LG Hamburg – Az.: 310 O 155/11 – Urteil vom 21.10.2011
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.
3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung der Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags leisten.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt Schadensersatz wegen eines Verkehrsunfalls.
Am 11.8.2010 befuhr der Ehemann der Klägerin mit einem Pkw der Marke Hyundai die … Straße in stadtauswärtiger Richtung. Die Klägerin war Beifahrerin. Ob die Klägerin Eigentümerin dieses Fahrzeugs war. ist streitig. Die Beklagte zu 1) fuhr mit ihrem bei der Beklagten zu 2) haftpflichtversicherten Pkw ebenfalls auf der … Straße in dieselbe Richtung.
In Höhe der Hausnummer … Straße .. wollte der Ehemann der Klägerin über die Mittellinie der Straße nach links in eine Grundstückseinfahrt einbiegen. In diesem Bereich wird die … Straße pro Fahrtrichtung jeweils auf zwei Fahrspuren befahren. Bei dem Abbiegevorgang des Ehemanns der Klägerin kam es zu einem Zusammenstoß mit dem Fahrzeug der Beklagten zu 1), dessen Hergang im Einzelnen streitig ist. Das von dem Ehemann der Klägerin gefahrene Fahrzeug wurde auf der linken Seite beschädigt, das Fahrzeug der Beklagten zu 1) auf der rechten Seite. Der Unfall wurde polizeilich aufgenommen. Insoweit wird verwiesen auf die Unfallanzeige, Anlage K1.
Die Klägerin holte ein Gutachten des Kfz-Sachverständigen Dipl. Ing. … zum entstandenen Schaden ein. Danach ergaben sich ein Wiederbeschaffungswert in Höhe von 8.900 Eur, ein Restwert von 1.900 Eur und Reparaturkosten in Höhe von 9.560,25 Eur inkl. Mwst. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf Anlage K3 verwiesen. Für die Erstellung des Gutachtens stellte der Sachverständige der Klägerin eine Vergütung in Höhe von 900,24 Eur in Rechnung (Anlage K 2). Das beschädigte Fahrzeug wurde in der Folgezeit veräußert. Ein neues Fahrzeug erwarb die Klägerin nicht. Die Beklagte zu 2) zahlte außergerichtlich ohne Anerkennung einer Rechtspflicht zur Erledigung der Sache einen Betrag von 1.981,31 Eur an die Klägerin. Dabei legte sie eine Haftungsquote von 25% und einen Schaden von 7.925,24 Eur zugrunde, der sich aus dem Wiederbeschaffungswert von 8.900 Eur abzüglich des Restwerts von 1.900 Eur, zuzüglich der Sachverständigenkosten und einer Auslagenpauschale von 25 Eur zusammensetzt (Anlage B4). Auf vorgerichtlich angefallene Rechtsanwaltskosten, welche die Klägerin in Höhe von 718,40 Eur beansprucht, zahlte die Beklagte den Betrag von 229,55 Eur. Weitergehende Zahlungen lehnte die Beklagte zu 2) ab.
Die Klägerin behauptet, sie sei Eigentümerin des beschädigten Fahrzeugs der Marke Hyundai. Ihr Ehemann sei auf der linken der beiden Richtungsspuren gefahren. Als er ordnungsgemäß mit dem Abbiegen nach links begonnen habe und schon über die Mittellinie gefahren sei und sich auf der Spur der Gegenrichtung befand, habe die dahinter fahrende Beklagte zu 1) das Fahrzeug der Klägerin gerammt. Die Beklagte zu 1) habe die Situation offenbar zu spät erkannt und habe versucht, ruckartig nach links auszuweichen oder links auf der Spur der Gegenrichtung zu überholen. Das Fahrzeug der Beklagten zu 1) habe mit der vorderen rechten Fahrzeugecke den hinteren linken Kotflügel des Fahrzeugs der Klägerin gerammt. Sodann sei das Fahrzeug der Beklagten zu 1) an der gesamten linken Seite des Fahrzeugs der Klägerin entlang geschrammt.
Die Beklagten hätten den Schaden vollständig zu erstatten. Die Beklagte zu 1) sei mit überhöhter Geschwindigkeit gefahren und habe den gebotenen Sicherheitsabstand nicht eingehalten. Sofern die Fahrweise der Beklagten zu 1) nicht als Ausweichmanöver anzusehen ist, handele es sich um einen nach § 5 VII StVO unzulässigen Überholversuch. Für eine Quotelung sei bei dieser Konstellation kein Raum.
