OLG Celle – Az.: 14 U 118/21 – Urt. v. 08.06.2022
Auf die Berufung des Klägers wird das am 09. Juli 2021 verkündete Urteil der 8. Zivilkammer des Landgerichts Verden – 8 O 340/17 – teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 14.597,78 € sowie 20.000,00 € Schmerzensgeld zu zahlen jeweils zzgl. Zinsen in Höhe von 5%-Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 11.01.2018.
Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, über das Teilurteil des Landgerichts Verden vom 12.04.2018, Az. 8 O 340/17 hinaus, dem Kläger 75 Prozent des weiteren materiellen und immateriellen Schadens zu ersetzen, der ihm aus dem Verkehrsunfall auf der Bundesstraße pp. zwischen M. und R. am 25.04.2014 noch entstehen wird, soweit Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder andere Dritte übergegangen sind oder übergehen werden.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger 70 % und die Beklagten als Gesamtschuldner 30 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Den Parteien bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, sofern nicht die vollstreckende Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf bis zu 125.000 € festgesetzt.
Gründe
I.
Der Kläger nimmt die Beklagten als Gesamtschuldner auf Schadensersatz und Schmerzensgeld zuzüglich Rechtsanwaltskosten und Zinsen aus einem Verkehrsunfall in Anspruch, der sich am 25.05.2014 auf der Bundesstraße pp. zwischen M. und R. ereignete. Er begehrt ferner die Feststellung der Ersatzpflicht für zukünftige Schäden.
Der Kläger überholte mit seinem Kraftrad eine Fahrzeugkolonne von 9-10 Fahrzeugen, an deren Spitze ein Lkw fuhr. Dabei kam es zu einem Zusammenstoß mit dem links abbiegenden Pkw des Rechtsvorgängers der Beklagten zu 1), der bei der Beklagten zu 2) haftpflichtversichert war. Der Kläger erlitt erhebliche Verletzungen und dauerhafte Gesundheitsschäden, unter anderem eine Lähmung des linken Armes. Die unstreitigen Unfallfolgen wurden insbesondere durch umfangreiche Begutachtungen durch das BG-Klinikum H. festgestellt. Auf die beiden Gutachten vom 06.12.2016 sowie vom 16.01.2017 (Anlagen B1 bis B3, Bl. 84 ff. d. A.) wird Bezug genommen. Die Beklagte zu 2) regulierte außergerichtliche Forderungen des Klägers auf Grundlage einer Haftungsquote von 50 %.
Mit Teilanerkenntnisurteil vom 12.04.2018 hat das Landgericht die Ersatzpflicht der Beklagten für zukünftige Schäden mit einer Haftungsquote von 50 % festgestellt. Mit Schlussurteil vom 09.07.2021 hat das Landgericht die Beklagten als Gesamtschuldner zur Zahlung von 6.840,00 € verurteilt und die Klage im Übrigen abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass dem Kläger Ansprüche nach einer Haftungsquote von 50 % zustünden. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme habe die Kolonne von 60-70 km/h auf 20-30 km/h aufgrund des Abbiegemanövers abgebremst. Der Rechtsvorgänger der Beklagten zu 1) habe nach den Bekundungen der Zeugen ordnungsgemäß geblinkt, was der Kläger nicht widerlegt habe (Seite 11 LGU). Die gefahrenen Geschwindigkeiten und der Unfallverlauf ergäben sich auch aus den sorgfältigen, nachvollziehbaren und widerspruchsfreien Feststellungen des Sachverständigen B. (Seite 12 ff. LGU). Der Kläger habe sich nicht wie ein Idealfahrer verhalten, indem er die in geringem Abstand fahrende Fahrzeugkolonne, also bei wenig Ausweichmöglichkeiten, überholt habe, was ein erheblich risikobehafteter Verkehrsvorgang gewesen sei. In dieser Risikosituation habe er zudem nicht mit der notwendigen Sorgfalt und Aufmerksamkeit reagiert. Weder den gesetzten Blinker noch die Bremslichter der nachfahrenden Fahrzeuge habe er zum Anlass genommen, ausreichend stark zu bremsen (Seite 18 LGU). Der Rechtsvorgänger der Beklagten zu 1) habe gegen § 9 Abs. 1 Satz 4 StVO verstoßen, weil er die gehörige Rückschau nicht gehalten habe. Dabei hätte er den Kläger wahrnehmen können. Eine Beeinträchtigung der Fahrtüchtigkeit durch Medikamente sei weder substantiiert vorgetragen noch sonst ersichtlich (Seite 19 LGU). Der Kläger habe bei unklarer Verkehrslage mit einem Ausscheren oder Abbiegen rechnen müssen. Da er zudem nicht sachgerecht reagiert habe, trete die Betriebsgefahr seines Kraftrads nicht zurück. Das Überholen der Fahrzeugkolonne trotz unklarer Verkehrslage und fehlender Aufmerksamkeit, wiege mindestens so schwer wie die unzureichende Rückschau. Der Kläger habe „sich nämlich in hohem Maße riskant und rücksichtslos verhalten und sehenden Auges gegen elementare Sorgfaltsanfechtungen Verkehr verstoßen, während der Beklagte zu 1) bei der Rückschau vor dem Abbiegen aufgrund Unaufmerksamkeit gescheitert sei“ (Bl. 20 f. LGU). Die Beklagten hätten vermehrte Bedürfnisse in Form eines Liegendfahrrades und eines Aufsatzrasenmähers auszugleichen. Hierauf sei der Kläger verletzungsbedingt angewiesen, nicht jedoch auf elektrisch ausfahrbare Markisen. Hinsichtlich letzterer bestünde kein Anspruch, zumal der Kläger solche bislang gar nicht angeschafft habe. Zudem sei eine Nachrüstung als günstigere Alternative geboten (Seite 23 f. LGU). Das von der Beklagten bereits gezahlte Schmerzensgeld in Höhe von 35.000 € sei bei einer Haftungsquote von 50 % angemessen, unter Berücksichtigung der vom Kläger erlittenen Schmerzen und Beeinträchtigungen. Schwerstschäden, die für eine Schmerzensgeldrente Voraussetzung seien, lägen bei dem Kläger nicht vor. Künftige Beeinträchtigungen seien durch die Feststellung der Ersatzpflicht für künftige Schäden hinreichend berücksichtigt (Seite 25 f. LGU). Rechtsanwaltskosten könnten derzeit nicht verlangt werden, weil sie dem Kläger noch nicht in Rechnung gestellt worden seien (Seite 27 LGU).
Hinsichtlich Einzelheiten und der weiteren tatsächlichen Feststellungen sowie des weiteren Vorbringens der Parteien und der erstinstanzlichen Anträge wird gemäß § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.
Gegen das am 15.07.2021 zugestellte Urteil hat der Kläger mit Schriftsatz vom 26.07.2021 Berufung eingelegt, die er innerhalb der bis zum 15.10.2021 verlängerten Berufungsbegründungsfrist mit Schriftsatz vom 15.10.2021 begründet hat (Bl. 375, 384, 420 f., 424 ff. d. A.). Er ist Meinung, die Klageabweisung sei zu Unrecht erfolgt. Dem Rechtsvorgänger der Beklagten zu 1) sei nicht bloße Unaufmerksamkeit, sondern ein grob verkehrswidriges Verhalten vorzuwerfen, weil er gegen das elementare Gebot der doppelten Rückschau nach § 9 Abs. 1 Satz 4 StVO verstoßen habe (Bl. 427 d. A.). Der Kläger habe nicht rücksichtslos gehandelt, indem er lediglich überholt habe, was erlaubt sei. Selbst bei einer unklaren Verkehrslage sei der Pflichtverstoß des Linksabbiegers höher zu bewerten, zumal der Kläger bereits bei der ersten Rückschau zu erkennen gewesen wäre. Da der Unfall auch bei sachgemäßer zweiter Rückschau noch zu verhindern gewesen wäre, hätten die Beklagten allein zu haften (Bl. 428 f. d. A.). Ferner habe das Landgericht die Faktoren zur Bemessung des Schmerzensgeldes zwar richtig benannt, hierfür jedoch einen unzureichenden Betrag zugesprochen. Arbeitsverlust und Teilverrentung sowie Gebrauchsunfähigkeit des linken Armes sowie ständige Schmerzen und die Einnahme von Schmerzmedikamenten beeinträchtigten das Selbstwertgefühl derart, dass der Kläger Antidepressiva einnehmen müsse. Daher seien die psychischen und physischen Dauerfolgen stärker zu berücksichtigen. Auch die Genugtuungsfunktion des Schmerzensgeldes spiele eine Rolle (Bl. 430 d. A.). Die Beeinträchtigungen würden dem Kläger immer wieder neu und schmerzlich die Unfallfolgen bewusst werden lassen, was eine Schmerzensgeldrente auch in Anbetracht möglicher Zukunftsfolgen rechtfertige (Bl. 431 d. A.). Hinsichtlich der Rechtsanwaltskosten hätte das Landgericht auf die fehlende Rechnungsstellung hinweisen müssen. Auf einen solchen Hinweis hätte der Kläger erklärt, dass die Rechnung der Rechtsschutzversicherung gestellt worden sei und eine Bescheinigung vorgelegt, die ihn zur Geltendmachung berechtige (Bl. 432 d. A.). Die Kostenverteilung könne zudem nicht nach § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO vorgenommen werden. Für die Einzelheiten wird auf die Berufungsbegründung vom 15.10.2021 (Bl. 424 ff. d. A.) Bezug genommen.
