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Verkehrsunfall zwischen PKW und Bauwagen-Anhänger

Gerichtsurteil: Versicherung haftet für Unfallschäden an geparktem Sprinter

Verkehrsunfälle zwischen Personenkraftwagen und Anhängern sind leider keine Seltenheit. Oftmals führen unterschiedliche Größen, Gewichte sowie unterschiedliche Manövrierfähigkeiten der Fahrzeuge zu solchen Kollisionen. Insbesondere bei Baustellenfahrzeugen wie Bauwagen-Anhängern, die aufgrund ihrer Maße und Länge eine besondere Herausforderung darstellen, kommt es immer wieder zu heiklen Situationen im Straßenverkehr. Für die Geschädigten bedeuten solche Unfälle nicht nur Ärger und Aufwand, sondern nicht selten auch erhebliche finanzielle Belastungen. Im Folgenden wird ein konkreter Fall eines Verkehrsunfalls zwischen einem Pkw und einem Bauwagen-Anhänger behandelt und analysiert.

[Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 2 O 346/22 >>>]

✔ Das Wichtigste in Kürze

  • Das Gericht verurteilte die beklagte Haftpflichtversicherung zur Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 5.943,26 € nebst Zinsen an den klägerischen Fahrzeugeigentümer.
  • Der Schaden am Fahrzeug des Klägers wurde durch eine Kollision mit dem bei der Beklagten versicherten Bauwagen-Anhänger verursacht.
  • Das Schadensbild am Fahrzeug war kompatibel mit einer Vorbeifahrt und Streifung durch den Anhänger, wie vom Kläger geschildert.
  • Die Wertminderung des Fahrzeugs nach der Reparatur wurde auf 729 € geschätzt, bereinigt um die Umsatzsteuer für den vorsteuerabzugsberechtigten Kläger.
  • Die Anwaltskosten für die vorgerichtliche Geltendmachung in Höhe von 527 € nebst Zinsen wurden zugesprochen.
  • Der beim Parken abgestellte Wagen des Klägers trug keine Mitverursachung.
  • Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
  • Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung.

➜ Der Fall im Detail


Kollision zwischen Pkw und Bauwagen-Anhänger – Streitiger Unfallhergang

Im vorliegenden Fall stritten die Parteien, ein Handwerksbetrieb als Kläger und die Haftpflichtversicherung eines Bauwagen-Anhängers als Beklagte, über die Folgen eines Verkehrsunfalls.

Unfall mit Bauwagen Anhänger
(Symbolfoto: Schweinepriester /Shutterstock.com)

Der Kläger behauptete, sein Firmenfahrzeug, ein Mercedes Sprinter, sei während des Parkens durch den vorbeifahrenden Anhänger der Beklagten beschädigt worden.

Der Anhänger, beladen mit einem Bauwagen, soll beim Vorbeifahren den geparkten Sprinter gestreift und dabei einen Schaden an der linken Fahrzeugseite verursacht haben. Die Beklagte hingegen bestritt die Darstellung des Klägers und zweifelte die Unfallursache an.

Beweisaufnahme und Feststellung des Unfallhergangs

Das Gericht sah die Beweislast beim Kläger als Geschädigten und ließ daher einen Zeugen sowie einen Sachverständigen zu Wort kommen. Der Zeuge, ein Mitarbeiter des Klägers, schilderte die Parksituation und bestätigte, dass er den Sprinter unbeschädigt am Straßenrand abgestellt hatte. Das Sachverständigengutachten bestätigte die Schilderungen des Zeugen und rekonstruierte den Unfallhergang anhand des Schadensbildes. Demnach sei der Schaden durch eine Streifung mit der Ringschraube am Führungsrohr des Anhängers entstanden, was auf eine Vorbeifahrt mit anschließendem Ausschwenken des Anhängers hindeutet. Obwohl die Beklagte ein Gegengutachten vorlegte, konnte der Gerichtssachverständige dieses widerlegen und die Plausibilität der klägerischen Darstellung untermauern.

