➔ Zum vorliegenden Urteil Az.: 4 C 150/22 | Schlüsselerkenntnis | FAQ | Hilfe anfordern
Übersicht
- ✔ Der Fall: Kurz und knapp
- Gericht entscheidet: Geschädigter erhält volle Erstattung nach Verkehrsunfall
- ✔ Der Fall vor dem AG Soltau
- ✔ Die Schlüsselerkenntnisse in diesem Fall
- ✔ FAQ – Häufige Fragen
- Welche Kosten können nach einem Verkehrsunfall als Schadensersatz geltend gemacht werden?
- Wann ist die Verbringung eines Unfallfahrzeugs zu einer Lackiererei erstattungsfähig?
- Muss ich als Geschädigter einen merkantilen Minderwert hinnehmen, wenn ich vorsteuerabzugsberechtigt bin?
- Kann ich auch Desinfektionskosten aufgrund der Corona-Pandemie als Unfallschaden geltend machen?
- Wie umfangreich muss ich als Geschädigter die Erforderlichkeit von Verbringungs- oder Desinfektionskosten darlegen und beweisen?
- § Relevante Rechtsgrundlagen des Urteils
- ⇓ Das vorliegende Urteil vom AG Soltau
✔ Der Fall: Kurz und knapp
- Es geht um die Erstattung von Verbringungskosten und Desinfektionskosten nach einem Verkehrsunfall.
- Die Klägerin fordert Ersatz für die Kosten, die für die Verbringung des Fahrzeugs zur Lackiererei und für die Desinfektion des Fahrzeugs entstanden sind.
- Schwierigkeit besteht in der Frage, ob solche Kosten überhaupt ersatzfähig sind, insbesondere die Desinfektionskosten wegen Corona.
- Das Gericht entschied, dass die Beklagte diese Kosten erstatten muss.
- Die Entscheidung basiert darauf, dass die Verbringungskosten notwendig und üblich sind und die Desinfektionskosten adäquat kausal durch den Unfall verursacht wurden.
- Auch die Wertminderung des Fahrzeugs wurde ohne Abzug von Mehrwertsteuer anerkannt.
- Das Gericht betont, dass der merkantile Minderwert ein direkter Sachschaden ist, der unabhängig von der Vorsteuerabzugsberechtigung erstattet werden muss.
- Pandemiebedingte Desinfektionskosten wurden als notwendige Schutzmaßnahme während der Reparatur angesehen.
- Die Einwände der Beklagten gegen die Höhe der Verbringungskosten und Desinfektionskosten wurden als unbegründet abgewiesen.
- Das Urteil stärkt die Rechte der Geschädigten bei der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen nach einem Verkehrsunfall, insbesondere in Bezug auf notwendige Zusatzkosten.
Gericht entscheidet: Geschädigter erhält volle Erstattung nach Verkehrsunfall
Verkehrsunfälle können für die Beteiligten rechtlich und finanziell komplizierte Folgen haben. Neben den Kosten für die Reparatur des beschädigten Fahrzeugs können auch weitere Posten wie Verbringungskosten und Mehrwertsteuern anfallen. Gleichzeitig ist es wichtig, den Wertminderungsbetrag zu berücksichtigen, da ein repariertes Fahrzeug meist nicht mehr den vollen Marktwert besitzt.
Diese Themen stehen häufig im Mittelpunkt von Gerichtsverfahren nach Verkehrsunfällen. Um die rechtlichen Hintergründe und mögliche Ansprüche der Beteiligten besser zu verstehen, lohnt es sich, einen detaillierten Blick auf ein konkretes Gerichtsurteil zu werfen.
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✔ Der Fall vor dem AG Soltau
Verkehrsunfall führt zu Rechtsstreit um Reparaturkosten
Im vorliegenden Fall geht es um einen Verkehrsunfall vom 25.01.2022 in S., bei dem die Beklagte unstreitig die Alleinhaftung trägt. Zwischen den Parteien ist nun strittig, in welcher Höhe der Klägerin Schadensersatz für die Reparatur ihres Fahrzeugs zusteht.
Konkret macht die Klägerin zusätzliche Verbringungskosten in Höhe von 59,00 €, Desinfektionskosten aufgrund der Corona-Pandemie in Höhe von 55,20 € sowie den vollen merkantilen Minderwert in Höhe von 39,92 € ohne Abzug der Mehrwertsteuer geltend. Die Beklagte wendet dagegen ein, die Verbringungs- und Desinfektionskosten seien nicht erforderlich gewesen und der merkantile Minderwert sei bei der vorsteuerabzugsberechtigten Klägerin nur netto zu erstatten.
Gericht bejaht Anspruch der Klägerin auf vollen Schadensersatz
Das AG Soltau hat der Klage in vollem Umfang stattgegeben und die Beklagte zur Zahlung von insgesamt 154,12 € nebst Zinsen verurteilt.
Bezüglich der Verbringungskosten geht das Gericht davon aus, dass diese erforderlich waren, da im Raum S. kein Kfz-Betrieb über eine eigene Lackiererei verfügt und die Klägerin die tatsächliche Verbringung zu einer externen Lackiererei substantiiert dargelegt hat. Die Einwände der Beklagten hierzu wertet das Gericht als unsubstantiiertes Bestreiten ins Blaue hinein.
