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Verkehrsunfall – Verbringungskosten, UPE-Aufschläge und Nutzungsausfallentschädigung bei fiktiver Schadensabrechnung

AG Brackenheim, Az.: 1 C 16/15, Urteil vom 11.05.2016

1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 776,04 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten p. a. über dem jeweils gültigen Basiszinssatz der EZB seit 08.01.2015 zu bezahlen.

2. Die Beklagten werden des weiteren als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 108,29 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten p. a. über dem jeweils gültigen Basiszinssatz der EZB seit 08.01.2015 zu bezahlen.

3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

4. Von den Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger 38 %; die Beklagten – gesamtschuldnerisch – 62%.

5. Das Urteil ist für beide Seiten vorläufig vollstreckbar. Den Parteien wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die Gegenseite vor Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Die Parteien streiten über Schadensersatzansprüche aus einem Unfallgeschehen vom 05.05.2014 gegen 18:50 Uhr im Kreuzungsbereich Schlossstraße / Theodor-Heuss-Straße in Brackenheim.

Der Kläger befuhr mit seinem PKW … die Schlossstraße und wollte nach links in die Theodor-Heuss-Straße abbiegen; die Beklagte Ziffer 1, die bei der Beklagten Ziffer 2 versichert ist, lenkte ihr Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen … von der Theodor-Heuss-Straße nach links in die Schlossstraße.

Verkehrsunfall - Verbringungskosten, UPE-Aufschläge und Nutzungsausfallentschädigung bei fiktiver Schadensabrechnung
Symbolfoto: Von New Africa /Shutterstock.com

Der Kläger trägt vor, er habe sein Fahrzeug zur Mitte hin eingeordnet und an der Sichtlinie angehalten. Die Beklagte Ziffer 1 habe bei dem Abbiegevorgang die Kurve geschnitten und sein stehendes Fahrzeug gestreift. Hierdurch sei sein Fahrzeug im Frontbereich links erheblich beschädigt worden; der Kostenvoranschlag der Firma Autohaus … B… vom 07.05.2014 weise Nettoreparaturkosten in Höhe von 1.768,71 € aus; als Auslagenpauschale mache er 26,00 € geltend und Nutzungsausfall sei anzusetzen für vier Tage à 65,00 €, somit insgesamt 260,00 €. Demgemäß belaufe sich der Gesamtschaden auf 2.054,71 €, hierauf habe die Zweitbeklagte außergerichtlich Zahlungen in Höhe von 802,05 € erbracht. Demgemäß stünden weitere 1.252,66 € aus. Abzüge seien von dem benannten Schaden nicht vorzunehmen. Die Verbringungskosten seien zu erstatten, Kürzungen bei den Ersatzteilpreisaufschlägen seien unzulässig, bei den genannten Referenzbetrieben handle es sich nicht um gleichwertige Fachwerkstätten, auf diese müsse er sich daher nicht verweisen lassen. Da sein Fahrzeug repariert sei, stehe ihm auch der Nutzungsausfall zu. Zudem habe die Beklagte Ziffer 2 mit Schreiben vom 30.12.2014 (Anlage K5) bereits erstattungsfähige Reparaturkosten in Höhe von 1.578,09 € netto anerkannt.

Der Kläger beantragt:

1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 1.252,66 € nebst 5 Prozentpunkten Zinsen p. a. über dem jeweils gültigen Basiszinssatz der EZB seit 08.01.2015 zu bezahlen.

2. Die Beklagten werden des weiteren als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 187,19 € nebst 5 Prozentpunkten Zinsen p. a. über dem jeweils gültigen Basiszinssatz der EZB seit 08.01.2015 zu bezahlen.

Die Beklagten beantragen Klagabweisung.

Sie tragen vor, die Gegenseite schildere den Sachverhalt des Unfallherganges falsch; der Abbiegevorgang der Beklagten Ziffer 1 sei bereits komplett abgeschlossen gewesen, als der Kläger mit seinem Fahrzeug – zu weit links fahrend – die Schlossstraße heruntergefahren sei und dadurch am Fahrzeug der Beklagten Ziffer 1 entlanggestreift sei. Die Klägerseite habe lediglich Anspruch auf Ausgleich von 50 % des eingetretenen Unfallschadens, im Rahmen dieser Haftungsquote sei der Unfallschaden reguliert worden. Reparaturkosten in Höhe von 1.768,71 € könnten nicht ersetzt verlangt werden, im vorgelegten Kostenvoranschlag seien Verbringungskosten in Höhe von 95,00 € sowie UPE-Aufschläge von 54,91 € sowie nicht unfallbedingte Schäden in Höhe von 190,62 € enthalten. Diese seien in Abzug zu bringen. Darüber hinaus müsse sich der Kläger auf eine fachgerechte und technisch einwandfreie Reparatur in eine sehr nahe gelegene Werkstatt verweisen lassen. Die Firma S… GmbH in der …straße … in … Heilbronn berechne Stundensätze für Mechanik und Karosserie mit 88,50 € und Lack inklusive Lackmaterial mit 124,20 €. Demgemäß errechne sich ein Reparaturbetrag in Höhe von 1.428,18 €.

