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Wildunfall – Beweislast für Fahrzeugschaden durch Kollision

LG Arnsberg – Az.: 1 O 11/11 – Urteil vom 29.08.2012

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger auferlegt.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Parteien streiten um Ansprüche aus einem zwischen ihnen streitigen Verkehrsunfall.

Der Kläger ist Halter und Eigentümer einer DAX CN Cobra Replica mit dem amtlichen Kennzeichen … – … …. Bei diesem Fahrzeug handelt es sich um ein nach Wunsch des Klägers handgefertigtes hochwertiges Einzelstück, dessen Wiederbeschaffungswert im Rahmen einer Kurztaxierung im Dezember 2009 auf 111.000,00 EUR geschätzt wurde. Der Beklagte zu 1.) ist Halter eines Pkw Citroën mit dem amtlichen Kennzeichen … – … …, das zum Unfallzeitpunkt bei der Beklagten zu 2.) versichert war.

Der Kläger forderte die Beklagte zu 2.) mehrfach, zuletzt mit Anwaltsschriftsatz vom 22.11.2011 unter Fristsetzung bis zum 26.11.2011, zur Zahlung eines Betrages von 77.119,12 Euro auf, was die Beklagte zu 2.) mit Schriftsatz vom 01.12.2011, dem Kläger am 05.12.2011 zugegangen, ablehnte.

Wildunfall – Beweislast für Fahrzeugschaden durch Kollision
Symbolfoto: Von Branislav Cerven /Shutterstock.com

Der Kläger behauptet, es sei zwischen dem Beklagten zu 1.) und ihm am 14.07.2010 gegen 23.20 Uhr auf der Gemeindestraße aus Fahrtrichtung O1 kommend in Richtung O2 zu einem Verkehrsunfall gekommen. Der Beklagte zu 1.) sei dem Kläger, der mit seinem oben beschriebenen Fahrzeug unterwegs gewesen sei, mit seinem Pkw Citroën entgegengekommen. Aufgrund eines von rechts auf die Fahrbahn des Beklagten zu 1.) laufenden Wildtiers habe dieser sein Fahrzeug plötzlich nach links auf die Fahrbahn des Klägers gesteuert. Eine drohende Frontalkollision habe der Kläger nur dadurch verhindern können, dass er seinen Pkw stark abbremste und nach rechts zog. Dabei sei er mit seinem Fahrzeug rechts über die Fahrbahnbankette in den Straßengraben geraten oder zumindest mit der rechten hinteren Fahrzeugseite auf der Bankette, die nach dem Unfall inzwischen begradigt worden sei, an einen Stein oder Ast angestoßen.

Zumindest sei das Fahrzeug des Klägers zunächst mit der hinteren rechten Seite angestoßen und wieder zurückgeprallt, bevor es direkt danach mit der rechten vorderen Seite diagonal an einer Felswand auf der rechten Seite angestoßen sei.

Hierbei sei sowohl die rechte hintere als auch die rechte vordere GFK-Karosserie teilweise breitflächig ausgebrochen. Am hinteren rechten Rad seien sowohl an der Seitenflanke des Reifens, als auch am Felgenhorn der Leichtmetallfelge deutliche Schürf- und Druckbeschädigungen entstanden. Ferner sei bei dem Unfall das rechte vordere Rad abgerissen, was mit der Beschädigung des Querlenkers, des Federbeins, der Radnabe und der Spurstange einher gegangen sei. Die vordere rechte Leichtmetallfelge sei verformt und mit Schürfmalen behaftet. Weiterhin seien die Aluminium-Kühler durchgebogen und aufgeknickt, die Druckleitungen überdehnt, die Quertraverse abgeknickt und der Gitterrohrrahmen gestaucht worden. Zudem sei auch die Lenksäule gestaucht und verformt worden, so dass sich der Zündschlüssel nicht mehr habe abziehen lassen. Vor dem Unfallereignis habe das Fahrzeug keinerlei Schäden aufgewiesen und sei absolut neuwertig gewesen.

