Skip to content
Menü

Verkehrsunfall: Zwischen Linksabbieger und entgegenkommendem Fahrzeug

LG Hamburg, Az.: 302 O 353/12

Urteil vom 04.09.2013

1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin € 10.034,32 zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus € 10.027,18 seitdem 19.07.2012 sowie aus € 17,14 seit dem 14.02.2013 zu zahlen.

2. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteiltet, die Klägerin von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von € 962,71 zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 14.02.2013 durch Zahlung an die O. & C. Rechtsanwälte Partnerschaftsgesellschaft freizustellen.

3. Die Beklagten haben als Gesamtschuldner die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

4. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt Schadensersatz im Zusammenhang mit einem Verkehrsunfall, der sich am 21.05.2012 gegen 12:15 Uhr auf der H. straße in Hamburg ereignete.

Verkehrsunfall: Zwischen Linksabbieger und entgegenkommendem Fahrzeug
Symbolfoto: robuart/Bigstock

Der Sohn der Klägerin, der Zeuge S. befuhr mit dem Fahrzeug der Klägerin mit dem amtlichen Kennzeichen D. am Unfalltag die H. straße kommend von der B… straße die Kreuzung W. C. W. M. straße überquerend auf dem linken von zwei Fahrstreifen. Der Beklagte zu 1 befuhr mit seinem bei der Beklagten zu 2 haftpflichtversicherten Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen H. die H. straße in ein. Richtung W. Der Beklagte zu 1 bog aus seiner Sicht vor der Kreuzung W. C. /W. M. straße links auf einen Hofparkplatz in Höhe H. straße … ein. Die Einfahrt befindet sich in einer Entfernung von mindestens 20 m zu der genannten Kreuzung (vgl. Anlage 1 zum Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 07.08.2013). Während des Abbiegevorgangs kam es zu einer Kollision mit dem entgegenkommenden Fahrzeug der Klägerin, die sich auf dem Fahrstreifen des klägerischen Fahrzeugs ereignete.

Am klägerischen Fahrzeug entstand Totalschaden. Gemäß Gutachten der Sachverständigen H. Ingenieurbüro GmbH vom 24.05.2012 (Anlage K1) beträgt der Wiederbeschaffungswert brutto € 13.600,00 (netto € 13.281,25) und der Restwert brutto € 4.600,00. Für eine Teilzerlegung sind Kosten in Höhe von € 163,03 entstanden (Anlage K3). Für die Erstellung des Sachverständigengutachtens hat die Klägerin € 1.077,90 aufgewandt (Anlage K2). Zudem macht die Klägerin eine allgemeine Ummeldekostenpauschale von € 75,00 sowie eine allgemeines Kostenpauschale von € 20,00 geltend. Zur Beweissicherung wurden der Klägerin von dem vorgenannten Sachverständigen € 17,14 für die Sicherung von Lichtbildern in Rechnung gestellt. Die Prozessbevollmächtigten der Klägerin waren vorgerichtlich tätig (Anlage K4, K6). Hierfür sind € 962,71 vorgerichtliche Rechtsanwaltsgebühren angefallen. Die Beklagte zu 2 hat mit Schreiben vom 18.07.2012 die Ansprüche der Klägerin zurückgewiesen.

Die Klägerin behauptet, der Beklagte zu 1 habe den Verkehrsunfall durch seinen Abbiegevorgang allein verschuldet.

Die Klägerin beantragt:

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin € 10.034,32 zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus € 10.027,18 seit dem 19.07.2012 sowie aus € 17,14 seit dem 14.02.2013 zu zahlen.

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilte, die Klägerin von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von € 962,71 zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 14.02.2013 durch Zahlung an die O. & C. Rechtsanwälte Partnerschaftsgesellschaft freizustellen.

Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.

Die Beklagten behaupten, der Zeuge S. habe mit überhöhter Geschwindigkeit und bei Rotlicht anzeigender Lichtzeichenanlage die Kreuzung W. C. /W. M. Straße passiert, hiermit habe der Beklagte zu 1 nicht rechnen müssen.

Das Gericht hat den Beklagten zu 1 angehört und die Zeugen S., R. und L. vernommen. Bezüglich des Inhalts der Anhörung und Vernehmungen wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 07.08.2013 verwiesen. Das Gericht hat weiterhin die Verkehrsunfallakte zum Aktenzeichen 9750.02.003346.6 beigezogen und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist begründet

Der Klägerin hat gegen die Beklagten einen Anspruch aus §§ 7 Abs. 1, 18 Abs. 1 StVG, 823 Abs. 1 BGB, 115 Abs. 1 Nr. 1 WG, 1 PflVG auf Erstattung der Unfallschäden aus dem Verkehrsunfall vom 21.05.2012 in Höhe von € 10.034,32.