Auch die Erstattungsfähigkeit der Desinfektionskosten aufgrund der Corona-Pandemie bejaht das Gericht. Es handele sich um eine standardmäßig durchzuführende Schutzmaßnahme für Mitarbeiter und Fahrer, die adäquat kausal durch den Unfall veranlasst wurde. Ohne den Unfall wäre keine Reparatur und damit auch keine Desinfektion erforderlich gewesen.
Volle Erstattung des merkantilen Minderwerts trotz Vorsteuerabzug
Schließlich spricht das Gericht der Klägerin auch den vollen merkantilen Minderwert ohne Abzug der Mehrwertsteuer zu, obwohl die Klägerin vorsteuerabzugsberechtigt ist.
Das Gericht stützt sich dabei auf eine ausführlich begründete Entscheidung des AG München und führt drei wesentliche Argumente an:
- Der Wortlaut des § 251 BGB enthält – anders als § 249 BGB – keine Einschränkung der Erstattungspflicht bei fehlendem Mehrwertsteueranfall.
- Es kommt nicht darauf an, ob und inwieweit sich die Wertminderung tatsächlich realisiert. Auch wenn das Fahrzeug gar nicht verkauft wird, besteht ein Anspruch auf den vollen Ausgleich.
- Es ist ungewiss, ob, wann und wo der Geschädigte das Fahrzeug verkaufen wird und welches Steuerrecht dann gilt. Die pauschale Annahme eines Verkaufs im Inland kurz nach der Reparatur trifft nur auf einen Teil der Fälle zu.
Der merkantile Minderwert stellt daher einen pauschalen Entschädigungsbetrag dar, der unabhängig vom Steuerstatus des Geschädigten zu schätzen ist. Einer Vorsteuerabzugsberechtigung kommt keine Bedeutung zu.
✔ Die Schlüsselerkenntnisse in diesem Fall
Die Entscheidung stellt klar, dass bei der Schadensregulierung nach einem Verkehrsunfall auch pandemiebedingte Desinfektionskosten sowie der volle merkantile Minderwert ohne Abzug der Mehrwertsteuer ersatzfähig sein können. Der merkantile Minderwert ist demnach als abstrakter Entschädigungsbetrag unabhängig von der konkreten Realisierung des Minderwerts und der Vorsteuerabzugsberechtigung des Geschädigten zu erstatten. Maßgeblich sind allein die adäquate Kausalität der geltend gemachten Kosten und die Erforderlichkeit der Maßnahmen aufgrund der Unfallfolgen.
✔ FAQ – Häufige Fragen
Das Thema: Schadensersatz nach Verkehrsunfall wirft bei vielen Lesern Fragen auf. Unsere FAQ-Sektion bietet Ihnen wertvolle Insights und Hintergrundinformationen, um Ihr Verständnis für dieses Thema zu vertiefen. Weiterhin finden Sie in der Folge einige der Rechtsgrundlagen, die für dieses Urteil wichtig waren.
- Welche Kosten können nach einem Verkehrsunfall als Schadensersatz geltend gemacht werden?
- Wann ist die Verbringung eines Unfallfahrzeugs zu einer Lackiererei erstattungsfähig?
- Muss ich als Geschädigter einen merkantilen Minderwert hinnehmen, wenn ich vorsteuerabzugsberechtigt bin?
- Kann ich auch Desinfektionskosten aufgrund der Corona-Pandemie als Unfallschaden geltend machen?
- Wie umfangreich muss ich als Geschädigter die Erforderlichkeit von Verbringungs- oder Desinfektionskosten darlegen und beweisen?
Welche Kosten können nach einem Verkehrsunfall als Schadensersatz geltend gemacht werden?
Nach einem Verkehrsunfall können Geschädigte verschiedene Kosten als Schadensersatz geltend machen. Zu den typischen Schadensposten gehören:
- Reparaturkosten: Die Kosten für die Instandsetzung des beschädigten Fahrzeugs sind in der Regel erstattungsfähig. Hierfür ist ein Sachverständigengutachten erforderlich, das die Reparaturkosten auf Basis der Stundensätze einer markengebundenen Werkstatt beziffert.
- Verbringungskosten: Kosten für das Abschleppen oder Verbringen des Unfallfahrzeugs zur Werkstatt müssen ebenfalls erstattet werden.
- Wertminderung: Selbst nach einer fachgerechten Reparatur bleibt oft ein merkantiler Minderwert bestehen. Dieser Wertminderungsbetrag ist vom Schädiger zu ersetzen.
- Mietwagenkosten/Nutzungsausfall: Für die Dauer der Reparatur haben Geschädigte Anspruch auf einen Mietwagen oder eine Nutzungsausfallentschädigung.
- Gutachterkosten: Die Kosten für ein Sachverständigengutachten zur Schadensermittlung sind erstattungsfähig.
Darüber hinaus können auch ungewöhnlichere Kosten wie Desinfektionskosten geltend gemacht werden. Laut einem Urteil des Bundesgerichtshofs aus dem Jahr 2022 müssen Desinfektionskosten im Rahmen der Reparatur nach einem Unfall vom Schädiger übernommen werden. Dies gilt zumindest für Unfälle bis Mitte 2022, da die Gerichte für 2023 davon ausgehen, dass Desinfektionsmaßnahmen aufgrund der abnehmenden Corona-Pandemie nicht mehr erforderlich sind.
Weitere mögliche Schadensposten sind Anwalts- und Rechtsanwaltskosten für die Schadensregulierung sowie eine Kostenpauschale für Aufwendungen wie Telefonate oder Fahrten. Bei Personenschäden können zudem Schmerzensgeld, Haushaltsführungsschaden und Heilbehandlungskosten geltend gemacht werden.