In Bezug auf diese Beschädigungen behauptet der Kläger, dass Reparaturkosten in Höhe 55.370,75 Euro anfielen, eine Reparaturdauer von sechs Wochen einzukalkulieren sei und die merkantile Wertminderung 5.500,00 Euro betrage.

Der Kläger macht gegenüber den Beklagten im Einzelnen folgende Schäden geltend:

Reparaturkosten: 62.556,43 Euro

Sachverständigenkosten: 2.559,69 Euro

Merkantile Wertminderung: 5.500,00 Euro

Nutzungsausfall für die Zeit vom 15.07.-06.10.2010 = 82 Tage à 79,00 Euro 6.478,00 Euro

allgemeine Unkostenpauschale 25,00 Euro

____________

77.119,12 Euro

Ferner behauptet er, durch die außergerichtliche Tätigkeit seiner jetzigen Prozessbevollmächtigten seien Gebühren in Höhe von 1.880,20 Euro angefallen.

Der Kläger beantragt, die Beklagten zu verurteilen, als Gesamtschuldner an den Kläger 77.119,12 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 06.12.2010 zu zahlen sowie außergerichtlich entstandene Kosten in Höhe von 1.880,20 Euro zu erstatten.

Die Beklagte zu 2.) beantragt, zugleich im Wege der Nebenintervention auch für den Beklagten zu 1.), die Klage abzuweisen.

Sie bestreitet, dass es zu dem behaupteten Unfallereignis gekommen ist. Sollte sich der Unfall zwischen dem Kläger und dem Beklagten zu 1.) tatsächlich ereignet haben, so handele es sich jedoch um ein manipuliertes Unfallgeschehen unter Mitwirkung und mit Einwilligung des Klägers.

Ferner bestreitet sie die Höhe und die Unfallbedingtheit der klägerseits geltend gemachten Schäden. Insbesondere liege keine merkantile Wertminderung vor, da das Fahrzeug des Klägers nahezu komplett neu aufgebaut worden sei. Einen Anspruch auf Nutzungsausfallentschädigung habe der Kläger ebenso nicht, da er mindestens noch ein anderes Kfz zur Verfügung gehabt habe.

Die Beklagte zu 2.) behauptet auf der Grundlage der Feststellungen, die die von ihr beauftragten Zeugen P1 und P2 getroffen haben, dass sich auch bei näherer Betrachtung an der Unfallstelle keinerlei Unfallspuren gefunden hätten. Dies sei aber bei Beschädigungen, wie sie im klägerischen Gutachten aufgeführt seien, unvermeidbar gewesen. Ferner ergäben sich Zweifel am Schadensausmaß, da der zur Unfallaufnahme gerufene Polizeibeamte in seinem Unfallbericht davon ausgegangen sei, dass lediglich ein Schaden in einer Größenordnung von 5.000,00 Euro vorgelegen habe.

Davon abgesehen hätten sich in den Schilderungen des Klägers und des Beklagten zu 1.) zum Unfallhergang und den Begleitumständen Unstimmigkeiten ergeben. Vor allem sei es nicht nachvollziehbar, warum der Beklagte zu 1.) nach eigenen Angaben, als er ca. 50m vor sich das von rechts auf die Fahrbahn tretende Reh bemerkte, keine Vollbremsung eingeleitet habe, sondern, eine Frontalkollision in Kauf nehmend, das Kfz nach links auf die Gegenfahrbahn gelenkt habe.