Der Kläger beantragt, unter Aufhebung des am 09.07.2021 verkündeten Urteils des Landgerichtes Verden – Az. 8 O 340/17 –
1. werden die Beklagten als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger einen Betrag zu zahlen in Höhe von 25.842,57 € zzgl. Zinsen in Höhe von 5%-Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß § 247 BGB seit Rechtshängigkeit;
2. werden die Beklagten als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger ein über den gezahlten Betrag i.H.v. von 35.000,00 € hinausgehendes angemessenes Schmerzensgeld zu zahlen zzgl. Zinsen in Höhe von 5%-Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß § 247 BGB seit Rechtshängigkeit;
3. werden die Beklagten als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger eine monatliche Schmerzensgeldrente i.H.v. 400,00 € zu zahlen,
hilfsweise
die Beklagten zu verurteilen, eine angemessene Schmerzensgeldrente zu zahlen;
4. werden die Beklagten als Gesamtschuldner verurteilt, Kosten für notwendige außergerichtliche rechtsanwaltliche Tätigkeit i.H.v. 1.954,46 € zu zahlen zzgl. Zinsen in Höhe von 5%-Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß § 247 BGB seit Rechtshängigkeit;
5. festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger allen weiteren materiellen und immateriellen Schaden zu ersetzen, der dem Kläger aus dem Verkehrsunfall mit dem Beklagten zu 1) vom 25.05.2014 noch entstehen wird, soweit der Anspruch nicht auf einen Sozialversicherungsträger oder andere Dritte übergegangen ist.
Die Beklagten beantragen, die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigen das angefochtene Urteil. Aufgrund des festgestellten Bremsens und „Blinkens“ sei eine für den Kläger erkennbar unklarer Verkehrslage eingetreten, sodass dieser nicht weiter hätte überholen dürfen. Auf die Gefahren der langen Kolonne habe der Kläger bei der gefahrenen Geschwindigkeit nicht sachgerecht reagieren können, mit denen er aber hätte rechnen müssen. Daher hätte er bereits nicht zum Überholvorgang ansetzen dürfen. Das Schmerzensgeld sei im Hinblick auf vergleichbare Fälle angemessen. Der Kläger sei Rechtshänder, und die Schmerztherapie mache seine Schmerzen erträglich. Die Voraussetzungen einer Schmerzensgeldrente lägen nicht vor, die unter Berücksichtigung des gezahlten Schmerzensgeldes auch keine angemessene Gesamtkompensation mehr darstellen würde. Hinsichtlich der Rechtsanwaltskosten fehle die Aktivlegitimation. Die Kostenverteilung sei auch hinsichtlich des Teilanerkenntnisses korrekt. Für die Einzelheiten des Beklagtenvorbringens wird auf die Berufungserwiderung vom 09.12.2021 (Bl. 451 ff. d. A.) Bezug genommen.
II.
Die zulässige Berufung hat teilweise Erfolg. Im Übrigen war sie zurückzuweisen.
1. Der Kläger hat gem. §§ 7 Abs. 1, 17 StVG, 115 VVG i. V. m. § 1 PflichtVersG Anspruch auf den Ersatz von 75 Prozent des Schadens, der ihm aus dem Verkehrsunfall entstanden ist.
Hinsichtlich des Unfallhergangs folgt der Senat den vom Landgericht umfassend getroffenen Feststellungen, die von den Parteien in der Berufungsinstanz auch nicht angegriffen werden.
Nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO ist das Berufungsgericht grundsätzlich an die Tatsachenfeststellungen des ersten Rechtszuges gebunden. Diese Bindung entfällt, wenn konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit entscheidungserheblicher Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 Halbs. 2 ZPO). Konkrete Anhaltspunkte in diesem Sinne sind alle objektivierbaren rechtlichen oder tatsächlichen Einwände gegen die erstinstanzlichen Feststellungen. Zweifel im Sinne von § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO liegen vor, wenn aus der für das Berufungsgericht gebotenen Sicht eine Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass im Fall der Beweiserhebung die erstinstanzliche Feststellung keinen Bestand haben wird, sich also deren Unrichtigkeit herausstellt (BGH, Beschluss vom 21. März 2018 – VII ZR 170/17, Rn. 15, juris; Senat, Urteil vom 08. Juli 2020 – 14 U 27/20, Rn. 61, juris). Konkrete Anhaltspunkte, die die Bindung an die erstinstanzlichen Feststellungen entfallen lassen, können sich insbesondere aus Verfahrensfehlern bei der Sachverhaltsfeststellung ergeben. Ein solcher Verfahrensfehler liegt namentlich vor, wenn die Beweiswürdigung in dem erstinstanzlichen Urteil den Anforderungen nicht genügt, die von der Rechtsprechung zu § 286 ZPO entwickelt worden sind. Dies ist der Fall, wenn die Beweiswürdigung unvollständig oder in sich widersprüchlich ist, oder wenn sie gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt. Gleiches gilt, wenn das erstinstanzliche Gericht Tatsachenvortrag der Parteien übergangen oder von den Parteien nicht vorgetragene Tatsachen verwertet hat (Senat, aaO mwN zur ständigen Rspr. des BGH). Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der Feststellungen können sich auch aus der Möglichkeit unterschiedlicher Wertung ergeben, insbesondere daraus, dass das Berufungsgericht das Ergebnis einer erstinstanzlichen Beweisaufnahme anders würdigt als das Gericht der Vorinstanz (BGH NJW-RR 2017, 219, Rn. 10 f., Senat, aaO).
Ausgehend von diesem Prüfungsmaßstab liegen konkrete Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der landgerichtlichen Feststellungen auch unter Berücksichtigung des Berufungsvorbringens nicht vor. Das Landgericht hat den Sachverhalt umfassend aufgeklärt durch die informatorische Anhörung der Parteien, durch die Vernehmung der Zeugen S., B., W., L. S. und S. sowie durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens des Dipl.-Ing. T. B. vom 23.04.2020. Einwendungen der Parteien gegen das Gutachten ist das Landgericht durch Einholung eines schriftlichen Ergänzungsgutachtens vom 15.06.2020 und ergänzende Anhörung des Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung vom 28.05.2021 nachgegangen. Es hat sich dabei mit dem Parteivortrag, einschließlich der von den Parteien vorgelegten Privatgutachten auseinandergesetzt und die Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft beigezogen. Die auf Grundlage seiner umfassenden Tatsachenfeststellungen vorgenommene Würdigung hat das Landgericht nachvollziehbar begründet. Der Senat sieht keinen Anlass eine hiervon abweichende Würdigung vorzunehmen, und auch die Parteien haben hiergegen keine Einwendungen erhoben.
a) Der Anspruch gegen die Beklagte zu 1) folgt aus § 7 Abs. 1 StVG.
Als Erbin ihres verstorbenen Mannes tritt sie dessen Gesamtrechtsnachfolge nach § 1922 Abs. 1 BGB an und haftet für dessen Verbindlichkeiten gemäß § 1967 BGB. Hierzu gehören auch Schadensersatzansprüche nach dem StVG.
aa) Dieser war Halter eines Kraftfahrzeuges, bei dessen Betrieb eine Sache, nämlich das Motorrad des Klägers beschädigt und der Körper sowie die Gesundheit des Klägers verletzt wurden. Die Haftung ist nicht nach § 7 Abs. 2 StVG ausgeschlossen, weil der Zusammenstoß nicht auf höherer Gewalt beruhte. Der Unfall war auch nicht Folge eines unabwendbaren Ereignisses im Sinne der § 17 Abs. 3 S. 1 StVG. Insoweit kann auf die zutreffenden Ausführungen des Landgerichtes verwiesen werden. Die Haltereigenschaft (auch des Klägers) ist offenbar von allen Beteiligten vorausgesetzt worden und ergibt sich auch aus der beigezogenen Ermittlungsakte.
bb) Der Umfang des dem Kläger von der Beklagten zu 1) zu erstattenden Schadens richtet sich nach den Verursachungsbeiträgen des Klägers und des Rechtsvorgängers der Beklagten zu 1) an dem Unfallereignis.
(1) Bei der Beteiligung mehrere Kraftfahrzeuge bestimmt sich die Haftung nach § 17 StVG. Gemäß § 17 Abs. 1 StVG hängt im Verhältnis der Fahrzeughalter zueinander die Verpflichtung sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen ab, insbesondere davon, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist, wenn ein Schaden durch mehrere Kraftfahrzeuge verursacht wird und die beteiligten Fahrzeughalter einem Dritten kraft Gesetzes zum Ersatz des Schadens verpflichtet sind. § 17 Abs. 2 StVG bestimmt, dass wenn der Schaden einem der beteiligten Fahrzeughalter entstanden ist, § 17 Absatz 1 StVG auch für die Haftung der Fahrzeughalter untereinander gilt.
Der Kläger selbst haftet gemäß § 7 Abs. 1 StVG als Halter seines eigenen Fahrzeuges, bei dessen Betrieb Sachen (Pkw auf Beklagtenseite) beschädigt wurden. Es liegen weder höhere Gewalt noch ein unabwendbares Ereignis vor. Auch insoweit kann auf die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts verwiesen werden. Insbesondere hat sich der Kläger nicht wie ein Idealfahrer verhalten, sondern mit seinem Überholmanöver selbst eine erhöhte (Betriebs-)Gefahr geschaffen.
