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Verkehrsunfall – Schätzung der erforderlichen Mietwagenkosten

LG Hannover, Az.: 11 S 9/13

Urteil vom 27.11.2013

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Amtsgerichts Hannover vom 21.12.2012 teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 238,13 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15.10.2011 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen; die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 47 % und die Beklagte zu 53 %.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 449,72 € festgesetzt.

Gründe

I.

Verkehrsunfall - Schätzung der erforderlichen Mietwagenkosten
Symbolfoto: sureeporn/Bigstock

Die Klägerin verlangt von der Beklagten Zahlung restlicher Mietwagenkosten nach einem Verkehrsunfall am 13.09.2011. Die Alleinhaftung der Beklagten dem Grunde nach ist unstreitig.

Die Klägerin mietete ein Fahrzeug für 9 Tage an, die ihr in Rechnung (Bl. 43 d.A.) gestellten Mietwagenkosten betrugen 926,91 €. Hierauf zahlte die Beklagte vorprozessual einen Betrag von 477,19 €.

Mit ihrer Klage verlangt die Klägerin die restlichen Mietwagenkosten erstattet.

Die Klägerin hat geltend gemacht, an sich sei nach der Schwacke-Liste abzurechnen, jedenfalls stünde ihr ein Ersatzanspruch nach dem Mittelwert aus Schwacke-Liste und Fraunhofer-Liste zu. Die Anmietung des Ersatzfahrzeugs sei erforderlich gewesen. Weiter hat sie geltend gemacht, die von der Beklagten vorgelegten Alternativangebote seien nicht vergleichbar.

Die Beklagte hat geltend gemacht, die Schwacke-Liste als Schätzgrundlage sei ungeeignet. Zudem hat sie die Erforderlichkeit i. S. v. § 249 BGB in Abrede genommen, einschließlich hinsichtlich der von der Klägerin begehrten Mehrleistungen. Schließlich hat sie mehrere günstigere Angebote für Mietwagen vorgelegt und geltend gemacht, diese seien vergleichbar.

Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen, weil gegen die Schwacke-Liste durchgreifende Bedenken bestünden und auf Grundlage des Fraunhofer-Marktpreisspiegels zu schätzen sei, sodass im Ergebnis die erforderlichen Mietwagenkosten von der Beklagten vorprozessual ausgeglichen worden seien.

Auf die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils wird nach Maßgabe der Ausführungen zu Ziffer 2 der Gründe gem. § 540 Abs. 1 S. 1 Ziffer 1 ZPO Bezug genommen.

Mit ihrer Berufung verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Sie macht insbesondere geltend, das Amtsgericht habe nicht auf Basis des Fraunhofer-Marktpreisspiegels schätzen dürfen, sondern den von ihr mit der Klage auch vorgetragenen Mittelwert aus Schwacke-Liste und Fraunhofer-Marktpreisspiegel ansetzen müssen.

Die Klägerin beantragt, das Urteil des Amtsgerichts Hannover vom 21.12.2012, Az. 426 C 7451/12, aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an die Kläger 449,72 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15.10.2011 zu bezahlen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das amtsgerichtliche Urteil und macht insbesondere geltend, die Schätzung des Amtsgerichts halte sich im Rahmen von § 287 ZPO, und hieran sei das Berufungsgericht gebunden.

II.

Die zulässige Berufung der Klägerin hat in der Sache teilweise Erfolg. Im Einzelnen gilt Folgendes:

1.

Soweit es zunächst die Frage der Erforderlichkeit der Anmietung des Ersatzfahrzeugs anbelangt, die die Beklagte bestritten hat, so ist festzustellen, dass die Klägerin und ihr Ehemann innerhalb der Mietzeit insgesamt 651 km gefahren sind. Dies ist ohne Weiteres hinreichender Beleg für die Erforderlichkeit der Anmietung.

2.

Soweit es die von der Beklagten vorgelegten Alternativangebote für eine angeblich günstigere Anmietung von Fahrzeugen anbelangt, so ist festzustellen, dass diese tatsächlich nicht vergleichbar sind. Denn diese Angebote spiegeln die tatsächliche Anmietsituation nicht zutreffend wider. So beziehen sich die Angebote was allerdings zwangsläufig der Fall ist auf einen anderen Anmietzeitpunkt. Darüber hinaus ist die Anmietdauer von vornherein festgelegt. Des Weiteren lassen sich den Angeboten nicht die Kosten einer etwaigen Selbstbeteiligung im Schadensfall entnehmen. Die Einholung eines Sachverständigengutachtens kam im Übrigen nicht in Betracht, da dieses Beweismittel als ungeeignet anzusehen ist (vgl. insofern OLG Celle, Urteil vom 29.02.2012, 14 U 49/11, Rdz. 26, zitiert nach juris).

3.

Vor diesem Hintergrund waren die erforderlichen (§ 249 BGB) Mietwagenkosten gem. § 287 ZPO zu schätzen.

