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Verkehrsunfall zwischen überholendem Motorradfahrer und abbiegenden Radfahrer

AG Mayen, Az.: 2 C 492/07, Urteil vom 29.07.2008

1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 25,00 Euro nebst 5 % Punkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB seit dem 23.11.2006 zu zahlen.

2. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger ein Schmerzensgeld in Höhe von 1.200,00 Euro nebst 5 % Punkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB seit dem 23.11.2006 zu zahlen.

3. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, den Kläger von Honoraransprüchen der Prozessbevollmächtigten im außergerichtlichen Verfahren in Höhe von 234,97 Euro freizustellen.

4. Die Beklagten tragen gesamtschuldnerisch die Kosten des Rechtsstreits

5. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagten können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in selbiger Höhe leisten.

Tatbestand

Der Kläger begehrt Schadensersatz und Schmerzensgeld aus einem Verkehrsunfallereignis vom 25.08.2006.

Verkehrsunfall zwischen überholendem Motorradfahrer und abbiegenden Radfahrer
Symbolfoto: Luvvstudio / Bigstock

Der 15-jährige Kläger befuhr mit seinem Fahrrad die St.-Gstraße in … und wollte nach links abbiegen. Der Beklagte befuhr zum selbigen Zeitpunkt mit seinem Motorrad Kawasaki, amtliches Kennzeichen … die Straße und wollte den Kläger überholen. Dabei stieß er von hinten gegen das Fahrrad des Klägers, sodass dieser verunfallte. Der Kläger zog sich hierdurch Frakturen von drei Brustwirbeln zu und lag deshalb zwölf Tage im Krankenhaus. Er hatte sich im Anschluss daran bis Oktober 2006 zu schonen.

Der Kläger trägt vor, er habe vor dem Abbiegen einen Schulterblick gemacht und Handzeichen gegeben. Dann erst habe er sich zur Fahrbahnmitte orientiert. Der Beklagte zu 1) sei mit überhöhter Geschwindigkeit gefahren.

Der Kläger behauptet, bis Dezember 2006 erhebliche Schmerzen gehabt zu haben.

Der Kläger beantragt daher,

1. Die Beklagten zu verurteilen, als Gesamtschuldner an den Kläger 259,97 Euro nebst den sich bei einem mit 5 % Punkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB liegenden Zinssatz ergebenden Zinsen aus 25,00 Euro seit dem 23.11.2006 und aus weiteren 234,97 Euro seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

2. die Beklagten zu verurteilen, als Gesamtschuldner an den Kläger ein angemessenes Schmerzensgeld nebst den sich bei einem mit 5 % Punkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB liegenden Zinssatz ergebenden Zinsen seit dem 23.11.2006 zu zahlen

Hilfsweise beantragt der Kläger,

1. die Beklagten zu verurteilen, als Gesamtschuldner an den Kläger 25,00 Euro nebst den sich bei einem mit 5 % Punkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB liegenden Zinssatz ergebenden Zinsen seit dem 23.11.2006,

2. Die Beklagten zu verurteilen, als Gesamtschuldner dem Kläger ein angemessenes Schmerzensgeld nebst den sich bei einem mit 5 % Punkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB liegenden Zinssatz ergebenden Zinsen seit dem 23.11.2006 zu zahlen und

3. die Beklagten zu verurteilen, als Gesamtschuldner den Kläger von Honoraransprüchen der Prozessbevollmächtigten im außergerichtlichen Verfahren in Höhe von 234,97 Euro freizustellen.

Die Beklagten beantragen Klageabweisung.

Die Beklagten tragen vor, der Kläger sei urplötzlich ohne Handzeichen nach links gezogen.

Die Beklagten sind der Ansicht, dass die Klage nicht wirksam zugestellt worden sei, da sie nur einen Klageentwurf aus dem Prozesskostenhilfeverfahren erhalten hätten. Darüberhinaus werde die Beklagte zu 2) nicht durch die … Versicherung vertreten.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen P in der mündlichen Verhandlung vom 31.07.2007. Zum Inhalt der Zeugenaussage wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung Bezug genommen. Darüberhinaus hat das Gericht ein Gutachten des Sachverständigen Weiten aufgrund des Beweisbeschlusses vom 09.10.2007 eingeholt. Zum Inhalt des Sachverständigengutachtens wird auf dessen schriftliche Ausfertigung vom 13.05.2008 Bezug genommen.

Zum weiteren Vorbringen der Parteien wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen, insbesondere das ärztliche Attest vom 07.09.2006 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist begründet.