(2) Auf Beklagtenseite ist eine gesteigerte Betriebsgefahr wegen Verstoßes gegen § 9 Abs. 1 S. 4 StVO in der Abwägung zu berücksichtigen. Die Betriebsgefahr wird geprägt durch die Gesamtheit aller Umstände, welche durch die Eigenart des Kraftfahrzeuges in den Verkehr getragen werden.
Nach den plausibel und nachvollziehbar begründeten Feststellungen des Landgerichts ist der Rechtsvorgänger der Beklagten zu 1) unter Verletzung der Sorgfaltspflichten nach § 9 Abs. 1 Satz 4 StVO aus der Kolonne ausgeschert, um nach links abzubiegen, ohne seiner doppelten Rückschaupflicht nachzukommen. Nach § 9 Abs. 1 Satz 4 StVG ist vor dem Einordnen und nochmals vor dem Abbiegen auf den nachfolgenden Verkehr zu achten; vor dem Abbiegen ist es dann nicht nötig, wenn eine Gefährdung des nachfolgenden Verkehrs ausgeschlossen ist. Die entsprechende Sorgfaltspflichtverletzung ist durch das Sachverständigengutachten bewiesen worden, sodass es nicht darauf ankommt, ob ein Anscheinsbeweis zulasten des Linksabbiegers regelmäßig ausscheiden muss, wenn der Überholende diesem nicht unmittelbar nachfolgt, sondern eine Kolonne überholt (OLG Saarbrücken, Urteil vom 16. Oktober 2014 – 4 U 145/13, NJW-RR 2015, 279 Rn. 57 f. mwN, beck-online; jedenfalls bei kleiner Kolonne: OLG Karlsruhe, Urteil vom 10. September 2018 – 1 U 155/17 –, Rn. 42, juris; jedenfalls bei abbiegendem Spitzenfahrzeug: OLG Hamm, Urteil vom 23. Februar 2006 – 6 U 126/05, Rn. 13, juris). Nach den Feststellungen des Sachverständigen B. war der Kläger für den Rechtsvorgänger der Beklagten zu 1) gut erkennbar, als dieser sich zu dem Überholvorgang entschloss. Die gerade Strecke war nach den überzeugenden und anschaulichen Feststellungen des Sachverständigen über den Rückspiegel weithin einsehbar, der Kläger fuhr im Abstand von knapp 50m (vgl. Seite 30 des Gutachtens vom 23.04.2020, im Aktendeckel). Auch die Zeugen W. und S. haben bekundet, den Kläger im Rückspiegel gesehen zu haben, was die Erkennbarkeit bestätigt.
Noch weitergehende gefahrerhöhende Umstände auf Seiten des Rechtsvorgängers der Beklagten zu 1) sind nicht ersichtlich.
Soweit das Landgericht davon ausgegangen ist, dass er nicht ohne jede Rückschau ausgeschert und den Fahrtrichtungsanzeiger rechtzeitig gesetzt hat, begegnet dies keinen Bedenken. Der Rechtsvorgänger der Beklagten zu 1) hat in seiner informatorischen Anhörung lebensnah geschildert, sich mit einem Blick in den Spiegel abgesichert zu haben. Gerade die beiden direkt hinter dem Rechtsvorgänger der Beklagten zu 1) fahrenden Zeugen B., dieser gegenüber der Polizei, und W. haben Blinkzeichen bekundet. Die übrigen Zeugen fuhren dahinter und waren zudem mit dem Überholvorgang des Klägers konfrontiert, der Aufmerksamkeit auf sich zog. Es erscheint daher nachvollziehbar, dass sie bis zum Unfall keine Wahrnehmung gemacht haben.
Für die Annahme, dass der Rechtsvorgänger der Beklagten zu 1) unter Medikamenteneinfluss gestanden habe, gibt es keinen Anhaltspunkt. Dabei ist schon nicht nachgewiesen, dass eine hierfür ursächliche Krebsdiagnose vor März 2018 gestellt worden ist. Selbst wenn dem so wäre, könnte hieraus nicht ohne weiteres auf eine entsprechende Medikamenteneinnahme zum Unfallzeitpunkt geschlossen werden. Letztlich könnte eine solche auch nicht mehr durch das vom Kläger geforderte Sachverständigengutachten nachgewiesen werden.
(3) Auf Klägerseite ist von einer leicht erhöhten Betriebsgefahr auszugehen.
Ein Verstoß gegen § 5 Abs. 3 Nr. 1 StVG kann entgegen dem Landgericht allerdings nicht angenommen werden.
Das Überholen ist nach § 5 Abs. 3 Nr. 1 StVO bei unklarer Verkehrslage unzulässig. Allein der Umstand, dass der Kläger eine Kolonne von mehreren Fahrzeugen überholt hat, begründet noch keinen solchen Verstoß. Das Überholen einer Fahrzeugkolonne ist auch nach § 5 Abs. 3 Nr. 1 StVO nicht generell verboten. Eine unklare Verkehrslage besteht nur, wenn sich nicht verlässlich beurteilen lässt, was Vorausfahrende jetzt sogleich tun werden (OLG Koblenz, Urteil vom 10. Februar 2020 – 12 U 1134/19, Rn. 29, juris mwN; Senat, Urteil vom 21. September 2000 – 14 U 252/99, Rn. 4, juris). Dies erfordert konkrete Anhaltspunkte aufgrund der Verkehrssituation, etwa dem Verhalten anderer Verkehrsteilnehmer oder der Örtlichkeit (Senat, aaO). So muss der Überholende nicht damit rechnen, dass ein in der Kolonne befindliches Fahrzeug unvermittelt nach links ausschert, solange keine besonderen Umstände hinzutreten, die für ein unmittelbar folgendes Ausscheren sprechen (OLG Koblenz, Urteil vom 10. Februar 2020 – 12 U 1134/19, Rn. 29; OLG Karlsruhe, Urteil vom 10. September 2018 – 1 U 155/17, Rn. 45 f., juris; OLG München, Urteil vom 24. Februar 2017 – 10 U 4448/16, Rn. 7, juris; König, in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 45. Aufl., § 5 StVO, Rn. 34 jew. mwN).
Das Landgericht hat solche Umstände darin gesehen, dass der Rechtsvorgänger der Beklagten zu 1) vor dem Abbiegen den linken Fahrtrichtungsanzeiger gesetzt hatte und zudem die Bremsleuchten der dahinter fahrenden Fahrzeuge sichtbar waren. Hierbei handelt es sich um Umstände, die grundsätzlich eine unklare Verkehrslage begründen können. Dies betrifft jedoch den typischen Fall einer unklaren Verkehrslage bei Beginn des Überholvorgangs. Vorliegend befand sich der Kläger davon abweichend bereits im weiteren Überholvorgang, als diese Umstände eintraten. Dies rechtfertigt eine abweichende Betrachtung. Es ist zwar richtig, dass das Überholen mit dem Ansetzen beginnt und erst mit dem Wiedereinordnen endet (so insbesondere die Gesetzesbegründung zu § 5 Abs. 2 StVG, zitiert nach König, aaO § 5 StVO, Rn. 3). Dennoch müsste ein begonnener Überholvorgang nicht abgebrochen werden, wenn danach während des weiteren Überholvorgangs eine unklare Verkehrslage erkennbar wird. Abgesehen vom insoweit abweichenden Wortlaut des § 5 Abs. 2 StVO, der im Unterschied zu Abs. 3 an den gesamten Vorgang anknüpft („während des ganzen Überholvorgangs“), stellt auch der Abs. 2 auf den Beginn des Überholvorgangs ab: Der Überholvorgang darf nicht begonnen werden, wenn er nicht über die volle Dauer überschaubar ist. Im Folgenden kann der Abbruch des Überholens unter Umständen gefährlicher sein, als dessen Fortsetzung, insbesondere wenn ein gefahrloses Wiedereinscheren nicht möglich ist. Entsprechend betont auch die obergerichtliche Rechtsprechung, dass die Beurteilung zu Beginn des Überholvorgangs maßgeblich ist (OLG Jena, Beschluss vom 11. Juni 2003 – 1 Ss 70/02, NStZ-RR 2004, 27, beck-online; OLG Rostock, Urteil vom 23. Februar 2007 – 8 U 39/06, BeckRS 2007, 4828, beck-online). Dies ist auch im Ergebnis sachgerecht. Wer sich sehenden Auges in eine unklare Verkehrslage begibt, nimmt eine Gefährdung für sich und andere in Kauf. Dies gilt aber nicht für denjenigen, der erlaubterweise einen Überholvorgang beginnt und erst in dessen Verlauf mit Unklarheiten konfrontiert wird.
