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Verkehrsunfall – Verursachung einer Halswirbelsäulenverletzung

AG Bremen, Az.: 4 C 213/03, Urteil vom 05.11.2003

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin Euro 960,00 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 18.07.2003 zu zahlen.

Die Beklagten tragen die Kosten des Rechtsstreits gesamtschuldnerisch.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Den Beklagten bleibt nachgelassen, die Vollstreckung der Klägerin gegen Leistung einer Sicherheit von 110 % des aufgrund des Urteils zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Der Streitwert wird auf Euro 960,00 festgesetzt.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt von den Beklagten Zahlung eines Schmerzensgeldes aufgrund eines Auffahrunfalls vom 18.05.2002, gegen 13.00 Uhr.

Verkehrsunfall - Verursachung einer Halswirbelsäulenverletzung
Symbolfoto: Von RossHelen /Shutterstock.com

Die Klägerin war Beifahrerin in einem Fahrzeug Ford Scorpio, amtliches Kennzeichen HB-… …, das wartend an einer roten Ampel hielt. Auf dieses Fahrzeug fuhr der Beklagte zu 1) mit dem bei der Beklagten zu 2) haftpflichtversicherten Mercedes Benz 250 D, amtliches Kennzeichen HB-… …, auf. Die grundsätzliche Haftung der Beklagten zu 100 % ist unstreitig.

Die Klägerin behauptet, sie sei durch das Unfallgeschehen verletzt worden. Sie habe eine Halswirbelsäulendistorsion erlitten. Sie sei nach der Kollision zunächst zu ihren Eltern gefahren worden. Dort sei ihr dann leicht schwindelig geworden, der Nacken habe begonnen, weh zu tun. Sie habe ziehende Schmerzen vom Nacken bis zur Brustwirbelsäule gehabt. Sie habe zunächst abgewartet. Als die Schmerzen dann immer schlimmer geworden seien, habe sie sich gegen 15.00 Uhr ins Krankenhaus begeben, denn ihren Hausarzt habe sie am Samstag nicht erreichen können. Dort habe der untersuchende Arzt St. einen paravertebralen Druckschmerz in der Nackenmuskulatur des Halses festgestellt. Sie habe eine Halskrause und Schmerztabletten erhalten. Dennoch habe sie später immer noch starke Schmerzen verspürt und zuhause noch ein stärkeres Schmerzmittel eingenommen, das sie nach einer früheren Behandlung wegen Zahnschmerzen noch zuhause gehabt habe. Die Halskrause habe sie 4-5 Tage tragen müssen. Danach sei es ihr besser gegangen. Allerdings habe sie nach wie vor Schmerzen gehabt. Sie sei bis zum 12.06.2002 arbeitsunfähig krank geschrieben gewesen, die Krankschreibung wird von den Beklagten nicht bestritten. Aber selbst, nachdem sie wieder angefangen habe zu arbeiten, habe sie noch Nackenschmerzen verspürt und die Beweglichkeit des Kopfes sei weiterhin eingeschränkt gewesen. Seit Ende Juni 2002 sei sie beschwerdefrei.

Sie habe zuvor zwar gelegentlich, vielleicht fünf mal im Jahr, Nackenverspannungen gehabt, aber nie so schlimm, dass sie ein Schmerzmittel genommen hätte. Der Unterschied zu den Schmerzen aufgrund der unfallbedingten Halswirbelsäulendistorsion sei, dass sie nach dem Unfall den Kopf so gut wie gar nicht habe bewegen können. Auch sei ihr schwindelig gewesen, was bei Nackenverspannungen nicht der Fall gewesen sei.

Die Klägerin ist der Meinung, die Beklagten seien verpflichtet, ihr ein Schmerzensgeld zu zahlen, das nach ihrer Auffassung Euro 1.200,00 betragen solle.

Die Klägerin beantragt mit der den Beklagten am 18.07.2003 zugestellten Klage, die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie ein in das Ermessen des Gerichts gestelltes Schmerzensgeld nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszins seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.

Sie bestreiten, dass der Klägerin aufgrund des Unfallgeschehens ein körperlicher Schaden entstanden sei.