Die Klage ist wirksam erhoben. Der Kläger hat zunächst Prozesskostenhilfe beantragt und hierbei einen Klageentwurf eingereicht. Nach Bewilligung der Prozesskostenhilfe am 18.06.2007 wurde den Beklagten der bereits im Prozesskostenhilfeverfahren übersandte Klageentwurf am 06.07.2007 zugestellt. Hierbei handelte es sich zwar um einen Klageentwurf, es war jedoch klar aus dem Schriftsatz vom 24.04.2007 ersichtlich, dass für den Fall der Gewährung der Prozesskostenhilfe Klage erhoben wurde. Die Zustellung dieses Schriftsatzes nach Bewilligung der Prozesskostenhilfe ist mithin eine wirksame Zustellung der Klage gewesen.

Parteifähigkeit und Prozeßfähigkeit hinsichtlich der Beklagten zu 2) liegen vor, da sie wirksam von der … Allgemeine Versicherung vertreten wird. Eine entsprechende Beauftragung über das Deutsches Büro Grüne Karte, an das die Beklagte zu 2) herangetreten ist, stellt eine zulässige Beauftragungskette dar, die zu einer rechtsgeschäftlichen Vollmacht und damit Vertretungsbefugnis führt. Der Umstand, dass der Vorstand der Beklagten zu 2) nicht als gesetzlicher Vertreter aufgeführt wird, ist unschädlich.

Der Kläger hat einen Anspruch auf eine Unkostenpauschale in Höhe von 25,00 Euro gemäß §§ 7 Abs. 1 StVG, 249 Abs. 1 BGB. Das Gericht ist davon überzeugt, dass der Beklagte zu 1) auf einer übersichtlichen Straße mit überhöhter Geschwindigkeit den Kläger überholen wollte und dabei den abbiegenden Kläger umgefahren hat. Der Sachverständige hat hierzu ausgeführt, dass der Beklagte zu 1) mit einer Geschwindigkeit von 67 bis 75 km/h gefahren sein muss. Er hat nachvollziehbar dargelegt, dass sich aus den vorhandenen Bremsspuren diese Bremsausgangsgeschwindigkeit des Beklagten zu 1) errechnen lasse. Desweiteren hat er festgestellt, dass die Gefahrerkennung in einer Entfernung von 33,5 bis 36 Meter zur Kollisionsstelle stattgefunden habe. Der Beklagte hätte mithin bei Einhaltung der erlaubten Geschwindigkeit von 50 km/h nach 32 Metern bis zum Stillstand abgebremst haben können. Damit wäre das vorliegende Unfallgeschehen zu vermeiden gewesen. Da der Beklagte zu 1) die innerorts geltende Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h gemäß § 3 Abs. 3 Nr. 1 StVO überschritten hat und dadurch einen Unfall verursacht hat, haftet er dem Kläger gemäß §§ 7 StVG, 823 Abs. 1 BGB für die hieraus entstandenen Schäden. Hierzu gehört auch eine Unkostenpauschale gemäß § 249 Abs. 1 BGB. Diese wird nach richterlichem Ermessen gemäß § 287 ZPO auf 25,00 Euro festgesetzt. Hierbei ist es unerheblich, ob dem Kläger ein Mitverschulden vorzuwerfen ist. Die Unkostenpauschale fällt auf jeden Fall an, da die Unkostenpauschale alle durch ein Unfallereignis entstehenden Aufwendungen und Unannehmlichkeiten für die Schadensbeseitigung abgilt. Diese entstehen unabhängig von der tatsächlichen Schadenshöhe.

Darüberhinaus steht dem Kläger ein Schmerzensgeld in Höhe von 1.200,00 Euro gemäß § 253 BGB zu. Die Höhe des Schmerzensgeldes wird nach billigem Ermessen festgesetzt. Zu berücksichtigen ist hierbei die Schwere der Verletzung des Klägers, der eine Fraktur von drei Brustwirbeln erlitten hat. Hierfür musste er zwölf Tage im Krankenhaus liegen und sich sodann weitere vier Wochen schonen. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass der Kläger als 15-jähriger noch einem grundsätzlich erhöhten Bewegungsdrang unterliegt. Für Jugendliche erscheint daher eine längere Schonungsphase deutlich belastender als für Erwachsene.

Nicht berücksichtigungsfähig sind dagegen weitere Schmerzen bis Dezember 2006, da der Kläger hierfür beweisfällig geblieben ist. Der Kläger hat insofern eine Parteieinvernahme gemäß § 447 ZPO beantragt. Der Beklagte hat dem nicht zugestimmt. Insofern ist eine Parteieinvernahme nicht möglich. Eine Parteieinvernahme gemäß § 448 ZPO scheitert am erforderlichen Anbeweis. Dieser ist nicht gelungen.