Gerichtsentscheidung im Detail: Schadensersatz und Kostenverteilung

Das Gericht folgte den Argumenten des Klägers und verurteilte die Beklagte zur Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 5.943,26 € zuzüglich Zinsen. Dieser Betrag setzt sich zusammen aus den Reparaturkosten, den Gutachterkosten und einer Wertminderung des Fahrzeugs. Bei der Berechnung der Wertminderung berücksichtigte das Gericht die besondere Situation des Klägers als vorsteuerabzugsberechtigter Unternehmer. Um eine Überkompensation zu vermeiden, wurde der Wertverlust auf Basis des Netto-Fahrzeugwerts berechnet und auf 729 € festgelegt. Zusätzlich muss die Beklagte die vorgerichtlichen Anwaltskosten des Klägers in Höhe von 527 € nebst Zinsen tragen, sowie die Kosten des Rechtsstreits. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, allerdings muss der Kläger eine Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags hinterlegen.

✔ Häufige Fragen – FAQ

Wie kann der Geschädigte nach einem Verkehrsunfall Schadensersatz geltend machen?

Nach einem Verkehrsunfall muss der Geschädigte innerhalb einer Woche Kontakt zur gegnerischen Kfz-Haftpflichtversicherung aufnehmen, um sich um die Formalitäten zu kümmern und die Schadensregulierung in die Wege zu leiten. Grundsätzlich gilt, dass der Verursacher für entstandene Schäden aufkommt.

Der Geschädigte sollte sich einen Verkehrsrechtsanwalt suchen, der seine Rechte gegenüber der Versicherung durchsetzt. Die Kosten dafür muss die Versicherung des Unfallverursachers tragen. Denn der direkte Kontakt zur gegnerischen Versicherung führt oft dazu, dass der Geschädigte verunsichert und manipuliert wird.

Zu den erstattungsfähigen Kosten zählen beispielsweise Abschleppkosten, Reparaturkosten, Mietwagenkosten, Nutzungsausfall und bei Personenschäden auch Schmerzensgeld.

Bei einem Unfall mit Anhänger haftet seit einer Gesetzesänderung 2020 wieder vorrangig die Kfz-Haftpflichtversicherung des Zugfahrzeugs für den gesamten Schaden. Der Anhängerversicherer muss nur noch anteilig aufkommen, wenn der Anhänger eine gefahrerhöhende Wirkung auf den Unfall hatte, z.B. durch einen geplatzten Reifen.

Welche Beweismittel sind im Fall eines strittigen Unfallhergangs relevant?

Bei einem strittigen Unfallhergang sind folgende Beweismittel besonders relevant:

Zeugenaussagen
Aussagen von unbeteiligten Augenzeugen sind von großer Bedeutung, da sie den Unfallhergang aus neutraler Perspektive beobachtet haben. Zeugen sind verpflichtet, bei Gericht oder der Polizei eine wahrheitsgemäße Aussage zu machen. Ihre Schilderungen können Widersprüche in den Angaben der Unfallbeteiligten aufklären.

Unfallgutachten/Unfallrekonstruktion
Ein unfallanalytisches Gutachten durch einen Sachverständigen ist eines der wichtigsten Beweismittel. Anhand von Spuren, Schäden und technischen Daten können Sachverständige den Unfallhergang exakt rekonstruieren und Ursachen ermitteln. Gerichte können die Einholung eines solchen Gutachtens anordnen.

Beweissicherung vor Ort
Fotos, Skizzen und Aufzeichnungen vom Unfallort sind ebenfalls bedeutsam, da sie die Ausgangslage dokumentieren. Selbst Laien sollten unmittelbar nach dem Unfall Beweise wie Endpositionen der Fahrzeuge, Spuren und Zeugen sichern.

Polizeilicher Unfallbericht
Der Unfallbericht der Polizei enthält Angaben zum Hergang, zu Beteiligten und Zeugen sowie eine Skizze. Er dient als Beweismittel, sollte aber durch weitere Unterlagen ergänzt werden.

Fahrzeugschäden
Die Art und Verteilung der Unfallschäden an den Fahrzeugen können Rückschlüsse auf den Hergang zulassen. Ein Sachverständigengutachten ist hier aufschlussreich.