Insofern ist zunächst festzustellen, dass die Kammer vorliegend entgegen der Auffassung der Beklagten nicht daran gehindert ist, eine andere Schätzgrundlage zu wählen, als es das Amtsgericht getan hat. Ein Berufungsgericht kann im Fall einer auf § 287 ZPO gründenden Entscheidung nämlich den Prozessstoff auf der Grundlage der nach § 529 ZPO berücksichtigungsfähigen Tatsachen ohne Bindung an die Ermessensausübung des erstinstanzlichen Gerichts selbständig nach allen Richtungen von Neuem prüfen und bewerten (so ausdrücklich BGH, Urteil vom 12.04.2011, VI ZR 300/09, Rdz. 22, zitiert nach juris). Selbst wenn das Berufungsgericht die erstinstanzliche Entscheidung zwar für vertretbar hält, letztlich aber bei Berücksichtigung aller Gesichtspunkte nicht für sachlich überzeugend, darf es nach seinem Ermessen eine eigene Bewertung vornehmen (BGH, a. a. O., m. w. N.).

Die Kammer hält es für sachgerecht, die nach einem Verkehrsunfall als Normaltarif zu erstattenden Mietwagenkosten nach dem arithmetischen Mittelwert aus Schwacke-Liste und Fraunhofer-Tabelle zu schätzen. Zur Begründung wird auf die ausführlichen, überzeugenden Erwägungen in der Entscheidung des Oberlandesgerichts Celle vom 29.02.2012, 14 U 49/11, dort Rdz. 13 ff. (zitiert nach juris), verwiesen, auf deren Wiedergabe zwecks Vermeidung einer unnötigen Wiederholung verzichtet wird. Unabhängig davon, dass sich die Kammer der vom Oberlandesgericht Celle vertretenen Auffassung anschließt, erscheint es auch aus dem Gesichtspunkt der Rechtssicherheit zumindest sinnvoll, dass sich die Untergerichte der Auffassung des Obergerichts in diesem Fall anschließen.

Ausgehend von diesen grundlegenden Erwägungen gilt hinsichtlich der Kosten vorliegend Folgendes:

Der von der Klägerin auf S. 14 f. der Klagschrift dargestellte arithmetische Mittelwert aus dem Grundmietpreis nach der Schwacke-Liste und gemäß der Fraunhofer-Liste ist als unstreitig anzusehen (vgl. auch Klagerwiderung, dort S. 10). Danach ergibt sich ein erstattungsfähiger Grundmietpreis von 427,32 €.

Die Klägerin kann des Weiteren die zusätzlichen Kosten für einen Zusatzfahrer verlangen, da ohne das schädigende Ereignis der Ehemann ohne Weiteres das Fahrzeug seiner Ehefrau zur Verfügung hätte gestellt bekommen können (vgl. auch den vorgelegten Versicherungsschein betreffend das beschädigte Fahrzeug der Klägerin, Bl. 44 d.A.); im Übrigen sind diese Kosten auch tatsächlich angefallen sind. Allerdings kann die Klägerin insofern auch nur die tatsächlich angefallenen Kosten gemäß der vorgelegten Rechnung verlangen, da diese niedriger sind, als die von ihr auf S. 15 der Klagschrift dargestellten Nebenkosten nach der Tabelle der Schwacke-Liste. Es ergibt sich daher insoweit ein weiterer erstattungsfähiger Betrag von 108,00 € (90,76 € zzgl. Mehrwertsteuer).

Die Klägerin kann des Weiteren die Zusatzkosten für die Haftungsbefreiung, die auch tatsächlich angefallen sind, erstattet verlangen. Zutreffend hat die Klägerin auf den Mietvertrag verwiesen, wonach eine Haftungsbefreiung ohne Selbstbeteiligung vereinbart wurde (vgl. Mietvertrag, Bl. 39 d.A.). Nach dem eigenen Vorbringen der Beklagten enthalten die Grundpreise der in Bezug genommenen Listen nur Haftungsreduzierungen (vgl. S. 10 der Klagerwiderung), so dass es sich hier um zusätzliche Kosten handelt. Die Klägerin hat auch Anspruch auf Ersatz der Kosten für eine Haftungsbefreiung ohne Selbstbeteiligung, und zwar unabhängig davon, ob ihr eigenes Fahrzeug in gleicher Weise versichert war (vgl. OLG Celle, Urteil vom 29.02.2012, dort Rdz. 56, zitiert nach juris). Vorliegend ist allerdings wie in Bezug auf die Zusatzkosten für einen weiteren Fahrer, s.o. hinsichtlich der Höhe festzustellen, dass die tatsächlich angefallenen Kosten etwas niedriger sind, als die von der Klägerin auf S. 15 der Klagschrift nach der Schwacke-Liste dargestellten; die Klägerin kann nur die tatsächlich angefallenen Kosten erstattet verlangen. Es ergibt sich insofern ein Erstattungsanspruch in Höhe von 180,00 € (151,26 € zzgl. Mehrwertsteuer).

Demgegenüber kann die Klägerin weder einen „Aufschlag für unfallbedingte Zusatzleistungen“ noch einen Zuschlag für Zustellung/Abholung verlangen, da sie insofern die Erforderlichkeit nicht hinreichend dargetan hat. Hierauf hatte bereits das Amtsgericht mit Verfügung vom 07.11.2012 (Bl. 124 d. A.) hingewiesen.

Insgesamt ergibt sich demnach ein erstattungsfähiger Betrag für Mietwagenkosten in Höhe von 715,32 €. Abzüglich der vorgerichtlich seitens der Beklagten gezahlten 477,19 € ergibt sich daher ein Betrag von 238,13 €, den die Klägerin nunmehr noch von der Beklagten verlangen kann.

4.

Der Anspruch auf die geltend gemachten Verzugszinsen folgt aus §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB.

III.

Die Kostenentscheidung und die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgen aus § 92 Abs. 1, 97, 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.

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