Hinsichtlich der Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens. Insoweit wird Bezug genommen auf das schriftliche Gutachten des Sachverständigen Dipl.-Ing. A. P. vom 15.02.2016 (Bl. 97 ff) sowie auf die Ausführungen der Zeugen Herr POK J. D., Frau K. M., Herr H. S., Frau U. L. und Frau J. L. im Protokoll vom 20.04.2016 (Bl. 156 ff).

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist nur teilweise begründet. Zwar wird die Sachverhaltsschilderung der Beklagten gestützt durch die Ausführungen der Zeuginnen L. Bei der Zeugin U. L. handelt es sich um die Schwägerin der Beklagten Ziffer 1, bei der Zeugin J. L. um die Nichte der Beklagten Ziffer 1. Allein die verwandtschaftliche Beziehung macht die Aussagen nicht unglaubhaft, das Gericht geht jedoch – zu Gunsten der beiden Zeuginnen und auch der Beklagten Ziffer 1 – davon aus, dass tatsächlich eine Erinnerung an das exakte Unfallgeschehen nicht mehr vorliegt und der Unfallhergang – im Rahmen nachträglicher Rekonstruktion – beschönigt wurde. Dies ergibt sich aus dem – in sich schlüssigen und nachvollziehbaren – Sachverständigengutachten des Sachverständigen Dipl.-Ing. P. Zwar fehlte es an – von der Polizei dokumentierten – objektivierbaren Spuren, um den Kollisionsort eindeutig zu bestimmen. Der Sachverständige war jedoch in der Lage, eine vollständige Simulation des Unfallgeschehens unter Berücksichtigung der Kollisionsposition bzw. der kollisionsbedingten Überdeckung der unfallbeteiligten Fahrzeuge vorzunehmen. So hat der Sachverständige zunächst die beabsichtigten Fahrkanäle der unfallbeteiligten Fahrzeuge rekonstruiert und festgestellt, dass diese Fahrkanäle einen gemeinsamen Schnittpunkt aufweisen. Innerhalb dieses Schnittpunktes wurden sodann die an der Kollision beteiligten Fahrzeugelemente in die Überdeckung gebracht, wobei der Sachverständige ausführt, dass die Fahrzeuge entsprechend den dokumentierten Lichtbildern den Fahrzeugendstand erreichen mussten. Mit Hilfe einer fahrdynamischen Berechnung durch ein Computersimulationsprogramm konnte mittels einer vorwärts gerichteten Kollisionsanalyse nach dem Impuls- und Energiesatz der Kollisionsort ermittelt werden. Hinsichtlich der Einzelheiten wird insoweit auf das Sachverständigengutachten Bezug genommen. Zusammenfassend führt der Sachverständige aus:

„Aus technischer Sicht konnte ein vollständige Rekonstruktion des vorliegenden Unfallgeschehens erfolgen. Die aus unfallanalytischer Sicht resultierende Konsequenz ist nachfolgend kurz zusammengefasst.

Der Kollisionsort der Fahrzeuge lag vollständig auf der Fahrspur des klägerischen Fahrzeugs. Innerhalb der vorkollisionären Phase befuhr das Beklagtenfahrzeug teilweise vollständig die Fahrspur des Klägers. Das klägerische Fahrzeug kann zum Kollisionszeitpunkt nicht gestanden haben. Es konnte hier jedoch nur eine relativ geringe Geschwindigkeit im Bereich von 5 km/h rekonstruiert werden.

Aufgrund der vorliegenden Informationen, die zum einen aus dem Akteninhalt und zum anderen aus dem Ergebnis der durchgeführten Ortsbesichtigung gewonnen worden sind, ist aus technischer Sicht eine Kollision der Fahrzeuge auf der Fahrspur des Beklagtenfahrzeugs auszuschließen.“

An anderer Stelle führt der Sachverständige aus, dass zwar das klägerische Fahrzeug – entgegen den klägerischen Behauptungen – nicht zum Stillstand gekommen war, dass dies jedoch mit einer sehr geringen Geschwindigkeit in der Größenordnung von 5 km/h in Bewegung war und dass diese geringe Geschwindigkeit allein durch das vorliegende Gefälle aus technischer Sicht an der Unfallstelle erklärt werden kann, sowie dass der Kollisionsort etwa vier Meter von der Einmündungslinie der beiden Straße entfernt lag.