Sie, die Beklagte zu 2), habe ihren Kfz-Sachverständigen befragt. Dieser habe schriftlich dargelegt, dass aus technischer Sicht die Möglichkeit einer Halswirbelsäulenverletzung nicht gegeben sei. Sie legt insoweit einen Computer-Bericht des Kfz-Sachverständigen A. zur „Ermittlung zur Möglichkeit einer HWS-Verletzung“ vor (Bl. 13 ff).

Weiter legen die Beklagten einen von der Beklagten zu 2) eingeholten Arztbericht des Hausarztes der Klägerin vor (Bl. 20 f).

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

In der mündlichen Verhandlung vom 22.10.2003 ist die Klägerin ausführlich angehört worden. Insoweit wird auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen (Bl. 29 ff).

Entscheidungsgründe

Die Klage ist begründet.

Die Klägerin kann von den Beklagten nach §§ 7, 11 S. 2 StVG, §§ 823 iVm 253 Abs. 2 BGB, § 3 PflVersG Zahlung eines Schmerzensgeldes in ausgeurteilter Höhe verlangen.

Die Klägerin hat substantiiert die von ihr verspürten körperlichen Symptome nach dem unstreitigen Unfallgeschehen geschildert. Diese Symptome haben dazu geführt, dass die sie behandelnden Ärzte die Diagnose einer Halswirbelsäulendistorsion gestellt haben. Insoweit ist bereits das einfache Bestreiten der Beklagten unter bloßem Hinweis darauf, aus technischer Sicht sei die Möglichkeit einer Halswirbelsäulenverletzung nicht gegeben, unbeachtlich, da nicht hinreichend deutlich wird, woraus sie dies schließen. Schriftsätzlich wird hierzu nichts weiter vorgetragen. Das Gericht ist grundsätzlich nicht gehalten, sich entsprechende Informationen aus Anlagen herauszusuchen.

Aber selbst wenn anhand des von den Beklagten vorgelegten Berichts ihres Kfz-Sachverständigen A. daraus geschlossen werden könnte, dass sie behaupten wollen, eine Geschwindigkeitsänderung des angestoßenen Fahrzeuges von 7,5 km/h könne nicht zu einer Halswirbelsäulenverletzung führen, reicht dies allein auch nicht aus.

So hat der Bundesgerichtshof kürzlich in seinem Urteil vom 28.01.2003 (NJW 2003, 1116 ff) ausgeführt, dass bei der Prüfung, ob ein Unfall eine Halswirbelsäulenverletzung verursacht habe, stets die Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen seien. Eine Harmlosigkeitsgrenze, wonach nach Heckunfällen mit einer bestimmten, im Niedriggeschwindigkeitsbereich liegenden kollisionsbedingten Geschwindigkeitsänderung die Verletzung der Halswirbelsäule generell auszuschließen sei, könne es angesichts der aus orthopädischer Sicht gehegten Zweifel (Castro/Becke ZfS 2202, 365 ff) und einer Reihe anderer Faktoren (z.B. Sitzposition des Verletzten) nicht geben.

Aus diesem Grunde ist in diesem Rechtsstreit auch kein technisches Gutachten einzuholen, denn selbst wenn man eine kollisionsbedingte Geschwindigkeitsänderung von 7,5 km/h unterstellt, ist das Gericht aufgrund des gesamten Inhalts der Verhandlung zu der Überzeugung gelangt, dass die Klägerin eine Verletzung der Halswirbelsäule erlitten hat.

Gemäß § 286 ZPO hat das Gericht nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder nicht wahr zu erachten ist. Dabei wird keine absolute oder unumstößliche Gewissheit und auch keine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit verlangt, sondern nur ein für das praktische Leben brauchbarer Grad von Gewissheit, der Zweifeln Schweigen gebietet (vgl. BGH a.a.O.).

Zu dieser Überzeugung ist das Gericht aufgrund der ausführlichen Angaben der Klägerin, die diese in ihrer Anhörung in der mündlichen Verhandlung vom 22.10.2003 gemacht hat, des dabei gewonnenen persönlichen Eindrucks von der Klägerin und der die Angaben der Klägerin bestätigenden Arztberichte gelangt. Eine Vernehmung der Klägerin als Partei (§ 448 ZPO) wäre insoweit bloße Förmelei gewesen.