Bei strittigen Unfallhergängen ist es entscheidend, möglichst viele Beweise frühzeitig zu sichern und ein unfallanalytisches Gutachten erstellen zu lassen. Zeugenaussagen und Sachverständigengutachten haben dabei besonderes Gewicht.

§ Relevante Rechtsgrundlagen des Urteils

  • § 823 Abs. 1 BGB (Deliktsrecht): Regelt die Haftung für Schäden, die durch eine unerlaubte Handlung verursacht wurden. Die Anwendung dieser Norm ist entscheidend, da der Kläger seinen Anspruch auf Schadenersatz aus der behaupteten rechtswidrigen Beschädigung seines Fahrzeugs durch den Bauwagen-Anhänger herleitet.
  • § 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 VVG (Versicherungsvertragsgesetz): Bestimmt, dass der Versicherer verpflichtet ist, denjenigen zu entschädigen, der durch ein bei ihm versichertes Fahrzeug einen Schaden erleidet. Hier relevant, da die Beklagte als Kfz-Haftpflichtversicherer des Bauwagen-Anhängers von der Klägerseite in Anspruch genommen wird.
  • § 19 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1 StVG (Straßenverkehrsgesetz): Regelt die Haftpflicht bei Betrieb eines Fahrzeugs. In diesem Fall wichtig zur Bestimmung der Verantwortlichkeit für den durch den Betrieb des versicherten Bauwagen-Anhängers verursachten Schaden.
  • § 1 Abs. 2 StVO (Straßenverkehrs-Ordnung): Bezieht sich auf die grundlegenden Verhaltensregeln im Straßenverkehr, welche zur Verhütung von Verkehrsunfällen beitragen sollen. Der Kläger bringt vor, dass der Schaden am Fahrzeug infolge eines Verstoßes gegen diese Regelungen entstanden ist.
  • § 286 ZPO (Beweisführung im Zivilprozess): Diese Regelung ist zentral, um zu bestimmen, ob und wie das Gericht von der Behauptung eines Partei überzeugt ist. Hier angewendet, um die Glaubwürdigkeit der Aussagen des Zeugen R. und des eingeholten Gutachtens zu bewerten.
  • § 249 BGB (Schadensersatz – Naturalrestitution): Erlaubt dem Geschädigten, eine Reparatur des beschädigten Gegenstandes zu verlangen, um den Zustand vor dem Schadenseintritt wiederherzustellen. Dieser Paragraph ist hier anwendbar, da der Kläger den Ersatz der Reparaturkosten für sein Fahrzeug fordert.

Diese gesetzlichen Bestimmungen sind entscheidend zur Klärung der Haftungsfragen und der Schadensregulierung im illustrierten Fall des Verkehrsunfalls zwischen PKW und Bauwagen-Anhänger.


Das vorliegende Urteil

LG Ellwangen – Az.: 2 O 346/22 – Urteil vom 22.11.2023

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 5.943,26 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 31.12.2021 und weitere 527 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 9.2.2023 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 6.119,26 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten über Ansprüche aus einem Verkehrsunfall.

Der Kläger führt einen Handwerksbetrieb und ist Eigentümer des in diesem Betrieb eingesetzten Mercedes Sprinter mit dem Kennzeichen G. Am 21.10.2021 nutzte ein Angestellter des Klägers, der Zeuge R., das Fahrzeug für Arbeiten an einem Neubau in der G.-Straße Nr. 20 in S.

Die Beklagte ist Haftpflichtversicherin des Bauwagen-Anhängers mit dem Kennzeichen H.

An dem Fahrzeug des Klägers entstand durch einen Unfall, dessen Hergang zwischen den Parteien streitig ist, ein Schaden an der linken Fahrzeugseite, für dessen Reparatur 4.334,71 € netto aufgewendet werden müssen. Der Kläger verauslagte 854,55 € netto für ein Sachverständigengutachten zur Ermittlung der Schadenshöhe.