Die Klägerin habe Anspruch auf vollständige Zahlung des Wiederbeschaffungsaufwands von 7.000 Eur (Wiederbeschaffungswert in Höhe von 8.900 Eur abzüglich des Restwerts in Höhe von 1.900 Eur) und der Sachverständigenkosten in Höhe von 900,24 Eur sowie einer Pauschale von 25 Eur. Ein Abzug von Umsatzsteuer von dem ausgewiesenen Wiederbeschaffungswert sei nicht vorzunehmen. Ferner könne die Klägerin Ersatz für einen Nutzungsausfall des Fahrzeugs für 14 Tage beanspruchen. Der Tagessatz betrage 65 Eur, so dass ein Betrag von 910 zu erstatten sei. Der Nutzungswille des Geschädigten werde bereits dadurch nachgewiesen, dass der Geschädigte zum Zeitpunkt des Unfalls über ein Kraftfahrzeug verfügte. Wäre der Unfall nicht eingetreten, hätte der Geschädigte das Fahrzeug weiterbenutzt. Insgesamt sei der Klägerin ein Schaden in Höhe von 8.835,24 Eur entstanden, auf den die Beklagte zu 2) lediglich den Betrag von 1.981,31 Eur gezahlt habe, so dass noch eine Forderung in Höhe von 6.853,93 Eur offen sei.
Die Klägerin beantragt,
1. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin 6.853,93 Eur nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15.2.2011 zu zahlen,
2. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin 488,85 Eur außergerichtliche Rechtsanwaltskosten nebst Zinsen in Höhe von Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15.2.2011 zu zahlen.
Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.
Die Beklagten bestreiten, dass die Klägerin Eigentümerin des verunfallten Fahrzeugs sei. In einem Schreiben des Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 17.11.2010 sei von einem „Mandanten“ die Rede, der eine „Zeugin“ habe. Die Klägerin habe auch den Unfallhergang falsch dargestellt. Tatsächlich sei das klägerische Fahrzeug auf der rechten der beiden Richtungsspuren gefahren. Die Beklagte zu 1) sei versetzt dahinter, jedoch etwas schneller, auf der linken Spur gefahren. Als die Beklagte zu 1) sich etwa auf gleicher Höhe wie das klägerische Fahrzeug befand, habe der Ehemann der Klägerin plötzlich links geblinkt und gleichzeitig scharf nach links gelenkt, um in eine Grundstückseinfahrt abzubiegen. Dabei habe das klägerische Fahrzeug den Pkw der Beklagten zu 1) gerammt und auf die Gegenfahrbahn gedrängt. Die Fahrzeuge seien an den Seiten beschädigt worden, was gegen einen Auffahrunfall spreche. Der Unfall sei für die Beklagte zu 1) nicht vermeidbar gewesen. Sie treffe keine Haftung. Vielmehr habe der Ehemann der Klägerin gegen § 9 V StVO verstoßen, da bei seinem Abbiegen in ein Grundstück eine Gefährdung anderer Teilnehmer gerade nicht ausgeschlossen gewesen sei. Zudem sei die Mittellinie der … Straße im Unfallbereich durchgezogen, so dass der Ehemann der Klägerin diese gar nicht hätte überfahren dürfen.
Der geltend gemachte Anspruch sei auch der Höhe nach nicht berechtigt. In dem mit 8.900 Eur angegebenen Wiederbeschaffungswert des klägerischen Fahrzeugs sei eine Differenzbesteuerung enthalten, die mit ca. 2,5% anzusetzen sei. Da die Klägerin keinen Ersatzwagen angeschafft habe, sei eine Zahlung von Umsatzsteuer nicht nachgewiesen, so dass die Klage in Höhe von 217,07 Eur unschlüssig sei. Es sei auch zu bestreiten, dass die Klägerin die geltend gemachten Kosten des Sachverständigengutachtens bezahlt habe. Schließlich könne die Klägerin keinen Ersatz für Nutzungsausfall verlangen. Ein Nutzungswille der Klägerin sei nicht ersichtlich. Sie habe bereits im Unfallzeitpunkt das Fahrzeug nicht selbst genutzt und habe auch nach dem Unfall kein neues Fahrzeug angeschafft. Zudem sei der insoweit geltend gemachte Anspruch der Höhe nach übersetzt.