Wer ordnungsgemäß zum Überholen angesetzt hat, darf darauf vertrauen, dass sich kein vorausfahrender Fahrzeugführer verkehrswidrig verhält und vorschriftswidrig ausschert oder nach links abbiegt (vgl. BGH, Urteil vom 23.09.1986, VI ZR 46/85, Rn. 12, juris; OLG Karlsruhe, Urteil vom 10. September 2018 – 1 U 155/17, Rn. 47, juris). Ihm steht der Vorrang gegenüber den Vorausfahrenden zu. Denn von mehreren hintereinander fahrenden Fahrzeugen hat dasjenige Vortritt beim Überholen, das zuerst korrekt hierzu ansetzt (BGH aaO; OLG Karlsruhe, Urteil vom 10. September 2018 – 1 U 155/17, Rn. 47, juris; sowie Urteil vom 08.06.2001 – 10 U 77/01, Rn. 14, juris). Nichts anderes gilt im Fall einer Fahrzeugkolonne, wonach insbesondere der Versuch, in einem Zug zwei voranfahrende Personenkraftwagen zu überholen, nicht stets eine besonders gefahrenträchtige Fahrweise darstellt, die bei einer nach § 17 StVG zu treffenden Abwägung ins Gewicht fällt (BGH, Urteil vom 23. September 1986 – VI ZR 46/85, Rn. 12):
„Denn ein in einer Kolonne an dritter Stelle fahrender Fahrer ist auch nach dem strengen Maßstab, der bei der Gefährdungshaftung des § 7 StVG an den „Idealfahrer“ zu stellen ist, nicht in jedem Fall verpflichtet, dem Vorausfahrenden den „Überholvortritt“ einzuräumen. Auch ein „Idealfahrer“ wird sich im allgemeinen darauf verlassen dürfen, daß sein Vordermann nicht seinerseits zum Überholen ausschert, ohne vorher ein Blinkzeichen gegeben zu haben. Von ihm ist allerdings zu verlangen, die konkrete Verkehrssituation auch auf andere Umstände hin zu beobachten, die es nahelegen können, daß der Vorausfahrende seinerseits überholen will. […] Liegen Anhaltspunkte dafür vor, daß der vorausfahrende Kraftfahrer gleichfalls zum Überholen ansetzen will, muß der Nachfolgende seine Überholabsicht zurückstellen. Hat der Nachfolgende allerdings in korrekter Weise zum Überholen angesetzt, dann bleibt ihm der Vorrang“.
Dies mag ggf. anders beurteilt werden können, wenn unmittelbar zu Beginn des Überholvorgangs, d. h. beim Ausscheren (bisher durch andere Fahrzeuge verdeckte) Blinkzeichen sichtbar werden (OLG Hamm, Urteil vom 23. Februar 2006 – 6 U 126/05, Rn. 18, juris – wo allerdings schon zuvor eine unklare Verkehrslage bestand). So liegt der hier zu entscheidende Sachverhalt jedoch nicht. Die von den Beklagten angeführte Entscheidung des OLG München (Urteil vom 09. April 2010 – 10 U 4406/09, Rn. 5, juris) führt zu keinem anderen Ergebnis. Dieses Urteil enthält bereits keine genauen Tatsachenangaben, so dass der Fall ebenso gelagert sein könnte, wie in der dort zitierten Entscheidung des OLG Hamm (siehe oben aaO). Andernfalls stünde diese Entscheidung auch im Widerspruch zur Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, weswegen ihr nicht zu folgen wäre, und begegnete den oben angeführten sachlichen Bedenken.
Grundsätzlich ist das Überholen mehrerer Fahrzeuge, die hintereinanderfahren, statthaft und nicht verboten (OLG Karlsruhe, Urteil vom 10. September 2018 – 1 U 155/17, Rn. 45, juris; OLG München, Urteil vom 24. Februar 2017 – 10 U 4448/16, Rn. 8, juris; Helle, in: Freymann/Wellner, jurisPK-Straßenverkehrsrecht, 2. Aufl., § 5 StVO, Stand: 19.01.2022, Rn. 54 jew. mwN).
Jedoch trifft denjenigen, der bei hoher Geschwindigkeit mehrere Kraftfahrzeuge überholt, eine erhöhte Sorgfaltspflicht (OLG Frankfurt, Urteil vom 03. September 2001 – 1 U 73/00, Rn. 7; vgl. OLG Karlsruhe, Urteil vom 10. September 2018 – 1 U 155/17, Rn. 56, juris), sodass ihm auch eine sogenannte „Schrecksekunde“ nicht zusteht (BGH, VM 67 25 zitiert nach König, in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 46 Aufl., § 5 StVO, Rn. 40; König, ebenda). Insoweit stellt das Überholen einer Kolonne auch einen gefahrerhöhenden Umstand dar, der zu einer Mithaftung führt (Grüneberg, Haftungsquoten bei Verkehrsunfällen, 16. Aufl., 173). Auch eine leichte Vermeidbarkeit des Unfalls kann berücksichtigt werden (OLG Frankfurt, Urteil vom 03. September 2001, 1 U 73/00, Rn. 3; vgl. OLG Hamm, Urteil vom 23. Februar 2006 – 6 U 126/05, Rn. 18, juris), entsprechend auch gefahrerhöhendes Verhalten während des Überholvorgangs (OLG München, Urteil vom 09. April 2010 – 10 U 4406/09, Rn. 8, juris).
Diesen besonderen Sorgfaltsanforderungen ist der Kläger nicht gerecht geworden, obgleich ihm dies durch normales Fahrverhalten möglich gewesen wäre. Insbesondere hat er sein Fahrzeug nicht verlangsamt, als der Rechtsvorgänger der Beklagten zu 1) mit dem Abbiegen begann. Der Sachverständige B. hat unter Berücksichtigung der Einwendungen der Parteien sowohl schriftlich als auch mündlich erläutert, dass ein Abbremsen von 4m/s² möglich gewesen und den Unfall verhindert hätte. Dabei handele es sich um ein im Verkehrsalltag regelmäßig vorkommendes normales Bremsverhalten (Seite 28 des Gutachtens vom 23.04.2020, im Aktendeckel). Im Übrigen kann für den Unfallhergang, insbesondere für das Fahrverhalten des Klägers auf die Feststellungen des Landgerichts verwiesen werden. Zwar war das Überholen des Klägers erlaubt, jedoch mit nicht unerheblichen Risiken verbunden. Schon die Länge der Fahrzeugkolonne von 9-10 Fahrzeugen vervielfältigte die Gefahren, weil der Kläger bei seinem Überholvorgang parallel eine ganze Reihe von Fahrzeugen im Auge behalten musste, um auf Gefahrensituationen reagieren zu können. Eine rechtzeitige Reaktion war durch die erhebliche Geschwindigkeit von 100 km/h zusätzlich erschwert. Hierzu kommt, dass zwischen den Fahrzeugen lediglich ein Mindestabstand gehalten wurde. Diesen hat der Zeuge W. mit ca. 20 m grob geschätzt, ebenso der Rechtsvorgänger der Beklagten zu 2) in seiner Anhörung. Der Zeuge S. hat den Abstand mit 100 m zum Lkw angegeben, wobei sich vor ihm noch 2 oder 3 weitere Fahrzeuge befunden hätten, was einen Abstand von höchstens 30 m ergibt. (bei nur zwei Fahrzeugen in gleichem Abstand). Dies lässt sich mit der Aussage des Zeugen S. vereinbaren, wonach der Abstand normal gewesen sei (bezogen auf die halbe Tachoanzeige in Metern bei 60 km/h). Die geringen Abstände spiegeln sich in dem Anstoß des Klägers an dem PKW der Zeugin B. wieder.
Hierbei handelt es sich zwar um keine Verstöße gegen die Straßenverkehrsordnung, sondern um Risiken erlaubten Fahrverhaltens, bei dem der Kläger nach § 1 Abs. 1 StVO zur ständigen Vorsicht verpflichtet war und entsprechend mit Fehlern anderer Verkehrsteilnehmer rechnen musste. Diese Risiken hatte der Kläger sachgerecht abzuwägen. Insbesondere hätte dem ersten Fahrzeug nach dem Lkw eine gesteigerte Aufmerksamkeit entgegengebracht werden müssen. Für dieses war das Überholen am leichtesten, sodass zu erwägen war, ob es einen entsprechenden Überholvorgang doch noch beginnen würde oder es gerade deshalb davon absah, weil es demnächst abzubiegen beabsichtigte. Dies alles wiegt zwar nicht so schwer wie ein Verstoß gegen § 5 Abs. 3 Nr. 1 StVO, führt jedoch dennoch zu einer (wenn auch geringeren) Erhöhung der Betriebsgefahr. Die Sichtbehinderung durch den Lkw hat sich hingegen nicht ausgewirkt. Der Vergleich mit einem Verstoß gegen die Richtgeschwindigkeit ist aufgrund der Kodifizierung in der Verordnung über eine allgemeine Richtgeschwindigkeit auf Autobahnen und ähnlichen Straßen (Autobahn-Richtgeschwindigkeits-V vom 21.11.1978) nicht überzeugend. Für das Überholen von Fahrzeugkolonnen gibt es keine vergleichbare Verordnung. Maßgeblich ist vielmehr der – auch und gerade auf Autobahnen geltende – Grundsatz, dass derjenige, der bereits ausgeschert ist, darauf vertrauen darf, dass ihm sein Vorrecht gewährt wird.
(4) Die Abwägung der jeweiligen Verursachungsbeiträge führt im vorliegenden Fall zu einer Haftung mit einer Quote von 75 Prozent bei einem Mitverursachungsanteil des Klägers von 25 Prozent.
Dabei ist auf beiden Seiten die allgemeine Betriebsgefahr der Fahrzeuge zu berücksichtigen, wovon auch das Landgericht zutreffend ausgegangen ist. Die Betriebsgefahr auf Seiten des Klägers tritt nicht vollständig zurück, weil er bei dem von ihm begonnenen risikobehafteten Überholmanöver keine besondere Vorsicht hat walten lassen, sondern auf die erkennbare Abbiegeabsicht nicht angemessen reagiert hat. Dieses Verhalten hat sich auch in dem Unfall ausgewirkt. Dass den Rechtsvorgänger der Beklagten zu 1) ein überwiegendes Verschulden trifft, ist innerhalb der Haftungsquote zu berücksichtigen, schließt die Bildung einer Quote vorliegend jedoch nicht aus.
