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Verkehrsunfall – Restwertangebot des gegnerischen Kfz-Haftpflichtversicherers

AG Osnabrück, Az.: 31 C 369/15 (6), Urteil vom 07.07.2015

1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 4646,60 € nebst Zinsen in Höhe von 5 % – Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 25.10.2014 zuzüglich nicht anrechenbarer außergerichtlicher Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 142,32 € nebst Zinsen in Höhe von 5 % – Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 11.02.2015 zu zahlen.

2. Die Beklagten tragen die Kosten des Rechtsstreits als Gesamtschuldner.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

4. Der Streitwert wird auf 4646,60 € festgesetzt.

Tatbestand

Der Kläger nimmt die Beklagten als Gesamtschuldner auf Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall in Anspruch, der sich am gegen 16.30 Uhr auf dem … ereignete.

Verkehrsunfall - Restwertangebot des gegnerischen Kfz-Haftpflichtversicherers
Symbolfoto: Von Andrey_Popov /Shutterstock.com

Am Unfalltag befuhr der Kläger mit seinem Motorrad Harley Davidson, amtliches Kennzeichen, den … in Fahrtrichtung … Vor ihm fuhr der Zeuge … mit seinem Pkw. Der Zeuge … bog nach rechts in die Straße … ab. Als sich der Zeuge … im Abbiegevorgang befand, fuhr der Kläger links am abbiegenden Fahrzeug des Zeugen … vorbei. Die Beklagte zu 2. hielt mit ihrem Pkw …, welches am Unfalltag bei der Beklagten zu 1. haftpflichtversichert war, auf der Straße … an der Haltelinie zum … an. Als der Zeuge … nach rechts in den … abbog, fuhr die Beklagte zu 2. an und wollte nach links auf den … abbiegen. Dabei kam es zur Kollision zwischen dem Motorrad des Klägers und dem Beklagtenfahrzeug.

Der Kläger ließ den Schaden vom Sachverständigenbüro … schätzen. Das Gutachten vom … nahm Reparaturkosten brutto 14.219,57 EUR, Wiederbeschaffungswert brutto 17.350,00 EUR, Wertminderung 1.500,00 EUR und einen Restwert von 850,00 EUR an. Unter Übersendung des Gutachtens rechnete der Kläger mit Anwaltsschreiben vom 14.10.2014 ab (Reparaturkosten netto 11.949,22 EUR zuzüglich Wertminderung 1.500,00 EUR = 13.449,22 EUR).

Mit Schreiben vom 21.10.2014 übermittelte die Beklagte zu 1. ein Restwertangebot in Höhe von 5.190,00 EUR. Die Beklagte zu 1. regulierte vorgerichtlich mit einer 75 %igen Haftungsquote den Wiederbeschaffungswert netto in Höhe von 16.926,83 EUR abzüglich des angebotenen Restwertes in Höhe von 5.190,00 EUR.

Der Kläger behauptet, er habe sein Motorrad am 14.10.2014 zum Preis von 850,00 EUR an den Zeugen …veräußert. Der Kläger ist der Ansicht, dass eine unklare Verkehrslage nicht vorgelegen habe. Der vom Sachverständigen ermittelte Restwert in Höhe von 850,00 EUR sei bei der Gegenüberstellung von Wiederbeschaffungsaufwand und Reparaturkostenaufwand zugrundezulegen.

Der Kläger beantragt,

1. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn 4.646,60 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 25.10.2014 zu zahlen;

2. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn nicht anrechenbare außergerichtliche Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 142,32 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.

Die Beklagten sind der Ansicht, dass eine unklare Verkehrslage vorgelegen habe. Hierzu behaupten sie, dass die Sicht des Klägers auf die Straßenkreuzung durch das vorausfahrende Fahrzeug verdeckt gewesen sei. Sie sind ferner der Auffassung, dass sich der Kläger den angebotenen Restwert zurechnen lassen müsse.

Das Gericht hat den Kläger sowieso die Beklagte zu 2. persönlich angehört. Ferner hat das Gericht Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen … und … Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsprotokolle vom 19.05.2015 (Blatt 105 ff. d.A.) sowie vom 09.06.2015 (Blatt 114 ff. d.A.). Bezug genommen.

Im Übrigen wird wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes auf die wechselseitigen Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist begründet.

Der Kläger hat gegen die Beklagten als Gesamtschuldner einen weiteren Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz gem. §§ 7, 17 Abs. 1,18 Abs. 1 StVG, 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 VVG in Höhe von 4646,60 €. Dabei hat das Gericht eine 100 % – ige Haftung der Beklagten zu Grunde gelegt.