Die Klägerin hat glaubhaft Schmerzen und Schwindel wenige Stunden nach dem Unfall geschildert. Insbesondere konnte sie den Unterschied der Symptome von bloßen sonstigen Nackenverspannungen, die sie wie ein Großteil der Bevölkerung auch ab und zu hat, nachvollziehbar beschreiben. Denn sie habe nach dem Unfall den Kopf so gut wie gar nicht bewegen können. Auch sei ihr zusätzlich schwindelig gewesen, was bei bloßen Nackenverspannungen nicht der Fall gewesen sei. Das Gericht hatte in der mündlichen Verhandlung auch nicht den Eindruck, dass die Klägerin den Auffahrunfall zur Erlangung eines größtmöglichen Vorteils ausnutzen will. So hat sie angegeben, dass sie zwar noch von Zeit zu Zeit Nackenschmerzen habe und sich dann frage, ob das noch vom Unfall herrühre, aber vielleicht bilde sie sich das auch nur ein.

Die Angaben der Klägerin werden zudem von den Arztberichten gedeckt. Auch wenn die Ärzte letztlich bei der hier vorliegenden Halswirbelsäulenverletzung auf die Angaben des Patienten angewiesen sind, da es regelmäßig keine äußerlich sichtbaren oder durch bildgebende Mittel sichtbar werdende Verletzungen gibt, kann daraus noch nicht geschlossen werden, dass die Arztberichte unerheblich sind. Denn sie beruhen auf einer regelmäßig stattgefundenen körperlichen Untersuchung, hier Abtasten auf Druckschmerz. Dabei gewinnt der Arzt einen unmittelbaren Eindruck vom Patienten, der ihn dann zu einer Diagnose neben den sonstigen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln führt.

Die Verletzung der Klägerin ist auch durch den Auffahrunfall vom 18.05.2002 herbeigeführt worden. Zwischen dem Auftreten der Nackenschmerzen und dem Schwindel besteht ein enger zeitlicher Zusammenhang. Vorerkrankungen sind nicht bekannt, die Unterscheidung zu sonstigen Nackenverspannungen hat die Klägerin glaubhaft geschildert. Ein weiteres, die Schmerzen auslösendes Moment ist nicht ersichtlich.

Das Gericht hat die Höhe des Schmerzensgeldes unter Anwendung des § 287 ZPO mit Euro 960,00 als angemessen aber auch ausreichend bewertet. Aus dem von den Beklagten eingeholten Arztbericht des Hausarztes folgt eine Arbeitsunfähigkeit von 100 % für die Zeit vom 18.05.2002 bis 12.06.2002. Da die Klägerin in den ersten Tagen eine Halskrause tragen musste und Schmerzen und die Belastung in der ersten Zeit am stärksten sind, hat das Gericht für die Zeit vom 18.05.2002 bis 25.05.2002 ein Schmerzensgeld von Euro 300,00 und in der Zeit vom 26.05.2002 bis 12.06.2002 ein solches von Euro 570,00 zugrunde gelegt. Aus dem Arztbericht ergibt sich sodann vom 12.06.2003 bis 20.06.2003 eine Arbeitsunfähigkeit von 50 %. Für die Beschwerden bis Ende Juni hat das Gericht Euro 90,00 als angemessen, aber auch ausreichend zugrunde gelegt.

Die Zinsentscheidung folgt aus §§ 288Abs. 1, 291 BGB.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 91, 92 Abs. 2 Nr. 2,100 Abs. 4 ZPO. Die Kosten sind den Beklagten gänzlich aufgelegt worden, da die Höhe des Schmerzensgeldes in das Ermessen des Gerichts gestellt worden ist und der ausgeurteilte Betrag nicht mehr als 20 % von der Vorstellung der Klägerin abweicht.

Die weiteren prozessualen Nebenentscheidungen haben ihre Rechtsgrundlage in §§ 3, 708 Nr. 11,711 ZPO.

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