Ein gleicher oder gar überwiegender Haftungsanteil des Klägers käme nur bei einem Verschulden, insbesondere einer unklaren Verkehrslage in Betracht, wovon vorliegend jedoch nicht auszugehen ist (vgl. für diese hier nicht einschlägigen Fälle der überwiegenden Haftung des Überholenden: Senat, Urteil vom 21. September 2000 – 14 U 252/99, juris; OLG München, Urteil vom 09. April 2010 – 10 U 4406/09, Rn. 8, juris; Heß, in: Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke/Heß, 27. Aufl. 2022, StVO § 5 Rn. 69; Grüneberg, Haftungsquoten bei Verkehrsunfällen, 16. Aufl., Rd. 161; für eine Haftungsteilung: OLG Karlsruhe, NZV 1999, 166, 167 sowie ferner OLG Saarbrücken, Urteil vom 16. Oktober 2014 – 4 U 145/13, Rn. 113, 119 und OLG Frankfurt, Urteil vom 03. September 2001 – 1 U 73/00, Rn. 3, juris).
Demgegenüber kann eine überwiegende (alleinige) Haftung des Linksabbiegers angenommen werden, wenn es sich um ein zulässiges und verkehrsgerechtes Überholen handelt (keine unklare Verkehrslage) und der Linksabbieger gegen seine (doppelte) Rückschaupflicht verstoßen hat (vgl. OLG Koblenz, Urteil vom 10. Februar 2020 – 12 U 1134/19, Rn. 22 ff., juris; Heß, in: Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke/Heß, 27. Aufl. 2022, StVO § 5 Rn. 69a; Grüneberg, Haftungsquoten bei Verkehrsunfällen, 16. Aufl., Rd. 168, 170, 171, 173 mwN). Dies ist aber nicht zwingend, sondern von den Umständen des Einzelfalles abhängig.
Auch wenn das Überholen einer Kolonne nicht unzulässig war, hätte zumindest ein Idealfahrer dies angesichts der damit verbundenen abstrakten Selbst- und Fremdgefährdung unterlassen (OLG München, Urteil vom 24. Februar 2017 – 10 U 4448/16, Rn. 9, juris). Im Übrigen wirkt sich (wie bereits ausgeführt) auch beim Überholen einer Kolonne die generelle, objektive Gefährlichkeit des Überholens mit beträchtlicher Geschwindigkeit betriebsgefahrerhöhend aus (OLG Karlsruhe, Urteil vom 10. September 2018 – 1 U 155/17, Rn. 56, juris). Eine Alleinhaftung der Beklagten kann auch nicht auf die von dem Kläger angeführte Entscheidung des OLG Saarbrücken gestützt werden, wonach wegen der besonderen Sorgfaltspflichten beim Abbiegen derjenige allein hafte, der verkehrswidrig links abbiege und dabei mit einem ihn ordnungsgemäß überholenden Kraftfahrzeug zusammenstößt (OLG Saarbrücken, Beschluss vom 12. März 2015 – 4 U 187/13, Rn. 51, juris). Dort wurde nur ein Fahrzeug überholt, keine Kolonne, und das Abbiegen war ohne Rückschau und Betätigung des Fahrtrichtungsanzeigers überraschend (aaO Rn. 36 ff.). Vorliegend hat der Kläger ein gefährlicheres Fahrmanöver vorgenommen, bei dem es (wenn auch erst während des Überholvorgangs) konkrete Hinweise auf ein Abbiegen gab, worauf der Kläger auch rechtzeitig hätte reagieren können. Entsprechendes gilt für die vom OLG Saarbrücken (aaO) angeführte Entscheidung des Kammergerichts, in der der Beklagte erst links abbog, als sich der Überholende bereits neben ihm befand (KG Berlin, Beschluss vom 12. Juli 2010 – 12 U 177/09, Rn. 19 ff, juris).
cc) Aufgrund der vorstehenden Abwägung kann der Kläger von der Beklagten zu 1) Ersatz der ihm entstandenen Schäden gem.§ 249 ff. BGB verlangen.
(1) Dies sind zunächst materielle Schäden in Höhe von weiteren 14.598,78 €.
(a) Der Kläger kann zunächst die unstreitigen Positionen gemäß den Abrechnungsschreiben der Beklagten zu 2) vom 02.11.2015, 24.03.2014 und 15.05.2017 sowie 03.08.2017 ersetzt verlangen. Dem sind die Beklagten nicht entgegengetreten. Vielmehr hat die Beklagte zu 2) in der Sache geprüft und erstattet. Entsprechend stellen die Regulierungsschreiben auch ein Anerkenntnis der Beklagten zu 2) dar. Auf den Hinweisbeschluss des Senats vom 22.02.2021 hat der Kläger mit Schriftsatz vom 07.03.2022 die in Bezug genommenen Schreiben einschließlich Quittungen zur weiteren Konkretisierung vorgelegt (Hefter, Anlagen zum Schriftsatz vom 07.03.2022, Bl. 462 ff. d. A., im Aktendeckel). An der Berechtigung der unstreitigen Positionen bestehen insoweit keine Zweifel.
Es handelt sich um folgende Positionen:
(aa) Schreiben vom 02.11.2015 (Anlage K2) anerkannt
Abschleppkosten 171,36 €
Sachschäden an Brille und Bekleidung 500,00 €
Zuzahlungskosten Orthese 10,00 €
Weitere von der Beklagten geprüfte und bezahlte Zuzahlungen gemäß Schreiben der Beklagten vom 06.11.2014 (Anlage 2) 125,00 €
Weitere Zuzahlungen gemäß Schreiben der Beklagten vom 17.11.2014 (Anlage 3) 53,28 €
Zahlung gemäß Schreiben des Klägers vom 20.03.2015 (Anlage 4) 3133,97 €
Summe 3.993,61
(bb) Schreiben vom 24.03.2016 (Anlage K3) anerkannt
Verdienstausfall (10.07.2014 bis 24.05.2015) 7.949,62 €
Zuzahlung Heilbehandlungskosten 811,12 €
Fahrtkosten 122,75 €
Summe 8.883,49 €
(cc) Hinzukommen gem. Schreiben vom 15.05.2017 (Anlage K7) anerkannte weitere materielle Schäden gemäß Schreiben des Klägers vom 11.04.2017 (Anlage 5) in Höhe von 186,70 €. Der dort aufgeführte Haushaltsführungsschaden ist von dem Kläger nicht zum Gegenstand des Rechtsstreits gemacht und seiner Schadensberechnung auch nicht zugrunde gelegt worden.
(dd) Schreiben der Beklagten vom 03.08.2017 (Anlage K 11) anerkannt
Umrüstung neues Kraftfahrzeug mit Drehknauf am Lenkrad (3.718,69 €) sowie Medikamente und Fahrtkosten (Anlage 7) 4.291,31 €
(ee) Die Summe der vorgenannten vier Positionen beträgt 17.355,11 € (3.993,61 + 8.883,49 + 186,70 + 4.291,31). Hiervon kann der Kläger 75 % verlangen, mithin 13.016,33 €. Hierauf hat die Beklagte 8.677,56 € geleistet. Es verbleibt eine Differenz zugunsten des Klägers von 4.338,78 €.
(b) Soweit das Landgericht dem Kläger die Kosten für ein Liegendfahrrad und einen Aufsatzrasenmäher zugesprochen hat, sieht sich der Senat nicht zu einer anderen Bewertung veranlasst. Der Kläger hat eine ärztliche Bescheinigung beibringen können, wonach ein solches Fahrrad für ihn (auch therapeutisch) erforderlich ist, und der Rasenmäher ist zum Erhalt des von dem Kläger bewohnten Hausgrundstücks notwendig. Konkrete Einwendungen werden in der Berufungsinstanz nicht erhoben, sodass im Übrigen auf die Ausführungen des Landgerichts im angefochtenen Urteil (dort Seite 21 ff.) verwiesen werden kann. Von den unbestrittenen Kosten in Höhe von 9.280,00 € (Fahrrad) und 4.400 € (Rasenmäher), mithin 13.680 € kann der Kläger 75 % verlangen, mithin 10.260,00 €. Zahlungen haben die Beklagten insoweit nicht geleistet.
(c) Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Kosten für zwei elektrische Markisen. Der Senat schließt sich auch insoweit den überzeugenden Ausführungen des Landgerichts an.
Obwohl die Beklagten die Erforderlichkeit bestritten haben, hat der Kläger hierzu nicht die von ihm für diesen Fall angekündigten Unterlagen vorgelegt. Er hat lediglich mit Schriftsatz vom 10.04.2018 auf ein Lichtbild der Markise verwiesen, wonach nachvollziehbar und verständlich sein solle, dass er nicht in der Lage sei, eine Markise dieser Größe mit einer Handkurbel zu bedienen, ebenso wenig wie seine Ehefrau, die er insoweit als Zeugin benennt. Auch nach der erstinstanzlichen Beweisaufnahme ist nicht ersichtlich, dass die Markisen, die offenbar im gemeinsamen Eigentum der Eheleute stehen, nicht mehr genutzt werden können. Schon nach dem ursprünglichen Sachvortrag ist nicht plausibel, weshalb eine eingeschränkte Rückenbeweglichkeit der Ehefrau es unmöglich machen soll, die Handkurbel zu bedienen. Letztlich hat die Zeugin in der mündlichen Verhandlung vom 27.07.2018 im Gegenteil bekundet, dass sie nach dem Unfall die Markisen bediene. Hinsichtlich der Möglichkeiten des Klägers ergibt sich aus der Aussage nichts, außer das einiges an Kraft aufgewendet werden müsse (Bl. 151 d. A.). Dies genügt nicht, um am Maßstab des § 286 ZPO zu einer vollen richterlichen Überzeugungsbildung zu gelangen.