Wann ist die Verbringung eines Unfallfahrzeugs zu einer Lackiererei erstattungsfähig?
Die Verbringung eines Unfallfahrzeugs zu einer externen Lackiererei ist grundsätzlich erstattungsfähig, wenn die reparierende Werkstatt selbst über keine Lackiereinrichtung verfügt. Dies ist in der Praxis sehr häufig der Fall, da viele Werkstätten aus Kostengründen keine eigene Lackiererei betreiben.
Entscheidend für die Erstattungsfähigkeit der Verbringungskosten ist die tatsächliche Notwendigkeit der Verbringung. Der Geschädigte muss darlegen und gegebenenfalls nachweisen, dass die Verbringung des Fahrzeugs zu einer externen Lackiererei für die fachgerechte Instandsetzung erforderlich war. Dabei reicht es aus, wenn der Sachverständige im Gutachten die Notwendigkeit der Verbringung und die Höhe der ortsüblichen Verbringungskosten beziffert.
Die Rechtsprechung hat in zahlreichen Urteilen klargestellt, dass Verbringungskosten im Rahmen der konkreten Schadensabrechnung zu erstatten sind, sofern sie unfallbedingt angefallen und im Gutachten aufgeführt sind. Selbst bei einer fiktiven Abrechnung ohne tatsächliche Reparatur können Verbringungskosten erstattungsfähig sein, wenn sie bei einer Reparatur angefallen wären.
Neben den Verbringungskosten zur Lackiererei können auch Kosten für die Verbringung zur Karosserievermessung oder anderen notwendigen Arbeitsschritten erstattungsfähig sein, sofern die Erforderlichkeit dargelegt wird.
Im Zusammenhang mit Verbringungskosten ist auch die Mehrwertsteuerthematik relevant. Bei konkreter Abrechnung ist die Mehrwertsteuer in voller Höhe zu erstatten, während bei fiktiver Abrechnung regelmäßig nur der Nettobetrag ohne Mehrwertsteuer gezahlt wird.
Muss ich als Geschädigter einen merkantilen Minderwert hinnehmen, wenn ich vorsteuerabzugsberechtigt bin?
Als vorsteuerabzugsberechtigtes Unternehmen müssen Sie keinen Abzug der Mehrwertsteuer beim merkantilen Minderwert hinnehmen. Der merkantile Minderwert ist ein abstrakter Entschädigungsbetrag und stellt nicht auf eine konkrete Realisierung und damit verbundene Besteuerung ab. Daher ist der Steuerstatus des Geschädigten für die Bemessung unerheblich. Ein Abzug der Mehrwertsteuer wäre nicht gerechtfertigt.
Der merkantile Minderwert soll den Wertverlust ausgleichen, den ein Fahrzeug trotz fachgerechter Reparatur aufgrund seiner Unfallhistorie auf dem Gebrauchtwagenmarkt erleidet. Dieser Wertverlust entsteht unabhängig davon, ob der Geschädigte die Mehrwertsteuer tatsächlich abführen muss oder nicht. Maßgeblich ist allein der hypothetische Verkaufspreis des reparierten Unfallfahrzeugs im Vergleich zu einem unfallfrei gewesenen Fahrzeug.
Mehrere Gerichte haben klargestellt, dass der merkantile Minderwert steuerneutral zu ermitteln und in voller Höhe zu erstatten ist. Ein Abzug der Mehrwertsteuer wäre eine unzulässige Kürzung des Entschädigungsanspruchs. Selbst wenn der Geschädigte das Fahrzeug nicht verkauft, steht ihm der volle Betrag als Ausgleich für den eingetretenen Wertverlust zu.
Zusammengefasst lässt sich festhalten: Als vorsteuerabzugsberechtigtes Unternehmen haben Sie Anspruch auf Erstattung des vollen merkantilen Minderwerts ohne Abzug der Mehrwertsteuer. Die Gerichte stützen diese Rechtsauffassung in ständiger Rechtsprechung.
Kann ich auch Desinfektionskosten aufgrund der Corona-Pandemie als Unfallschaden geltend machen?
Die Frage, ob Desinfektionskosten aufgrund der Corona-Pandemie als Unfallschaden geltend gemacht werden können, lässt sich nicht pauschal beantworten. Es kommt auf die konkreten Umstände des Einzelfalls an. Grundsätzlich sind alle Kosten erstattungsfähig, die kausal durch den Unfall verursacht wurden und zur Schadensbeseitigung erforderlich waren.
In Pandemiezeiten können durchaus Desinfektionsmaßnahmen notwendig sein, die ansonsten nicht angefallen wären. Entscheidend ist dabei, ob diese Maßnahmen aus Sicht des Geschädigten zur Beseitigung des Unfallschadens erforderlich waren. Einige Gerichte haben Desinfektionskosten als erstattungsfähig angesehen, andere lehnten dies ab.
Das Amtsgericht Stuttgart vertrat beispielsweise die Auffassung, dass Desinfektionskosten nach einer Reparatur nicht vom Schädiger zu tragen sind. Sie resultierten aus den besonderen Umständen der Pandemie und stünden nicht in adäquatem Zusammenhang mit dem Unfall. Demgegenüber sah das Landgericht Stuttgart eine Desinfektion wesentlicher Kontaktflächen wie Lenkrad oder Schalthebel nach einer Reparatur als erforderlich an. Das Interesse des Geschädigten, sich nicht einer Ansteckungsgefahr auszusetzen, sei schutzwürdig. Kosten von ca. 30 € für eine Desinfektion wurden als angemessen erachtet.
