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Verkehrsunfall: unberechtigte Abzüge bei Sachverständigenkosten

AG Iserlohn, Az.: 45 C 67/16, Urteil vom 07.12.2016

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 0,80 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 13.05.2016 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Berufung wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Ohne Tatbestand (gemäß § 313a Abs. 1 ZPO).

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist teilweise begründet.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte aus abgetretenem Recht einen Anspruch auf Zahlung weiterer Sachverständigenkosten in Höhe 0,80 EUR gemäß §§ 7 StVG, 823 BGB, 115 VVG, 398, 249 BGB aufgrund des Verkehrsunfalls vom 15.04.2016.

Die Haftung der Beklagten anlässlich des Verkehrsunfalles am 15.04.2016 ist zwischen den Parteien dem Grunde nach unstreitig.

Die Klägerin ist aktivlegitimiert, da die Ansprüche des Geschädigten zunächst an die die Sachverständigen und dann wirksam an die Klägerin abgetreten wurden.

Für das erstellte Gutachten hat der Sachverständige dem Geschädigten einen Betrag in Höhe von 368,07 EUR in Rechnung gestellt. Hierauf hat die Beklagte 313,00 EUR gezahlt.

Verkehrsunfall: unberechtigte Abzüge bei Sachverständigenkosten
Symbolfoto: loraks/Bigstock

Die Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Feststellung des Kraftfahrzeugschadens gehört zum erforderlichen Herstellungsaufwand gemäß § 249 Abs. 2 BGB. Die Rechnung ist in Höhe von 313,80 EUR erstattungsfähig. Aus Sicht eines wirtschaftlich vernünftig denkenden Menschen in der Lage des Geschädigten erscheint die Rechnung in der erstattungsfähigen Höhe als zur Behebung des Schadens zweckmäßig und angemessen. Bei der vorzunehmenden Beurteilung ist insbesondere auf die spezielle Situation des Geschädigten, seine individuellen Erkenntnis- sowie Einflussmöglichkeiten Rücksicht zu nehmen.

Unter Schadensminderungsgesichtspunkten ist es dem Geschädigten nicht anzulasten, dass er mit dem Sachverständigen eine Honorarvereinbarung getroffen hat, die sich nach der Höhe des Schadens richtet. Die Vereinbarung einer Vergütung, die sich nach der Schadenshöhe bestimmt ist üblich und nicht zu beanstanden. Es ist weiter dem Grunde nach nicht zu beanstanden, dass der Sachverständige seine Vergütung nach einem von der Schadenshöhe abhängigen Grundhonorar und weiteren Nebenkosten, die er nach Aufwand abrechnet, bestimmt. Auch dies entspricht der gängigen Praxis und dem üblichen privaten Geschäftsverkehr. So kann es vom Geschädigten sicherlich nicht verlangt werden, die Honorartabellen von verschiedenen Sachverständigen gegenüberzustellen, um herauszufinden, welche Tabellenwerte in der Summe für seinen möglicherweise zu erwartenden Schaden am günstigsten sind. Anders als bei den Mietwagenpreisen ist bei den Schadensgutachtern eine Tarifgestaltung zwischen Normaltarif und Unfallersatztarif nicht erkennbar (vgl. LG Hagen Urteil vom 28.01.2011, Az. 1 S 168/10).

