AG Köln – Az.: 265 C 72/18 – Urteil vom 09.01.2019
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1882,36 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem 14.07.2018 zu zahlen.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin Rechtsanwaltsgebühren aus vorgerichtlicher Tätigkeit zu Händen seines Prozessbevollmächtigten i.H.v. 157,79 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem 18.09.2018 zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Klägerin macht Schadensersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall vom 06.01.2018 gelten. Sie war zum Unfallzeitpunkt Eigentümerin des Fahrzeugs Fiat Spider Cabrio mit dem amtlichen Kennzeichen S-XX 0000. Die Beklagte ist der Kfz-Haftpflichtversicherer des unfallgegnerischen Fahrzeugs mit dem amtlichen Kennzeichen SU-SU 000. Die Haftung der Beklagten dem Grunde nach ist zwischen den Parteien unstreitig. Mit der Klage macht die Klägerin insbesondere restliche Reparaturkosten, weitere Wertminderung sowie restliche Mietwagenkosten geltend.
Die Klägerin trägt vor, die zur Reparatur des klägerischen Fahrzeugs erforderlichen Kosten beliefen sich entsprechend der Rechnung des Autohauses A vom 30.04.2018 auf 2777,29 EUR. Unstreitig hat die Beklagte vorprozessual ein Gutachten des Sachverständigen Q. eingeholt, dass die erforderlichen Reparaturkosten auf brutto 2411,80 EUR geschätzt hat. Die Beklagte hat unstreitig vorprozessual hierauf 1154,34 EUR gezahlt. Weiter macht die Klägerin eine Wertminderung i.H.v. 400 EUR entsprechend dem von ihr eingeholten Gutachten geltend. Unstreitig hat die Beklagte vorprozessual hierauf 300 EUR gezahlt. Schlussendlich begehrt die Klägerin Erstattung der Mietwagenkosten für die Anmietung eines Fahrzeugs im Zeitraum vom 23. April bis 26.04.2018, während dessen sie aufgrund der Reparatur – unstreitig – das klägerische Fahrzeug nicht nutzen konnte. Die Klägerin legt insoweit einen Reparaturablaufplan vor. Auf die Mietwagenkosten hat die Beklagte – unstreitig – einen Betrag von 159,41 EUR gezahlt. Mit der Klage macht die Klägerin den Restbetrag geltend.
Die Klägerin beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, an sie einen Betrag i.H.v. 1882,36 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem 14.07.2018 zu zahlen.
2. die Beklagte zu verurteilen, an sie Rechtsanwaltsgebühren aus vorgerichtlicher Tätigkeit zu Händen ihres Prozessbevollmächtigten i.H.v. 157,79 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem 18. 9. 2018 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie trägt vor, die erforderlichen Reparaturkosten beliefen sich entsprechend dem von ihr eingeholten Gutachten X. vom 23.02.2018 auf brutto 1154,34 EUR. Die Wertminderung sei mit 300 EUR anzusetzen, ebenfalls entsprechend dem Gutachten X. Im Hinblick auf die geltend gemachten Mietwagenkosten trägt die Beklagte vor, es sei lediglich erforderlich gewesen, für 2 Tage ein Mietfahrzeug anzumieten. Hierzu behauptet sie, dass lediglich eine Reparaturdauer von 2 Tagen erforderlich gewesen sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach-und Streitstandes wird auf den Akteninhalt, insbesondere auf die wechselseitig eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet.
Der Anspruch der Klägerin ergibt sich aus §§ 115 VVG, 7,18 StVG.
I.
Der Kläger hat Anspruch auf Erstattung der vom Autohaus A in Rechnung gestellten Reparaturkosten.
1.
Es kann dahinstehen, ob sämtliche Arbeiten, die durchgeführt worden sind, tatsächlich erforderlich waren.
Der Geschädigte hat gemäß § 249 BGB grundsätzlich Anspruch auf die Kosten, die „vom Standpunkt eines verständigen, wirtschaftlich denkenden Menschen in der Lage des Geschädigten zur Behebung des Schadens zweckmäßig und notwendig erscheinen“. Die Erforderlichkeit wird dabei aus einer subjektbezogenen ex-ante-Betrachtung bestimmt. So können auch Maßnahmen als erforderlich angesehen werden, die sich objektiv und ex post betrachtet als nicht erforderlich herausstellen. Der Schädiger trägt das Werkstatt- und Prognoserisiko. So kann er beispielsweise auch mit dem Mehraufwand belastet werden, den die von dem Geschädigten beauftragte Werkstatt ohne sein Verschulden infolge unwirtschaftlicher und unsachgemäßer Maßnahmen verursacht hat. Etwas anderes gilt nur ausnahmsweise, wenn dem Geschädigten insoweit ein (Auswahl-) Verschulden zur Last fällt. (etwa BGHZ 63, 182, 185 f.)
