Skip to content
Menü

Verkehrsunfall: Sicherungspflicht der Unfallstelle für Hilfeleistende

LG Stuttgart, Urteil vom 18.09.2012, Aktenzeichen:  16 O 243/12

1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 553,29 € zu bezahlen nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 3.541,92 € vom 22.02.2012 bis 07.03.2012, aus 4.072,34 € vom 08.03.2012 bis 05.06.2012 und aus 553,29 € seit 06.06.2012.

2. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger weitere 399,02 € außergerichtliche Rechtsanwaltsgebühren nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 10.06.2012 zu bezahlen.

3. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

4. Von den Kosten des Verfahrens tragen die Beklagten gesamtschuldnerisch 56 %, der Kläger 44 %.

5. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Beide Parteien können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus dem Urteil zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

Streitwert: 5.504,78 €

unfall photo

Tatbestand

Der Kläger begehrt Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall.

Der streitgegenständliche Verkehrsunfall trug sich wie folgt zu:

Die Zeugin … war mit ihrem Fahrzeug, nachdem es einen Motorschaden gehabt hatte, auf der Auffahrt der B 312 zur B 27, Fahrtrichtung Stuttgart, zum Stehen gekommen. Die Auffahrt ist an dieser Stelle einspurig, die B 27 zwei-spurig. Eine Standspur ist an dieser Stelle nicht vorhanden. Es herrschte Dunkelheit. Sie rief auf ihrem Handy den ADAC an, dessen Vertreter ihr mitteilte, dass ein Helferfahrzeug erst in frühestens 45 Minuten kommen könne. Daraufhin rief die Zeugin … die in der Nähe wohnhafte Ehefrau des Klägers, die Zeugin … an und bat sie, ihr zu Hilfe zu kommen. Frau … fuhr mit dem Pkw des Klägers, einem Chrysler Grand Voyager mit dem amtlichen Kennzeichen …, zur Unfallstelle und hielt hinter dem liegen gebliebenen Fahrzeug der Zeugin …. Sie machte das Warnblinklicht und die Innenraumbeleuchtung an. Ein Warndreieck wurde weder von der Zeugin … noch von der Zeugin … aufgestellt.

Der Beklagte Ziff. 1 fuhr mit dem bei der Beklagten Ziff. 2 versicherten Fahrzeug der Marke Smart mit dem amtlichen Kennzeichen … von der B 312 kommend auf die Auffahrt zur B 27, wo das klägerische Fahrzeug hinter dem Fahrzeug von Frau … stand. Vor und hinter dem Beklagtenfahrzeug fuhr jeweils ein weiteres Fahrzeug. Das Fahrzeug vor dem Beklagten bremste auf der Auffahrt ab und wich sodann dem stehenden Fahrzeug des Klägers nach links aus. Der Beklagte Ziff. 1 versuchte, nachdem er das Fahrzeug des Klägers gesehen hatte, ebenfalls nach links auszuweichen. In der Zwischenzeit war jedoch das ursprünglich hinter ihm befindliche Fahrzeug bereits auf die B 27 aufgefahren und fuhr links vom Beklagten Ziff. 2, so dass dieser nicht nach links ausweichen konnte. Es kam nach einer vergeblichen Vollbremsung zu einer Kollision der Fahrzeugfront des Beklagtenfahrzeugs mit dem Heck des Klägerfahrzeugs, das zudem auf das davor haltende Fahrzeug der Zeugin … aufgeschoben wurde.

Der Fahrzeugschaden auf Totalschadensbasis betrug 4.250,– €. Es entstanden Abschleppkosten in Höhe von 707,22 €.

Der Kläger macht geltend, dass der Beklagte Ziff. 1 alleiniger Unfallverursacher sei und daher den Schaden zu 100 % zu tragen habe. Er habe gegen § 3 Abs. 1 Satz 2 StVO verstoßen, indem er entweder unaufmerksam gewesen oder aber zu schnell bzw. mit zu geringem Abstand zum Vordermann gefahren sei.