Nachdem die Beklagte mit Schreiben vom 30.12.2021 eine Regulierung ablehnte, ließ der Kläger den Klageanspruch vorgerichtlich durch seine Prozessbevollmächtigten geltend machen. Diese forderten die Beklagten mit Schreiben vom 9.2.2022 nochmals zur Zahlung auf. Für die anwaltliche Vertretung entstanden dem Kläger Kosten von 599,80 € netto.

Der Kläger behauptet, der Zeuge R. hätte den Sprinter am 21.10.2021 tagsüber in der G.-Straße am rechten Fahrbahnrand zwischen den Hausgrundstücken Nr. 20 und 22 unbeschädigt abgestellt. Während der Zeuge R. in dem Haus arbeitete, sei es zu einer Kollision zwischen dem geparkten Fahrzeug des Klägers und dem bei der Beklagten versicherten Bauwagen gekommen. Der Schaden am Fahrzeug des Klägers sei durch ein Vorbeiziehen des Anhängers an dem Fahrzeug des Klägers entstanden.

Neben den Reparaturkosten habe das Fahrzeug die von dem Schadensgutachter ermittelte Wertminderung von 900 € erlitten. Daneben stünde dem Kläger eine Auslagenpauschale von 30 € zu.

Der Kläger beantragt:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 6.119,26 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweils geltenden Basiszinssatz seit dem 31.12.2021 zu bezahlen.

2. Die Beklagte wird weiter verurteilt, an den Kläger vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 599,80 € netto nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweils geltenden Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte bestreitet, dass der Schaden wie klägerseits geschildert durch den bei der Beklagten versicherten Bauwagen entstanden sei. Wie in dem vorgerichtlich eingeholten Sachverständigengutachten festgehalten, passe das Schadensbild am Klägerfahrzeug nicht zu diesem Vortrag. Insbesondere hätte es durch die Formen des Sprinters und des Bauwagens bei einem Zusammenstoß zwingend zu weiteren Kollisionsstellen kommen müssen, die aber hier nicht festgestellt werden konnten.

Die Wertminderung des klägerischen Fahrzeugs bestreitet die Beklagte zum einen grundsätzlich. Daneben ist sie der Ansicht, dass bei dem vorsteuerabzugsberechtigten Kläger die Wertminderung aus einem um den Mehrwertsteueranteil ermäßigten Fahrzeugwert berechnet werden müsste. Die Kostenpauschale sei in Höhe von 20 €, höchstens von 25 € anzusetzen.

Das Gericht hat in der mündlichen Verhandlung vom 18.10.2023 den Zeugen R. vernommen und ein mündliches Sachverständigengutachten von Dipl.-Ing. (FH) P. eingeholt. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Akte, wegen des Beweisergebnisses auf das Sitzungsprotokoll verwiesen.

Entscheidungsgründe

I. Die Klage ist zulässig und im tenorierten Umfang begründet.

1. Der Kläger hat gegen die Beklagte Anspruch auf Ersatz seines Schadens aus einer Kollision zwischen dem Mercedes Sprinter G und dem Bauwagen-Anhänger H aus § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. § 19 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1 StVG, § 1 Abs. 2 StVO, § 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 VVG.

2. Nach Durchführung der Beweisaufnahme ist das Gericht davon überzeugt, dass der Schaden an dem klägerischen Fahrzeug durch eine Längsstreifung bei Vorbeifahrt in Fahrtrichtung durch den bei der Beklagten versicherten Bauwagenanhänger entstanden ist. Dies ergibt sich aus einer Gesamtschau der Aussage des Zeugen Richter und dem Sachverständigengutachten von Dipl.-Ing. (FH) P. und den dem Gutachten zu Grunde liegenden Fotodokumentationen der Parteien.

a) Der Zeuge R. hat die Parksituation der beiden unfallbeteiligten Fahrzeuge widerspruchsfrei geschildert. Das Unfallgeschehen selbst hat der Zeuge nicht gesehen und auch nicht behauptet, hierzu etwas wahrgenommen zu haben.

b) Das Sachverständigengutachten P. beweist einen Unfallhergang, der der von dem Zeugen geschilderten räumlichen Situation, also einer Vorbeifahrt des Anhängers mit Zugfahrzeug in Fahrtrichtung des geparkten Sprinters, entspricht. Der Schaden am Fahrzeug des Klägers wurde durch ein Vorbeistreifen der Ringschraube am Führungsrohr für die Stütze hinten rechts des Bauwagens verursacht.

