.06.2011 (Az. 5 C 221/10) abgeändert und wie folgt neu gefasst wird:

Das Versäumnisurteil des Amtsgerichts Stadtroda vom 05.08.2010 wird mit der Maßgabe aufrechterhalten, dass der Beklagte verurteilt wird, an die Klägerin 673,24 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 24.08.2009 zu zahlen. Im Übrigen wird das Versäumnisurteil aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Im Übrigen wird das Versäumnisurteil der Kammer vom 05.12.2012 (Az. 1 S 284/11) aufrechterhalten.

2.

Mietwagenkostenersatz bei gewerblich genutztem Fahrzeug
Symbolfoto: Mario Lopes/Bigstock

Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen haben die Klägerin zu 35 % und der Beklagte zu 65 % zu tragen, mit Ausnahme der Kosten, die durch die Säumnisse des Beklagten in erster und in zweiter Instanz bewirkt wurden; diese hat der Beklagte zu tragen.

Die Kosten der Nebenintervention haben, mit Ausnahme der Kosten die durch die Säumnis des Beklagten in erster und in zweiter Instanz bewirkt wurden und von diesem zu tragen sind, der Beklagte zu 65 % und im Übrigen die Streithelferin selbst zu tragen.

3.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO abgesehen.

II.

Infolge des form- und fristgerechten Einspruchs der Beklagten gegen das Versäumnisurteil der Kammer vom 05.12.2012 wurde das Verfahren in die Lage vor der Säumnis zurückversetzt (§§ 539 Abs. 3, 342 ZPO).

Die Berufung ist zulässig und teilweise begründet.

Die zulässige Klage ist zum Teil begründet. Die Kläger hat einen Anspruch auf Zahlung von 673,24 €.

Die Klägerin mietete ein Ersatzfahrzeug an, um den Ausfall eines gewerblichen Fahrzeuges auszugleichen. Zunächst ist die Einstandspflicht des Beklagten aus dem streitgegenständlichen Unfallgeschehen zu einer Quote von 100 % unstreitig. Dem Grunde nach besteht daher Anspruch auf Schadensersatz gemäß §§ 7, 17 StVG, 823, 249 BGB.

Die Erforderlichkeit der Inanspruchnahme eines Mietwagens scheitert vorliegend nicht an § 251 Abs. 2 BGB. Die Kammer nimmt auf die zutreffenden Ausführungen des Amtsgerichts insoweit Bezug.

Nach ständiger Rechtsprechung des BGH gehören Mietwagenkosten regelmäßig zu den Kosten der Schadensbehebung im Sinne des § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB. Allerdings hat der Schädiger Mietwagenkosten nicht unbegrenzt zu ersetzen. So ist der Anspruch auf Schadensersatz bei Beschädigung eines gewerblich genutzten Fahrzeugs – wie hier – durch § 251 Abs. 2 BGB begrenzt.