Für die Praxis bedeutet dies Folgendes: Geschädigte sollten Desinfektionskosten zunächst gegenüber dem Schädiger oder dessen Versicherung geltend machen und darlegen, weshalb diese Kosten aus ihrer Sicht zur Schadensbeseitigung erforderlich waren. Wird die Erstattung verweigert, kann eine gerichtliche Klärung erforderlich sein. Die Gerichte werden dann im konkreten Einzelfall prüfen, ob die Desinfektionsmaßnahmen angemessen und aus Sicht des Geschädigten zur Schadensbeseitigung notwendig waren. Dabei spielen Aspekte wie die Art des Schadens, die Höhe der Kosten und die Pandemiesituation zum Schadenzeitpunkt eine Rolle.
Wie umfangreich muss ich als Geschädigter die Erforderlichkeit von Verbringungs- oder Desinfektionskosten darlegen und beweisen?
Als Geschädigter müssen Sie die Erforderlichkeit von Verbringungs- oder Desinfektionskosten nach einem Verkehrsunfall nicht übermäßig detailliert darlegen oder beweisen. Es genügt, wenn Sie nachvollziehbar erklären, warum diese Kosten aus Ihrer Sicht notwendig waren. Ein pauschales Bestreiten der Gegenseite ist dann nicht ausreichend.
Grundsätzlich müssen Sie als Geschädigter die Schadensumstände und die Höhe des Schadens darlegen und beweisen. Bei Verbringungs- und Desinfektionskosten reicht es jedoch aus, wenn Sie plausibel machen, dass diese Kosten aufgrund des Unfalls angefallen sind. Sie müssen beispielsweise erläutern, dass Ihr Fahrzeug nach dem Unfall nicht mehr fahrbereit war und deshalb abgeschleppt werden musste. Oder dass eine Desinfektion erforderlich war, weil Betriebsstoffe ausgelaufen sind.
Die Darlegungs- und Beweislast darf hier nicht überspannt werden. Es ist nicht erforderlich, jeden einzelnen Arbeitsschritt und jede Kostenkalkulation im Detail offenzulegen. Solange Ihre Erklärungen nachvollziehbar und plausibel sind, muss die gegnerische Versicherung konkrete Einwände vorbringen. Ein pauschales Bestreiten reicht nicht aus.
Letztlich entscheidet im Zweifel das Gericht, ob die geltend gemachten Kosten erforderlich und damit ersatzfähig waren. Das Gericht wird die Umstände des Einzelfalls prüfen und eine angemessene Entscheidung treffen.
§ Relevante Rechtsgrundlagen des Urteils
- § 7 Abs. 1 StVG (Straßenverkehrsgesetz): Regelt die Haftung des Fahrzeughalters bei Verkehrsunfällen. Hier relevant, da die Beklagte als Fahrzeughalterin unstreitig allein haftet.
- § 18 StVG: Bezieht sich auf die Haftung des Fahrzeugführers. In diesem Fall ist die Haftung der Fahrerin (Beklagten) wichtig, da sie den Unfall verursacht hat.
- § 823 Abs. 1 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch): Begründet den Anspruch auf Schadensersatz bei unerlaubten Handlungen. Hier relevant für den Schadensersatzanspruch der Klägerin.
- §§ 249 ff. BGB: Regeln den Umfang und die Art des Schadensersatzes. Für den vorliegenden Fall entscheidend, da sie bestimmen, dass der Schaden vollständig zu ersetzen ist, einschließlich Verbringungskosten und Desinfektionskosten.
- § 115 VVG (Versicherungsvertragsgesetz): Bestimmt die Verpflichtung der Haftpflichtversicherung zur Schadensregulierung. Im Fall relevant, da die Versicherung der Beklagten für den Schadensersatz eintrittspflichtig ist.
- § 251 BGB: Betrifft den Ersatz von Sachschäden in Geld, wenn die Wiederherstellung nicht möglich oder unzureichend ist. Für den Fall wichtig, um die Erstattung des merkantilen Minderwerts ohne Abzug der Mehrwertsteuer zu begründen.
- § 287 ZPO (Zivilprozessordnung): Bezieht sich auf die freie Beweiswürdigung des Gerichts. Hier angewandt, um die Angemessenheit der Verbringungskosten zu beurteilen.
- Merkantiler Minderwert: Juristisches Konzept, das die verbleibende Wertminderung eines Fahrzeugs trotz vollständiger Reparatur beschreibt. Relevant für den Schadensersatzanspruch der Klägerin hinsichtlich der Wertminderung ihres Fahrzeugs.
⇓ Das vorliegende Urteil vom AG Soltau
AG Soltau – Az.: 4 C 150/22 – Urteil vom 20.02.2023
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 154,12 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 114,20 € seit dem 07.03.2022 und aus 39,92 € seit dem 15.02.2022 zu zahlen.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Der Streitwert wird auf 154,12 € festgesetzt.
Tatbestand
Von der Darstellung des Tatbestandes wird gem. § 313 a Abs. 1 S. 1 ZPO abgesehen.
Entscheidungsgründe
I.
