Skip to content
Menü

Verkehrsunfall – Beauftragung eines Sachverständigengutachtens

Reparaturkosten: Wer trägt das Risiko bei unsachgemäßer Arbeit?

In einem kürzlich gefällten Urteil des Amtsgerichts Köln (Az.: 261 C 175/21) wurde eine wichtige Frage im Hinblick auf das Thema Reparaturkosten und Werkstattrisiko geklärt. Der Fall drehte sich um die Verpflichtung einer Beklagten, der Klägerin Reparaturkosten in einer bestimmten Höhe zu erstatten. Besonderes Augenmerk lag dabei auf der Frage, wer das Risiko trägt, wenn eine Reparatur unsachgemäß ausgeführt wurde.

Direkt zum Urteil Az: 261 C 175/21 springen.

Die Verantwortung für unsachgemäße Reparaturen

Das Gericht stellte klar, dass der Schädiger das Werkstattrisiko trägt. Dieses Risiko umfasst zusätzliche Kosten, die durch eine möglicherweise unsachgemäße Durchführung der Reparaturarbeiten entstehen könnten. Der Grundgedanke dahinter ist, dass der Schädiger die Verantwortung für die Behebung des von ihm verursachten Schadens trägt. Dies schließt auch die Risiken und möglichen zusätzlichen Kosten ein, die mit der Behebung des Schadens verbunden sein könnten.

Die Rolle des Geschädigten bei der Schadensbehebung

Interessant in diesem Kontext ist die Position des Geschädigten. Wenn der Geschädigte selbst die Schadensbehebung in die Hand nimmt, muss der zur Wiederherstellung erforderliche Aufwand berücksichtigt werden. Dieser Aufwand wird nicht nur durch die Art und das Ausmaß des Schadens bestimmt, sondern auch durch die Fähigkeiten und Möglichkeiten des Geschädigten. Der Geschädigte muss den Schaden auf die Weise beheben, die in seiner spezifischen Situation als die wirtschaftlich vernünftigste erscheint.

Der Grundsatz der Naturalrestitution

Eine zentrale Rolle im Urteil spielte der Grundsatz der Naturalrestitution. Dieser Grundsatz besagt, dass der Schädiger grundsätzlich dazu verpflichtet ist, den ursprünglichen Zustand wiederherzustellen. Würde der Schädiger die Reparatur selbst durchführen, wäre er ebenfalls dem Werkstattrisiko ausgesetzt. Dies gilt unabhängig davon, ob die Werkstatt unnötige Arbeiten in Rechnung stellt oder überhöhte Preise oder Arbeitszeiten ansetzt.

Fazit: Wer trägt das Risiko?

Insgesamt macht das Urteil deutlich, dass das Risiko für unsachgemäße oder übermäßige Reparaturarbeiten beim Schädiger liegt. Es besteht kein Grund, dem Schädiger das Risiko für ein solches Verhalten abzunehmen. Dies unterstreicht die Verantwortung des Schädigers für die Behebung des von ihm verursachten Schadens.


Das vorliegende Urteil

AG Köln – Az.: 261 C 175/21 – Urteil vom 24.11.2021

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin EUR 332,80 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 21.9.2021 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

– ohne Tatbestand gemäß §§ 313a, 495a ZPO –

Entscheidungsgründe

Die Klage ist begründet.

Die Klägerin hat gemäß §§ 7, 17 StVG, 115 VVG einen Anspruch auf Ersatz der weiteren Reparaturkosten in Höhe von EUR 332,80.

Bei den der Klägerin in Rechnung gestellten Reparaturkosten handelt es sich um den erforderlichen Aufwand zur Beseitigung des Schadens. Die durch eine ggfs. unsachgemäße Vornahme der Reparaturarbeiten entstandenen Mehraufwendungen fallen unter das sogenannte Werkstattrisiko, das nicht der Geschädigte, sondern der Schädiger zu tragen hat (LG Saarbrücken, Urteil vom 23.1.2015, Az: 13 S 199/14).

Verkehrsunfall - Beauftragung eines Sachverständigengutachtens
(Symbolfoto: orathaimukky/123RF.COM)

Nimmt der Geschädigte die Schadensbehebung selbst in die Hand, so ist der zur Wiederherstellung erforderliche Aufwand im Sinne des § 249 Abs. 2 S. 1 BGB nach der besonderen Situation zu bemessen, in welcher sich der Geschädigte befindet. Der erforderliche Herstellungsaufwand wird nicht nur durch Art und Ausmaß des Schadens, sondern auch von den Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten des Geschädigten mitbestimmt; es ist zu beachten, dass er von der Beurteilung von Fachleuten abhängig ist, die er zur Instandsetzung des Unfallfahrzeugs heranziehen muss (vgl. LG Köln, Urteil vom 7.5.2014, Az: 9 S 314/13). Hieraus ergibt sich, dass der Geschädigte nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot den Schaden auf diejenige Weise beheben muss, die sich in seiner individuellen Lage, d. h. angesichts seiner Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten sowie unter Berücksichtigung etwaiger gerade für ihn bestehender Schwierigkeiten als die wirtschaftlich vernünftigste darstellt, um sein Vermögen in Bezug auf den beschädigten Bestandteil in einen dem früheren gleichwertigen Zustand zu versetzen (sog. subjektbezogene Schadensbetrachtung, LG Köln, a.a.O., BGH, Urteil vom 15.10.2013, VI ZR 471/12). Dabei ist die Restitution nicht auf die kostengünstigste Wiederherstellung der beschädigten Sache beschränkt; der Geschädigte muss nicht zugunsten des Schädigers sparen (BGH, a.a.O.).