Maßgebend ist der Vergleich der Lage des Unternehmens mit und ohne Anmietung des Ersatzfahrzeuges. Mit dem BGH geht auch die Kammer davon aus, dass die Grenze des § 251 Abs. 2 BGB nicht schon dann überschritten ist, wenn die Mietwagenkosten den drohenden Ausfall übersteigen. Ein unverhältnismäßiger Aufwand liegt erst dann vor, wenn die Anmietung eines Ersatzfahrzeuges für einen wirtschaftlich denkenden Geschädigten aus der maßgeblichen vorausschauenden Sicht unternehmerisch geradezu unvertretbar ist, was nur ausnahmsweise der Fall sein wird (vergleiche BGH Urteil vom 04.12.1984, Az. VI ZR 225/82; BGH Urteil vom 19.10.1993 Az. VI ZR 20/93, LG Saarbrücken Urteil vom 05.04.2012, Az 13 S 15/12, OLG Bamberg Urteil vom 03.05.2011, Az. 5 U 144/11 jeweils mwN). Vorliegend kommt es aber auf eine Gegenüberstellung der um den Umsatzsteueranteil und der ersparten Aufwendungen gekürzten Mietwagenkosten mit dem Gewinn, den die Klägerin durch den Einsatz des Mietfahrzeuges tatsächlich erwirtschaftet hat, nicht allein und vordergründig an. Denn selbst unterstellt, die Mietwagenkosten würden den drohenden Ausfall nicht unerheblich übersteigen, sind die daneben zu berücksichtigenden schutzwürdigen Belange der Klägerin maßgebend. Denn vorliegend geht es nicht nur um den in der Mietzeit erwirtschafteten Gewinn. Denn die Klägerin hat vorgetragen, dass das Mietfahrzeug zur Erfüllung laufender Verträge benötigt wurde. Daher geht es nicht nur darum, was während der Anmietzeit an Verlust drohte. Vielmehr war die Unternehmerin daran interessiert, ihre Verträge zu erfüllen und vor allem deren Bestand nicht wegen nicht erbrachter Leistungen zu riskieren. Insofern nimmt die Kammer aus den überzeugenden Argumenten des Amtsgerichts eine Verletzung der Verhältnis des § 251 Abs. 2 BGB nicht an, ohne dass es im hier konkreten Einzelfall auf die ansonsten erforderlichen Darlegungen des erwirtschafteten Gewinns während der Mietzeit ankommt. Die Inanspruchnahme eines Ersatzfahrzeuges war daher dem Grunde nach zunächst erforderlich.

Allerdings ist der geltend gemachte Mietpreis nicht aus betriebswirtschaftlicher Rechtfertigung heraus begründet.

Ein Anspruch besteht nur in Höhe des Normaltarifs. Die Klägerin hat zunächst hinreichend zu unfallbedingten Mehraufwendungen vorgetragen. Der Vortrag rechtfertigt es grundsätzlich, im Rahmen der Schätzung nach § 287 ZPO einen Aufschlag von 20 % anzunehmen. Vorliegend ist dieser aber wegen Verletzung der bestehenden Schadensminderungsobliegenheit (§ 254 BGB) nicht zu gewähren. Denn bei der Klägerin handelt es sich um ein Unternehmen. Es ist im Rahmen der tatsächlichen Vermutung zu unterstellen, dass die Klägerin als am Markt tätiges Unternehmen in der Lage gewesen ist, in Vorleistung zu gehen oder eine Sicherheit zu erbringen, so dass ihr der Normaltarif zugänglich gewesen ist. Insoweit sind Tatsachen, die dagegen sprechen, nicht ersichtlich.

Laut Rechnung beträgt der Nettoanmietpreis 97,50 €. Bei der Ermittlung des Normaltarifs ist die Kammer an die tatrichterliche Ermessenausübung gebunden (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). Diese ist nicht zu beanstanden, Das Amtsgericht hat sich mit den Darlegungen beider Parteien für und gegen den Schwacke- Mietpreisspiegel einerseits und die Erhebungen des Fraunhofer IAO andererseits auseinandergesetzt. Das Amtsgericht hat die tragenden Erwägungen seiner Ermessensausübung in den Entscheidungsgründen ausführlich und plausibel dargelegt. Es bestehen mithin keine erkennbaren Widersprüche oder Unvollständigkeiten. Insoweit dringt die Berufung des Beklagten nicht durch. Nicht erforderlich ist, dass das Amtsgericht als Tatrichter zu jedem einzelnen Fakt der vorgetragenen Rechtsansichten der Parteien zur Tauglichkeit einer Schätzungsgrundlage in den Entscheidungsgründen ausführt und sich dazu positioniert. Maßgebend ist, dass die Ermessensausübung als solche nachvollziehbar ist und die tragenden Erwägungen in den Entscheidungsgründen Niederschlag gefunden haben.