Eine solche Überzeugungsbildung gelingt auch nicht hinsichtlich der Erforderlichkeit des Austausches der Markisen. Das Foto (Anlage 1 zur Replik vom 10.04.2018) zeigt die vorhandene Markise mit typischer Handkurbel (Bl. 116, 131 d. A.). Soweit der Kläger an dieser Stelle ein Sachverständigengutachten für die fehlende Nachrüstmöglichkeit anbietet, bedarf es dieses Beweises nicht. Es handelt sich ersichtlich um ein bekanntes Standardprinzip, bei dem die Kurbel (regelmäßig mit Haken und Öse) an der eigentlichen Markise befestigt ist und die Drehbewegung der Kurbel auf den Abrollmechanismus umgesetzt wird. Die Drehbewegung, die bei der Kurbel normalerweise händisch erfolgt, kann problemlos auch durch einen Motor erzeugt werden. Hierbei handelt es sich um offenkundige Tatsachen, die nach § 291 ZPO keines Beweises bedürfen. Im Fachhandel gibt es, was allgemein bekannt ist, auch elektrisch unterstützte preisgünstige Kurbeln.
(d) Ein Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten besteht nicht.
Diese sind nach dem unstreitigen neuen Vortrag in der Berufungsinstanz von der Rechtsschutzversicherung bezahlt worden. Die Beklagten haben in der Berufungserwiderung die Aktivlegitimation bestritten. Der Kläger hat eine Bescheinigung der Rechtschutzversicherung, diese Kosten im eigenen Namen geltend machen zu dürfen, nicht vorgelegt, sondern nur vorgetragen, dass er dies in erster Instanz getan hätte, wenn das Landgericht ihn darauf hingewiesen hätte. Bei einer Zahlung der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten durch den Rechtsschutzversicherer geht der Anspruch gemäß § 86 VVG auf diesen im Wege der cessio legis über. Eines gerichtlichen Hinweises bedurfte es aufgrund des eindeutigen Hinweises durch die gegnerischen Prozessbevollmächtigten nicht (so auch: OLG Hamm, Beschluss vom 28. Mai 2019 – I-7 U 85/18, Rn. 45, juris); außerdem handelt es sich nur um eine Nebenforderung (§ 139 Abs. 2 S. 1 ZPO).
b) Der Kläger hat Anspruch auf ein angemessenes Schmerzensgeld in Höhe von weiteren 20.000 € gem. § 823 Abs. 1, § 253 Abs. 2 BGB, § 7 Abs. 1, § 11 Satz 2 StVG, § 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VVG.
aa) Eine Körperverletzung und Gesundheitsschädigung liegen nach dem unstreitigen Parteivortrag vor. Insoweit kann auf das Urteil des Landgerichts verwiesen werden.
bb) Der Maßstab für die billige Entschädigung i.S.v. § 11 Satz 2 StVG, § 253 Abs. 2 BGB muss unter Berücksichtigung ihrer Ausgleichs- und Genugtuungsfunktion für jeden einzelnen Fall durch Würdigung und Wägung aller ihn prägenden Umstande neu gewonnen werden; das auf diese Weise gewonnene Ergebnis ist anschließend im Hinblick auf den Gleichheitsgrundsatz anhand von in sog. Schmerzensgeldtabellen erfassten Vergleichsfällen zu überprüfen, wobei aber die dort ausgewiesenen Beträge schon wegen der meist nur begrenzt vergleichbaren Verletzungsbilder nicht schematisch übernommen werden dürfen. Die Höhe des zuzubilligenden Schmerzensgeldes hängt entscheidend vom Maß der durch das haftungsbegründende Ereignis verursachten körperlichen und seelischen Beeinträchtigungen des Geschädigten ab, soweit diese bei Schluss der mündlichen Verhandlung bereits eingetreten sind oder zu diesem Zeitpunkt mit ihnen als künftiger Verletzungsfolge ernstlich gerechnet werden muss. Die Schwere dieser Belastungen wird vor allem durch die Stärke, Heftigkeit und Dauer der erlittenen Schmerzen und Funktionsbeeinträchtigungen bestimmt; besonderes Gewicht kommt etwaigen Dauerfolgen der Verletzungen zu (Senat, Urteil vom 04. November 2020 – 14 U 81/20 –, Rn. 12, juris; vgl. OLG Saarbrücken, Urteil vom 27.02.2007 – 4 U 470/06, BeckRS 2008, 01338, beck-online). Zu beachten sind weiter die persönlichen Lebensumstände des Verletzten und die darin fortwirkenden Unfallfolgen. Erhöhend wirken sich u. a. die Auswirkungen für eine Berufstätigkeit, insbesondere deren Aufgabe aus, sowie Nachteile in der Freizeitgestaltung. Mitverschulden, Mitverursachung sowie eine mitwirkende Betriebsgefahr sind mindernd zu berücksichtigen (OLG Saarbrücken aaO).
cc) Diese Umstände hat das Landgericht im Wesentlichen zutreffend berücksichtigt, insbesondere die Verletzungsfolgen, wie sie sich aus dem Tatbestand des angefochtenen Urteils ergeben, einschließlich der Folgen für das Erwerbsleben des Klägers. Zu ergänzen ist, dass der Kläger am 30.03.1968 geboren und Rechtshänder ist. Seit dem Unfall ist er auf ständige Schmerzmitteleinnahme angewiesen, was mit Nebenerscheinungen wie Müdigkeit und gesteigerter Reizbarkeit einhergeht. Zwar hat der Kläger den Behandlungsverlauf seit dem Unfall nicht im Einzelnen vorgetragen, dieser ergibt sich aber aus den eingereichten medizinischen Unterlagen hinreichend. Zudem ist zwischen den Parteien unstreitig, dass der Kläger lebensgefährlich verletzt ins Krankenhaus eingeliefert wurde, dort längere Zeit behandelt wurde und sich daran mehrere mehrwöchige Rehabilitationsmaßnahmen anschlossen sowie Folgeoperationen zur Wiederherstellung der Beweglichkeit des Armes, die jedoch erfolglos blieben. Die Berücksichtigung dieser Umstände führt jedoch im Ergebnis zu keiner anderen Bewertung der Schmerzensgeldhöhe. Bei einem lebensgefährlichen Motorradunfall, einschließlich der Lähmung eines Armes, sind umfangreiche Krankenhausaufenthalte, Behandlungen und Rehabilitationsmaßnahmen typische Folgen, und es ist auch von erheblichen Beeinträchtigungen des psychischen Wohlbefindens auszugehen. Die vom Kläger vorgetragenen Beeinträchtigungen durch Schmerzen und psychische Belastung, die auch mit der Einnahme von Psychopharmaka einhergehen, sind dabei schmerzensgelderhöhend zu berücksichtigen. Sie erreichen aber kein schweres Krankheitsbild, wie etwa eine Depression oder posttraumatische Belastungsstörung, die beim Kläger unstreitig nicht vorliegen, was auch die ärztlichen Berichte bestätigen. Auch unter Berücksichtigung dieser Umstände liegt das vom Landgericht angenommene Schmerzensgeld noch in einem angemessenen Bereich. Dies zeigt insbesondere der Vergleich mit Schmerzensgeldbeträgen, die von der Rechtsprechung in anderen Fällen zuerkannt wurden. Dies gilt auch unter Berücksichtigung absehbarer künftiger Entwicklungen.
In erster Instanz hat der Kläger ausdrücklich darauf hingewiesen, dass er nicht an einer Depression oder einer posttraumatischen Belastungsstörung leide. Darüber hinaus hat er die Beeinträchtigungen einer Verminderung seines Konzentrationsvermögens aufgrund ablenkender Schmerzen sowie ständiger Müdigkeit als Nebenwirkung von Schmerzmitteln angeführt und leichtere Reizbarkeit wegen der Schmerzbelastung, was zu beruflichen Beeinträchtigungen führe (Schriftsatz vom 10.04.2008, Bl. 111 ff. d. A.). All dies hat der Senat als schmerzensgelderhöhend berücksichtigt. Seine Mitverantwortung an dem Unfall war hingegen anspruchsmindernd zu berücksichtigen. Dabei handelt es sich allerdings lediglich um eine gesteigerte Betriebsgefahr, die sich nicht in gleicher Weise wie ein Verschulden in der Gesamtabwägung niederschlägt. Dennoch kann berücksichtigt werden, dass der Kläger sich mit seinem Überholmanöver bewusst Gefahren ausgesetzt hat, die sich in seinen Verletzungen niederschlagen haben.