Die Schäden sind entgegen dem von der Beklagtenseite vorgelegten Gutachten kompatibel.

Der Gerichtssachverständige hat bei seiner Analyse nicht nur die Höhenprofile der beteiligten Fahrzeuge berücksichtigt, sondern den möglichen Fahrtweg rekonstruiert. Dies entkräftet das Argument der Beklagten, das bei einer Kollision der Fahrzeuge zwingend auch der linke Außenspiegel des Sprinters hätte beschädigt werden können. Bereits aus dem bogenförmig verlaufenden Schadensbild am Klägerfahrzeug hat der Sachverständige folgern können, dass eine gerade Vorbeifahrt der Fahrzeuge den Schaden nicht erklären kann. Das Schadensbild spricht vielmehr eindeutig für eine Bogenfahrt, bei der dann eine Kollision mit dem Außenspiegel des Sprinters – ebenso wie mit der vorderen rechten Ecke des Anhängers – gerade nicht zwingend ist.

Der Sachverständige hat sich auch mit den Einwand der Beklagten auseinandergesetzt, dass bei einer Kollision der Fahrzeuge auch das Führungsrohr der Anhängerstützen Kontakt zum Klägerfahrzeug gehabt haben muss. Zum einen konnte der Sachverständige auf den vorliegenden Schadensfotos farblich zum Klägerfahrzeug passende Farbantragungen an diesem Führungsrohr feststellen, was dafür spricht, dass ein solcher Kontakt – sehr leicht und ohne unmittelbar festgestellte Schadensfolgen – tatsächlich eingetreten ist. Zum anderen kann die Kontaktstelle zwischen den Fahrzeugen sich durch die Höhenlagen der Fahrzeuge verändern. Diese ließ sich wegen fehlender Anknüpfungstatsachen zur Kupplungshöhe am Anhänger, dem Schrägstand des Klägerfahrzeugs am Fahrbahnrand und der Beladung nicht genau rekonstruieren. Je nach relativem Schrägstand wäre ein Kontakt zwischen dem Führungsrohr und dem Klägerfahrzeug auch nicht zwingend gewesen.

Wie der Sachverständige herausgearbeitet hat, kann das Schadensbild einem Ausschwenken des Anhängers bei einer Kurvenfahrt mit Gegenkorrektur zugeordnet werden. Dieses Fahrtmuster dürfte der von dem Zeugen geschilderten räumlichen Situation einer von Baufahrzeugen beparkten Straße eines Baugebiets geradezu typisch entsprechen.

Eine alternative Hypothese zur Entstehung des Schadens hat der Sachverständige auch auf Nachfrage des Gerichts nicht nennen können. Damit spricht alles dafür, dass der Schaden am Klägerfahrzeug durch den bei der Beklagten versicherten Bauwagenanhänger verursacht wurde.

c) Für die Überzeugung des Gerichts, § 286 Abs. 1 ZPO, ist es nicht erforderlich, dass alle anderen Möglichkeiten naturwissenschaftlich ausgeschlossen sind. Auch wenn der Unfallhergang nicht vollständig rekonstruiert werden kann, lässt die Gesamtschau der Beweise doch keinen vernünftigen Zweifel daran, dass sich der Unfall wie vom Kläger vorgetragen ereignet hat.

d) Das geparkte Klägerfahrzeug hat keinen Verursachungsbeitrag zu dem Unfall geleistet. Die Beklagte haftet voll für die Schäden des Klägers.

3. Dem Kläger ist durch den Unfall ein Schaden von 5.943,26 € entstanden.

a) Die Höhe der Reparaturaufwendungen des Klägers hat die Beklagte nicht bestritten, ebenso wenig die Höhe der Gutachterkosten.

b) Das Gericht schätzt die Wertminderung des klägerischen Fahrzeugs auf 729 €.