Darauf, ob ein Warndreieck aufgestellt gewesen sei oder nicht, komme es nicht an. Die Verpflichtung aus § 15 StVO treffe die Zeugin … nicht, weil diese nicht (unfreiwillig) liegen geblieben sei. Die aus § 15 StVO resultierende Verpflichtung sei im übrigen nachrangig gegenüber der Hilfeleistung möglicherweise verunglückter Personen. Außerdem hätte der Beklagte auch bei aufgestelltem Warndreieck den Unfall verursacht, weil er mit zu geringem Sicherheitsabstand gefahren sei und das Warndreieck nicht rechtzeitig wahrgenommen hätte. Schließlich sei auch nicht ausreichend Zeit vorhanden gewesen, um das Warndreieck aufzustellen.

Über die oben genannten drei Schadenspositionen hinaus, die – abgesehen von der Haftungsquote – unstreitig sind, macht der Kläger Schadensfeststellungskosten in Höhe von 447,56 € – eine entsprechende Rechnung des Gutachters wurde als Anlage K 1 (Bl. 95 d. A. – vorgelegt – sowie pauschal Ummeldungskosten in Höhe von 75 € geltend.

Am 05.06.2012 (Zahlungseingang) zahlte die Beklagte Ziff. 2 einen Betrag von 3.519,05 € auf die streitgegenständliche Forderung. Auf den Sachschaden, die Abschleppkosten und die Aufwandspauschale wurden dabei jeweils 70 % gezahlt, auf die Ummeldekosten wurden 70 % von 45 € gezahlt und auf die Schadensfeststellungskosten wurde nichts gezahlt.

Die Klage ist am 30.05.2012 bei Gericht anhängig gemacht und am 09.06.2012 bzw. 12.06.2012 den Beklagten zugestellt worden. Die Klägerin hat mit Schriftsatz vom 23.07.2012 die Klage in Höhe von 3.519,05 €, dem von der Beklagten Ziff. 2 gezahlten Betrag, zurückgenommen.

Die Klägerin beantragt nach der zwischenzeitlichen Teilklagerücknahme:

1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 1.985,73 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 4.797,56 € vom 18.02. bis 13.03.2012, aus 5.504,78 € vom 14.03. bis 05.06.2012 und aus 1.985,73 € seit dem 06.06.2012 zu bezahlen.

2. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger weitere 549,69 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz p. a. seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.

Die Beklagten beantragen: Klageabweisung.

Sie machen geltend, dass die Lenkerin des Klägerfahrzeugs, die Zeugin …, eine mindestens 30 %ige Mithaftung an dem streitigen Verkehrsunfall treffe, was sich der Kläger zurechnen lassen müsse.

Sie habe gegen § 15 Satz 2 StVO verstoßen, indem sie das Klägerfahrzeug nicht mittels in ausreichendem Abstand aufgestellten Warndreiecks abgesichert habe.

Für den Beklagten Ziff. 1 hingegen sei der Unfall unvermeidbar gewesen, nachdem er erst in dem Moment, in dem das vor ihm fahrende Fahrzeug nach links ausgewichen sei, das klägerische Fahrzeug erblickt habe und dann nicht mehr nach links habe ausweichen können, weil dort ein anderes Fahrzeug überholte.

Hinsichtlich der Schadensfeststellungskosten wird bemängelt, dass die Klägerin einen entsprechenden Beleg trotz Aufforderung nicht übermittelt habe. Die Ummeldekosten könnten nicht pauschal erstattet werden. Hier müssten entsprechende Belege vorgelegt werden.

Mit nach Schluss der mündlichen Verhandlung eingereichtem Schriftsatz vom 30.08.2012 hat der Kläger Quittungen hinsichtlich der Ummeldekosten vorgelegt. Die Gegenseite hat mit Schriftsatz vom 31.08.2012 diesbezüglich Verspätung gerügt.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen …, …, …, … und … . Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 28.08.2012 Bezug genommen. Weiter hat das Gericht die Verfahrensakte der Bußgeldbehörde der Stadt Filderstadt zum streitgegenständlichen Unfall mit dem Aktenzeichen 505.50.120142.6 beigezogen und zum Gegenstand der Hauptverhandlung gemacht.

Entscheidungsgründe

I.

Die zulässige Klage ist in der zuerkannten Höhe teilweise begründet.

Dem Kläger steht nach erfolgter Teilerfüllung noch ein Schadensersatzanspruch gegen den Beklagten Ziff. 1 aus §§ 18 Abs. 1, Abs. 3 StVG i. V. m. § 17 Abs. 2 StVG, gegen die Beklagte Ziff. 2 in Verbindung mit § 115 VVG, in Höhe von 553,29 € zu.

1.