Im Übrigen sei – das Vorliegen des Unfallgeschehens unterstellt – aufgrund einer Vielzahl von Indizien davon auszugehen, dass ein manipuliertes Unfallgeschehen unter Einwilligung des Klägers vorliege. So sei zunächst eine Unfallkonstellation behauptet worden, die die möglichen Schäden dadurch begrenze, dass es zu keiner Kollision zwischen den Fahrzeugen komme. Ferner habe sich der vermeintliche Unfall an einem abgelegenen Unfallort zur Nachtzeit und erwartungsgemäß ohne neutrale Zeugen ereignet. Weiterhin lägen inkompatible Schäden in Bezug auf das klägerische Fahrzeug vor. Zudem sei im Zeitpunkt der Besichtigung durch den Zeugen P1 das Kfz des Klägers vollständig wieder aufgebaut worden. Das klägerische Fahrzeug sei darüber hinaus ein Fahrzeug der absoluten Luxusklasse, wohingegen es sich bei dem Fahrzeug des Beklagten zu 1.) um einen älteren Wagen mit minimalem Restwert gehandelt habe.

Das Gericht hat am 07.06.2011 und am 01.08.2012 Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen P4 und P5 sowie durch die mündliche Erläuterung des eingeholten Sachverständigengutachtens vom 09.02.2012. Wegen der Einzelheiten der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsprotokolle vom 07.06.2011 und 01.08.2012 verwiesen. Im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig.

Insbesondere ist der Beitritt der Beklagten zu 2.) in Bezug auf den Beklagten zu 1.) als dessen Haftpflichtversicherer im Rahmen der Nebenintervention zulässig (OLG Köln, Urteil vom 17.05.1991 – 6 U 60/90; OLG Düsseldorf, Urteil vom 29.03.2004 – 1 U 161/03; MüKo/Schultes, ZPO, 3. Aufl., § 66 Rn. 16)

Die Klage ist jedoch unbegründet.

Dem Kläger steht gegen die Beklagten kein Anspruch auf Zahlung von 77.119,12 Euro aus §§ 7 Abs. 1, 18 Abs. 1 StVG bzw. §§ 7 Abs. 1, 18 Abs. 1 StVG, 1 PflVG, 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 VVG zu.

Denn für das Vorliegen einer Rechtsgutverletzung in Form der Beschädigung einer Sache ist der Kläger beweisfällig geblieben.

Für den äußeren Schadens- bzw. Unfallhergang, d.h. für die Rechtsgutverletzung bzw. haftungsbegründende Kausalität, ist der Anspruchsteller darlegungs- und beweisbelastet, wobei ihm der Vollbeweis im Sinne des § 286 ZPO obliegt (BGH, Urteil vom 28.06.1983 – VI ZR 98/81; OLG Hamm, Urteil vom 29.03.2000 – 13 U 99/99; OLG Saarbrücken, Urteil vom 18.10.2011 – 4 U 462/10). Der Anspruchsteller muss also das Gericht davon überzeugen, dass der von ihm behauptete Unfall überhaupt stattgefunden hat und dadurch der behauptete Schaden verursacht worden ist (BGH, a.a.O.).

Steht auf Grundlage unstreitiger Tatsachen oder infolge der Beweisaufnahme fest, dass ein Teil der geltend gemachten Schäden nicht auf die behauptete Kollision zurückgeführt werden kann, kommt dem Kläger keinerlei Beweiserleichterung zugute. Vielmehr muss er im Wege des Vollbeweises den Nachweis führen, dass die übrigen behaupteten Schäden auf das Unfallereignis zurückzuführen sind (BGH, Urteil vom 10.02.1981 – VI ZR 182/79). Dieser dem Anspruchsteller obliegende Nachweis ist im Falle einer Schadensverursachung durch eine Kollision nicht geführt, wenn der beauftragte Sachverständige die Kollision nur für möglich hält, ohne eindeutige Kontaktspuren zu finden. Dies gilt vor allem dann, wenn aufgrund der Feststellungen im Gutachten zumindest ein Teil der geltend gemachten Schäden mit Sicherheit nicht auf das behauptete Unfallereignis zurückführbar sind (OLG Hamm, Urteil vom 18.11.1998 – 13 U 101/98; Lemcke, r+s 1993, 121).