Entgegen der Auffassung der Beklagten kommt es damit gerade nicht auf die objektiv erforderlichen Reparaturkosten an. Es ist von einer subjektbezogenen Schadensbetrachtung auszugehen. So heißt es auch in der von der Beklagten zitierten Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 05.06.2018, VI ZR 185/16 – an anderer Stelle als der von der Beklagten zitierten – ausdrücklich:
„.. ist bei der Beurteilung, welcher Herstellungsaufwand erforderlich ist, auch Rücksicht auf die spezielle Situation des Geschädigten, insbesondere auf seine Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten sowie auf die möglicherweise gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten zu nehmen (sog. subjektbezogene Schadensbetrachtung, vgl. Senatsurteile vom 6. November 1973 – VI ZR 27/73, BGHZ 61, 346, 348; vom 15. Oktober 2013 – VI ZR 528/12, VersR 2013, 1590 Rn. 19; vom 11. Februar 2014 – VI ZR 225/13, aaO Rn. 7 f., jeweils mwN).“
(BGH, Urteil vom 05. Juni 2018 – VI ZR 185/16 -, Rn. 16, juris)
Aus der Sicht eines verständigen wirtschaftlichen Menschen in der Lage der Geschädigten durfte die Klägerin die Reparatur ihres Fahrzeugs bei dem Autohaus A entsprechend dem Gutachten Q. in Auftrag geben. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass aus ihrer Sicht diese Reparatur, entsprechend dem Reparaturweg des Gutachtens Q., nicht erforderlich war.
Auch die Beklagte hat keine Anhaltspunkte dafür vorgetragen, dass die Klägerin hätte erkennen müssen, dass der Reparaturweg Q. möglicherweise zu umfangreich war. Die Klägerin ist Laiin. Auf ihre besondere Erkenntnis-und Einflussmöglichkeit ist Rücksicht zu nehmen. Selbst die Beklagte hat nicht durch ihre eigenen Sachbearbeiter die Reparaturkosten überprüfen lassen, sondern vielmehr ebenfalls einen Sachverständigen beauftragt. Mehr kann auch der Klägerin nicht zugemutet werden. Auch sie hatte einen Sachverständigen mit der Schadenskalkulation beauftragt. Wieso sich aus Sicht der Klägerin eine Beauftragung der Werkstatt A mit der Reparatur entsprechend dem Reparaturweg Q. sich nicht als erforderlich darstellen sollte, hat auch die Beklagte nicht vorgetragen.
2.
Unerheblich ist dabei, ob die Klägerin die Reparaturrechnung bereits gezahlt hat.
Zwar hat der BGH bei Ansprüchen auf Erstattung von Sachverständigenkosten bei Verkehrsunfällen ausgeführt:
„Den Geschädigten trifft gemäß § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB grundsätzlich die Darlegungslast hinsichtlich des oben beschriebenen erforderlichen Herstellungsaufwandes. Dieser Darlegungslast genügt der Geschädigte regelmäßig durch Vorlage einer – von ihm beglichenen – Rechnung des mit der Begutachtung seines Fahrzeugs beauftragten Sachverständigen“(BGH, Urteil vom 05. Juni 2018 – VI ZR 185/16 -, Rn. 17, juris)
und weiter :
“ … bildet nicht der vom Sachverständigen in Rechnung gestellte Betrag als solcher, sondern allein der von der Geschädigten in Übereinstimmung mit der Rechnung und der ihr zugrundeliegenden – vom Berufungsgericht nicht festgestellten – Preisvereinbarung tatsächlich erbrachte Aufwand einen Anhalt zur Bestimmung des zur Herstellung erforderlichen Betrages im Sinne von § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB. Der Grund für die Annahme einer Indizwirkung des von einem Geschädigten tatsächlich erbrachten Aufwands bei der Schadensschätzung liegt darin, dass bei der Bestimmung des erforderlichen Betrages im Sinne von § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB die besonderen Umstände des Geschädigten, mitunter auch seine möglicherweise beschränkten Erkenntnismöglichkeiten zu berücksichtigen sind. Diese schlagen sich regelmäßig im tatsächlich aufgewendeten Betrag nieder, nicht hingegen in der Höhe der vom Sachverständigen erstellten Rechnung als solcher.“ (BGH, Urteil vom 05. Juni 2018 – VI ZR 185/16 -, Rn. 18, juris)
Im vorliegenden Falle geht es jedoch nicht um die erforderlichen Kosten für die Beauftragung eines Sachverständigen, sondern um die erforderlichen Reparaturkosten. Die Klägerin kommt ihrer Darlegungslast bereits dadurch nach, dass sie vor Beauftragung der Werkstatt einen Sachverständigen mit der Ermittlung der erforderlichen Reparaturkosten beauftragt hat. Die Indizwirkung, dass die Klägerin die in Rechnung gestellten Reparaturkosten aus ihrer subjektiven Sicht auch für erforderlich halten durfte, ergibt sich im hier zu entscheidenden Falle bereits daraus, dass die Klägerin die Werkstatt beauftragt hat, die Reparatur entsprechend dem von ihr zuvor eingeholten Gutachten durchzuführen.
Hinzukommt, dass die Grundsätze, die der Bundesgerichtshof zu den Sachverständigenkosten entwickelt hat, sich allein auf die Höhe des von den Sachverständigen berechneten Honorars beziehen und nicht auf die Erforderlichkeit von durchgeführten Arbeiten, wie es bei der Beauftragung einer Werkstatt mit einer Reparatur der Fall ist
3.