Die Ersatzpflicht des Beklagten Ziff. 1 für die Unfallschäden ist nicht nach § 18 Abs. 1 Satz 2 StVG ausgeschlossen, weil der Beklagte Ziff. 1 den Nachweis nicht hat führen können, dass der Schaden ohne sein Verschulden entstanden ist. Im Gegenteil hat die Beweisaufnahme ergeben, dass der Beklagte Ziff. 1 gegen § 1 StVO in Verbindung mit § 3 Abs. 1 StVO verstoßen hat. Bei einem Auffahrunfall – auch auf ein liegen gebliebenes Fahrzeug – spricht bereits der Beweis des ersten Anscheins dafür, dass der Auffahrende nicht mit der notwendigen Aufmerksamkeit, mit zu geringem Abstand oder mit zu hoher Geschwindigkeit gefahren ist. Im vorliegenden Fall ist es dem Beklagten Ziff. 1 nicht gelungen, die tatsächlichen Voraussetzungen dieses Anscheinsbeweises zu erschüttern oder das Gegenteil nachzuweisen. Zwar haben die Zeugenaussagen – insbesondere der Zeugin … – bestätigt, dass der Beklagte Ziff. 1 in dem Zeitpunkt, in dem er die Kollision durch einen Spurwechsel nach links vermeiden wollte, dies nicht (mehr) konnte, weil der zunächst hinter ihm fahrende Pkw bereits den Überholvorgang initiiert hatte und sich links von ihm befand. Die Vernehmung der Zeugin … hat aber auch ergeben, dass der Beklagte Ziff. 1 mit deutlich zu geringem Abstand – die Zeugin … schätzte den Abstand auf lediglich eine halbe Wagenlänge, und auch der Beklagte Ziff. 1 hat in seiner informatorischen Anhörung bezeichnender Weise gesagt, er sei „in einer Kolonne“ gefahren – auf die Auffahrt gefahren ist. Dies gilt umso mehr, da dem Beklagten klar sein musste, dass es sich um eine durchaus schwierige Verkehrssituation handelte, insofern als er sich anschickte, bei relativ hohem Tempo und bei Dunkelheit auf eine vielbefahrene Bundesstraße einzufädeln. Selbst wenn man zugunsten des Beklagten Ziff. 1 annimmt, dass er den abgestellten Pkw erst gesehen hat, als sein Vordermann nach links auswich, hätte der Beklagte Ziff. 1 ausreichend Zeit für eine Bremsung gehabt, wenn er einen angemessenen Sicherheitsabstand zum Vordermann eingehalten hätte. Hinzu kommt, dass der Beklagte Ziff. 1 selbst vor Ort und auch bei seiner informatorischen Anhörung in der mündlichen Verhandlung eingeräumt hat, auf das Radio geschaut und dadurch einen Moment lang abgelenkt gewesen zu sein. Dem entspricht, dass der Zeugin … aufgefallen ist, dass der Beklagte Ziff. 1 relativ spät auf das Bremsen des Vordermannes reagiert hat.

Im übrigen ist darauf hinzuweisen, dass nach der sehr strengen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs der Kraftfahrer nach §§ 1, 3 StVO seine Fahrweise so einzurichten hat, dass er auch in der Dunkelheit vor auf der Straße liegengebliebenen Fahrzeugen rechtzeitig anhalten kann, und zwar selbst wenn diese unbeleuchtet und sogar wenn sie mit einem Tarnanstrich (!) versehen sind (vgl. BGH, NJW-RR 1987, 1235). Selbst wenn man diese Anforderungen für etwas überzogen hält, wird man im vorliegenden Fall, bei dem das Fahrzeug des Klägers immerhin mit einem Warnblinklicht deutlich erkennbar war, ein Verschulden des Auffahrenden nicht verneinen können.

2.

