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Verkehrsunfall: Unfallmanipulation – Nachweis in Eigentumsverletzung

LG Kiel, Az.: 11 O 291/09, Urteil vom 25.02.2011

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagten Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.

Tatbestand

Der Kläger nimmt die Beklagten auf Schadensersatz aufgrund eines Verkehrsunfalles in Anspruch.

Der Kläger war Eigentümer des BMW, amtliches Kennzeichen … Er stellte das Fahrzeug dem Kfz-Sachverständigen … am 04.05.2009 in nicht fahrbereitem Zustand zur Begutachtung eines angeblichen Unfallschadens vor. Noch vor dem 22.05.2009 veräußerte der Kläger den PKW zu einem Preis von 1.600,00 €.

Das Fahrzeug wurde am 21.01.1999 zum ersten Male zugelassen. Es wies bei der Besichtigung des Sachverständigen … eine Laufleistung von 163.957 km aus. Bei den Feststellungen des Sachverständigen … wurden Vorschäden nicht berücksichtigt. Tatsächlich hatte das Fahrzeug unter einem Vorbesitzer ausweislich eines Gutachtens vom 03.07.2007 folgende Vorschäden:

„Der Hauptanstoß erfolgte gegen das Heck. Durch den Hauptanstoß ist das Fahrzeug weitergeschoben worden, wodurch ein weiterer Schadensbereich entstand. Der zusätzliche Schadensbereich befindet sich an der Vorderfront. Durch den Anstoß sind die Karosserie- und Anbauteile im Schadensbereich beschädigt worden, so dass ein Neuersatz bzw. eine Reparatur erforderlich wird. Durch das Unfallgeschehen wurde das Fahrzeug schwer beschädigt. Der Anstoß ist bis zu den tragenden Teilen durchgedrungen. Das Fahrzeugheck ist verschoben. Die Instandsetzung des Fahrzeugs muss unter Verwendung einer Richtbank durchgeführt werden.“

Des Weiteren lag damals bereits ein vorheriger behobener Frontschaden im Frontbereich vor. Der seinerzeitige Sachverständige stellte einen Totalschaden fest. Die Brutto-Reparaturkosten setzte er mit 16.393,87 €, den Wiederbeschaffungswert mit 11.500,00 € und den Restwert mit 2.00,00 € fest.

Das Fahrzeug wurde am 23.08.2007 auf den Kläger zugelassen. Einen schriftlichen Kaufvertrag hat der Kläger trotz Aufforderung der Beklagten mit dem Hinweis darauf, dass er ihn nicht mehr habe, nicht vorgelegt.

Der Kläger behauptet, dass es am 25.04.2009 im Pappelweg in Kiel zu einem Verkehrsunfall gekommen sei. Er habe sein Fahrzeug in einer Parkbucht geparkt. Dabei handele es sich um einen Seitenstreifen, der zum Parken zugelassen sei. Als er sich von seinem Fahrzeug entfernt habe, hörte er ein erhebliches Knallgeräusch. Als er sich umgedreht habe, habe er den Unfall auch optisch wahrgenommen.

Der Fahrer des anderen PKW, der Zeuge …, habe ihm erklärt, dass er einem Tier ausgewichen sei und es deswegen zu dem Zusammenstoß gekommen sei. Der Zeuge … habe dabei sein Fahrzeug nach links über die Gegenfahrbahn gesteuert, so dass sein Fahrzeug mit der linken vorderen Ecke gegen die linke vordere Ecke des auf dem Seitenstreifen geparkten PKW des Klägers gestoßen sei.

Der Unfall wurde polizeilich aufgenommen. Bei dem von dem Zeugen … gefahrenen Fahrzeug handelt es sich um einen von der Beklagten zu 2.) gemieteten Toyota Yaris mit einer herabgesetzten Selbstbeteiligung im Falle der Inanspruchnahme der Vollkasko-Versicherung auf 300,00 €.

Der Kläger macht Schadensersatz auf Gutachtenbasis geltend.

Er beantragt,

Verkehrsunfall: Unfallmanipulation - Nachweis in Eigentumsverletzung
Symbolfoto: smolaw/bigstock

1. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger 9.205,03 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit dem 27.07.2009 zu zahlen,

2. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 775,64 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit dem 27.07.2009 zu zahlen.

Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.