Da der Schädiger gemäß § 249 Abs. 1 BGB grundsätzlich zur Naturalrestitution verpflichtet ist und § 249 Abs. 2 S. 1 BGB dem Geschädigten lediglich eine Ersetzungsbefugnis zuerkennt, vollzieht sich die Reparatur in der Verantwortungssphäre des Schädigers. Würde der Schädiger die Naturalrestitution gemäß § 249 Abs. 1 BGB selbst vornehmen, so träfe ihn gleichfalls das Werkstattrisiko (Amtsgericht Düsseldorf, Urteil vom 21.11.2014, Az: 37 C 11789/11). Dies gilt sowohl dann, wenn die Werkstatt dem Geschädigten unnötige Arbeiten in Rechnung stellt, als auch, wenn überhöhte Preise oder Arbeitszeiten in Ansatz gebracht oder Arbeiten berechnet werden, die in dieser Weise nicht ausgeführt wurden. Es besteht kein Grund, dem Schädiger das Risiko für ein solches Verhalten abzunehmen (AG Villingen-Schwenningen, Urteil vom 15.1.2015, Az: 11 C 507/14).

Hierbei ist auch zu beachten, dass die Reparaturwerkstatt nicht Erfüllungsgehilfe des Geschädigten i.S.d. § 278 BGB ist.

Hier sind sämtliche in Rechnung gestellten Kosten zu ersetzen. Indem die Klägerin die Reparatur auf Basis der gutachterlichen Prognose beauftragte, tat sie das, was angesichts ihrer Erkenntnismöglichkeiten wirtschaftlich vernünftig war. Denn ein Geschädigter darf sich auf die Feststellungen eines Sachverständigen verlassen, wenn er eine Reparatur beauftragt. Eine eventuelle Fehlbeurteilung der Erforderlichkeit der Reparatur durch den Sachverständigen geht nicht zu Lasten des Geschädigten, vielmehr liegt ein Fall des sogenannten im Verantwortungsbereich des Schädigers liegenden Prognoserisikos vor (LG Köln, a.a.O.). Wie die Klägerin hätte wissen sollen, ob die hier streitigen Positionen ggf. nicht erforderlich sein sollten erschließt sich nicht und ist auch nicht dargelegt. Eine Erklärung, wie die Klägerin derartige Kenntnisse bei Beauftragung der Werkstatt hätte haben sollen bleibt auch die Beklagte schuldig.

Es ist dabei zu beachten, dass auf die individuellen Erkenntnismöglichkeiten der Klägerin abzustellen ist. Es ist nicht ersichtlich, dass sie als Laiin in der Lage war, zu beurteilen, ob die genannten Kosten notwendig waren. Vielmehr dürfte es für einen Laien nicht möglich sein, eine Rechnung über eine Kfz-Reparatur und die Ersatzteile und den Arbeitsweg auch nur im Ansatz zu beurteilen. Dies unterscheidet eine solche Rechnung von der eines Sachverständigen, der lediglich die Erstellung des Gutachtens berechnet. Hieran ändert auch der Umstand, dass nicht vorgetragen ist, ob die Klägerin die Rechnung bereits bezahlt hat, nichts. Sie ist dennoch den Ansprüchen der Reparaturwerkstatt ausgesetzt; es ist für sie als Laiin nicht möglich, abzuschätzen, inwieweit sie eine Bezahlung berechtigt verweigern könnte.

Stellt man auf die individuellen Erkenntnismöglichkeiten der Klägerin ab, so ist nicht ersichtlich, dass sie als Laiin in der Lage war, zu beurteilen, ob die Seitenscheibe nach sorgfältiger Reparatur wieder hätte verwendet werden können. Hieran ändert auch der Umstand, dass sich diese nicht in der Kalkulation des Sachverständigen findet, nichts. Denn das Werkstattrisiko besagt ja gerade, dass ein Geschädigter nicht das Risiko dafür trägt, dass die Werkstatt, soweit kein Auswahlverschulden vorliegt, unsachgemäß vorgeht, s.o. Da die hier beauftragte Werkstatt aus nicht bekannten Gründen einen Austausch der Seitenscheibe vornahm, auch wenn dies ggfs. nicht zwingend durchzuführen war, so sind die Kosten aus der subjektiven Sicht des Geschädigten dennoch als erforderlich anzusehen.