Nach der gemäß §§ 17 Abs. 1, Abs. 2 StVG vorzunehmenden Abwägung der Verursachungsbeiträge geht das Gericht von einer Haftungsverteilung von 75 %:25 % zu Lasten des Beklagten Ziff. 1 aus. Dem hat das Gericht die folgenden Erwägungen zugrunde gelegt: Das Gericht geht davon aus, dass den Beklagten Ziff. 1 das überwiegende Verschulden am Unfall trifft. Zwar handelt es sich bei Verkehrssituation, die zum Unfall geführt hat, wie beschrieben nicht um eine ganz einfache, da der Beklagte Ziff. 1 bei Dunkelheit auf ein auf der Fahrbahn stehendes Fahrzeug reagieren musste, während er bei relativ hohem (aber zulässigem) Tempo auf eine vielbefahrene Bundesstraße einfädelte. Anderseits hätte der Beklagte seine Fahrweise diesen Umständen anpassen müssen. Sowohl der viel zu geringe Sicherheitsabstand zum Vordermann als auch die Abgelenktheit durch das Radio stellen in der geschilderten Verkehrssituation gravierende Sorgfaltspflichtverletzungen dar. Das Fahrzeug des Klägers war zwar nicht durch ein Warndreieck gesichert, aber immerhin durch das Warnblicklicht auch bei Dunkelheit ohne weiteres und von weitem erkennbar. Das Fahrzeug war auch nicht in der Kurve abgestellt, sondern auf dem letzten, geraden Abschnitt der Auffahrt.

Auf der anderen Seite trifft die Zeugin … ein Mitverschulden am Unfall, was dem Gericht Anlass gibt, zu Lasten des Klägers einen Verursachungsbeitrag von 25 % anzunehmen. Das Mitverschulden begründet sich aus den folgenden Umständen: Die Zeugin … hat zunächst gegen § 12 Abs. 1 Nr. 3 StVO verstoßen, indem sie auf dem Einfädelungsstreifen zur B 27 gehalten hat. Insofern kommt es auf die Frage, ob es sich um eine Kraftfahrstraße gehandelt hat, so dass ein Halten auch aufgrund von § 18 Abs. 8 StVO verboten wäre, nicht an. Zwar nimmt die Rechtsprechung eine ungeschriebene Ausnahmen von Halteverboten nach der StVO an, wenn das Halten zur Hilfeleistung bei einem Unglücksfall erforderlich ist. Das gilt aber nur dann, wenn für die Hilfeleistung eine zwingende Notwendigkeit besteht (BGH v. 01.07.1975, Az. VI ZR 238/73, NJW 1975, 1834 f.; BGH, NJW 2001, 149; OLG Frankfurt, VersR 1988m, 750). Hiervon ist im vorliegenden Fall nicht auszugehen. Anders als bei „normalen“ Fällen der Hilfeleistung, bei denen spontan Hilfe geleistet wird, war es im vorliegenden Fall so, dass die Zeugin … durch den Telefonanruf ihrer Freundin zumindest in groben Zügen über den Hergang der Panne und über die Situation ihrer Freundin informiert war. Sie wusste, dass die Zeugin … nicht verletzt war und das eine akute Gefahr für Leib und Leben der Zeugin … nicht bestand. Zwar ist es verständlich, dass die Zeugin … bestrebt war, ihrer Freundin in ihrer sehr unangenehmen Situation Hilfe zu leisten. Dies wäre aber nach Auffassung des Gerichts wesentlich effektiver und gefahrloser möglich gewesen, indem die Zeugin …, anstatt selbst zu der Unfallstelle zu fahren, die Polizei zur Hilfe gerufen hätte. Diese hätte gleichzeitig die Unfallstelle wesentlich effektiver (durch Blaulicht) absichern, für eine Bergung des Fahrzeugs sorgen und Frau … helfen und beistehen können.

Weiter hat die Zeugin … auch gegen die Sicherungspflicht von § 15 StVO verstoßen. Das Gericht vertritt die Auffassung, dass die Sicherungspflicht von § 15 StVO auch auf Fahrzeuge Anwendung findet, die (freiwillig) anhalten, um einem liegen gebliebenen Fahrzeug Hilfe zu leisten. Es ist nicht einsichtig, dass derjenige, der anhält, um einem liegen gebliebenen Fahrzeug Hilfe zu leisten, anderen Pflichten hinsichtlich der Sicherung des Fahrzeugs unterliegt, als das liegen gebliebene Fahrzeug selbst. Dementsprechend hat auch die Rechtsprechung soweit ersichtlich durchgehend – im Regelfall ohne auf die Frage näher einzugehen – § 15 StVO auch auf Hilfeleistende Fahrzeug angewandt (vgl. z. B. BGH v. 01.07.1975, Az. VI ZR 238/73, zit. nach JURIS, Rz. 12; BGH NJW 2001, 149; OLG Frankfurt, VersR 1988, 750).