Das Landgericht hat zutreffend angenommen, dass der Genugtuungsfunktion des Schmerzensgeldes vorliegend in der Gesamtabwägung keine entscheidende Bedeutung zukommt. Das Schmerzensgeld soll neben seiner Ausgleichsfunktion zugleich dem Gedanken Rechnung tragen, dass der Schädiger dem Geschädigten für das, was er ihm angetan hat, Genugtuung schuldet (BGH, Beschluss vom 16. September 2016, Rn. 48, juris mit zahlreichen Nachweisen; vgl. Senat, Urteil vom 19. Februar 2020 – 14 U 69/19, Rn. 53, juris). Allerdings steht der Entschädigungs- oder Ausgleichsgedanke im Vordergrund. Besondere Bedeutung erlangt die Genugtuungsfunktion hingegen bei bestimmten Gruppen von immateriellen Schäden, insbesondere bei vorsätzlichen Taten oder wenn der Geschädigte ausnahmsweise so gut gestellt ist, dass bei ihm durch keinerlei Geldbeträge ein Ausgleich für einen immateriellen Schaden herbeigeführt werden kann (BGH aaO mwN; vgl. Grüneberg, in: Grüneberg, 81. Aufl., § 253, Rn. 4 mwN). Solche oder vergleichbare Umstände liegen hier jedoch nicht vor. Insbesondere hat der Rechtsvorgänger der Beklagten zu 1) lediglich aufgrund von Fahrlässigkeit einen typischen Verkehrsverstoß begangen, wobei auch sein eigenes Fahrzeug einen Totalschaden erlitt. Eine spürbare Erhöhung des Schmerzensgeldes kommt unter diesen Umständen, insbesondere nur einfacher Fahrlässigkeit, nicht in Betracht.
dd) Das vom Kläger geforderte Schmerzensgeld von mindestens 100.000,00 € übersteigt den angemessenen Rahmen auch unter Berücksichtigung vergleichbarer Entscheidungen.
(1) Der Kläger beruft sich auf die Entscheidung des OLG Köln (Urteil vom 07. Dezember 2010 – 4 U 9/09, juris). Das OLG hat im dortigen Fall jedoch lediglich 65.000,00 € zugesprochen (aaO, Rn. 44). Wesentliche Unfallfolgen waren dort eine posttraumatische Belastungsstörung sowie Morbus Sudeck (Lähmung des linken Arms bei gleichzeitigen ständigen starken Schmerzen; aaO Rn. 30 ff). Zudem war schmerzensgelderhöhend zu berücksichtigen, dass Leistungen über 8 Jahre mit dem grundlosen Vorwurf vorenthalten wurden, der Kläger hätte sich die Verletzungen absichtlich zugefügt (aaO, Rn. 45 d. A.). Vorliegend hat der Kläger weder eine posttraumatische Belastungsstörung erlitten, noch gibt es besondere Umstände im Regulierungsverhalten der Beklagten zu 2), die zumindest teilweise die Schäden (einer vertretbaren Rechtsauffassung folgend) beglichen hat. Zwar leidet auch der Kläger unter zum Teil starken Schmerzen, was nach den von ihm selbst zuletzt beigebrachten ärztlichen Bescheinigungen jedoch nicht ständig der Fall ist. Hiernach sind die Schmerzen für den Kläger „erträglich“ gemäß ärztlicher Bescheinigung des Privatdozenten Dr. L. vom 27.08.2018 (Bl. 185 d. A.) bzw. „auf ein hantierbares Maß gebracht“ gemäß ärztlichem Attest des Allgemeinmediziners Dr. R. vom 09.08.2018 (Bl. 186 d. A.). Der Bericht aus dem Universitätsklinikum S. 17.01.2018 spricht von einer „erfreulichen“ Schmerzintensitätsreduktion“ (Bl. 187 f. d. A.).
(2) Das Landgericht Kempten hat mit Urteil vom 21.06.1989, Az. 2 O 753/89 (Hacks/Wellner/Häcker, Schmerzensgeldbeträge, 40. Aufl. 2020, lfd. Nummer 33.1699) für ein Polytrauma mit einer Unterarmfraktur mit Armplexusläsion, diversen Brüchen, Thoraxkontursion, Milzruptur, Platzwunden und Zahnbeschädigung ein Schmerzensgeld von 80.000 DM (rd. 40.000 €) zuerkannt. Bei einer Indexanpassung auf das Jahr 2022 errechnet sich ein Wert von 71,075,00 € (aaO). Im vorliegenden Fall ist das Schmerzensgeld etwas geringer zu bemessen, da der dortige Fall den erst 20-jährigen Kläger mit einer Berufsunfähigkeit von 100 % und 80% Erwerbsminderung schwerer getroffen hat, als den älteren Kläger, der zumindest noch in einem Teilbereich seiner bisherigen Tätigkeit (Fachkraft für Arbeitssicherheit) tätig sein kann.
(3) Die Beklagten verweisen im Grundsatz zutreffend auf die Entscheidung des LG Rostock, 23.1.2004 -2 O 6/03 (aaO. Lfd. Nummer:40.1413):
Verletzung Armplexusparese links, Schädelhirntrauma II. Grades, zweitgradig offener Oberschenkelbruch links und erstgradig offener Schienbeinbruch links, Riss- und Quetschwunden im Kopfbereich
Dauer und Umfang der Behandlung Mehrere stationäre Aufenthalte mit zahlreichen Operationen
Person des Verletzten Konstruktionsmechaniker-Lehrling
Dauerschaden MdE: 80%
Besondere Umstände, die für die Entscheidungen maßgebend waren Das Gericht sieht es ausgehend von den erheblichen Verletzungen des Klägers, der langen Behandlungsdauer, dem Funktionsverlust des linken Armes und den zahlreichen Narben am Körper des Klägers, insbesondere auch den Narben im Gesicht und der Wesensveränderung des Klägers (zunehmende Aggressivität) als angemessen an, dass der Kläger ein Schmerzensgeld von insgesamt 65.000€ erhält. Die begehrte Schmerzensgeldrente wird als unbegründet abgelehnt
Betrag 65.000,00 € + immat. Vorbehalt
Indexanpassung (2022) 84.423,00 €
Auch unter Berücksichtigung der Indexanpassung bleibt dieser Betrag hinter den Vorstellungen des Klägers zurück. Dabei ist der dort genannte Fall schwerwiegender, insbesondere aufgrund des anzunehmenden geringen Alters des Verletzten (Lehrling), der in jungen Jahren nicht nur den Funktionsverlust des Armes, sondern auch die Beeinträchtigung seines Erscheinungsbildes (Narben auch im Gesicht) erlitt und eine weitaus stärkere „psychische“ Beeinträchtigung in Form einer Wesensveränderung (gesteigerte Aggressivität). Dies kann nicht mit der Situation des hiesigen Klägers verglichen werden, dem gerade nicht bereits in jungen Jahren sein gesamter Lebensweg versperrt worden ist und dem folglich auch nur ein erheblich geringeres Schmerzensgeld zugesprochen werden kann. Dabei wird nicht verkannt, dass auch der Kläger zahlreiche Narben davongetragen hat und eine gesteigerte Reizbarkeit als Unfallfolge angenommen werden kann (so etwa Gutachten der BG, Anlage B1 bis B3). Der Umfang bleibt jedoch jeweils deutlich hinter dem Vergleichsfall zurück.
(4) Gleiches gilt, wenn man die Entscheidung des OLG Stuttgart (vom 13. Juni 1993 – 6 U 49/93, aaO, lfd. Nr.: 35.1528) heranzieht, insbesondere unter Verweis auf die dort genannten maßgeblichen Umstände:
Verletzung Fraktur des zweiten HWK; Oberarmschaftfraktur rechts mit Zerreißung des Nervus radialis, insbesondere einen Intimaeinriss der rechten Oberarmarterie; Armnervenplexusschädigung mit Wurzelausrissen rechts
Verletzte Person 15-jähr. Schülerin, z.Z. des Urteils 26 Jahre
Dauerschaden Fast vollständige Lähmung des rechten Arms, vollständige Lähmung im Handgelenk und der kleinen Handmuskeln rechts. Klägerin kann mit dieser Hand keine Gegenstände greifen und tragen. Narben im Bereich der Unterschenkel, des rechten Oberkörpers und des Brustkorbs
Besondere Umstände, die für die Entscheidungen maßgebend waren Schweres Verschulden des Schädigers. Klägerin musste eine völlige Umstellung ihrer Lebensplanung vornehmen (u. a. Umorientierung im beruflichen Bereich). Sie muss auch als Ehefrau und derzeit werdende Mutter mit erheblichen Beeinträchtigungen fertig werden. Umgang mit einem Kind wird durch den weitgehenden Wegfall der Funktion des rechten Arms erheblich erschwert und stellt auch eine psychische Beeinträchtigung dar. Täglich krankengymnastische Behandlungen und Übungen von je 1 ½ Stunden. Klägerin muss sich zur Entfernung der Metallplatte im Oberarm noch eines operativen Eingriffs unterziehen. Bestrafung des Schädigers ist nicht schmerzensgeldmindernd
Betrag 110.000,00 DM (55.000,00 €)
Indexanpassung (2022) 82.994,00 €
Hierbei gelten die Ausführungen zum vorigen Vergleichsfall entsprechend. Zu der weit stärkeren Alltagserschwerung in sehr jungen Jahren kommt dort noch ein täglicher aufwendiger Behandlungsbedarf. Solche Folgen treffen den hiesigen Kläger nicht.