Der Unfall ereignete sich beim Betrieb der der Klägerin und dem Beklagten zu 1 als Halter zuzuordnenden Fahrzeuge; die Beklagte zu 2 ist Haftpflichtversicherer des Fahrzeugs des Beklagten zu 1. Sind an dem die Haftung begründenden Unfallereignis mehrere Kraftfahrzeuge beteiligt, so hängt die Verpflichtung zum Ersatz des dem jeweiligen Fahrzeughalter entstandenen Schadens sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes nach § 17 Abs. 1, 2 StVG von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht und verschuldet worden ist. Bei der Abwägung sind nur solche Umstände zu berücksichtigen, die nachgewiesen ursächlich für den Schaden geworden sind.

Die hiernach vorzunehmende Abwägung führt zu einer Alleinhaftung der Beklagten. Der ihnen zuzuordnende Verursachungs- und Verschuldensanteil überwiegt so deutlich, dass die einfache Betriebsgefahr des Fahrzeugs der Klägerin hierhinter vollständig zurücktritt.

Der Beklagte zu 1 beging einen schwer zu gewichtenden Verkehrsverstoß nach § 9 Abs. 5 StVO, indem er nach links in das Grundstück H. straße … abbog, ohne das ihm entgegenkommen de Fahrzeug der Klägerin durchfahren zu lassen. Der Sorgfaltspflichtverstoß und dessen Verschulden ergeben sich dabei aus einem Anscheins beweis. Der Kollisionsort befindet sich im Bereich der Gegenfahrbahn des Beklagten zu 1. Kommt es bei einem Linksabbiegevorgang in ein Grundstück zu einem Zusammenprall mit dem Gegenverkehr auf der Gegenfahrbahn, so ist typischerweise anzunehmen, dass ein Verstoß gegen die Wartepflicht des § 9 Abs. 5 StVO zum Unfall führte.

Die Beklagten konnten den Anscheinsbeweis nicht erschüttern. Die ernsthafte Möglichkeit einer abweichenden Unfallverursachung ergibt sich nicht aus einer überhöhten Geschwindigkeit des klägerischen Fahrzeugs und entsprechender Vermeidbarkeit des Unfallgeschehens, denn die Beklagten konnten eine Unfallvermeidbarkeit nicht nachweisen. Der Beklagte zu 1 hat im Rahmen seiner Anhörung angegeben, zirka 30-40 Sekunden am linken Rand seiner Fahrspur in Höhe der Grundstückseinfahrt gewartet zu haben, bevor er angefahren und unmittelbar abgebogen sei. Nachdem er zirka einen halben Meter gefahren sei, habe er das klägerische Fahrzeug gesehen, gebremst und im gleichen Moment sei es zur Kollision gekommen. Auch den Lichtbildern mit den Unfallendstellungen auf Blatt 5 der beigezogenen Verkehrsunfallakte ist zu entnehmen, dass der Beklagte zu 1, dessen Fahrzeug im vorderen Bereich getroffen wurde, zirka 1 m gefahren ist, bevor es zur Kollision kam. Da der Beklagte zu 1 zudem angegeben hat, „normal“ angefahren zu sein, ist von einer normalen Anfahrbeschleunigung eines Personenkraftwagens von 2 m/s2 auszugehen. Nach alledem fand die Kollision zirka 1 Sekunde nach dem Anfahren des Beklagten zu 1 statt. Berücksichtigt man weiter, dass erst durch das Anfahren des Beklagten zu 1 eine Reaktionsaufforderung für den Zeugen S. bestand und grundsätzlich von einer Reaktionszeit von 1 Sekunde auszugehen ist, ist festzustellen, dass der Unfall für den Zeugen S. auch bei einer Geschwindigkeit von 50 km/h nicht vermeidbar gewesen wäre. Auch bei einer Geschwindigkeit von 50 km/h hätte der Zeuge S. das klägerische Fahrzeug in einer so kurzen Zeitspanne angesichts eines Anhaltewegs von zirka 27 m nicht rechtzeitig zum Stehen bringen können.