Das Gericht stützt sich bei dieser Schätzung auf das klägerseits vorgelegte Schadensgutachten, dessen Richtigkeit die Beklagte zwar pauschal in Frage gestellt, aber nicht inhaltlich angegriffen hat. Das Gutachten weist eine steuerneutrale merkantile Wertminderung von 900 € aus. Die Beklagte wendet zu Recht ein, dass einem zum Vorsteuerabzug berechtigten Geschädigten wie dem hier Beklagten ein unberechtigter Vorteil entstünde, wenn – wie nach allgemeiner Methodik – die Wertminderung auf Grundlage des Brutto-Fahrzeugwerts berechnet wird. Im Wege der Schätzung hat das Gericht daher den von dem Sachverständigen ermittelten Minderwert um den Umsatzsteueranteil bereinigt, § 287 Abs. 1 ZPO.

Mit dem merkantilen Minderwert wird der Nachteil ausgeglichen, der dem Geschädigten entstehen würde, wenn er das Fahrzeug unmittelbar nach Reparatur verkaufen würde, denn durch nicht ganz unerhebliche Reparaturen sinkt der Marktwert. Die Berechnung des merkantilen Minderwert erfolgt auf Grundlage des nach den Fahrzeugdaten ermittelten Marktpreises eines Fahrzeugs, in dem ein Umsatzsteueranteil enthalten ist, und dem Umfang und der Art der Schäden.

Verkauft der Geschädigte sein Fahrzeug nach Reparatur und kann er wegen der gewerblichen Nutzung des Fahrzeugs die Umsatzsteuer als Vorsteuer abziehen, führt diese Berechnungsmethode zu dem Ergebnis, dass die Wertminderung einen um den Umsatzsteuersatz höheren prozentualen Anteil des Fahrzeugrestwerts ausmachen würde als bei einem nicht zum Vorsteuerabzug berechtigten Geschädigten.

Die Frage, ob und auf welcher gesetzlichen Grundlage eine Korrektur dieses steuerlichen Effekts erfolgen soll, ist umstritten.

Teilweise wird eine solche Korrektur abgelehnt, dass der einschlägige § 251 BGB anders als § 249 Abs. 2 S. 2 BGB gerade keine Steuerbereinigung vorsehe und die steuerlichen Umfeldbedingungen des Verkaufs zum Schadenszeitpunkt unbekannt seien (AG München, Urteil vom 26.9.2022 – 336 C 1795/22, BeckRS 2022, 35442; AG Aschaffenburg, Urteil vom 30.3.2023 – 130 C 302/22, BeckRS 2023, 6453).

Die eine Korrektur befürwortende Ansicht stellt maßgeblich auf das schadensrechtliche Bereicherungsverbot ab (LG Dortmund, Urteil vom 8.11.2022 – 21 O 363/21, SVR 2023, 266; AG Düsseldorf, Urteil vom 5.8.2019 – 39 C 107/19, VersR 2020, 179; AG Remscheid, Urteil vom 10.11.2017 – 8a C 190/16, BeckRS 2017, 144236; AG Wipperfürth, Urteil vom 10.7.2020 – 9 C 90/20, BeckRS 2020, 26424; Grüneberg, in: Grüneberg, BGB, 82. Aufl. 2023, § 251 Rn. 14; Wimber, in: Burmann/Heß/Jahnke, Straßenverkehrsrecht, 27. Aufl. 2022, § 249 BGB Rn. 109; Exter, NZV 2023, 473).

Für die zuerst genannte Ansicht spricht, dass im Rahmen der Schätzung der Wertminderung – § 251 BGB, § 287 Abs. 1 ZPO – keine Steuerprognose für den Verkaufsfall des Fahrzeugs angestellt werden kann und muss. Es ist unbestreitbar richtig, dass § 251 BGB anders als § 249 Abs. 2 S. 2 BGB keine Regel zur Berücksichtigung der Umsatzsteuer enthält. Es erscheint auch systemfremd, im Rahmen der als Vereinfachung gedachten Schätzung nach § 287 Abs. 1 ZPO abstrakte steuerliche Überlegungen anzustellen.