Hinsichtlich des weiteren Vortrags der Parteien wird ergänzend auf den Inhalt der Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 21.9.2011 (Bl. 41 ff d.A.) verwiesen.
Das Gericht hat Beweis erhoben zu der Frage des Eigentums der Klägerin an dem streitgegenständlichen Pkw und der Frage des Unfallhergangs durch Vernehmung des Herrn … als Zeugen. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird verwiesen auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 21.9.2011 (Bl. 41 ff d.A.).
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet. Ein Anspruch auf Ersatz des geltend gemachten Schadens aus §§ 7 l, 17 II StVG i.V.m. § 115 I Nr. 1 VVG ist nicht gegeben.
Der Anspruch scheitert jedoch nicht bereits an fehlender Aktivlegitimation der Klägerin. Sie kann den wegen der Beschädigung des Fahrzeugs der Marke Hyundai entstandenen Schaden vorliegend in eigenem Namen und für eigene Rechnung geltend machen. Zwar konnte die Klägerin nicht beweisen, dass sie Alleineigentümerin des Fahrzeugs ist. Vielmehr bekundete ihr als Zeuge zu dieser Frage vernommener Ehemann glaubhaft, dass er und die Klägerin das Fahrzeug seinerzeit zusammen als Neuwagen gekauft hätten. Den Kaufvertrag hätten sie beide unterzeichnet. Das Fahrzeug sei dann jedoch nur auf die Klägerin zugelassen worden. Das Gericht hat keinen Anlass, an der Richtigkeit dieser Angabe zu zweifeln. Da ein Neuwagenhändler ein verkauftes Fahrzeug bei der Übergabe regelmäßig auch an die Personen übereignen will, die als Käufer den Kaufvertrag unterschrieben haben, ist davon auszugehen, dass die Klägerin und ihr Ehemann gemeinsam Eigentum an dem Fahrzeug erwarben. Zwar kann ein einzelner Miteigentümer den Ersatz für die Beschädigung der im Miteigentum stehenden Sache grundsätzlich nur zugunsten sämtlicher Miteigentümer geltend machen (vgl. Palandt-Grüneberg, BGB, 69. Aufl., § 432 Rn 2). Vorliegend ist jedoch eine Genehmigung des Ehemannes der Klägerin dahingehend anzunehmen, dass die Klägerin den Schadensersatz in eigenem Namen für sich allein geltend machen kann. Denn wie sich aus seiner Vernehmung als Zeuge ergab, ist dem Ehemann der Klägerin der vorliegende Rechtsstreit samt der Antragstellung der Klägerin vollauf bekannt und er ist damit einverstanden.
In der Sache ergibt sich jedoch keine Haftung der Beklagten. Zwar hat sich der Verkehrsunfall entsprechend § 7 I StVG sowohl beim Betrieb des klägerischen Fahrzeugs als auch beim Betrieb des von der Beklagten zu 1) gefahren Kraftfahrzeugs ereignet. Auch ein unabwendbares Ereignis im Sinne des § 17 III StVG liegt für keinen der Beteiligten vor, da nicht ausgeschlossen werden kann, dass der Unfall bei Beachtung jeglicher nach den Umständen gebotener Sorgfalt für jeden der Unfallbeteiligten vermeidbar gewesen wäre. Nach der im Rahmen des § 17 II StVG vorzunehmenden Abwägung ergibt sich jedoch keine Haftungsquote der Beklagten. Nach § 17 II StVG bestimmt sich die Haftung der Fahrzeughalter danach, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist. Bei der Abwägung der beiderseitigen Verursachungsbleiträg können allein unstreitige oder erwiesene Tatsachen zu Grunde gelegt werden
Die Klägerin ist jedoch den Beweis des von ihr behaupteten Unfallhergangs fällig geblieben. Bereits die nach § 141 ZPO angehörte Klägerin äußerte lediglich die bloße Vermutung, dass die Beklagte zu 1) versucht habe, das klägerische Fahrzeug links auf der Spur der Gegenrichtung zu überholen. Sie erklärte jedoch, dass sie nicht wusste, woher das Fahrzeug der Beklagten zu 2) gekommen war. Auch der als Zeuge zum Unfallhergang vernommene Ehemann der Klägerin machte zu dem Verhalten bzw. zu der Fahrweise der Beklagten zu 1) keine Angaben. Wie es zu dem Unfall kam, konnte er ausdrücklich nicht sagen.
