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Verkehrsunfallverursachung durch Sattelzuggespann

Innenausgleich der Versicherungen

LG Frankfurt – Az.: 2-15 S 196/19 – Verfügung vom 24.03.2020

In pp. beabsichtigt die Kammer, die zulässige Berufung der Beklagten durch einstimmigen Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, da sie offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg bietet, die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.

Gründe

1. Nach § 513 Abs. 1 ZPO kann die Berufung nur darauf gestützt werden, dass die angefochtene Entscheidung auf einer Rechtsverletzung beruht, § 546 ZPO, oder die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen. Dies ist vorliegend nicht der Fall.

Das Amtsgericht hat zutreffend festgestellt, dass der Klägerin gegen die Beklagte ein Ausgleichsanspruch nach § 78 Abs. 1, 2 S. 1 VVG in Höhe von € 1.182,29 zusteht.

Entgegen der Ansicht der Beklagten ist § 78 VVG auf das Verhältnis zwischen den Parteien anwendbar. Nach der Rechtsprechung des EuGH (Urt. v. 21.01.2016 – C-359/14, C-475/14, BeckRS 2016, 80187) ist die Frage, ob der Versicherer einer Zugmaschine, der den gesamten Unfallschaden des Geschädigten beglichen hat, den Versicherer des Anhängers in Regress nehmen kann, in drei Schritten zu prüfen.

Erstens ist festzustellen, wie der Schadensersatz zwischen dem Halter der Zugmaschine und dem Halter des Anhängers aufzuteilen ist. Da es sich bei der Schadensersatzpflicht um ein außervertragliches Schuldverhältnis im Sinne von Art. 1 Rom-II-Verordnung handelt, ist das anwendbare Recht nach den Vorschriften dieser Verordnung zu bestimmen. Nach Art. 4 Rom-II-VO ist auf ein außervertragliches Schuldverhältnis aus unerlaubter Handlung das Recht des Staates anzuwenden, in dem der Schaden eingetreten ist. Gemäß Art. 15 lit. a, b Rom-II-VO ist dieses Recht maßgebend für den Grund und den Umfang der Haftung sowie für ihre Teilung (EuGH a.a.O., Tz. 50-53).

Vorliegend ist deutsches Recht anwendbar, da der Schaden in Deutschland eingetreten ist. Nach deutschem Recht haften Halter der Zugmaschine und Halter des Anhängers gemäß § 7 Abs. 1 StVG gesamtschuldnerisch (vgl. OLG Celle, Urt. v. 12.03.2008 – 14 U 108/07, BeckRS 2008, 9884, Tz. 16).

Verkehrsunfallverursachung durch Sattelzuggespann
(Symbolfoto: Von Matrix Reloaded/Shutterstock.com)

Zweitens ist zu prüfen, ob die Versicherer der Zugmaschine und des Anhängers nach den jeweils geschlossenen Versicherungsverträgen den Geschädigten eines durch diese Fahrzeuge verursachten Unfalls zum Schadensersatz verpflichtet waren. Das insoweit anzuwendende Recht richtet sich nach Art. 7 Rom-I-VO (EuGH a.a.O., Tz. 54-55).

Dies war hier auch hinsichtlich der Beklagten der Fall. Denn die Beklagte hat mit der Berufungsbegründung vorgetragen, sie verspreche subsidiäre Haftung für Drittschäden. Daraus und aus der vorgelegten Versicherungsbestätigung (Anlage K 1, Bl. 84 d.A.) ergibt sich, dass die Beklagte mit ihrem Versicherungsnehmer eine Haftpflichtversicherung für den Auflieger geschlossen hat.

Drittens ist festzustellen, ob der Versicherer einer Zugmaschine, der den Unfallschaden des Geschädigten beglichen hat, über einen Anspruch aus übergegangenem Recht gegen den Versicherer des Anhängers verfügt. Gemäß Art. 19 Rom-II-VO ergeben sich die Voraussetzungen hierfür aus dem gemäß Art. 7 Rom-I-VO auf den Versicherungsvertrag anwendbaren Recht (EuGH a.a.O., Tz. 56-58). Der Versicherungsvertrag der Beklagten unterliegt im Grundsatz gemäß Art. 7 Abs. 2 Rom-I-VO dänischem Recht, da die Beklagte in Dänemark ihren Sitz hat. Hier ist im Ergebnis aber deutsches Recht und damit § 78 VVG anwendbar (vgl. auch LG Kassel, Urt. v. 15.03.2019 – 4 O 2024/17, BeckRS 2019, 27700; LG Göttingen Urt. v. 23.05.2019 – 8 O 286/17, NJOZ 2020, 85 ff.; BeckOK VVG/Car, 6. Ed. 15.10.2019, VVG § 78 Rn. 28).