Die Klage hat Erfolg. Die Beklagte schuldet der Klägerin gemäß §§ 7 Abs. 1, 18 StVG, 823 Abs. 1 und 2 i.V.m. §§ 1 ff. StVO, §§ 249 ff. BGB i.V.m. § 115 VVG aufgrund ihrer unstreitigen Alleinhaftung den restlichen von der Klägerin geltend gemachten Schadensersatz aus dem Verkehrsunfall vom 25.01.2022 gegen 18:00 Uhr in S. in der W.straße in Höhe von 154,12 €.
Im Einzelnen:
1. Zur Aktivlegitimation der Klägerin:
Die Beklagte hat die Aktivlegitimation der Klägerin mit Schriftsatz vom 14.09.2022 unstreitig gestellt.
2. Zu den Reparaturkosten (Abzugsbetrag 114,20 €):
a) Zu den Verbringungskosten (Abzugsbetrag 59,00 €):
Die Beklagte schuldet der Klägerin die in der Rechnung der Firma Z. vom 12.02.2022 (Anlage K2) berechneten Verbringungskosten zum Lackierer („Verbringung Lackierer“) in Höhe von 159,00 € abzüglich bezahlter 100,00 €, mithin weitere 59,00 €.
Nach dem Schadensgutachten des Kfz-Sachverständigenbüros G. E. vom 28.01.2022 (Anlage K1) waren Lackierarbeiten zur Reparatur des unfallgeschädigten Klägerfahrzeuges erforderlich, was die Beklagte nicht bestreitet.
Dazu hatte eine Verbringung zum Lackierer zu erfolgen. Es ist gerichtsbekannt, dass kein Kfz-Reparaturbetrieb im Raum S. über eine eigene Lackiererei verfügt. Die Klägerin hat insoweit zudem vorgetragen, die Verbringung des Fahrzeuges sei zur Lackiererei T. S. in S. erfolgt. Schließlich ist davon auszugehen, dass ein Schadensgutachter die regionalen Verhältnisse kennt und Verbringungskosten nur dann ansetzt, soweit sie auch erforderlich sind.
Das Bestreiten der Beklagten, insbesondere auch bezüglich der tatsächlichen Verbringung und des tatsächlichen Anfalls von Verbringungskosten, erfolgt ersichtlich ins Blaue hinein und ist unbeachtlich. Ein Anhaltspunkt dafür, dass die Firma Z. Lackier- und Verbringungskosten abgerechnet hat, die sie gar nicht erbracht hat bzw. hat erbringen lassen, besteht nicht. Dem Kläger obliegt es auch nicht, eine Fremdrechnung über die Verbringungskosten zu beschaffen und der Beklagten vorzulegen. Ausreichend ist, dass diese durch die Werkstatt, die Firma Z., abgerechnet worden sind.
Unerheblich ist auch, ob die Beklagte die Reparaturrechnung vorprozessual bezahlt hat oder nicht. Auf eine Indizwirkung der bezahlten Rechnung kommt es vorliegend für die Annahme der Erforderlichkeit der Verbringungskosten nicht an.
Soweit die Beklagte einwendet, die Verbringungskosten seien überhöht, da die Arbeitsstunde eines Spezialisten für Karosseriearbeiten kalkuliert und allenfalls ein Arbeits- und Zeitaufwand in Höhe von 100,00 € erforderlich gewesen sei, ist der Kalkulation im Schadensgutachten nur zu entnehmen, dass insoweit ein Arbeitslohn auf Zeitbasis von 10 AW = 1 Stunde aus der (niedrigsten) Preisklasse 1 (159,00 €/Stunde) angesetzt worden ist. Entsprechend ist auch in der Reparaturrechnung abgerechnet worden. Auch insoweit ist davon auszugehen, dass der Schadensgutachter in Kenntnis der Verhältnisse Verbringungskosten nur in einer Höhe angesetzt hat, wie sie auch erforderlich sind. Die Berechnung von einer Stunde Arbeitszeit erscheint dem Gericht unter Berücksichtigung von Vorbereitung, Fahrzeit, Übergabe und Übernahme gemäß § 287 ZPO angemessen, selbst wenn das Lackieren hier unweit der Werkstatt erfolgt ist. Die Reparaturwerkstatt war auch nicht gehalten, für Fahrzeugverbringungen einen „günstigeren“ Mitarbeiter vorzuhalten.
b) Zu den Desinfektionskosten (Abzugsbetrag 55,20 €):
Auch die Rechnungspositionen „Desinfektion durchführen“ und „Desinfektion COVID19“ in Höhe von insgesamt 55,20 € sind ersatzfähig.
Ob die Desinfektionskosten gegen das Corona-Virus einen ersatzfähigen Schaden darstellen, ist in der Rechtsprechung umstritten. So gibt es z.B. von verschiedenen Kammern des Landgerichts Stuttgart drei aktuelle Entscheidungen von nicht ersatzfähig (LG Stuttgart, Urteil vom 27. November 2020 – 19 O 145/20; zit. aus juris), so von der Beklagten zitiert, über teilweise ersatzfähig (LG Stuttgart, Urteil vom 23. September 2021 – 5 S 42/21; zit. aus juris) zu grundsätzlich voll ersatzfähig (LG Stuttgart, Urteil vom 21. Juli 2021 – 13 S 25/21; zit. aus juris). Die Rechtsprechung ist also keineswegs eindeutig, vielmehr bejahen zahlreiche Gerichte die Ersatzfähigkeit der Desinfektionskosten (vgl. z.B. AG Ludwigsburg, Urteil vom 5. November 2021 – 6 C 611/21; AG München, Urteil vom 30. März 2022 – 344 C 18800/21; LG Köln, Urteil vom 19. Januar 2022 – 13 S 91/21; LG Aachen, Urteil vom 21. Oktober 2021 – 4 O 63/21; LG Hamburg, Urteil vom 21. Oktober 2021 – 323 S 14/21; LG Coburg, Urteil vom 28. Mai 2021 – 32 S 7/21; jeweils zit. aus juris).