Sie behaupten für den Fall, dass – falls sich der Zusammenstoß der Fahrzeuge tatsächlich, wie vom Kläger vorgetragen, zugetragen haben sollte – es sich um einen verabredeten Unfall zwischen dem Kläger und dem Zeugen … gehandelt habe. Sie behaupten des Weiteren, dass der Kläger die Vorschäden an seinem Fahrzeug gekannt habe.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen … und … sowie … Auf die Niederschriften der Terminsprotokolle vom 06.09. und 21.09.2010, 26.10. und 21.12.2010 sowie 08.02.2011 und auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen wird ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist unbegründet.

Der Kläger vermochte zwar den Zusammenstoß am 25.04.2009 im Pappelweg in Kiel – wie von ihm beschrieben – zu beweisen. Die Zeugen … und … haben bestätigt, dass es dort zu dem Zusammenstoß gekommen ist. Soweit der Zeuge …schildert, dass man einen Berg hochgefahren sei und dann links in eine Straße eingebogen sei, wo sich der Unfall dann zugetragen habe, handelt es sich nach Überzeugung des Gerichts erkennbar um eine fehlerhafte Erinnerung. Die Kurve, um die gefahren worden sei, dürfte das Linkshinüberziehen des Fahrzeuges in der Erinnerung des Zeugen sein.

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist das Gericht jedoch davon überzeugt, dass es sich um einen zwischen dem Kläger und dem Zeugen … fingierten Unfall handelt. Dies stellt eine Einwilligung des Klägers in die Beschädigung seines Eigentums dar, so dass eine Schadensersatzpflicht aus den §§ 823 BGB, 7, 18 StVG entfällt. Für das Vorliegen dieser Einwilligung sind die Beklagten beweispflichtig (vgl. BGH, VersR 1979, 514; BGHZ 71, 339, OLG Koblenz, NJW-RR 2006, 95). Dieser Beweis ist dann geführt, wenn eine Häufung von Umständen auf eine solche Einwilligung hindeutet. Unerheblich ist dabei, ob diese Indizien bei isolierter Betrachtung jeweils auch als unverdächtig angesehen werden können. Ausschlaggebend ist eine Gesamtwürdigung aller Tatsachen und Beweise, bei der aus einer Indizienkette auf eine planmäßige Vorbereitung und Herbeiführung des vermeintlichen Unfalls geschlossen werden kann (vgl. OLG Koblenz a.a.O.). Dieser Nachweis ist hier erbracht.

Bei dem PKW des Klägers handelte es sich um ein ca. 10 ½ Jahre altes Fahrzeug mit einer hohen Laufleistung von 163.957 km. Es wies auch erhebliche Vorschäden auf, die der Kläger bei der von ihm veranlassten Bewertung durch den Sachverständigen nicht angegeben hat. Dabei glaubt das Gericht dem Kläger nicht, dass er diese Vorschäden nicht kannte. Aus der Vernehmung des Zeugen … ergibt sich zwar nicht ausdrücklich, dass über die Vorschäden, die der Zeuge … behoben haben will, gesprochen worden ist. Dies folgt jedoch zweifelsfrei aus den Gesamtumständen. Der Zeuge …hatte seinerzeit eine kleine Autoschlosserei. Solche Autoschlossereien kommen an hochwertige Fahrzeuge in der Regel nur über Unfallfahrzeuge, die sie dann günstig aufbereiten und weiterveräußern können, heran. Dies war auch für den Kläger offensichtlich. Das Gericht ist daher davon überzeugt, dass der Kläger sich über den Zustand und über die Vorgeschichte des Fahrzeuges informiert hat und der Zeuge …, der das Fahrzeug eigentlich für sich behalten wollte und der Meinung war, das Fahrzeug ordnungsgemäß instand gesetzt zu haben, darüber auch bereitwillig Auskunft gegeben hat. In diesem Zusammenhang ist es auch bezeichnend, dass der Kläger den seinerzeitigen Kaufvertrag nicht mehr haben will. Denn es ist ungewöhnlich, dass ein Eigentümer, wenn er noch im Besitz des Fahrzeuges ist, den Kaufvertrag nicht ordnungsgemäß aufbewahrt.

Auch bei dem von dem Zeugen … gefahrenen PKW handelt es sich um ein für Unfallfiktionen typischerweise verwendetes Fahrzeug; nämlich um einen Mietwagen, für den eine Vollkasko-Versicherung bestand. Die Selbstbeteiligung wurde zudem herabgesetzt, so dass im Falle des fingierten Unfalls nur eine geringe Zuzahlung zu befürchten war.