Umgekehrt ist ein Mitverschulden des Klägers nicht bewiesen. Hierfür ist die Beklagtenseite beweispflichtig (Palandt/Heinrich, 66. Aufl., § 254, RN 74). Da der Kläger mit einem Fahrrad unterwegs war, kommt vorliegend keine Abwägung gemäß § 17 StVG in Betracht, da diese nur zwischen den Haltern von Kraftfahr durchzuführen ist. Hier ist vielmehr gemäß §§ 9 StVG, 254 BGB ein Mitverschulden nachzuweisen. Dafür trägt der Schädiger die Beweislast. Vorliegend konnte im Rahmen der Beweisaufnahme nicht geklärt werden, ob der Kläger ein Handzeichen gegeben hat. Der Zeuge P hat hierzu bekundet, dass er sich nicht erinnern könne, ob ein Handzeichen gegeben wurde, oder nicht. Im Rahmen des Sachverständigenbeweises ist diese Frage nicht aufklärbar. Mithin kann nicht festgestellt werden, ob ein Handzeichen gegeben wurde. Dies geht zu Lasten der Beklagten. Allein in dem Umstand, dass der Kläger direkt von der rechten Fahrbahnseite den Abbiegevorgang eingeleitet hat, wie der Zeuge P glaubhaft bekundet hat, ist noch kein das Schmerzensgeld mindernder Umstand zu erblicken. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die St.-Gstraße in … weit einsehbar war, sodass der Kläger weithin sichtbar war und deshalb davon ausgehen konnte, dass er bei normalem Verkehr gefahrlos hinüber ziehen konnte. Bei Einhaltung der erlaubten Geschwindigkeit hätte sich die direkte Einleitung des Abbiegemanövers hier überhaupt nicht ausgewirkt. Darüber hinaus kann hier zwar nicht berücksichtigt werden, dass der Kläger erst 15 ist, da davon ausgegangen werden kann, dass 15-jährige auf dem Fahrrad die erforderliche Einsicht und Fähigkeit besitzen, sich im Straßenverkehr korrekt zu verhalten (Jagow/Burmann/Heß, Straßenverkehrsrecht, § 9 RN 16). Es ist aber immer davon auszugehen, dass Jugendliche im Überschwang so fahren, dass ein kurzfristiges Anhalten erforderlich wird. Das Fahrverhalten des Beklagten zu 1) hätte mithin diesem Umstand angepasst sein müssen, um den gegenseitigen Rücksichtnahmepflichten nach § 1 StVO zu genügen. Ein das Schmerzensgeld minderndes Verhalten des Klägers ist daher nicht zu berücksichtigen.

Bei der Bemessung der Höhe des Schmerzensgeldes wurde unter Zuhilfenahme der Schmerzensgeldtabellen nach Hacks/Ring/Boehm war ein Schmerzensgeldbetrag von 1.200,00 Euro angemessen. Die vom Kläger zitierten Entscheidungen betrafen deutlich langwierigere Verletzungsbilder mit deutlich mehr Verletzungen als die beim Kläger vorliegenden drei Frakturen der Brustwirbel. Teilweise waren hierbei sogar Dauerschäden zu berücksichtigen. Daher war hier ein deutlicher Abschlag von diesen Beträgen auf 1.200,00 Euro vorzunehmen. Auch unter Berücksichtigung der Entscheidungen des OLG Celle, Urteil vom 21.02.2002 AZ: 14 U 202/00 sowie des OLG Hamm, Urteil vom 13.09.2000, AZ: 13 U 211/99, (zitiert aus Jaeger/Luckey, Entscheidungen 293 und 295) die Beträge in Höhe von 2.556,46 Euro bzw. 3.000,00 Euro bei Brustwirbelfrakturen zusprechen, war ein Abschlag vorzunehmen, da die Geschädigten hier drei bzw. sechs Monate arbeitsunfähig waren. Unter Berücksichtigung einer Schonung des Klägers für sechs Wochen war hier ein entsprechender Abschlag vorzunehmen.

Der Kläger hat darüberhinaus einen Anspruch auf Freistellung von seinen Rechtsanwaltsgebühren gemäß § 249 Abs. 1 BGB, da es sich um einen adäquaten Folgeschaden handelt. Da diese noch nicht beglichen sind, war nach dem Hilfsantrag eine Freistellung auszusprechen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Der Streitwert wird auf 1.225,00 Euro festgesetzt.

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