Pandemiebedingte Desinfektionskosten sind adäquat kausal auf den streitgegenständlichen Unfall zurückzuführen. Ohne den Unfall wäre keine Reparaturbedürftigkeit entstanden und damit auch nicht das Erfordernis, in der Pandemiezeit im Rahmen der Reparatur Vorsorge zum Infektionsschutz zu treffen.
Dass eine Flächendesinfektion aus medizinischer Sicht nicht erforderlich sei, wie dies die Beklagte meint, ist so auch nicht richtig. Es stellt sich dann nicht nur die Frage, warum zum Zeitpunkt des Ablaufs der Erklärungsfrist im September 2022 immer noch in vielen Wirtschaftsbereichen Infektionsschutz betrieben und insbesondere Desinfektionsmittel bereitgestellt werden. In den aktuellen Hinweisen des R.-K.-Institutes (vgl. https://www…..de/….html) heißt es zudem nach wie vor, dass das Virus auf bestimmten Oberflächen bis zu sechs Tage infektiös bleiben kann und eine Kontamination der Oberflächen in der unmittelbaren Umgebung von infizierten Personen nicht auszuschließen ist. Eine Desinfektion wird danach im Einzelfall als notwendig erachtet. Vorliegend wären einem Infektionsrisiko die Werkstattmitarbeiter und die Fahrer des Unfallfahrzeuges ausgesetzt. Daher ist die Desinfektion als standardmäßig durchzuführende Schutzmaßnahme als erforderlich anzusehen.
Das Gericht ist wie die Klägerin (vgl. den Schriftsatz vom 16.08.2022, S. 3) daher der Auffassung, dass Anti-Covid-Desinfektionskosten dem Grunde nach ersatzfähig sind.
Auch die Einwendungen der Beklagten bezüglich der einzelnen berechneten Positionen sind unbegründet. Die angeblich willkürliche und nicht plausible „doppelte Berechnung und sogar noch der Höhe nach unterschiedliche Beträge“ sprechen nicht Bände über das Abrechnungsverhalten des Reparaturbetriebes, sondern über das wenig sorgfältige Prüfverhalten der Beklagten. Der von der Klägerin vorgelegten Rechnung und dem Schadensgutachten ist unschwer zu entnehmen, dass für die Durchführung der Desinfektion ein Arbeitslohn von 47,70 € (3 AW nach Anwenderangaben, mithin 18 Minuten Arbeitszeit) kalkuliert sowie ein Betrag von 7,50 € für 1 Stk. (nicht 1 AW) Desinfektionslösung unter Angabe des Produktes angesetzt wurde. Nach der Zeit- und Materialstudie der Technischen Mitteilung der Interessengemeinschaft für Fahrzeugtechnik und Lackierung e. V. (vgl. https://….de/wp-content/uploads/2020/11/21-2020-Zeitstudie-R.-Schutzmassnahmen-Corona-Virus-SARS-CoV-2.pdf) ist ein Arbeitsaufwand von 3 AW bzw. 18 Minuten anzunehmen.
Schließlich handelte es sich auch nicht um eine Fahrzeugreparatur ausschließlich von außen, denn ein Unfallfahrzeug muss durch eine in ihm sitzende Fahrer*in in der Werkstatt und hier zudem im Rahmen bei der Verbringung zum Lackierbetrieb bewegt werden.
3. Zur Wertminderung (Abzugsbetrag 39,92 €):
Entgegen der Ansicht der Beklagten ist die Wertminderung in vollem Umfang ohne Abzug eines Mehrwertsteueranteils von 39,92 € wegen der Vorsteuerabzugsberechtigung der Klägerin zu erstatten, so dass diese mit Recht weiteren Schadensersatz in dieser Höhe beansprucht.
