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Verkehrsunfall – Widerlegung des Anscheinsbeweises für ein Verschulden des Linksabbiegers

OLG Frankfurt, Az.: 13 U 195/11, Urteil vom 28.02.2014

Auf die Berufung der Beklagten und unter Zurückweisung der Berufung des Klägers wird das Urteil des Einzelrichters der 9. Zivilkammer des Landgerichts Darmstadt vom 04.11.2011 abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

I.

Von der Darstellung des Tatbestandes wird nach §§ 540Abs. 2, 313 a Abs. 1 Satz 1 ZPO abgesehen.

II.

Die zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet, diejenige der Beklagten begründet.

Verkehrsunfall - Widerlegung des Anscheinsbeweises für ein Verschulden des Linksabbiegers
Symbolfoto: Von Dmitry Kalinovsky /Shutterstock.com

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist der Senat tatrichterlich davon überzeugt, dass der streitgegenständliche Verkehrsunfall allein von dem Kläger zu verantworten ist.

Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass der Kläger mit einer den örtlichen Verhältnissen nicht angepasster Geschwindigkeit gefahren ist. Der Kläger stellt darüber hinaus nicht in Abrede, das Fahrzeug der Beklagten zu 1. erst bemerkt zu haben, als er zu einem Ausweichen nicht mehr in der Lage war. Demnach hat er, der Kläger, die im Straßenverkehr gebotene Vorsicht und Rücksichtnahme in erheblichem Maße vermissen lassen.

Für ein Fehlverhalten der Beklagten zu 1. ist hingegen nichts ersichtlich.

Das Linksabbiegen der Beklagten zu 1. erfolgte an einer zulässigen Stelle und in einer auch im Lichte des § 9 Abs. 1 StVO nicht zu beanstandenden Weise.

Dafür, dass die Beklagte zu 1. den Fahrtrichtungsanzeiger zu spät betätigt haben könnte, ist nichts ersichtlich. Zwar hat die Beklagte zu 1. bei ihrer informatorischen Anhörung im Termin vom 28.04.2010 erklärt, sie habe den Blinker „nach der Rechtskurve“ gesetzt (Bl. 89 d.A.). Hieraus ist entgegen der Auffassung des Prozessbevollmächtigten des Klägers jedoch nicht zu folgern, dass die Beklagte zu 1. erst zu blinken begonnen hätte, nachdem sie sich wieder auf gerader Strecke – und damit bereits auf Höhe der Einmündung – befunden hätte. Einen derartigen Geschehensablauf hat bei seiner Anhörung noch nicht einmal der Kläger selbst geschildert (vgl. die Sitzungsniederschrift vom 28.04.2010, Bl. 88 f. d.A.).

Ein fahrerisches Fehlverhalten der Beklagten zu 1. lässt sich auch nicht damit begründen, dass diese nach links abgebogen ist, obwohl sie nur ein beschränktes Sichtfeld nach hinten hatte. Nach den Feststellungen des Sachverständigen A war im Innenspiegel des Klägerfahrzeugs ein Bereich bis etwa 77 m hinter dem Pkw zu sehen (vgl. Blatt 14 des Gutachtens vom 22.06.2011). Dies war ausreichend, so dass die Beklagte zu 1. nicht gehalten war, generell von einem Linksabbiegen Abstand zu nehmen. Mit der Tatsache, dass es an der betreffenden Stelle gleichwohl zu einem Unfall kommen würde, weil sich der Kläger mit nicht angepasster Geschwindigkeit näherte, brauchte die Beklagte zu 1. nicht zu rechnen.

Darüber hinaus sind auch keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die Beklagte zu 1. gegen ihre doppelte Rückschaupflicht verstoßen hätte. Die bloße Tatsache, dass sie, die Beklagte zu 1., den Abbiegevorgang eingeleitet hat, ohne den sich von hinten nähernden Kläger zu bemerken, ist kein Indiz für einen entsprechenden Pflichtverstoß. Aufgrund der nachvollziehbaren und von dem Kläger insoweit nicht angegriffenen Ausführungen des Sachverständigen A steht fest, dass der Kläger noch nicht im Rückspielgel des Beklagtenfahrzeugs erkennbar war, als sich die Beklagte zu 1. zum Abbiegen einordnete (vgl. Bl. 17 f. des Gutachtens vom 22.06.2011). Ebenso wenig ist nachgewiesen, dass der Kläger bei Einleitung des eigentlichen Abbiegevorgangs durch die Beklagte zu 1. bereits zu sehen war (vgl. Blatt 15 und 18 des Gutachtens vom 22.06.2011). Somit kann ein Verstoß der Beklagte zu 1. gegen ihre Rückschaupflicht nicht mit dem Argument begründet werden, dass sie ansonsten den Kläger hätte bemerken müssen.

Aus demselben Grund – fehlende Erkennbarkeit des von hinten kommenden Klägerfahrzeugs – sind vorliegend die von dem Kläger in Bezug genommenen Entscheidungen des Hanseatischen Oberlandesgerichts vom 27.02.2012 (Az. 15 U 15/12) und des Kammergerichts vom 16.08.2010 (Az. 22 U 15/10) nicht einschlägig. Denn der dort statuierte Beweis des ersten Anscheins für ein (Allein-)Verschulden des nach links abbiegenden Kraftfahrzeugführers ist bereits dann widerlegt, wenn der Abbiegende den Unfallgegner – wie hier – aufgrund der topographischen Gegebenheiten nicht rechtzeitig wahrnehmen kann.

Aus alledem folgt, dass bei der gemäß § 17 Abs. 1 StVG vorzunehmenden Abwägung der Verursachungsbeiträge sowohl das erhebliche Verschulden des Klägers als auch die von beiden Unfallfahrzeugen ausgehenden Betriebsgefahren zu berücksichtigen sind. Dabei tritt die Betriebsgefahr des Beklagtenfahrzeugs im Ergebnis hinter dem erheblichen Verursachungsbeitrag des Klägers zurück. Dieser hätte das Unfallereignis nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme vermeiden können, was für die Beklagte zu 1. nicht gilt (vgl. Bl. 17 f. des Gutachtens des Sachverständigen A vom 22.06.2011).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708Nr. 10, 713 ZPO in Verbindung mit § 26 Nr. 8 EGZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung, noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO). Das Urteil erschöpft sich in der tatrichterlichen Würdigung eines nicht verallgemeinerungsfähigen Einzelfalls.

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