Die Rechtsprechung hat auch zu Recht betont, dass in Fällen der Hilfeleistung eine sofortige Verkehrssicherung das erste Gebot darstellt und einer Schadensbeseitigung vorgeht (OLG Frankfurt, VersR 1988, 750). Das gilt hier umso mehr, als die Zeugin … wusste, dass für ihre Freundin … keine unmittelbare Lebensgefahr bestand. Da die Zeugin … im Vorhinein wusste, dass sie zu einer Hilfeleistung unterwegs war, hätte sie sich auch – anders als in den typischen Fällen der spontanen Hilfeleistung – darauf vorbereiten können, ausreichende Sicherungsmaßnahmen zu treffen. Sie hätte bereits auf dem Weg zum liegen gebliebenen Fahrzeug auf der Auffahrt – spätestens in dem Moment, in dem sie das Fahrzeug wahrnahm – mit Warnblinklicht anhalten und z. B. aus der Schiebetür heraus ein Warndreieck aufstellen können. Insofern kommt es darauf, dass die Zeugin … zwischen dem Eintreffen beim Fahrzeug von Frau … und dem Auffahrunfall nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht genügend Zeit hatte, ein Warndreieck aufzustellen, nicht an.

Sie hätte sich auch nicht hinter, sondern vor das liegen gebliebene Fahrzeug stellen sollen. Sie hat damit ein zusätzliches Hindernis geschaffen (anders als im oben zitierten Fall BGH, NJW 2001, 149) und die bereits vorhandene Gefahr vergrößert, da sie die Strecke, die auffahrende Fahrzeuge zum Einfädeln vor dem liegen gebliebenen Fahrzeug hatten, nochmals verkürzt hat. Nach Auffassung des Gerichts überzeugen die von der Zeugin angeführten Gründe dafür, dass sie sich hinter das liegen gebliebene Fahrzeug stellte, nicht. Sie rechtfertigen jedenfalls die damit verbundene Vergrößerung der Gefahr eines Auffahrunfalls nicht. Der angeführte Hauptgrund, sie habe eine „Blockade“ zum Fahrzeug der Freundin … bilden wollen, falls man an das Fahrzeug der Zeugin … heran wollte, erscheint wenig plausibel, nachdem die beiden Zeuginnen im hinten stehenden Auto (!) verblieben sind, um zu telefonieren. Auch der Aspekt, dass sie das liegen gebliebene Fahrzeug und die dort stehende Frau … habe beleuchten wollen, rechtfertigt die zusätzliche Gefährdung des von hinten kommenden Verkehrs nicht. Ebenso hat das Gericht keine Anhaltspunkte anzunehmen, dass das Fahrzeug von Frau …, das dunkel ist, signifikant besser zu sehen war als das Fahrzeug von Frau … nur weil es höher ist.

3.

Bei der Bemessung der Höhe des Schadensersatzanspruch hat das Gericht entsprechend den obigen Ausführungen die unstreitigen Schadenspositionen (Sachschaden, Abschleppkosten und Aufwandspauschale) mit einer Quote von 75 % berücksichtigt (Summe: 3.736,67 €)

Ebenfalls mit einer Quote von 75 % berücksichtigt wurden die Kosten des Gutachters, die das Gericht auf der Grundlage der eingereichten Rechnung (Anlage K 1) als erwiesen ansieht (335,67 €)

Nicht berücksichtigt hingegen wurden die geltend gemachten Ummeldekosten. Ummeldekosten können – wie die Beklagte zu Recht eingewandt hat – nicht als solche pauschal geltend gemacht werden. Vielmehr ist es so, dass wenn dargelegt – und ggf. bewiesen – ist, dass Ummeldekosten angefallen sind, diese der Höhe gemäß § 287 Abs. 1 ZPO pauschal geschätzt werden können (vgl. z. B. KG Berlin v. 01.03.2004, Az. 12 U 96/03, zit. nach JURIS, Rz. 6; OLG Stuttgart v. 06.10.1999, Az. 4 U 73/99, zit. nach JURIS, Rz. 26). Im vorliegenden Fall hat der Kläger erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung und damit verspätet Belege für die angefallenen Kosten vorgelegt, obwohl dieser Aspekt ausdrücklich von der Gegenseite in der Klageerwiderung gerügt worden war. Eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung war deshalb nicht angezeigt.