Der Bundesgerichtshof (Urteil vom 23.11.2004 – VI ZR 357/03, m.w.N.; zit. aus juris) hat ausgeführt, dass es sich beim merkantilen Minderwert um eine Minderung des Verkaufswerts handelt, die trotz völliger und ordnungsgemäßer Instandsetzung eines bei einem Unfall erheblich beschädigten Kraftfahrzeuges allein deshalb verbleibt, weil bei einem großen Teil des Publikums, vor allem wegen des Verdachts verborgen gebliebener Schäden, eine den Preis beeinflussende Abneigung gegen den Erwerb unfallbeschädigter Kraftfahrzeuge besteht. Diese Wertdifferenz stelle einen unmittelbaren Sachschaden dar
Bei dem merkantilen Minderwert handelt es sich demnach um einen unmittelbaren Sachschaden, der gemäß § 251 Abs. 1 BGB zu ersetzen ist, da insoweit eine Wiederherstellung der Sache unmöglich bzw. ungenügend ist (LG Regensburg, Urteil vom 26. Februar 2019 – 22 S 90/18 –, Rn. 20, juris). Demgegenüber geht es bei einem Schadensersatzanspruch nach § 249 BGB darum, den Zustand herzustellen, der ohne den Unfall bestünde:
„Die Zahlung der Reparaturkosten dient der Befriedigung von diesem Anspruch. Dagegen hat die Wertminderung einen anderen Zweck. In technischer Hinsicht ist der Zustand des Fahrzeugs nach der Reparatur so, wie er ohne den Unfall wäre. Die Wertminderung dient als Kompensation dafür, dass trotz des technisch gleichwertigen Zustands auf dem Gebrauchtwagenmarkt ein niedrigerer Kaufpreis zu besorgen ist. Die Wertminderung soll dafür entschädigen, was in den Köpfen potentieller Gebrauchtfahrzeugkäufer vorgeht, die trotz technischer Gleichwertigkeit für ein Fahrzeug mit Unfallvorgeschichte weniger zu zahlen bereit sind. Da es dem Schädiger nicht möglich ist, darauf Einfluss zu nehmen, was in den Köpfen potentieller Käufer vor sich geht, kann der Schädiger nicht den Zustand herstellen, der bestünde, wenn das Fahrzeug ohne Unfallvorgeschichte auf dem Gebrauchtwagenmarkt verkauft werden würde. Deshalb liegt ein Fall des § 251 BGB vor. Die Herstellung des Zustands, der ohne das schädigende Ereignis besehen würde, ist nicht möglich und deshalb hat der Schädiger den Geschädigten in Geld zu entschädigen“ (AG München, Endurteil vom 26. September 2022 – 336 C 1795/22; zit. aus juris).
Auch wenn im Hinblick auf diese Einordnung der merkantilen Wertminderung Übereinstimmung zu bestehen scheint (vgl. Grüneberg-Grüneberg, BGB, 81. Aufl., § 251 Rz. 14 ff.), ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten, ob bei einem Vorsteuerabzugsberechtigten wie hier der Klägerin ein Mehrwertsteueranteil von der ermittelten Wertminderung abzuziehen ist.
Das Amtsgericht München (Endurteil vom 26. September 2022 – 336 C 1795/22; zit. aus juris) hat sich in einer neueren Entscheidung ausführlich mit dieser Frage auseinandergesetzt und einen solchen Abzug letztlich verneint, was dem Gericht aufgrund eigener, kritischer Überprüfung überzeugend erscheint:
„Das erste Argument ist der Wortlaut des Gesetzes: Der für die Wertminderung einschlägige § 251 BGB enthält anders als § 249 II 2 BGB keine Regelung, dass die Mehrwertsteuer nur zu ersetzen ist, wenn diese tatsächlich anfällt. Daraus kann der Umkehrschluss gezogen werden, dass beim Wertersatz nach § 251 BGB die Mehrwertsteuer auch dann in dem zu erstattenden Betrag enthalten ist, wenn diese bei einem vorsteuerabzugsberechtigten Geschädigten konkret nicht anfällt.
Das zweite Argument ist ein logischer Vergleich. Ob und inwieweit die Wertminderung sich tatsächlich realisiert, hat keinen Einfluss auf deren Erstattungsfähigkeit, wie der Vergleich mit anderen Fällen zeigt.
Die Argumentation, die Mehrwertsteuer sei bei einem Vorsteuerabzugsberechtigten abzuziehen, weil sie bei diesem nicht anfällt, ist nicht logisch, da zu bedenken ist, dass sogar der Umstand, dass die Wertminderung in vielen Fällen im Ganzen nicht anfällt, nicht dazu führt, dass kein Anspruch auf Wertminderung bestehen würde. Nur wenn der Geschädigte das Fahrzeug nach der Reparatur als Gebrauchtwagen zu dem angenommenen Minderwert verkauft, wirkt sich die Wertminderung überhaupt aus. Es ist aber Sache des Geschädigten, ob er das Fahrzeug verkauft oder nicht. Wenn der Geschädigte das Fahrzeug nach der Reparatur behält und schlichtweg bis zum Zeitpunkt der Entsorgung weiter behält, realisiert sich die Wertminderung zu keinem Zeitpunkt. In diesem Fall enthält der Geschädigte die Wertminderung als Kompensation für einen merkantilen Minderwert, obwohl sich dieser in keiner Weise auswirkt. Die Frage der Vorsteuerabzugsberechtigung wirkt sich in diesem Fall nicht aus, sondern unabhängig von der Vorsteuerabzugsberechtigung hat der Geschädigte einen Vorteil, den man für ungerechtfertigt halten kann, der aber dennoch allgemein akzeptiert wird. Ein nicht zum Vorsteuerabzug berechtigter Geschädigter erhält den Gesamtbetrag (einschließlich dem nach Ansicht der Beklagten herausrechenbaren Mehrwertsteueranteil) und darf, selbst wenn er das Fahrzeug nicht verkauft, sondern behält, den Gesamtbetrag (einschließlich dem nach Ansicht der Beklagten herausrechenbaren Mehrwertsteueranteil) behalten.