Die Beklagte kann sich auch nicht darauf berufen, dass die die berechneten Stundenverrechnungssätze überhöht sind. Es ist auch hier auf die subjektive Erkenntnismöglichkeit der Klägerin Rücksicht zu nehmen.
Wie sich aus der Rechnung A ergibt, berechnet diese den gleichen Arbeitslohn wie vom klägerischen Gutachter Q. ermittelt. Die Stundenverrechnungssätze sind höher als die, die der von der Beklagten beauftragte Sachverständige X. zugrunde gelegt hat. Er hat sich auf die Stundensätze der Werkstatt E. in Bonn bezogen.
Aus ihrer subjektiven Sicht musste die Klägerin jedoch aufgrund des von ihr eingeholten Gutachtens Q. davon ausgehen, dass die in Rechnung gestellten Stundenverrechnungssätze, d.h. der in Ansatz gebracht Arbeitslohn angemessen ist. Er entspricht dem durch den Gutachter Q. in seinem Gutachten angegebenen Betrag.
II.
Die Klägerin hat auch Anspruch auf eine Wertminderung von weiteren 100 Euro
Das Gericht schätzte die Höhe der Wertminderung mit dem Gutachten Q. gemäß § 287 ZPO auf 400 EUR.
Zwar geht der Sachverständige X. in seinem Gutachten lediglich von einer Wertminderung i.H.v. 300 EUR aus, jedoch ist zu berücksichtigen, dass – unstreitig – das klägerische Fahrzeug zum Zeitpunkt des Unfalls am 06.01.2018 erst 4302 km gelaufen hatte, und weniger als 8 Monate alt war. Nach dem Hamburger Modell (OLG Hamburg DAR 1981, 388) ist bei einer Laufleistung von bis zu 20.000 km von einer Wertminderung von 30 % der Bruttoreparaturkosten auszugehen ist. Die Bruttoreparaturkosten belaufen sich entsprechend dem Gutachten Q. auf 2411,80 EUR. In diesem Umfang sind an dem Fahrzeug auch tatsächlich Reparaturen durchgeführt worden. Dementsprechend müssen bei der Berechnung der Wertminderung auch diese Kosten zugrunde gelegt werden, und nicht die vom Sachverständigen X. berechneten. Unter Zugrundelegung des Hamburger Modells ist die vom Sachverständigen Q. ermittelte Wertminderung von 400 EUR jedenfalls nicht zu beanstanden.
III.
Die Klägerin hat auch Anspruch auf die restlichen Mietwagenkosten in Höhe von weiteren 159,41 EUR.
Entgegen der Auffassung der Beklagtenseite kann die Klägerin für den gesamten Zeitraum von 4 Tagen Mietwagenkosten ersetzt verlangen. Dabei ist hier unerheblich, dass der Sachverständige X., basierend auf dem von ihm angegebenen Reparaturweg, eine Reparaturdauer von 1 bis 2 Tagen ermittelt hat,
Die vom Sachverständigen X. angegebene Reparaturdauer kann bereits deshalb nicht zugrunde gelegt werden, weil er von einem anderen, einfacheren, Reparaturweg ausgeht als tatsächlich durchgeführt worden ist.
Zwar der Sachverständige Q. von einer Reparaturdauer von 2-3 Arbeitstagen aus. Nach dem vorgelegten Reparaturablaufplan sind jedoch tatsächlich 4 Arbeitstage benötigt worden. Es kann dahinstehen, ob entsprechende Bemerkung auf den Reparatur Ablaufplan, sich die Reparatur wegen eines fehlerhaft gelieferten Ersatzteils verzögert hat. Es kann der Klägerin nicht angelastet werden, wenn die von ihr beauftragte Werkstatt einen Tag länger benötigt, als vom Sachverständigen ermittelt. Es gelten die skizzierten Grundsätze zum Werkstattrisiko. Das Risiko, dass die beauftrage Werkstatt einen längeren Zeitraum benötigt, liegt grundsätzlich beim Schädiger. Ein Auswahlverschulden der Klägerin bei der Beauftragung der Werkstatt A liegt nicht vor.
IV.
Die Klägerin hat Anspruch auf Erstattung der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten basierend auf einem Streitwert von insgesamt 4106,59 EUR (Reparaturkosten 2777,29 EUR, Wertminderung 400 EUR, Mietwagenkosten 318,82 EUR, vorprozessual bereits gezahlte Sachverständigenkosten 585,48 EUR, ebenfalls gezahlte Kostenpauschale 25 EUR). Hier errechnet sich bei einer 1,3 -fachen Geschäftsgebühr zuzüglich Auslagenpauschale und Umsatzsteuer ein Betrag von 4106,59 EUR. Vorprozessual hat die Beklagte auf die außergerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren bereits 255,85 EUR und weitere 78,90 EUR gezahlt, so dass noch ein Restbetrag von 157,970 EUR verbleibt.
Der Zinsanspruch ergibt sich aus Verzug.
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 709 ZPO.