So liegt der Fall hier. Der Kläger ist für die von ihm behauptete Rechtsgutverletzung beweisfällig geblieben.

1. Dies ergibt sich bzgl. der geltend gemachten Beschädigungen am hinteren rechten Bereich des Fahrzeugs bereits zweifelsfrei aus dem Sachverständigengutachten des Sachverständigen P3 vom 09.02.2012. Insoweit sieht das Gericht es als erwiesen an, dass sich der rechte Heckschaden nicht auf die streitgegenständliche Kollision zurückführen lässt.

Der Sachverständige ist in seinem Gutachten zu der Feststellung gekommen, dass sich der rechte Heckschaden am Klägerfahrzeug nicht dem streitgegenständlichen Schadensereignis zuordnen lässt. Eine Beschädigung des rechten Hecks durch Überfahren der Bankette und Abrutschen in den Straßengraben hätte zwangsläufig eine Beschädigung der rechten Side-Pipe, der Unterseite der Auspuffanlage, der Bodengruppe bzw. des Kraftstofftankes nach sich gezogen. Diese Beschädigungen lägen aber gerade nicht vor. Zudem sei aufgrund der Tatsache, dass die Kontaktspuren und Schadenszonen am rechten Fahrzeugheck von hinten unten diagonal in Fahrtrichtung nach vorne oben zeigten und die Schmutzablagerungen am vorderen Ende der Spuren gelegen seien, der Heckschaden dem Unfallereignis nicht zuzuordnen.

Diese Feststellungen hat er im Rahmen der mündlichen Erörterung des betreffenden Gutachtens noch insoweit konkretisiert, als dass er sich zu 100 Prozent sicher sei, dass der Heckschaden nicht aus dem streitgegenständlichen Unfallereignis resultiere, da es sich bei dem rechten Heckschaden um einen Rückwärtsschaden handele. Dafür sprechen sowohl die diagonalen Spuren an der rechten Hinterseite, als auch der Umstand, dass die Dreckablagerungen vorne zu finden seien. Ferner sei auch die rechte Heckleuchte zerstört, was auf einen rückwärtigen Anstoß hindeute. Die Beschaffenheit der Bankette habe auf seine sachverständige Bewertung keinen Einfluss. Zudem spreche die GFK-Beschädigung im hinteren Bereich nicht gegen den Rückwärtsschaden, denn das Kfz müsse nach einem Rückwärtsanstoß auch wieder herausgefahren werden.

Das Gericht folgt insoweit den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen. Für die vorliegende Begutachtung ist er als Diplom – Ingenieur und Kfz-Sachverständiger besonders qualifiziert. Das Gutachten ist schlüssig und nachvollziehbar. Insbesondere hat der Sachverständige die in seinem Gutachten gezogene Schlussfolgerung, dass der hintere rechte Schaden nicht Folge des behaupteten Unfallereignisses gewesen sein kann, logisch und widerspruchsfrei dargestellt. Zweifel an dieser Schlussfolgerung bestehen insbesondere deshalb nicht, weil der Sachverständige angegeben hat, dass er sich insoweit zu 100 Prozent sicher sei. Im Rahmen der mündlichen Erörterung des Gutachtens durch den Sachverständigen hat sich dieser mit den Einwendungen des Klägers, insbesondere mit der Frage des Einflusses des vorhandenen 100-prozentigen Sperrdifferentials auf die Unfallschäden, auseinandergesetzt und danach erläutert, dass auch diese Einwendungen an seiner sachverständigen Beurteilung nichts änderten.

2. Auch in Bezug auf den an der rechten Front des klägerischen Fahrzeugs geltend gemachten Schaden ist der Kläger beweisfällig geblieben.

Denn die Kammer hegt vor dem Hintergrund des Sachverständigengutachtens auch bezüglich dieser vorderen Beschädigungen erhebliche Zweifel an der Darstellung des Unfallhergangs seitens des Klägers.

