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Verkehrsunfall – keine Marktforschung bzgl. anfallender Sachverständigengebühren

Amtsgericht Friedberg (Hessen), Az: 2 C 61/16 (25), Urteil vom 03.08.3016

ln dem Rechtsstreit hat das Amtsgericht Friedberg (Hessen)aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 13. Juli 2016 für Recht erkannt:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 774,90 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 02.02.2016 zu zahlen.

Von den Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger 5 % und die Beklagte 95 % zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 115 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Der Kläger nimmt die Beklagte auf restlichen Schadensersatz nach einem Verkehrsunfall in Anspruch.

Verkehrsunfall – keine Marktforschung bzgl. anfallender Sachverständigengebühren
Symbolfoto: Daisy Daisy/Bigstock

Der Kläger ist Eigentümer und Halter eines Pkw mit dem amtlichen Kennzeichen …Dieses Fahrzeug wurde von seiner Ehefrau am 16.06.2015 auf der L3136 in der Gemarkung Wöllstadt-Berstadt geführt, wobei der Fahrer des bei der Beklagten haftpflichtversicherten Fahrzeuges an einer Kreuzung unvermittelt und ohne

Blinker nach links abgebogen ist und die Vorfahrt des entgegenkommenden Pkw des Klägers verletzte. Die Haftung der Beklagten dem Grunde nach ist zwischen den Parteien unstreitig und die Beklagte Regulierte den Schaden mit Ausnahme der Sachverständigengebühren, der An- und Abmeldekosten sowie des Nutzungsausfallschadens in voller Höhe.

Der Kläger beauftragte einen Sachverständigen mit der Begutachtung des Fahrzeugschadens und zahlte hierfür an den Sachverständigen ein Honorar von 1.082,90 €. Hierauf erstattete die Beklagte einen Betrag von 308,00 € und begründete dies damit, dass man die Begutachtung des klägerischen Pkw zu einem Preis von 308,00 € angeboten habe. Den offenen Betrag von 774,90 € entrichtete die Beklagte nicht.

Nachdem der Kläger hinsichtlich der vorgerichtlichen Anwaltskosten sowie des Nutzungsausfalls die Klageforderung teilweise zurückgenommen hat und das Gericht durch Teilurteil vom 29.04.2016 bezüglich der An- und Abmeldekosten, des Nutzungsausfall-schadens sowie der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten ein Teilurteil erlassen hat, beantragt der Kläger nunmehr, die Beklagte zu verurteilen, an ihn 774,90 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie behauptet, dass mit dem Kläger vereinbart worden sei, dass durch die … eine Begutachtung zum Preis von 308,00 € erfolgen könne und der Kläger, falls ein eigener Sachverständiger teurer sei, das Angebot bezüglich der ….annehme. Im Übrige

stets ein Gutachten zum Preis von 308,00 € brutto erstatte.

Das Gericht hat Beweis erhoben gemäß Beweisbeschluss vom 13.07.2016 (Blatt 118 der Akten) durch uneidliche Vernehmung des Zeugen….Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 13.07.2016 (Blatt 118 bis 120 der Akten) verwiesen.

Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf die von den Parteien wechselseitig vorgelegten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Sitzungsprotokolle vom 29.04.2016 und 13.07.2016 (Blatt 76, 118 bis 120 der Akten) gemäß § 313 Abs. 2 ZPO verwiesen.

Entscheidungsgründe

Der noch nicht entschiedene Teil der Klage ist in vollem Umfang begründet.

Die Beklagte haftet dem Kläger auf vollen Ersatz des ihm entstandenen Unfallschadens gemäß § 7 Abs. 1 StVG i.V.m. §§ 1 PflVG, 115 Abs. 1 Nr. 1 WG.

Denn bei dem Betrieb des bei der Beklagten versicherten Pkw ist das Fahrzeug des Klägers beschädigt worden und die Beklagten haben ihre volle Haftung dem Grunde nach nicht in Abrede gestellt.

Hinsichtlich der Höhe des hier in Rede stehenden Unfallschadens bezüglich der Sachverständigenkosten geht das Gericht in ständiger Rechtsprechung zunächst davon aus, dass der Geschädigte ohne Weiteres einen Sachverständigen mit der Schätzung der Schadenshöhe an seinem durch den Unfall beschädigten Pkw beauftragen durfte und von dem beklagten Haftpflichtversicherer gemäß § 249 Abs. 2 BGB als Herstellungsaufwand den Ersatz der erforderlichen Sachverständigenkosten verlangen kann. Der Höhe nach hat der Kläger diese Kosten durch Vorlage der Sachverständigenrechnung vom 22.06.2015 in Höhe von 1.082,90 € hinreichend dargelegt. Da die Beklagte hierauf lediglich einen Betrag von 208,00 € entrichtet hat, verbleibt ein restlicher Anspruch des Klägers bezüglich der Sachverständigenkosten in Höhe von 774,90 €. Dies ist der aus dem Tenor ersichtliche Betrag. Zinsen hierauf kann der Kläger als Prozesszinsen gemäß § 291 BGB verlangen.