Der Unfall stellt sich für keine der Parteien als unabwendbares Ereignis im Sinne von § 17 Abs. 3 StVG dar. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Gerichts nämlich auch nicht fest, dass der Unfall für den Kläger unabwendbar war. Der Idealfahrer wäre nämlich vor der Kollision derart vorrausschauend gefahren, dass er im Hinblick auf die von rechts auf den bevorrechtigten … einmündende Straße … nicht mehr versucht hätte, den PKW des Zeugen … zu überholen.

Somit kommt es gem. § 17 Abs. 1 StVG auf eine Abwägung der Verursachungs- und Verschuldensanteile des Klägers und der Beklagten zu 2.) unter Berücksichtigung der von beiden Fahrzeugen ausgehenden Betriebsgefahr an. Hierbei sind neben unstreitige nur bewiesene Umstände zu berücksichtigen. Auf dieser Grundlage erachtet das Gericht eine Haftungsverteilung zu Lasten der Beklagten von 100 % für angemessen.

Die Beklagte zu 2.) hat den Unfall schuldhaft herbeigeführt, indem sie die Vorfahrt des Klägers gem. § 8 Abs. 2 S. 2 StVO missachtet hat. Nach § 8 Abs. 2 S. 2 StVO hätte die Beklagte zu 2.) nur dann auf den … auffahren dürfen, wenn sie hätte übersehen können, dass sie den vorfahrtsberechtigten Kläger weder gefährden noch wesentlich behindern würde. Die Beklagte zu 2.) hat nach ihrem eigenen Vortrag aber lediglich den nach rechts in den … abbiegenden Zeugen … wahrgenommen. Sie durfte sich jedoch nicht darauf verlassen, dass sich hinter dem Zeugen … kein weiteres Fahrzeug mehr befinden würde. Die Beklagte zu 2.) hätte warten müssen, bis sie in der Lage gewesen wäre, auch den Verkehrsraum hinter dem Fahrzeug des Zeugen …einzusehen und sich dann darüber vergewissern müssen, dass ein gefahrloses Auffahren auf den … für sie möglich war.

Hingegen ist nicht bewiesen, dass der Kläger gegen § 5 Abs. 2, Abs. 3 Nr. 1 StVO verstoßen hat. Nach der durchgeführten Beweisaufnahme steht nämlich bereits nicht fest, dass sich die Beklagte zu 2.) zur Zeit des Unfalls voll in die Längsrichtung der bevorrechtigten Straße … eingeordnet hatte. Es ist mithin nicht nachgewiesen, dass sie bereits zum Gegenverkehr des Klägers gehörte. § 5 Abs. 2 StVO bezweckt aber lediglich den Schutz des Gegenverkehrs und nicht des Querverkehrs (BGH VersR 1977, 524 (525)). Die Beklagten haben selbst nicht vorgetragen, dass sich die Beklagte zu 2.) zum Zeitpunkt des Unfalls bereits vollständig in die Längsrichtung der bevorrechtigten Straße eingeordnet hatte. Auch der Zeuge … hat dieses nicht bekundet. Er hat lediglich angegeben, dass die Beklagte zu 2.) auf den … losgefahren sei.

Nach der Beweisaufnahme ist auch nicht nachgewiesen, dass es sich für den Kläger um eine unübersichtliche Verkehrslage im Sinne von § 5 Abs. 3 Nr. 1 StVO gehandelt hat. Der Kläger selbst hat hierzu in der persönlichen Anhörung angegeben, dass er das Fahrzeug der Beklagten zu 2.) gesehen habe, als diese an den … herangefahren sei und dort angehalten habe. Die Angaben des Zeugen … waren insoweit unergiebig. Dieser hat nichts dazu sagen können, ob der Kläger die Beklagte zu 2.) habe sehen können oder nicht.

Der Kläger muss sich nicht die von seinem Motorrad ausgehende einfache Betriebsgefahr anrechnen lassen. Obwohl er den Anforderungen an einen Idealfahrer nicht genügt hat, überwiegt doch der grobe Verkehrsverstoß der Beklagten zu 2.) in so großen Umfang, dass eine Mithaftung des Klägers bei der nach § 17 Abs. 2 StVG vorzunehmenden Abwägung unterbleiben muss. Auf Grund des infolge ihrer Vorfahrtverletzung weit überwiegenden Mitverursachungsanteils der Beklagten zu 2.) tritt nämlich selbst die einfache Betriebsgefahr des klägerischen Motorrades bei der Abwägung gänzlich zurück (vgl. auch Hentschel/König, Straßenverkehrsrecht, 40. Aufl., § 8 StVO, Rn. 69 m.w.N).