Der dem Anspruchsteller obliegende Nachweis ist im Falle einer Schadensverursachung durch eine Kollision nicht geführt, wenn der beauftragte Sachverständige die Kollision nur für möglich hält, ohne eindeutige Kontaktspuren zu finden. Dies gilt vor allem dann, wenn aufgrund der Feststellungen im Gutachten zumindest ein Teil der geltend gemachten Schäden mit Sicherheit nicht auf das behauptete Unfallereignis zurückführbar sind (Lemcke, r+s 1993, 121; Born, NZV 1996, 257).

So liegt der Fall hier.

a) Dass hier ein Teil der geltend gemachten Schäden, nämlich diejenigen am hinteren rechten Bereich des klägerischen Fahrzeugs, mit Sicherheit nicht auf das behauptete Unfallereignis zurückführbar ist, steht wie gesehen zur Überzeugung des Gerichts fest.

b) Maßgeblich ist in diesem Zusammenhang jedoch auch, dass seitens des Sachverständigen kein Individualnachweis für den behaupteten Unfallhergang in Bezug auf den vorderen rechten Schaden erbracht werden konnte.

Ausweislich seines Gutachtens vom 09.02.2012 hielt der Sachverständige die Anstoßkonstellation zwar für möglich. Insofern erklärte er, könne der festgestellte Frontschaden mit Schwerpunkt rechts aufgrund der Schadensintensität und der Anstoßrichtung dem geschilderten Schadensereignis – Anstoß gegen einen Felsvorsprung – zugeordnet werden. Einen Individualnachweis einer Kollision konnte er laut seinen Feststellungen in dem Gutachten vom 09.02.2012 jedoch aufgrund fehlender rekonstruktionsrelevanter Unfallspuren nicht führen.

c) Abgesehen von diesen erheblichen Zweifeln des Gerichts in Bezug auf den vorgetragenen Unfallhergang ergeben sich jedoch auch isoliert in Bezug auf den behaupteten Anstoß des klägerischen Kfz im vorderen Bereich weitere erhebliche Zweifel an der Schilderung des Klägers.

Soweit dieser nämlich behauptet hatte, zunächst nach rechts ausgewichen und mit den rechten beiden Rädern über die rechte Bankette gefahren zu sein, erklärte der Sachverständige in seiner Erläuterung in der mündlichen Verhandlung, dass eine Anstoßkonstellation, wie sie bzgl. des vorderen Bereiches geschildert worden war, nur schwer erklärlich sei. Insofern sei, wenn der Kläger beim Ausweichen gebremst hätte, aufgrund der Tatsache, dass die beiden linken Räder des Fahrzeugs sich auf dem Teer befunden haben, eine Drehung des Fahrzeuges um die Hochachse in Fahrtrichtung nach links die Folge. Ein Anstoß rechts sei dann schwer erklärlich.

Selbst wenn der Kläger nicht gebremst haben sollte, rechtfertigt dies keine andere Bewertung. Denn der Kläger hat im Rahmen der mündlichen Verhandlung selbst vorgetragen, dass sein Fahrzeug über ein 100-prozentiges Sperrdifferential verfüge, das, wenn man das Gas wegnehme, wie eine Bremse wirke.

Auch in Bezug auf das Sperrdifferential hat der Sachverständige in der mündlichen Verhandlung erläutert, dass es immer einen Impuls zu derjenigen Seite gebe, auf der die Reifen sich auf dem Teer befänden. Das würde bedeuten, dass das klägerische Fahrzeug unabhängig davon, ob der Kläger gebremst oder nur das Gas weggenommen hat, eine Drehung um die Hochachse nach links vollzogen haben muss. Der Einschlag auf der rechten Seite wäre so aber in Übereinstimmung mit den Schlussfolgerungen des Sachverständigen nicht erklärbar.