Die Erforderlichkeit der einzelnen Positionen kann der Geschädigte nicht beurteilen, da er über keine Fachkenntnisse verfügt; vielmehr muss er sich auf die Sachkunde der Werkstatt und des Gutachters verlassen. Es ist bei der Beauftragung einer Reparaturwerkstatt zu beachten, dass den Kenntnis- und Einflussmöglichkeiten des Geschädigten bei der Schadensregulierung regelmäßig Grenzen gesetzt sind, sobald er den Reparaturauftrag erteilt und das Fahrzeug in die Hände von Fachleuten gibt (LG Köln, a.a.O.).

Hinsichtlich der Reinigung ist zu beachten, dass diese bei Reparaturarbeiten nach der Instandsetzung immer erforderlich sein kann, um Lackunterschiede zwischen einem reparierten Teil und den anderen Fahrzeugteilen kontrollieren und abschätzen zu können. Ob dies hier tatsächlich der Fall war kann dahinstehen, da es nur auf die Sicht des Geschädigten ankommt. Auch ist die Position bereits im Gutachten enthalten; für die Klägerin bestanden keine Anhaltspunkte, an deren Erforderlichkeit zu zweifeln.

Entsprechendes gilt für die Probefahrt, die ebenfalls vom Gutachter als erforderlich angesehen wurde. Wie die Klägerin hätte wissen sollen, bei welchen Arbeiten Probefahrten durchgeführt werden müssen und bei welchen nicht erschließt sich nicht. Dies hat auch die Beklagte nicht erklären können.

Die von der Beklagten zitierte Entscheidung des OLG Köln führt nicht zu einer anderen Beurteilung, da diese die Mit-Reparatur von teilweise bereits vorhandenen Vorschäden betraf. Um einen derartigen Fall handelt es sich hier aber nicht. Dementsprechend ist auch das Bestreiten der Unfallbedingtheit der Reparaturmaßnahmen unbeachtlich, da nicht einmal behauptet ist, dass Vorschäden mit diesen Maßnahmen in Zusammenhang stünden.

Ferner ist zu beachten, dass es alleine auf die ex-ante Sicht ankommt und der Geschädigte sich nicht auf einen Rechtsstreit mit einer Werkstatt einlassen muss, ob bestimmte Positionen berechnet werden konnten oder nicht. Dem Schädiger entsteht dadurch auch kein Nachteil, da er nach den Grundsätzen der Vorteilsanrechnung die Abtretung der Ansprüche des Geschädigten gegen die Werkstatt verlangen kann (BGHZ 63, 182, 187; BGH, Urteil vom 29.10.1974, Az: VI ZR 42/73). Dementsprechend hat die Klägerin bereits eine Abtretung eines etwaigen Bereicherungs- oder Schadensersatzanspruchs wegen der beiden hier betroffenen Reparaturmaßnahmen in ihrem Antrag berücksichtigt.

Anhaltspunkte für ein Auswahlverschulden der Klägerin hinsichtlich der beauftragten Werkstatt sind nicht ersichtlich.

Der Anspruch auf die zugesprochenen Zinsen ergibt sich aus §§ 288, 291 BGB.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 11, 713 ZPO.

Eine Berufung war nicht zuzulassen, da die Sache weder grundsätzliche Bedeutung hat, noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert.

Streitwert: EUR 332,80

Hinweis: Informationen in unserem Internetangebot dienen lediglich Informationszwecken. Sie stellen keine Rechtsberatung dar und können eine individuelle rechtliche Beratung auch nicht ersetzen, welche die Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalles berücksichtigt. Ebenso kann sich die aktuelle Rechtslage durch aktuelle Urteile und Gesetze zwischenzeitlich geändert haben. Benötigen Sie eine rechtssichere Auskunft oder eine persönliche Rechtsberatung, kontaktieren Sie uns bitte.

Unsere Hilfe im Verkehrsrecht und Versicherungsrecht

Wir sind Ihr Ansprechpartner in Sachen Verkehrsrecht, Versicherungsrecht und der Regulierung von Verkehrsunfällen.

Rechtsanwälte Kotz - Kreuztal

Urteile aus dem Verkehrsrecht und Versicherungsrecht

Unsere Kontaktinformationen

Rechtsanwälte Kotz GbR

Siegener Str. 104 – 106
D-57223 Kreuztal – Buschhütten
(Kreis Siegen – Wittgenstein)

Telefon: 02732 791079
(Tel. Auskünfte sind unverbindlich!)
Telefax: 02732 791078

E-Mail Anfragen:
info@ra-kotz.de
ra-kotz@web.de

Rechtsanwalt Hans Jürgen Kotz
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Rechtsanwalt und Notar Dr. Christian Kotz
Fachanwalt für Verkehrsrecht
Fachanwalt für Versicherungsrecht
Notar mit Amtssitz in Kreuztal

Bürozeiten:
MO-FR: 8:00-18:00 Uhr
SA & außerhalb der Bürozeiten:
nach Vereinbarung

Für Besprechungen bitten wir Sie um eine Terminvereinbarung!