Ohne Erfolg ist es demgegenüber, wenn die Beklagte zunächst einwendet, dass die Honorarrechnung des Sachverständigen weit überhöht sei, da weder Schreibkosten noch EDV-Auslagen gesondert zu erstatten seien, da sie bereits vom überhöhten Grundhonorar abgedeckt seien. Auch ist es ohne Erfolg, wenn die Beklagte einwendet, dass die Honorarrechnung außer Verhältnis zum Fahrzeugschaden stehe und das ortsübliche und angemessene Niveau deutlich übersteige. Denn nach ständiger Rechtsprechung des erkennenden Gerichts darf der Geschädigte sich bei der Beauftragung eines Kfz-Sachverständigen damit begnügen, einen für ihn ohne Weiteres erreichbaren Sachverständigen zu beauftragen. Der Geschädigte muss vor Beauftragung eine Marktforschung nach dem honorargünstigen Sachverständigen keinesfalls betreiben. Darüber hinaus hat die Beklagte keinerlei Anhaltspunkte dafür vorgetragen, dass dem Kläger eine Verletzung der ihm obliegenden Schadensminderungspflicht gemäß § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB verstoßen hat. Dies läge allenfalls dann vor, wenn der Kläger hätte erkennen können, dass der von ihm ausgewählte Sachverständige Honorarsätze für seine Tätigkeit verlangt, die die in der Branche üblichen Preise deutlich übersteigen. Derartige Umstände, die sich zu Lasten des Klägers auswirken könnten, hat die Beklagte nicht dargelegt. Insbesondere ist die Behauptung der Beklagten, dass es sich bei dem hier in Rede stehenden Sachverständigenhonorar um ein überhöhtes Grundhonorar handele und die Honorarrechnung außer Verhältnis zum Fahrzeugschaden stehe und das ortsübliche und angemessene Niveau deutlich überschreite, nicht geeignet, darzulegen, dass der Kläger erkennen hätte können, dass der von ihm ausgewählte Sachverständige Honorarsätze verlangt, die deutlich über den in der Branche üblichen Preisen liegen. Das Gericht geht im Übrigen davon aus, dass angesichts des hier unstreitig entstandenen Reparaturschadens in Höhe von deutlich über 10.000,00 € eine Sachverständigenrechnung in Höhe von 1.082,90 € sich jedenfalls im Rahmen des Üblichen hält. Dies ist dem Gericht aus zahlreichen anderen Verkehrsunfallprozessen hinlänglich bekannt.

Darüber hinaus steht nicht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Kläger mit der. Beklagten eine Vereinbarung dergestalt getroffen hat, dass durch die … die Begutachtung zum Festpreis von 308,00 € erfolgen könne, falls ein vom Kläger ausgesuchter eigener Sachverständiger teurer sein solle. Denn hierzu hat der Zeuge anlässlich seiner Vernehmung im Termin vom 13.07.2016 bekundet, dass er keine konkrete Erinnerung an das Telefonat mit dem Kläger mehr habe. Insoweit ist seine Aussage unergiebig. Der Zeuge hat darüber hinaus zwar bekundet, dass er aufgrund eines Durchlesens seiner Notizen im Computersystem sagen könne, dass er mit dem Kläger im Hinblick auf das Sachverständigengutachten wohl besprochen habe, dass dieser zunächst in der eigenen Werkstatt nachfragen solle nach dem Preis und, falls dieser teurer sein sollte, er sich nochmal melden solle und die Beklagte die ….schicken solle. In diesem Zusammenhang hat der Zeuge …ferner auf Befragen des Gerichts bekundet, dass er sich nicht vorstellen könne, dass er den Gesprächspartner falsch verstanden habe und das falsch ins System eingegeben habe. Dann aber ist dem Gericht nicht nachvollziehbar, weshalb der Notiz des Zeugen …. vom 17.06.2015 ebenfalls zu entnehmen ist, dass der Kläger der Antragsteller-Ehemann ist. Denn offensichtlich war der Kläger selbst als Antragsteller Gesprächspartner. Dann aber ist die Niederlegung des Telefonvermerks vom 17.06.2015 nur als Missverständnis durch den Zeugen zu verstehen. Allein aus dieser Tatsache ergibt sich für das Gericht,

dass durchaus die Möglichkeit besteht, dass der Zeuge …. den Kläger auch hinsichtlich der Frage der Beauftragung eines Sachverständigen missverstanden hat und dies im System so niedergelegt hat. Insoweit verbleiben für das Gericht erhebliche Zweifel daran, dass eine entsprechende Vereinbarung zwischen der Beklagten und dem Kläger stattgefunden hat, wonach der Kläger mit einer Beauftragung durch die zum Preis von 308,00 € einverstanden gewesen sein soll. Darüber hinaus soll an dieser Stelle nicht unerwähnt bleiben, dass die Beklagte den Beweis nicht geführt hat, dass überhaupt eine Vereinbarung mit der ….. besteht, dass zum Preis von 308,00 € jeder Kfz-Schaden an Pkw’s begutachtet werde. Die eingereichten Unterlagen hierzu sagen nichts aus über den kompletten Inhalt der Vertragsurkunde, da diese nicht vollständig vorgelegt worden ist. Im Übrigen hat der Zeugen ….hier keinerlei Bekundungen treffen können. Dann aber bietet sich dem Gericht kein hinreichender Beweis dafür, dass eine von der Beklagten behauptete Abrede mit der …..tatsächlich besteht. Ist aber bereits dies nicht bewiesen, so kann sich die Beklagte nicht auf eine angeblich getroffene Vereinbarung mit dem Kläger berufen, wenn sie diese mangels bestehender Vereinbarung mit der …..tatsächlich nicht umsetzen kann.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92 Abs. 1, 269 Abs. 3 ZPO, diejenige zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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