Dieser hatte in der mündlichen Verhandlung diesbezüglich noch ausdrücklich erläutert, dass „die Angaben, dass der Kläger über die Bankette gefahren und danach vorne angestoßen sei“, „so nicht erklärbar“ seien.

d) Die Aussagen der Zeugen P4 und P5 vermochten diese Zweifel an dem vom Kläger geschilderten Unfallhergang nicht zu entkräften.

aa) Der Zeuge P4 hat ausgesagt, dass er als Polizeibeamter den Unfall aufgenommen habe. Er habe nur vorne rechts am klägerischen Kfz einen Schaden feststellen können, den er, weil es sich um ein außergewöhnliches Fahrzeug gehandelt habe, auf 5.000,00 Euro geschätzt habe. Als er zur Unfallstelle gekommen sei, habe das Fahrzeug noch im Graben gestanden. Ob Beschädigungen im Graben bzw. im angrenzenden Erdreich vorlagen, habe er nicht festgestellt und die Unfallstelle auch in der Folge nicht mehr aufgesucht. Ihm würden ca. 1-2 Mal pro Jahr dort Unfälle aufgrund Wildwechsels gemeldet.

In Bezug auf die eigentlich streitige Rechtsgutverletzung bzw. auf den Unfallhergang war die Aussage des Zeugen P4 unergiebig, da er im Zeitpunkt der behaupteten Kollision nicht vor Ort war. Rekonstruktionsrelevante Feststellungen zur Unfallörtlichkeit hat der Zeuge nach eigener Aussage ebenfalls nicht getroffen. Insoweit hatte er ausgesagt, nicht festgestellt zu haben, ob Beschädigungen am Graben bzw. im angrenzenden Erdreich vorlagen. Der Umstand, dass der Zeuge angegeben hat, er habe nicht den Eindruck gehabt, dass der Unfall gestellt worden sein könnte, ist nicht erheblich. Denn auf den Eindruck des Zeugen kam es insoweit – schon allein wegen fehlender Sachkunde – nicht an. Im Übrigen gibt es keinen feststehenden Erfahrungssatz, nach welchem, wenn ein Unfallereignis nicht gestellt wirkt, es auch nicht gestellt sein kann. Denn der Sinn und Zweck bei einem manipulierten bzw. gestellten Unfall besteht gerade darin, Außenstehenden einen „normalen“ Unfall vorzutäuschen.

bb) Der Zeuge P5 hingegen hat bekundet, dass er sich am 14.07.2010 mit dem Kläger getroffen habe und mit ihm in dessen Fahrzeug ab 16:30 Uhr bis spät abends von O3 über O4 nach O5 gefahren sei. Wenn es geregnet habe, habe man das Auto, das über kein Dach verfügte, jeweils dort, wo es ging, untergestellt. Als sie dann letztlich in das betreffende Waldstück gefahren seien, habe er – der Zeuge P5 – sich zunächst mit seinem Telefon beschäftigt. Nachdem er auf einen Ruf des Klägers nach oben geschaut habe, habe er ein auf der eigenen Spur entgegenkommendes Fahrzeug bemerkt. Daraufhin sei der klägerische Pkw zunächst auf den rechten Grünstreifen gefahren, dort ins Schleudern geraten und zunächst hinten rechts angeschlagen, woran er sich noch erinnern könne, weil er sich dabei den Arm angeschlagen habe. Danach sei das Fahrzeug noch vorne angestoßen und habe dann in einem 90° – Winkel zur Fahrbahn gestanden. Nach der Kollision sei er ausgestiegen und habe eine Zigarette geraucht.

Die Bekundungen des Zeugen P5 vermochten die Zweifel des Gerichts mangels ausreichender Überzeugungskraft nicht zu beseitigen.

Die Kammer hat bei der Würdigung der Aussage berücksichtigt, dass der Zeuge P5 in allen vom Kläger vorgetragenen, für die Unfalldarstellung vermeintlich wichtigen Punkten angab, sich gut erinnern zu können. Dies gilt vor allem für den behaupteten ersten Anprall mit der hinteren rechten Seite des Fahrzeugs, zu dem der Zeuge angab, sich genau erinnern zu können, da er sich bei dieser Gelegenheit den Arm angestoßen habe.