Art. 7 Abs. 4 Rom-I-VO sieht vor, dass für Versicherungsverträge über Risiken, für die ein Mitgliedstaat eine Versicherungspflicht vorschreibt, Besonderheiten gelten. Gemäß Art. 7 Abs. 4 lit. a Rom-I-VO genügt ein Versicherungsvertrag der Versicherungspflicht nur, wenn er den besonderen Bestimmungen entspricht, die von dem die Versicherungspflicht auferlegenden Mitgliedstaat für diese Versicherung vorgeschriebenen sind. Dem Recht des Mitgliedstaates, der die Versicherungspflicht aufstellt, wird Vorrang vor dem Versicherungsvertragsstatut eingeräumt, soweit es um die Frage geht, ob der Versicherungsvertrag der Versicherungspflicht genügt (vgl. BeckOGK/Lüttringhaus, 1.2.2020, Rom I-VO Art. 7 Rn. 136). Im Zusammenwirken des Art. 7 Abs. 4 Rom-I-VO mit der Regelung des Art. 14 der Richtlinie 2009/103/EG (Kraftfahrzeughaftpflicht-RL), die das Einprämienprinzip einer umfassenden Deckung für das gesamte Gemeinschaftsgebiet zumindest im jeweils vom besuchten Staat vorgeschriebenen Umfang festschreibt, haben die deutschen Bestimmungen zum notwendigen Versicherungsumfang Vorrang vor dem Versicherungsrecht an dem regelmäßigen Standort der Fahrzeuge (LG Kassel, Urt. v. 15.03.2019 – 4 O 2024/17, BeckRS 2019, 27700, Tz. 25; Luckhaupt, NZV 2016, 497, 501).

Der Versicherungsvertrag der Beklagten mit ihrem Versicherungsnehmer genügt nicht den deutschen Bestimmungen, soweit nur eine subsidiäre Haftung für Drittschäden vereinbart wurde. Zwar sind Subsidiaritätsklauseln, die verhindern, dass es zu einer echten Mehrfachversicherung im Sinne des § 78 Abs. 1 VVG kommt, im Grundsatz nicht zu beanstanden (BGH, Urt. v. 04.07.2018 – IV ZR 121/17, NJW 2018, 2958, Tz. 11 f.). Bei einem Zugfahrzeug und einem Anhänger wird aber zwingend aus gesetzlichen Vorgaben eine Mehrfachversicherung begründet (BGH, a.a.O., Tz. 14). § 1 PflVG verpflichtet den Halter eines Anhängers mit regelmäßigem Standort im Inland eine Haftpflichtversicherung zur Deckung der durch den Gebrauch des Fahrzeugs verursachten Personenschäden, Sachschäden und sonstigen Vermögensschäden abzuschließen und aufrechtzuerhalten. Dies gilt gemäß § 1 AuslPflVG auch für Anhänger, die im Inland keinen regelmäßigen Standort haben. Der Umfang des Versicherungsschutzes muss für diese Anhänger gemäß § 4 AuslPflVG dem im Inland vorgeschriebenen entsprechen. Nach der Einführung einer selbstständigen Gefährdungshaftung für Anhänger in § 7 StVG im Jahr 2002 entfiel die zuvor eröffnete Möglichkeit der Beschränkung des Versicherungsschutzes für Schäden, die von einem Anhänger oder Auflieger verursacht werden, während dieser mit einem Kraftfahrzeug entweder verbunden ist oder sich von diesem gelöst hat und sich noch in Bewegung befindet (BGH, a.a.O., Tz. 17). Vereinbarungen zwischen dem Haftpflichtversicherer des Anhängers und seinem Versicherungsnehmer, die darauf abzielen, im Innenverhältnis zum Haftpflichtversicherer des Zugfahrzeugs das Entstehen einer Mehrfachversicherung zu verhindern, ist damit jede Grundlage entzogen (BGH, a.a.O.).

Diese Grundsätze gelten auch unter Berücksichtigung der Grüne-Karte-Abkommen (Internal Regulations). Danach ist zwar das Büro des Besuchslandes verpflichtet, den von einem eingereisten Inhaber einer Grünen Karte verursachten Schaden so zu regulieren, als wenn er von einem pflichtversicherten Inländer verursacht worden wäre (Prölss/Martin/Klimke, VVG, 30. Aufl. 2018, Vor § 1 PflVG Rn. 3). Der Geschädigte hat einen Direktanspruch nach Maßgabe des § 6 AuslPflVG gegen den Verein „Deutsches Büro Grüne Karte e. V.“ (Prölss/Martin/Klimke, a.a.O.). Die Regelungen der Grüne-Karte-Abkommen schließen aber die Möglichkeit des Geschädigten, gegen den ausländischen Versicherer zu klagen, nicht aus (Prölss/Martin/Klimke, VVG, 30. Aufl. 2018, Vor § 1 PflVG Rn. 4) Auch der Regressanspruch eines inländischen Versicherers gegen einen ausländischen Versicherer nach § 78 VVG bleibt unberührt.

2. Es besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen zwei Wochen. Zur Vermeidung weiterer Kosten wird die Rücknahme der Berufung angeraten. Im Fall einer Rücknahme entstehen abgesehen von den ohnehin anfallenden Anwaltskosten lediglich zwei Gerichtsgebühren nach KV 1222 Nr. 1 GKG. Wird demgegenüber die Berufung förmlich durch Beschluss zurückgewiesen, verbleibt es bei der vierfachen Gerichtsgebühr nach KV 1220 GKG.

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