Dennoch ist der zuletzt genannten Ansicht der Vorzug zu geben.

Es widerspricht dem Verbot der Überkompensation als Fundamentalprinzip des Schadensersatzrechts, dem Geschädigten einen Ausgleich für einen nicht bestehenden Schaden zuzusprechen. Dieses Prinzip gilt im gesamten Schadensersatzrecht. Aus der ausdrücklichen Nennung von Steuereffekten in § 249 Abs. 2 S. 2 BGB kann nicht gefolgert werden, dass eine Überkompensation aus steuerlichen Gründen im Anwendungsbereich von § 251 BGB gerade erlaubt sein sollte.

Nach der allgemein üblichen und anerkannten Berechnungsmethode der merkantilen Wertminderung nach einem Autounfall kommt es allein auf einen hypothetischen Verkauf unmittelbar nach der Reparatur des Fahrzeugs an. Bei dieser Methode bleiben später eintretende Änderungen – neben den hier betrachteten Änderungen des steuerlichen Umfelds sind Preisschwankungen auf dem Gebrauchtwagenmarkt ein offensichtlicher Ansatzpunkt für diesen Gedanken – außer Betracht. Damit kann das Argument, dass eine Berechtigung zum Vorsteuerabzug zum Zeitpunkt der Reparatur keinen Rückschluss auf den zu einem späteren Zeitpunkt tatsächlich eintretenden Steuervorteil des Geschädigten zulassen, nicht überzeugen. Denn bei allen anderen Merkmalen zur Berechnung des merkantilen Minderwerts kommt es auf die zukünftige Entwicklung auch nicht an.

Durchaus bedenkenswert ist der Gedanke, dass eine Vereinfachungsnorm wie § 287 Abs. 1 ZPO nicht dadurch entwertet werden sollte, dass die Schätzung durch Regeln zur Berücksichtigung weiterer Sachverhalte komplizierter wird. Die Erleichterung durch die Möglichkeit zur Schätzung von Schadensfolgen ist umso wirksamer, je freier die Schätzung vorgenommen werden kann. Die Vereinfachungen von § 287 Abs. 1 ZPO sind indes primär dazu gedacht, den Geschädigten zu entlasten, nicht die Gerichte. Naheliegende Anhaltspunkte zur Verbesserung der Schätzgrundlage sind durch die Gerichte zu nutzen (BVerfG, Beschluss vom 8.12.2009 – 1 BvR 3041/06, NJW 2010, 1870). Die Berücksichtigung der wirtschaftlichen Folgen des Vorsteuerabzugs bei der merkantilen Wertminderung ist in ihrer Handhabung auch nicht so schwierig, dass sie die Schadensschätzung übermäßig belasten würde – im Anwendungsbereich des § 249 BGB erfolgt diese Unterscheidung wegen § 249 Abs. 2 S. 2 BGB ohnehin.

Nach alldem sieht das Gericht keine überzeugenden Gründe, bei der Schätzung des merkantilen Minderwerts von dem Verbot der Überkompensation abzuweichen.

c) Die klägerseits verlangte Aufwandspauschale schätzt das Gericht wie in vergleichbaren Fällen auf 25 €.

Der Zinsanspruch auf den berechtigten Teil der Hauptforderung ab dem 30.12.2021 nach der Verweigerung der Regulierung am 30.12.2021 folgt aus §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB.

Wegen des überschießend verlangten Betrags ist die Klage abzuweisen.

4. Die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten sind als erstattungsfähige Schadensposition allgemein anerkannt. Aus dem berechtigten Gegenstandswert von 5.942,26 € ergibt sich eine vorgerichtliche Gebühr von 527 €.

Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 291 S. 1, 288 Abs. 1 BGB.

Wegen der weitergehenden Forderung ist die Klage abzuweisen.

II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Die Klägerin unterliegt nur zu einem geringen Teil von weniger als 5 % des Gebührenstreitwerts.

III. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 S. 1, S. 2 ZPO.

IV. Der Streitwert entspricht dem Zahlungsantrag in der Hauptsache, § 3 ZPO.

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