Der behauptete Unfall fand zur Nachtzeit in einer ruhigen Straße statt, in der zu dieser Zeit mit neutralen Zeugen nicht zu rechnen ist. Der Unfallhergang ist auch nicht plausibel nachvollziehbar. Er soll sich so zugetragen haben, dass der Zeuge … einem Tier, mutmaßlich einer Katze, das über die Straße gelaufen sein soll, habe ausweichen wollen. Hierbei stellt sich jedoch seine angebliche Reaktion, nämlich das Fahrzeug zwecks Ausweichen nach links hinübergesteuert zu haben, so dass es über die linke Fahrspur mit dem auf dem dortigen Parkstreifen geparkten Fahrzeug des Klägers zusammengestoßen sei, als unglaubwürdig dar. Die übliche Reaktion wäre allenfalls ein scharfes Abbremsen, von dem keiner der Zeugen berichtet hat, nicht aber ein derart gefährliches Ausweichen. Keiner der sonstigen Beteiligten hat ein Tier bzw. eine Katze gesehen. Zwar will der Zeuge …gehört haben, dass gesagt worden sei, etwas sei über die Straße gelaufen. Dies wird jedoch von dem Zeugen … nicht bestätigt. Obwohl dieser als Beifahrer vorne neben dem Zeugen … saß, wusste er von einer Katze oder einem anderen Tier nichts zu berichten. Er erinnert lediglich ein linkes Einbiegen und an den Zusammenstoß. Auffällig ist jedoch, dass er sich daran erinnern konnte, dass der Zeuge … zu ihm gesagt habe, „Pass auf“. Dies spricht nicht für ein bloßes Ausweichen eines Tieres, durch das kein Unfall zu verursacht werden soll, sondern für ein bewusstes Hinüberlenken des Fahrzeuges, um einen verabredeten Unfall herbeizuführen, wobei mit dem Ruf „Pass auf“ die Mitinsassen, die offenbar in das Vorhaben nicht eingeweiht waren, vor dem Zusammenstoß gewarnt werden sollten.

Der Umstand, dass der Zeuge … damit eine gewisse Eigengefährdung und auch eine Gefährdung der beiden Mitfahrer einging, stellt die bewusste Herbeiführung des Unfalls nicht infrage. Die Schäden an den Fahrzeugen, die von dem Kläger unbestrittene Unfallrekonstruktion durch das von den Beklagten eingereichte Parteigutachten vom 21.01.2010 (Bl. 128 d.A.) sowie die Schilderung des Zeugen …, wonach es bei dem Unfall nur zu einem Rucken nach vorne kam, zeigt, dass der Unfall von dem Zeugen … so herbeigeführt werden konnte, dass es nicht zu einer Gefährdung der Insassen kam. Das Gericht hat aufgrund seines persönlichen Eindrucks von dem Zeugen keine Zweifel daran, dass er sich die Durchführung eines solchen Manövers unter Minimierung der Risiken für seine Person sowie der Mitfahrenden zutraute und diese auch in Kauf nahm, um eine Beteiligung an der zu erzielenden Schadenssumme zu erlangen.

Zudem ist der angegebene Grund für die Anmietung des Fahrzeuges durch den Zeugen … unglaubwürdig. Er hat erklärt, dass man sich mit Mädchen habe treffen wollen. Der Kontakt sei „online“ zustande gekommen. Er habe die Mädchen nicht gekannt und sie auch später nicht kennen gelernt. Die Zeugen … und … haben angegeben, selbst keinen Kontakt zu diesen angeblichen Mädchen gehabt zu haben. Die Zeugen konnten auch keine konkreten Vorstellungen angeben, was man denn eigentlich mit den Mädchen noch habe unternehmen wollen. Da noch nicht einmal klar war, ob die Mädchen ebenfalls mit einem Pkw unterwegs waren – der Zeuge … spricht von Abholen – ist auch nicht nachvollziehbar, wie die Fahrt in dem kleinen Fahrzeug möglicherweise zu Sechst fortgesetzt hätte werden können.

Typisch für einen fingierten Verkehrsunfall ist letztendlich auch der sehr schnelle Abverkauf des nicht reparierten Fahrzeuges durch den Kläger, wodurch eine Besichtigung des Fahrzeuges verhindert, jedenfalls erheblich erschwert worden ist.

Nach alledem reichen die Indizien aus, um dem Gericht die Überzeugung des Vorliegens eines fingierten Verkehrsunfalls zu verschaffen. Der Umstand, dass ein vorheriger persönlicher Kontakt zwischen dem Kläger und dem Zeugen … nicht nachgewiesen werden konnte, vermag diese Überzeugung nicht infrage zu stellen.

Die Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 91, 708 Ziffer 11, 711 ZPO.

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