Nach Maßgabe dieser Kriterien kann die Klägerin eine restliche Sachverständigenvergütung in Höhe von 0,80 EUR von der Beklagten verlangen, denn die Klägerin kann aus der von dem Sachverständigen erstellten Rechnung einen Betrag in Höhe von 313,80 EUR beanspruchen. Die tatsächliche Rechnungshöhe bildet bei der Schadensschätzung nach § 287 ZPO ein wesentliches Indiz für die Bestimmung des zur Herstellung „erforderlichen“ Betrags im Sinne von § 249 Abs. 2 BGB. In der Rechnung schlagen sich die besonderen Umstände des jeweiligen Einzelfalles einschließlich der – vor dem Hintergrund der subjektbezogenen Schadensbetrachtung relevanten – beschränkten Erkenntnismöglichkeiten des Geschädigten regelmäßig nieder (BGH DAR, 2014, 194). Im Ergebnis richtet sich die Erstattungsfähigkeit allerdings nicht nach dem rechtlich geschuldeten Aufwand, sondern nach dem zur Schadensbehebung erforderlichen Kostenaufwand (BGH, a.a.O.). Das Gericht orientiert sich bei der Überprüfung der Angemessenheit der Kosten für den Unfall vom 15.04.2016 an der vom BVSK (Bundesverband der freiberuflichen und unabhängigen Sachverständigen) vorgenommenen Befragung zur Höhe des üblichen Sachverständigenhonorars des Jahres 2015. Die Ergebnisse der Befragung des BVSK stellen eine taugliche Schätzgrundlage im Sinne des § 287 ZPO dar, da der BVSK eine ausreichend große Zahl von Mitgliedern befragt hat. Zudem validiert der BVSK die durch die Befragung erzielten Ergebnisse mittels Überprüfung der Befragungssystematik durch das Bundeskartellamt. Maßgeblich ist insofern zunächst der Honorar V Korridor, Sachschaden bis 750,00 EUR netto. Innerhalb des angegebenen Korridors berechnen mehr als 50 % der Mitglieder der BVSK ihr Honorar.

Grundsätzlich sind Nebenkosten nicht auf eine bestimmte prozentuale Höhe des Grundhonorars oder auf einen Pauschalbetrag zu begrenzen. Der Geschädigte hat auch keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die Nebenkosten einen bestimmten Prozentsatz oder bestimmten Pauschalbetrag nicht überschreiten dürfen (LG Hagen a.a.O.).

Das Grundhonorar des Sachverständigen liegt bei einem Totalschaden ausgehend von dem Widerbeschaffungswert 700,00 EUR mit 209,00 EURO (netto) im Honorarbereich der BVSK Befragung 2015.

Neben diesem Grundhonorar können auch Nebenkosten gesondert berechnet werden. So ist es auch in anderen Bereichen üblich neben dem Grundhonorar Nebenkosten geltend zu machen. Die Nebenkosten sind Teil der üblichen Vergütung (vgl. auch LG Krefeld, Urteil vom 21.04.2016, 3 S 34/15) und somit nicht überraschend im Sinne von § 305 c BGB.

Soweit der Sachverständige diese in Ansatz gebracht hat, halten sich die Schreibgebühren (1,80 EUR und 0,50 EUR je Seite), die Fotokosten (2,00 EUR und 0,50 EUR), die Fahrtkosten (0,70 EUR je km) und die Porto- und Telefonkosten (8,50 EUR) im Rahmen des Honorarkorridors (V).

Schreibgebühren können allerdings lediglich für 9 Seiten verlangt werden. Das Gutachten besteht einschließlich des Deckblatts aus 11 Seiten, nicht aus 14. Die Seiten 9 und 10 des Gutachtens enthalten nur eine Tabellenkalkulation, die nach dem unwidersprochenen Vortrag der Beklagten durch ein Computerprogramm erstellt wurden und dann in das Gutachten hinein kopiert wurden. Der Arbeitskraftanteil des Schreibenden, der die maßgeblichen Kosten der abzurechnenden Schreibgebühren ausmacht, fällt in diesem Zusammenhang nicht an (LG Hagen, Urteil vom 20.08.2015, 7 S 27/15). Die Seiten 9 und 10 des Gutachtens sind daher wie Kopien zu behandeln und mit 0,50 EUR je Seite zu vergüten. Hierdurch reduziert sich der für Schreibgebühren in Ansatz zu bringende Betrag auf 17,20 EUR. Die, für die Durchschriften, abgerechneten 28,00 EUR sind nicht angemessen, anzusetzen sind 11,00 EUR. Hierbei ist es unerheblich, dass bei der Berechnung der geschriebenen Seiten auch das Deckblatt und die Kalkulation der Reparaturkosten Berücksichtigung finden. Diese steilen ebenfalls einen Schreibaufwand des Sachverständigen dar.