Nachdem die Klägerin den Beweis ihrer Behauptung zum Unfallhergang fällig geblieben ist, verbleibt als unstreitig, dass sich der Unfall im Rahmen eines Abbiegevorgangs des Ehemanns der Klägerin ereignete. Es ist unstreitig und wurde durch den Zeugen auch bestätigt, dass er nach links über die Mittellinie der … Straße in eine Grundstückseinfahrt einbiegen wollte, als es zu dem Unfall kam. Kommt es im Zuge eines derartigen Fahrmanövers zu einem Unfall, dann spricht der Anschein dafür, dass der Abbiegende den des § 9 V StVO nicht beachtet hat. Danach darf nur in ein Grundstück abgebogen werden, wenn eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist. Demgegenüber liegt hinsichtlich der Beklagten zu 1) nur die gewöhnliche Betriebsgefahr vor. Ein darüber hinausgehendes Verschulden ist nicht bewiesen. Danach besteht ein Anschein für einen so starken Verursachungsbeitrag des Ehemannes der Klägerin, dass die einfache Betriebsgefahr des Fahrzeugs der Beklagten zu 1) vollständig dahinter zurücktritt. Für eine Quotierung des Schadens ist danach kein Raum.
Selbst wenn zugunsten der Klägerin eine Haftungsquote der Beklagten anzunehmen wäre, so würde diese Quote den Umfang von 25% jedenfalls nicht übersteigen. Da die Beklagte zu 2) vorgerichtlich bereits nach dieser Quote reguliert hat, bestünde auch dann kein weitergehender Anspruch. Zwar bezog sich die vorgerichtliche Zahlung der Beklagten zu 2) nicht auf einen Nutzungsausfallschaden. Gleichwohl ergäbe sich bei Annahme einer Haftungsquote bis 25% kein weitergehender Anspruch der Klägerin, da der geltend gemachte Nutzungsausfallersatz nicht hinreichend dargelegt ist. Zwar kann im Grundsatz für den vorübergehenden Verlust der Nutzungsmöglichkeit eines Kraftfahrzeugs auch dann eine Entschädigung beansprucht werden, wenn sich der Geschädigte einen Ersatzwagen nicht beschafft hat (so BGH, Urt. v. 10.6.2008, Az.: VI ZR 248/07 – Wohnmobil, Rz 8, zitiert nach juris). Dem betroffenen Eigentümer gebührt die Entschädigung aber nicht unabhängig davon, ob er den Wagen benutzen wollte und hierzu in der Lage war (vgl. BGH, aaO, Rz 7). Erforderlich ist somit eine konkrete Darlegung eines Nutzungswillens und einer Nutzungsmöglichkeit für den geltend gemachten Zeitraum. Hierzu fehlt der erforderliche Vortrag. Die Klägerin kann sich nicht darauf berufen, dass der Nutzungswille des Geschädigten bereits dadurch bewiesen werde, dass er im Zeitpunkt des Unfalls übe das Fahrzeug verfügte. Denn sie verfügte nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht allein über das Fahrzeug. Insbesondere wurde es im Zeitpunkt des Unfalls von ihrem Ehemann gefahren. Es ist möglich, dass auch sonst nur der Ehemann der Klägerin das Fahrzeug genutzt hat. Einen Ersatzwagen hat die Klägerin unstreitig nicht angeschafft. Die Voraussetzungen für einen Ersatz eines Nutzungsausfalls sind daher nicht dargelegt.
Die Klägerin hat nach dem Vorgesagten auch keinen Anspruch auf Erstattung weiterer vorgerichtlich angefallener Rechtsanwaltskosten. Selbst wenn der Klägerin eine Haftungsquote der Beklagten zu 1) anzunehmen wäre, würde diese eine Quote von 25% jedenfalls nicht übersteigen. Selbst bei Zugrundelegung eines Gegenstandswerts von 8.835,24 Eur und entsprechenden Anwaltskosten von 718,40 Eur, ist eine Quote von 25% davon bereits reguliert.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 I ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.