Der Kläger kann auch auf Grund fiktiver Abrechnung des Reparaturkostenaufwandes die geltend gemachten Kosten erstattet verlangen, nämlich die Reparaturkosten netto (11.949,22 €) zuzüglich Wertminderung (1.500,00 €), mithin einen Betrag in Höhe von 13.449,22 €. Dieser Aufwand ist nämlich geringer als der vom Gutachter berechnete Widerbeschaffungsaufwand.

Bei dem Vergleich zwischen Reparaturkostenaufwand und Wiederbeschaffungsaufwand ist als Restwert ein Betrag in Höhe von 850,00 € in Ansatz zu bringen. Nach durchgeführter Beweisaufnahme ist das Gericht zu der Überzeugung gelangt, dass der Kläger bei der Veräußerung des verunfallten Motorrades einen Preis in Höhe von 850,00 € erzielt hat. Dieses hat der Zeuge Herr … glaubhaft bekundet. Die Angaben des Zeugen sind auch in Einklang zu bringen mit dem vorgelegten Kaufvertrag vom 14.10.2014. Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Zeugen hat das Gericht nicht.

Der tatsächlich erzielte Erlös entspricht auch dem Betrag, den der vom Kläger eingeschaltete Sachverständige als Restwert ermittelt hat. Wie der vorgerichtlich eingeschaltete Sachverständige in seinem Gutachten auf den Seiten 24 und 25 unter der Überschrift Restwert ausgeführt hat, hat er nach Maßgabe der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes auf den Preis abgestellt, der auf dem regionalen allgemeinen Markt für das unfallbeschädigte Kraftfahrzeug üblicherweise zu erzielen ist. Unter Berücksichtigung dieser Kriterien ist er zu dem Ergebnis gelangt, dass der Restwert 850,00 € beträgt. Verwiesen hat er auf entsprechende Gebote.

Der Kläger war auch nicht verpflichtet, nach Übersendung des Schadensgutachtens vom 14.10.2014 noch länger mit der Veräußerung des Motorrades zu warten, bis die Beklagte zu 1.) eventuell ein höheres Restwertangebot vorlegt. Es bestand auch keine Verpflichtung, die Beklagte zu 1.) über die beabsichtigte Veräußerung zu informieren (vgl. BGH NJW 2005, 3134; BGH NJW 1993, 1849). Hierfür spricht nicht nur die gesetzliche Konzeption des § 249 Abs. 2 BGB mit der Ersetzungsbefugnis. Es ist auch zu berücksichtigen, dass ein Versicherer, der das Schadensgutachten kennt, bei Beachtung der Leitlinien des Bundesgerichtshofes zur Ermittlung des Restwertes nur in seltenen Fällen ein akzeptables Restwertangebot unterbreiten kann, das einen korrekt ermittelten Restwertbetrag im Schadensgutachten wesentlich übersteigt. Eine Unterrichtung der Versicherung dürfte daher überwiegend den Zweck haben, dieser die Möglichkeit zu geben, eine ihr günstigere Schadensberechnung auf der Grundlage der Angebote überregionaler Restwertaufkäufer aufzumachen, wie es tatsächlich vorliegend auch geschehen ist. Dass ein Geschädigter sich darauf aber nicht verweisen lassen muss, entspricht im Grundsatz gefestigter Rechtsprechung des BGH (BGH NJW 2005, 3134). Zu bedenken ist auch, dass es die Selbstverwertungsfreiheit des Geschädigten unangemessen beeinträchtigen würde, wenn der Versicherer es in der Hand hätte, durch die Dauer seiner Restwertrecherche mit anschließender Unterrichtung des Geschädigten den frühestens Zeitpunkt einer Eigenverwertung zu bestimmen. Das erkennende Gericht folgt insoweit der Argumentation des OLG Düsseldorf im Urteil vom 19.12.2005 (OLG Düsseldorf, Urt.v.19.12.2005, I – 1 U 128/05, zitiert nach Juris).

Der Kläger kann darüber hinaus Zinsen in gesetzlicher Höhe ab dem 25.10.2014 gem. §§ 286Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB beanspruchen, nachdem sich die Beklagten auf Grund des vorgerichtlichen Schreibens vom 14.10.2014 ab dem 25.10.2014 in Verzug befinden.

Darüber hinaus haben die Beklagten aus dem Gesichtspunkte der notwendigen Rechtsverfolgungskosten gem. § 249 BGB die noch restlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 142,32 € an den Kläger zu zahlen. Der Zinsanspruch hierauf ergibt sich aus §§ 291, 288 Abs. 1 BGB.

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91I, 709 S. 1,2 ZPO.

Die Streitwertentscheidung beruht auf § 3 ZPO.

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