Allerdings liegen in Bezug auf die Schilderung des Abtransports des Fahrzeuges, also in Bezug auf das Randgeschehen des eigentlichen Unfalls, Widersprüchlichkeiten zwischen der Aussage des Zeugen und dem Vorbringen des Klägers vor, die die Glaubhaftigkeit der Aussage des Zeugen erschüttern.

Soweit nämlich der Zeuge P5 ausgesagt hat, dass er letztendlich seinen Anhänger zum Abschleppen des Autos nicht geholt habe, sondern auf telefonische Anweisung des Klägers nach Hause gefahren sei, steht dies in Widerspruch zu der Angabe des Klägers in der mündlichen Verhandlung vom 07.06.2011. Seinerzeit hatte der Kläger angegeben, den Abtransport des beschädigten Klägerfahrzeugs habe sein Kollege – der Zeuge P5 – organisiert.

Dieser sei von einer Person, die sich für ihn als „Förster“ dargestellt habe, mitgenommen worden und habe den Anhänger geholt, mit dem der Abtransport des beschädigten Fahrzeugs dann durchgeführt worden sei.

Darüber hinaus wurde seitens des Zeugen bekundet, dass er sich nach dem Unfall die Schäden nicht genau betrachtet habe und überdies die Dunkelheit die Sicht auf die Schäden beeinträchtigt habe. Diese Darstellung ist für das Gericht nicht nachvollziehbar. Denn der Zeuge kann aufgrund seiner jahrzehntelangen Erfahrung im Motorsport in Bezug auf Rennfahrzeuge durchaus als sachkundige Person bezeichnet werden. Mit diesem gesteigerten Interesse an Fahrzeugen hätte es nach Überzeugung des Gerichts gerade nahe gelegen, sich nach der Kollision einen ersten Überblick über die Schäden am Klägerfahrzeug zu verschaffen. Nach eigener Aussage hat der Zeuge angegeben, dass er eine Vorbeschädigung am Nachmittag aufgrund seiner Erfahrung auf jeden Fall erkannt hätte. Dass er dann aber nach der Kollision die Schäden am Klägerfahrzeug nicht genauer betrachtet haben will, überzeugt vor allem vor dem Hintergrund, dass er nach eigener Aussage noch geholfen hat, das Fahrzeug beiseite zu schieben, nicht.

Auch die Dunkelheit vor Ort hätte vielleicht einen sehr detaillierten Blick, zur Überzeugung des Gerichts nicht jedoch auch eine erste Schadensfeststellung, gerade im Hinblick darauf, ob außer den vorderen Beschädigungen noch hinten rechts Beschädigungen vorgelegen hätten, verhindert.

Ferner ist vor dem Hintergrund, dass der Zeuge P5 mit dem Kläger seit vielen Jahren gut befreundet ist, ebenfalls zu berücksichtigen, dass weder Indizien oder Unfallspuren vorliegen, die die Bekundungen des Zeugen stützen, noch neutrale Zeugen anwesend waren.

Ein Anspruch der Kläger gegen die Beklagten aus anderen Anspruchsgrundlagen ist nicht ersichtlich.

Mangels eines Hauptsacheanspruches besteht auch kein Zinsanspruch.

Die Kläger haben gegen den Beklagten ferner auch keinen Anspruch auf Zahlung von 1.880,20 Euro aus §§ 7 Abs. 1 StVG, 249 Abs. 1 BGB.

Aufgrund des nicht bestehenden Hauptsacheanspruchs war die Beauftragung des Prozessbevollmächtigten der Kläger mit der vorgerichtlichen Geltendmachung des Anspruchs auch keine zweckentsprechende Maßnahme der Rechtsverfolgung.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1 S. 1, 709 S. 2 ZPO.

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