Daraus ergibt sich eine Gesamtsumme von 4.072,34 €. Abzüglich der erfolgten Teilzahlung auf die streitgegenständlichen Positionen in Höhe von 3.519,05 € ergibt sich die zuerkannte Summe von 553,29 €.

4. Anwaltskosten

Die geforderten Rechtsanwaltsgebühren sind auf der Grundlage des dem Kläger im Zeitpunkt der Geltendmachung der Forderung zustehenden Geldbetrags zu berechnen.

II.

Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 286 Abs. 1, 288 BGB. Wie sich aus Seite 5 der Klageschrift ergibt, wurde die Beklagte Ziff. 2 mit Anwaltsschriftsatz vom 07.02.2012 unter Fristsetzung zum 21.02.2012 zum Ausgleich der streitgegenständlichen Ansprüche mit Ausnahme der Abschleppkosten aufgefordert. Insoweit waren also, soweit die Forderung berechtigt war, ab 22.02.2012 Verzugszinsen zuzusprechen. Die Abschleppkosten wurden mit Schreiben vom 27.02.2012 unter Fristsetzung zum 13.03.2012 angemahnt, so dass insoweit Verzugszinsen ab 14.03.2012 zu zahlen sind. Nach Teilzahlung am 05.06.2012 reduzierte sich die Summe auf den im Urteil zugesprochenen Betrag.

III.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 92 Abs. 1 ZPO sowie § 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO. Soweit die Klage zurückgenommen wurde, ist das Gericht unter Berücksichtigung dessen, dass die Ansprüche in vollem Umfang begründet waren und nach Anhängigkeit erfüllt wurden, davon ausgegangen, dass die Kosten in vollem Umfang den Beklagten aufzuerlegen sind. Die Gesamtkostenquote wurde nach der Quotenmethode ermittelt, d. h. das Gericht hat hinsichtlich der Gerichtskosten und der verschiedenen Anwaltskosten Gewinn- und Verlustquoten ermittelt, die unterschiedlich ausfallen, je nachdem ob sie durch die Teilklagerücknahme beeinflusst werden oder nicht (Mehrwertsteuer und Pauschalen wurden nicht berücksichtigt):

 

 Art der Gebühr               Höhe     Gewinnquote Kl.            Summe

Gerichtsgebühr 408   74 %  301,9

Verfahrensgebühr Kl. 439,40    74 %      325,2

Terminsgebühr Kl. 405,6027,9 %             113,16

Verfahrensgebühr Bekl. 439,40               74 %      325,2

Terminsgebühr Bekl.    405,60  27,9 %  113,16

2098      56 %      1178,62

IV.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 11 i. V. m. § 711 ZPO.

Fotos: quapan,

Hinweis: Informationen in unserem Internetangebot dienen lediglich Informationszwecken. Sie stellen keine Rechtsberatung dar und können eine individuelle rechtliche Beratung auch nicht ersetzen, welche die Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalles berücksichtigt. Ebenso kann sich die aktuelle Rechtslage durch aktuelle Urteile und Gesetze zwischenzeitlich geändert haben. Benötigen Sie eine rechtssichere Auskunft oder eine persönliche Rechtsberatung, kontaktieren Sie uns bitte.

Unsere Hilfe im Verkehrsrecht und Versicherungsrecht

Wir sind Ihr Ansprechpartner in Sachen Verkehrsrecht, Versicherungsrecht und der Regulierung von Verkehrsunfällen.

Rechtsanwälte Kotz - Kreuztal

Urteile aus dem Verkehrsrecht und Versicherungsrecht

Unsere Kontaktinformationen

Rechtsanwälte Kotz GbR

Siegener Str. 104 – 106
D-57223 Kreuztal – Buschhütten
(Kreis Siegen – Wittgenstein)

Telefon: 02732 791079
(Tel. Auskünfte sind unverbindlich!)
Telefax: 02732 791078

E-Mail Anfragen:
info@ra-kotz.de
ra-kotz@web.de

Rechtsanwalt Hans Jürgen Kotz
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Rechtsanwalt und Notar Dr. Christian Kotz
Fachanwalt für Verkehrsrecht
Fachanwalt für Versicherungsrecht
Notar mit Amtssitz in Kreuztal

Bürozeiten:
MO-FR: 8:00-18:00 Uhr
SA & außerhalb der Bürozeiten:
nach Vereinbarung

Für Besprechungen bitten wir Sie um eine Terminvereinbarung!