(5) Mit Einschränkungen folgt Ähnliches aus der Entscheidung des OLG Frankfurt (aaO, lfd. Nr. 40.3):
Verletzung Totale Oberarmamputation rechts; Dünndarmperforation; Rückenfrakturen
Dauer und Umfang der Behandlung/ Arbeits-unfähigkeit/ Minderung der ErwerbsfähigkeitÜber 4 Monate stationär; 5 Operationen; immer noch arbeitsunfähig
Person des Verletzten 52-jähr. Rentner
Dauerschaden Vermutlich MdE: 100%
Besondere Umstände, die für die Entscheidungen maßgebend waren Beim Kläger hat sich ein ausgeprägtes depressives Syndrom entwickelt. Darüber hinaus ist er gezwungen, andauernd Medikamente zu nehmen, um die Phantomschmerzen halbwegs erträglich zu gestalten. Der Senat, im Berufungsverfahren vor dem OLG München, wies darauf hin, dass es gerade die psychischen Folgen gebieten, hier vom Normalfall abzuweichen. Der Senat hält ein Schmerzensgeld von DM 120000 (60000€) für angemessen. Daraufhin wurde ein entsprechender Vergleich geschlossen
Betrag 120.000,00 DM (60000,00 €)
Indexanpassung (2022) 87.164,00 €
Zwar gebietet hier das Alter keine grundsätzlich andere Sichtweise, wohl aber der Umstand, dass, anders als beim Kläger, ein ausgeprägtes depressives Syndrom festgestellt werden konnte, welches ein besonders hohes Schmerzensgeld rechtfertigte. Neben der sichtbaren Entstellung durch die Amputation war dort auch eine größere Schmerzproblematik zu berücksichtigen, da die Einstellung mit Medikamenten offenbar nicht so gelungen ist wie im Fall des Klägers, sowie eine voraussichtliche Erwerbsminderung von 100 %.
ee) Insgesamt ist vorliegend ein Schmerzensgeld von 55.000,00 Euro angemessen, aber auch ausreichend. Dabei folgt der Senat der Ansicht des Landgerichts, dass ohne ein Mitverschulden ein Betrag von etwa 70.000,00 € anzusetzen wäre. In der Gesamtabwägung rechtfertigt sich zur Überzeugung des Senats eine „Kürzung“ auf 55.000,00 €, wobei zwar eine Berücksichtigung des Mithaftungsanteils, jedoch gerade keine der Quote entsprechende Kürzung stattzufinden hat. Es handelt sich nicht um eine rein mathematische Berechnung, sondern eine Abwägung mit den übrigen Umständen.
Auf das angemessene Schmerzensgeld von 55.000 € haben die Beklagten 35.000 € bezahlt, sodass zugunsten des Klägers eine Differenz von 20.000 € verbleibt.
ee) Die Zahlung einer Schmerzensgeldrente hat das Landgericht mit zutreffender Begründung verneint. Dies entspricht auch der Rechtsprechung des Senats. Eine Schmerzensgeldrente kommt neben einem kapitalisierten Schmerzensgeld nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nur ausnahmsweise bei lebenslangen, schweren Dauerschäden in Betracht, die der Verletzte immer wieder schmerzlich empfindet (Senat, Urteil vom 01. Juni 2016 – 14 U 74/15, Rn. 49, juris; Grüneberg, in: Grüneberg, 81. Aufl., § 253, Rn. 21 jew. mwN). Neben den vom Landgericht genannten Beispielen kommt als weiteres Beispiel die schwere lebenslange Beschränkung der Erlebenssphäre (z. B. eines 15-jährigen Mädchens bei zahlreichen weiteren Dauerfolgen) infolge des Verlustes des Geruchs- und Geschmackssinns in Betracht (BGH, Urteil vom 08. Juni 1976 – VI ZR 216/74, Rn. 15, juris). Dies kann mit der Situation des Klägers nicht verglichen werden. Letztlich müssen die Entschädigungsleistungen auch insgesamt zueinander in ein angemessenes Verhältnis gebracht werden (BGH aaO, Rn. 16; vgl. Thüringer Oberlandesgericht, Urteil vom 12. August 1999 – 1 U 1622/98, Rn. 15, juris; Grüneberg aaO.). Insoweit werden die Verletzungsfolgen mit dem Schmerzensgeld von 55.000,00 € bereits ausreichend und angemessen ausgeglichen.
2. Das Urteil ist auch hinsichtlich der Ablehnung des Feststellungsantrages abzuändern.
a) Bereits hinsichtlich der Quote bedarf das Urteil der Korrektur durch das Berufungsgericht. Zudem hat das Landgericht übersehen, dass das Teilanerkenntnisurteil vom 12.04.2018 nur materielle Schäden betrifft, der Kläger jedoch auch die Feststellung immaterieller Schäden beantragt hat. Die Klage hätte somit nicht mit der Begründung abgewiesen werden dürfen, dass über das Teilanerkenntnisurteil hinaus keine Ansprüche bestünden.
b) Die Beklagten haben bereits anerkannt, dass sie verpflichtet sind, dem Kläger sämtlichen weiteren materiellen Schaden aus dem Verkehrsunfall zu ersetzen.
Sie haben entsprechend nicht bestritten, dass nicht absehbar ist, ob und inwieweit sich die gesundheitliche Konstitution des Klägers noch verändern, insbesondere verschlechtern wird. Unstreitig kommen weitere Beeinträchtigungen durch zukünftige Operationen und die Auswirkungen der Schmerzmedikation in Betracht.
c) Bei dieser Sachlage ist ein Feststellungsinteresse auch hinsichtlich immaterieller Schäden zu bejahen, weil ein Grund bestehen kann, mit dem Eintritt von Spätschäden wenigstens zu rechnen (BGH, Beschluss vom 09. Januar 2007 – VI ZR 133/06, Rn. 11 mwN). Eine Klage auf Feststellung der Ersatzverpflichtung für künftige immaterielle Schäden scheidet hingegen aus, wenn ausschließlich voraussehbare Schädigungsfolgen in Betracht kommen, die von der Zubilligung des Schmerzensgelds umfasst wären (BGH aaO, Rn. 12). Hiervon kann vorliegend nicht ausgegangen werden, weil die ungewissen zukünftigen Behandlungen, wie weitere Operationen und Schmerzbehandlungen, auch zukünftige immaterielle Beeinträchtigungen aufgrund organischer Operationsfolgen möglich erscheinen lassen (vgl. BGH aaO). Ungewiss sind auch die weiteren physischen und psychischen Beeinträchtigungen durch den Schmerzmittelkonsum, die nach jetzigem Stand gerade noch nicht zu einer wesentlichen Erhöhung des Schmerzensgeldes geführt haben (siehe oben). Dies gilt auch vor dem Hintergrund, dass alle vorhersehbaren Spätschäden, mit denen gerechnet werden konnte, bereits bei der Bemessung des Schmerzensgeldes zu berücksichtigen sind (Grundsatz der Einheitlichkeit des Schmerzensgeldes; vgl. BGH, Urteil vom 15. Februar 2022 – VI ZR 937/20, Rn. 13 mwN).
3. Die Beklagte zu 2) haftet entsprechend dem soeben Ausgeführten für die entstandenen Schäden aus §§ 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG, 1 PflVG, 7 Abs. 1 StVG.
4. Die gesamtschuldnerische Haftung ergibt sich aus § 115 Abs. 1 Satz 4 VVG.
5. Zinsen können wie beantragt ab Rechtshängigkeit gem. § 291 BGB verlangt werden. Rechtshängigkeit trat einen Tag nach Zustellung der Klageschrift ein (§§ 253 Abs. 1, 261 Abs. 1 ZPO, § 187 Abs. 1 BGB; vgl. BGH, Urteil vom 10.10.2017 – XI ZR 555/16, BeckRS 2017, 131350). Die Zustellung erfolgte gemäß Postzustellungsurkunden jeweils am 10.01.2018.
II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 ZPO. Zutreffend hat bereits das Landgericht seine Kostenentscheidung ohne Berücksichtigung eines sofortigen Anerkenntnisses, sondern gemäß § 92 ZPO nach dem jeweiligen Obsiegen bzw. Unterliegen getroffen. Bei einem Teilanerkenntnis findet keine Teilkostenentscheidung statt (Herget, in: Zöller, Zivilprozessordnung, 34. Aufl. 2022, § 93 ZPO, Rn. 6.40). Der maßgebliche Streitwert beträgt 112.642,57 € (§ 62 GKG), wobei neben dem Zahlungsantrag von 25.842,57 € das begehrte weitere Schmerzensgeld von 65.000 € (§ 3 ZPO) und die Schmerzensgeldrente nach § 9 ZPO mit 16.800,00 € (400 € x 12 x 3,5) anzusetzen waren. Der Feststellungsantrag wird vom Senat abweichend vom Landgericht mit 5.000,00 € bewertet, da für Folgeschäden eine größere Wahrscheinlichkeit besteht (§ 3 ZPO).
III. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
IV. Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und der Senat nicht von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes oder eines anderen Oberlandesgerichts abweicht, so dass auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung keine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern, § 543 ZPO. Die Entscheidung des Senats steht nicht im Widerspruch zu der erörterten obergerichtlichen Rechtsprechung. Im Übrigen erfolgt die Quotenbildung ebenso wie die Bemessung des Schmerzensgeldes nach den konkreten Umständen des vorliegenden Einzelfalles.
V. Die Entscheidung über den Streitwert beruht auf § 47 Abs. 1 GKG unter Berücksichtigung der Ausführungen in der Kostenentscheidung.