Danach ist der Normaltarif nach dem Schwacke- Mietpreisspiegel 2009, Postleitzahlengebiet 077, Gruppe 4 zu schätzen. Im Rahmen der vergleichenden Betrachtung ist auf den Ort und die Zeit der Anmietung abzustellen. Mangels anderweitigen Vortrages hat die Kammer davon auszugehen, dass die Klägerin nicht beabsichtigte, lediglich für 1 Tag anzumieten, so dass zumindest der sogenannte 3-Tages-Tarif zugrunde zu legen ist. Der Nettonormaltarif beträgt 75,63 € (270 €: 3 Tage abzgl. Mehrwertsteuer). Der Anmietpreis übersteigt diesen um gut 22 € pro Tag.

Ebenso wenig ist der in Anspruch genommene Mietpreis aus subjektbezogenen Gründen gerechtfertigt. Die Klägerin meint, aufgrund der Notwendigkeit des Fahrzeuges zur Ausübung ihrer gewerblichen Tätigkeit dringend darauf angewiesen gewesen zu sein, so dass von einer Not- und Eilsituation auszugehen wäre. An dem ist nicht. Der Unfall ereignete sich kurz nach 17:00 Uhr. Die Notwendigkeit des Fahrzeuges zur Ausübung des gewerblichen Betriebes rechtfertigt einen allgemeinen Fahrbedarf, aber nicht eine Notsituation. Es ist nicht ersichtlich, weshalb es der Klägerin nicht möglich gewesen sein, soll Vergleichsangebote einzuholen, zumal sie selbst behauptet, bei der Firma Avis angerufen und sich erkundigt zu haben. Demgemäß war die Klägerin gehalten, 2-3 Vergleichsangebote einzuholen. Nach eigenem Vortrag hat sie lediglich bei der Firma Avis angerufen und einen Nettopreis von 121 € mitgeteilt bekommen. Hierin ist keine ausreichende Erkundigung zu sehen. Die Klägerin hätte sich zumindest bei einer weiteren Mietwagenfirma erkundigen müssen.

Hinsichtlich der geltend gemachten Nebenkosten streiten die Parteien darüber, ob die Kosten für einen Zweitfahrer zu erstatten sind. Die Kosten für einen Zweitfahrer sind nur dann zu erstatten, wenn auch zwei Fahrer das Mietfahrzeug benutzen sollten. Dem eigenen Klägervortrag aber nach hat die Klägerin, eine GmbH & Co. KG, den Mietvertrag abgeschlossen und ihren Arbeitnehmer F., nicht aber einen weiteren Mitarbeiter als Fahrer aufgenommen. Die Zustellungs- bzw. Abholungskosten sind unstreitig. Insoweit ist aber auf den Tabellenwert zurückzugreifen, da diese Kosten nach dem Klägervortrag in dem berechneten Tarif enthalten sein sollen, ein Betrag aber nicht angegeben wird.

Nach alledem ergibt sich folgende konkrete Berechnung, wobei nunmehr entsprechend der gängigen Praxis auf die tatsächliche Mietdauer abzustellen ist:

nach Schwacke- Mietpreisspiegel 2009, Postleitzahlengebiet 077, Mietwagengruppe 4, 16 Tage Mietdauer:

Wochen-Tarif im Modus 425 €: 7 Tage x 16 Tage (1131,43 €) abzüglich 19 % MwSt. 950,78 €

Haftungsbefreiung im Modus 154,00 €: 7 Tage x 16 Tage abzüglich MwSt. 295,80 €

Zustellung/Abholung 2x 23 € abzüglich 19 % MwSt. 38,66 €

Kosten insgesamt 1.285,24 €

abzüglich vorgerichtlicher Zahlung 612,00 €

restlicher Anspruch 673,24 €.

Aus der begründeten Hauptforderung sind Verzugszinsen gemäß §§ 286, 288 BGB wie geltend gemacht begründet.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92 Abs. 1, 101, 344 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit richtet sich nach §§ 708 Nummer 10, 711, 713 ZPO in Verbindung mit § 26 Nummer 8 EGZPO.

Die Revision ist nicht gemäß § 543 Abs. 2 ZPO zuzulassen. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des Revisionsgerichts.

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