Ein anderer Vergleich ist ein Geschädigter, der das reparierte Fahrzeug nicht sofort, sondern beispielsweise nach mehreren Jahren verkauft. Bei diesem wirkt sich die merkantile Wertminderung möglicherweise noch aus, aber in einem anteiligen geringeren Verhältnis zum Fahrzeugpreis. Wenn das Fahrzeug zum Zeitpunkt des Unfalls einen Wiederbeschaffungswert von 10.000 Euro hatte und eine merkantile Wertminderung von 1.000 Euro verbleibt und der Geschädigte verkauft es zehn Jahre später für 1.000 Euro, ist nicht davon auszugehen, dass er den doppelten Preis erzielen könnte, wenn dieser Unfall vor 10 Jahren nicht gewesen wäre. Auch in diesem Fall hätte der Geschädigte die Wertminderung in vollem Umfang erhalten, obwohl sich allenfalls ein kleiner Teil davon realisiert.
Die Frage, ob überhaupt oder gegebenenfalls in welcher Höhe sich die Wertminderung jemals realisiert, wirkt sich nicht auf die merkantile Wertminderung aus, da es sich dabei nicht um einen Schadensersatzanspruch handelt, der zum Ziel hätte, den Geschädigten so zu stellen, wie er ohne das schädigende Ereignis stünde, sondern weil es sich um einen Entschädigungsanspruch i.S.d. § 251 BGB handelt. Da die Herstellung des Original-Zustandes im Hinblick auf das Käuferverhalten auf dem Gebrauchtwagenmarkt nicht möglich ist, steht dem Geschädigten eine angemessene Entschädigung in Geld zu. Die Höhe der Entschädigung ist unabhängig davon, ob oder unter welchen Bedingungen das Unfallfahrzeug jemals dem Gebrauchtwagenmarkt tatsächlich angeboten wird und ob und in welchem Unfall sich der Unfall auf den Verkaufspreis auswirkt.
Es gilt der Grundsatz, dass sich der Geschädigte an dem Unfall nicht bereichern darf. Auf dieser Grundlage könnte man argumentieren, dass die Wertminderung wegen des Bereicherungsverbots bei Vorsteuerabzugsberechtigung nur netto zu zahlen ist. Wenn man bedenkt, dass die Wertminderung einen Entschädigungsanspruch darstellt, auf den ein Anspruch besteht selbst wenn sich keinerlei finanzieller Nachteil realisiert hat, könnte man sich in den Fällen, in denen sich der Minderwert nicht ausgewirkt hat, generell fragen, ob dies gegen das Bereicherungsverbot verstößt. Wenn man aber akzeptiert, dass der Geschädigte eine merkantile Wertminderung auch dann erhält, wenn er das Fahrzeug nicht verkauft, muss man auch akzeptieren, dass dies unabhängig davon ist, ob bei dem Verkauf eine Umsatzsteuer angefallen wäre, da der Verkauf nicht Voraussetzung für die Gewährung der Wertminderung ist und deshalb keine Relevanz für deren Höhe hat.
Der dritte Grund liegt darin, dass die Prämisse, ein Vorsteuerabzugsberechtigter würde das Fahrzeug ohne die für Nicht-Vorsteuerberechtigte geltende Mehrwertsteuer in Höhe von 19 % verkaufen, nur auf einen Teil der Fälle zutrifft. Es ist weder bekannt, ob der Vorsteuerberechtigte das Fahrzeug verkaufen wird noch wann und wo er es verkaufen wird und welches Steuerrecht dann und dort gelten wird.
Die Mehrwertsteuer ist auch bei vorsteuerabzugsberechtigten Geschädigten kein durchlaufender Posten. Die gegenteilige Aussage beruht auf der Annahme, dass der Geschädigte das Fahrzeug nach der Reparatur zu dem angenommenen Minderwert verkauft und hierbei vorsteuerabzugsberechtigt ist. Zu bedenken ist, dass das deutsche Steuerrecht nicht internationaler Standard ist. Es ist gerichtsbekannt, dass Gebrauchtwägen mit zunehmendem Alter, mit zunehmenden Gebrauchsspuren und Unfallvorgeschichte für den deutschen Gebrauchtwagenmarkt unattraktiv werden, aber noch gut in andere Länder exportiert werden können und dort noch viele Jahre fahren. Das deutsche System mit der Vorsteuerabzugsberechtigung gilt nicht in jedem Land und auch die Höhe der Mehrwertsteuer ist nicht in jedem Land gleich. Deshalb ist die Aussage, die Mehrwertsteuer sei bei einem Vorsteuerabzugsberechtigten nur ein durchlaufender Posten, nur dann richtig, wenn der Vorsteuerabzugsberechtigte das Unfallfahrzeug tatsächlich unmittelbar nach der Reparatur in Deutschland verkauft und sich der Mehrwertsteuersatz nicht verändert.
Insgesamt ist das Gericht der Ansicht, dass die Wertminderung keine betragsmäßig feststehende Schadensposition ist, sondern ein der richterlichen Schätzung unterliegender Entschädigungsbetrag dessen Höhe unabhängig vom Steuerstatus des Geschädigten zu schätzen ist.“
Demnach steht der Klägerin trotz Vorsteuerabzugsberechtigung der volle, der Höhe nach unstreitige Wertminderungsbetrag ohne den von der Beklagten vorgenommenen Abzug von 39,92 € zu.
II.
Die Beklagte schuldet der Klägerin die aus dem Tenor ersichtlichen Verzugszinsen gemäß §§ 286 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 3, 288 Abs. 1 BGB. Sie hat den Vortrag der Klägerin zum Verzugseintritt nicht bestritten.
III.
Die Kostenentscheidung hat ihre Grundlage in § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 48 Abs. 1 GKG i.V.m. § 3 ZPO.