Die Kosten im Hinblick auf die Anzahl der Fotos des ersten Fotosatzes (6) sind im Rahmen der Erforderlichkeit nachvollziehbar und erstattungsfähig (12,00 EUR). Hierbei ist zu berücksichtigen, dass der Sachverständige die Fotos nur seitenweise abrechnen kann hat und nicht, pro Foto. Der Sachverständige ist durchaus berechtigt, mehrfache Ablichtungen aus verschiedenen Blickwinkeln und Zoomstufen sowie Übersichtsaufnahmen von dem Fahrzeug zu fertigen, welche nicht den Schadensbereich zeigen. Auch informative Aufnahmen wie z.B. der Tachostand oder die Fahrgestellnummer sind als erforderlich anzusehen. Der zweite und dritte Fotosatz ist wie eine Kopie mit 0,50 EUR anzusetzen, also mit insgesamt 6,00 EUR.

Die Kosten für Telekommunikation und Porto sind in Höhe von insgesamt 8,50 EUR erstattungsfähig.

Ein Anspruch auf Erstattung der in Rechnung gestellten Fahrtkosten besteht hingegen nicht. Die Erforderlichkeit der Fahrtkosten hat die Klägerin nicht ausreichend dargelegt. Ausweislich des Sachverständigengutachtens war das Fahrzeug noch fahrbereit, so dass es grundsätzlich möglich gewesen wäre, das Fahrzeug dem Sachverständigen vorzuführen. Seitens der Klägerin ist nicht dazu vorgetragen worden, wieso eine Besichtigung in Iserlohn notwendig und erforderlich war. Die Fahrt zum Sachverständigen ist dem Geschädigten grundsätzlich auch zuzumuten, da er gerade für solche Fahrten die allgemeine Kostenpauschale zugebilligt bekommt. Von einem wirtschaftlich vernünftig denkenden Menschen wäre daher zu erwarten gewesen, dass er, wenn er denn die Kosten des Sachverständigen hätte selbst tragen müssen, das Fahrzeug zur Vermeidung der anfallenden Fahrtkosten, beim Sachverständigen vorgeführt hätte.

Es ergibt sich somit folgender erstattungsfähiger Betrag:

Grundhonorar 209,00 EUR

Fahrtkosten 0,00 EUR

Fotokosten je Seite 1. Satz 12,00 EUR

Fotokosten je Seite 2./3. Satz 6,00 EUR

Schreibgebühren (Original) 17,20 EUR

Durchschriften 11,00 EUR

Porto/Telefon pauschal 8,50 EUR

Zwischensumme 263,70 EUR

19% MWSt 50,10 EUR

Summe 313,80 EUR

Insgesamt kann daher die Klägerin noch einen Restbetrag 0,80 EUR (brutto) verlangen, da die Beklagte auf den Rechnungsbetrag 313,00 EUR gezahlt hat.

Der Zinsanspruch ergibt sich aus Verzug nach §§ 286 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 3, 288 BGB. Die Beklagte hat mit ihrem Schreiben vom 13.05.2016 eine weitere Regulierung endgültig abgelehnt.

Ein Anspruch auf vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 70,20 EUR ist nicht gegeben, da die Klägerin nach dem Schreiben der Beklagten 20.01.2016 mit der diese ihren Rechtsstandpunkt darlegte und die Forderung der Klägerin endgültig ablehnte, nicht mehr damit rechnen durfte, außergerichtlich den von ihr erhobenen Anspruch erfolgreich verfolgen zu können. Die Prozessbevollmächtigte der Klägerin hätten sich sogleich einen Klageauftrag erteilen lassen müssen (vgl. dazu OLG Hamm, NJW-RR 2006, 242).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 11, 713 ZPO.

Der Streitwert wird auf 55,07 EUR festgesetzt.

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