Einen Verkehrsverstoß des Zeugen S, … der die zurücktretende einfache Betriebsgefahr des klägerischen Fahrzeugs erhöhte, konnten die Beklagten darüber hinaus nicht nachweisen. Das klägerische Fahrzeug hat sich der Unfallstelle zum einen nicht mit einer unfallkausalen, überhöhten Geschwindigkeit angenähert. Diesbezüglich kann auf die obigen Ausführungen verwiesen werden. Die Beklagten konnten zum anderen auch keinen unfallkausalen Rotlichtverstoß des Zeugen S. nachweisen. Es handelt sich vorliegend nicht um ein Abbiegen im Kreuzungsbereich. Vielmehr bog der Beklagte zu 1 in ein Grundstück ein, dessen Einfahrt sich mindestens 20 m vor dem Kreuzungsbereich befindet. Der abbiegende Beklagte zu 1 war damit nicht in den Schutzbereich der Lichtzeichenanlage einbezogen. Da der Beklagte zu 1 zudem jederzeit mit aus dem Kreuzungsbereich einbiegendem und ihm dadurch entgegenkommenden Verkehr rechnen musste, durfte er – auch bei unterstelltem Rotlicht – nicht auf ausbleibenden Gegenverkehr vertrauen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist im Übrigen die Ursächlichkeit eines verkehrswidrigen Verhaltens für einen Verkehrsunfall für den Zeitpunkt zu untersuchen, in dem der Kraftfahrer verpflichtet gewesen wäre, Maßnahmen zur Abwendung der den Unfall unmittelbar herbeiführenden Gefahren zu treffen (BGH, Urteil vom 11.01.1977, VI ZR 268/74, zitiert nach juris). Danach würde ein – für diese Überlegung zu unterstellender – Rotlichtverstoß nicht für einen rechtlichen Ursachenzusammenhang mit dem nachfolgenden Unfall genügen. Ein rechtlicher Zusammenhang kann nicht bejaht werden, da bei dem Unfall keine Gefahr mitgewirkt hat, die durch die Lichtzeichenanlage geregelt werden sollte. Selbst bei einem – unterstellten – Rotlichtverstoß brauchte der Zeuge S. nach dem Überqueren der Kreuzung mit einer Verletzung seines Vorfahrtsrechts durch den Wartepflichtigen nicht zu rechnen. Er darf solange darauf vertrauen, dass sein Vorfahrtsrecht beachtet wird, wie ihm eine drohende Verletzung des Vorrechts noch nicht erkennbar sein muss. Hinsichtlich der fehlenden Erkennbarkeit wird auf die obigen Ausführungen im Zusammenhang mit der Geschwindigkeit des klägerischen Fahrzeugs verwiesen. Damit kann letztlich dahinstehen, ob die Zeugen R. und K. L. den Zeugen S. – entgegen dessen Angaben – bei für ihn Rotlicht zeigender Lichtzeichenanlage in die Kreuzung haben fahren sehen.

Die Schadenshöhe einschließlich der Nebenforderungen ist unstreitig. Die Unfallpositionen summieren sich auf € 10.034,32. Die Zinsforderung ergibt sich unter dem Gesichtspunkt des Verzuges. Der Kläger hat auch Anspruch auf Freihaltung von den Kosten, die er für die vorgerichtliche Tätigkeit seines Prozessbevollmächtigten aufwenden musste.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.

Hinweis: Informationen in unserem Internetangebot dienen lediglich Informationszwecken. Sie stellen keine Rechtsberatung dar und können eine individuelle rechtliche Beratung auch nicht ersetzen, welche die Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalles berücksichtigt. Ebenso kann sich die aktuelle Rechtslage durch aktuelle Urteile und Gesetze zwischenzeitlich geändert haben. Benötigen Sie eine rechtssichere Auskunft oder eine persönliche Rechtsberatung, kontaktieren Sie uns bitte.

Unsere Hilfe im Verkehrsrecht und Versicherungsrecht

Wir sind Ihr Ansprechpartner in Sachen Verkehrsrecht, Versicherungsrecht und der Regulierung von Verkehrsunfällen.

Rechtsanwälte Kotz - Kreuztal

Urteile aus dem Verkehrsrecht und Versicherungsrecht

Unsere Kontaktinformationen

Rechtsanwälte Kotz GbR

Siegener Str. 104 – 106
D-57223 Kreuztal – Buschhütten
(Kreis Siegen – Wittgenstein)

Telefon: 02732 791079
(Tel. Auskünfte sind unverbindlich!)
Telefax: 02732 791078

E-Mail Anfragen:
info@ra-kotz.de
ra-kotz@web.de

Rechtsanwalt Hans Jürgen Kotz
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Rechtsanwalt und Notar Dr. Christian Kotz
Fachanwalt für Verkehrsrecht
Fachanwalt für Versicherungsrecht
Notar mit Amtssitz in Kreuztal

Bürozeiten:
MO-FR: 8:00-18:00 Uhr
SA & außerhalb der Bürozeiten:
nach Vereinbarung

Für Besprechungen bitten wir Sie um eine Terminvereinbarung!