Das Gericht hat keinen Grund, an diesen nachvollziehbaren Ausführungen des Sachverständigen zu zweifeln; es macht sich diese Darlegungen zu eigen und legt sie der weiteren Sachentscheidung zugrunde.

Demgemäß steht fest, dass die Beklagte Ziffer 1 – im Rahmen ihres Abbiegevorgangs – die Kurve geschnitten hat und sich das Unfallgeschehen andererseits für den Kläger als unabwendbares Ereignis darstellt.

Hieraus folgt, dass die Beklagten für das Unfallgeschehen alleine (zu 100 %) zu haften haben.

Der Kläger kann allerdings nicht damit gehört werden, dass Reparaturkosten in Höhe von 1.768,71 € netto zugrunde zu legen seien. Zum einen sind Kosten für Überstellung in Lackierwerkstätte (Verbringungskosten) und UPE-Aufschläge bei fiktiver Abrechnung nicht zu erstatten (Jahnke in: Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke/Janker, Straßenverkehrsrecht, 24. Auflage 2016, § 249 BGB Randnummer 104; zitiert nach Beck-Online). Zudem hat die Vernehmung des Zeugen S. ergeben, dass die Firma S. von EUROGARANT zertifiziert ist. Deren hoher Qualitätsstandard wird regelmäßig vom TÜV oder DEKRA kontrolliert; es handelt sich um Meisterbetriebe und Mitgliedsbetriebe des Zentralverbandes Karosserie- und Fahrzeugtechnik, die auf die Instandsetzung von Unfallschäden spezialisiert sind. Vor diesem Hintergrund darf davon ausgegangen werden, dass der genannte Betrieb die Unfallschäden genauso kompetent beheben kann wie eine markengebundene Vertragswerkstatt (BGH-Urteil vom 13.07.2010 – VI ZR 259/09; NJW 2010, 2941; Anmerkungen 12 und 13; zitiert nach Beck-Online). Dies würde zwar grundsätzlich eine Reduzierung der Reparaturkosten auf 1.428,18 € ermöglichen, wobei hierzu ein Pauschbetrag von 26,00 € zu addieren wäre. Allerdings hat die Beklagte Ziffer 2 mit Schreiben vom 30.12.2014 gegenüber den Klägervertretern Nettoreparaturkosten in Höhe von 1.578,09 € anerkannt und auch der bereits erfolgten Teilregulierung zugrunde gelegt. Vor diesem Hintergrund ist auch im Rahmen dieser Entscheidung von dem anerkannten Betrag in Höhe von 1.578,09 € auszugehen, hierauf hat die Beklagte Ziffer 2 bereits geleistet:

802,05 €, demgemäß verbleibt ein weiterer Betrag in Höhe von 776,04 €.

Darüber hinaus kann der Kläger nicht noch Nutzungsausfall in Höhe von 260,00 € ersetzt verlangen. Zwar ist auch bei fiktiver Abrechnung der Anspruch auf Nutzungsausfallentschädigung nicht von vorne herein ausgeschlossen.

„Im Gegensatz zum Sachschaden, den der Geschädigte im Hinblick auf seine Dispositionsfreiheit auch fiktiv auf Gutachtenbasis abrechnen darf, kann er Ersatz für Nutzungsausfall nur verlangen, wenn und soweit ihm der Nutzungsausfall auch tatsächlich entstanden ist“ (OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 18.02.2010 – 10 U 60/09, NZV 2010, 525; zitiert nach Beck Online). Allein der Nachweis, dass das Fahrzeug repariert worden ist, genügt nicht für die Zuerkennung eines Anspruchs auf Nutzungsausfallersatz (OLG Frankfurt am angegebenen Ort).

Bei dem Nutzungsausfall handelt es sich um einen „typischen“, aber nicht notwendigen Folgeschaden, der weder überhaupt noch seiner Höhe nach von Anfang an fixiert ist. Er hängt davon ab, ob der Geschädigte den Wagen überhaupt nutzen wollte und konnte, ggf. auch durch Überlassung an Dritte (BGH-Urteil vom 23.03.1976 – VI ZR 41/74; NJW 76, 1396; zitiert nach Beck-Online).

Diesen Nutzungswillen hat der Kläger nicht dargelegt. Der Kläger hat darüber hinaus auch nicht hinreichend konkret dargelegt, dass tatsächlich ein Nutzungsausfall von vier Tagen für die Durchführung der von ihm gewählten – nach Aussage des Sachverständigen nicht fachgerechte – Reparatur erforderlich war. Vor diesem Hintergrund konnte die geltend gemachte Nutzungsausfallentschädigung in Höhe von 260,00 € nicht gewährt werden.

Nach alledem war wie geschehen zu entscheiden. Die Entscheidung über die Zinsen folgt aus §§ 286, 288 BGB, die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 92 ZPO und die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit fußt auf §§ 708 Nr. 11 in Verbindung mit 711 ZPO.

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