LG Gießen – Az.: 2 O 374/08 – Urteil vom 05.09.2011
Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 28.057,57 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem geltenden Basiszinssatz aus einem Betrag von 26.526,03 EUR seit 23.10.2008 und aus einem Betrag von 1.531,54 EUR seit 04.01.2011 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger 4/5 und die Beklagten gesamtschuldnerisch 1/5 zu tragen.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Der Kläger macht gegen die Beklagten weitere Ansprüche aus einem Verkehrsunfall geltend, der sich am 19.06.2006 auf der Landstraße … ereignete.
Die Feststellung der Haftung dem Grunde nach war Gegenstand eines gerichtlichen Verfahrens vor dem Landgericht Gießen und dem Oberlandesgericht Frankfurt a. M. als Berufungsinstanz (Aktenzeichen: 2 O 442/06 bzw. 10 U 151/07). Das Verfahren endete am 15.01.2008 mit einem gerichtlichen Vergleich, in dem sich die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichteten, den dem Kläger aus dem Verkehrsunfall vom 19.06.2006 auf der … entstandenen und zukünftig entstehenden materiellen und immateriellen Schaden mit einer Haftungsquote in Höhe von 75 % zu ersetzen.
Infolge des vorgenannten Vergleichs zahlte die Beklagte zu 3) insgesamt 50.000,00 EUR an den Kläger. Die erste Zahlung erfolgte am 17.01.2008. Die Beklagte zu 3) überwies einen Betrag von 22.500,00 EUR. Am 11.03.2008 folgte eine zweite Abschlagszahlung von 27.500,00 EUR.
Mit Schriftsatz vom 19.09.2008, der Beklagten zu 3) am 23.10.2008 zugestellt, hat der Kläger Klage erhoben.
Der Kläger macht Ansprüche auf Ersatz materiellen und immateriellen Schadens geltend. Der Kläger ist der Ansicht, der Totalschaden am Motorrad sei zunächst mit 4.000,00 EUR als Schadensposition einzustellen. Bei der Berechnung sei der Wiederbeschaffungswert inklusive Mehrwertsteuer zugrunde zu legen, zumal der Kläger als Ersatzbeschaffung einen Pkw Mercedes Benz erworben hätte. Als Restwert müsse lediglich der vom Kläger selbst erzielte Verkaufserlös von 100,00 EUR in Abzug gebracht werden. Der im Privatgutachten des Sachverständigen … (Anlage 1 zur Klageschrift = Bl. 19 ff. d. A.) genannte Restwert von 340,00 EUR sei zum Zeitpunkt der Übergabe des Gutachtens an den Kläger (10.07.2008) nicht mehr zu erzielen gewesen. Außerdem verlangt der Kläger Ersatz für seine beschädigte Motorradkleidung und den Sturzhelm, deren Wert er mit 1.000,00 EUR bzw. 300,00 EUR beziffert. Ferner werden Abmeldekosten von 5,90 EUR und eine Kostenpauschale von 25,00 EUR in die Liste der Schadenspositionen eingestellt. Die Kosten für die Anschaffungen, um wieder Gitarre spielen zu können, beziffert der Kläger mit 366,20 EUR. Darüber hinaus begehrt der Kläger Ersatz der Fahrtkosten seiner Ehefrau, der Zeugin … . Der Kläger behauptet, die Zeugin … sei insgesamt 105 Mal vom Wohnort des Klägers in … nach … in die Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik (BGU) gefahren. Die Fahrtstrecke betrage hin und zurück 76 km. Außerdem habe ihn die Zeugin 6 Mal in der Rehabilitationseinrichtung in … besucht. Die Strecke zwischen … und … betrage – dies ist zwischen den Parteien unstreitig – 116 km hin und zurück. Bei Zugrundelegung der Anzahl der Fahrten, der Entfernung und einem Kilometerpreis von 0,30 EUR/km würde sich ein Betrag von 2.602,80 EUR ergeben. Von diesem Betrag sei sodann der von der Berufsgenossenschaft gezahlte Fahrtkostenbeitrag von 718,80 EUR abzuziehen und eine Quote von 3/4 zu bilden, so dass zugunsten des Klägers ein Betrag von 1.413 EUR verbliebe. Neben den Fahrtkosten verlangt der Kläger Ersatz für Arztkosten in Höhe von insgesamt 2.162,19 EUR. Hinzu kommen 3/4 der in der Rechnung des Rechtsanwalts … (insgesamt 866,00 EUR, Anlage 4 zur Klageschrift = Bl. 50/51 d. A.) ausgewiesenen Kosten für das Betreuungsverfahren. Als weiteren materiellen Schaden macht der Kläger für den Zeitraum vom 19.06.2006 bis zum 31.08.2008 einen Haushaltsführungsschaden in Höhe von insgesamt 31.688,18 EUR geltend. Der Kläger behauptet, er lebe mit seiner Ehefrau, der Zeugin …, sowie der am … geborenen Tochter … und der am … geborenen … in einem gemeinsamen Haushalt. Das Haus habe 6 Zimmer, 3 Toiletten, ein Bad, eine Küche, 140 qm Wohnfläche, 140 qm Nutzfläche sowie 590 qm Garten. Zur Veranschaulichung der einzelnen Tätigkeiten im Haushalt legt der Kläger auf Seite 7 und 8 der Klageschrift (Bl. 8/9 d. A.) eine Synopse der Haushaltstätigkeiten vor, die der Kläger vor und nach dem Unfall ausgeführt haben will. Mit Schriftsatz vom 13.12.2010 (Bl, 347 ff. d. A.) legte der Kläger sodann vier Handwerkerrechnungen vor. Der Kläger verlangt Ersatz der in den Rechnungen ausgewiesenen Lohnkosten, wobei er vom Gesamtbetrag in Höhe von 9.393,98 EUR einen Steuerrückerstattungsanteil von 1.132,91 EUR abzieht und sodann lediglich den quotalen Betrag (3/4) von 6.195,80 EUR geltend macht. Die entsprechende Klageerweiterung erfolgte mit Schriftsatz vom 03.01.2011, welcher dem Beklagtenvertreter per Fax am 04.01.2011 zugegangen ist. Der Kläger behauptet, die Rechnungen würden Renovierungsarbeiten betreffen. Er behauptet weiter, dass er die Renovierungsarbeiten vor dem Unfall selbst gemeinsam mit seinem Schwiegervater, dem Zeugen …, durchgeführt habe. Aufgrund der durch den Unfall verursachten Verletzungen sei ihm dies nun nicht mehr möglich. Der Kläger ist zudem der Ansicht, ihm stünde ein Schmerzensgeld in Höhe von weiteren 105.000,00 EUR, insgesamt also 150.000,00 EUR, zu. Der Kläger behauptet, er leide als Folge des Unfalls vom 19.06.2006 unter ständigen Schmerzen beim Treppabgehen. Außerdem habe er bis zur Mitte des Unterschenkels sowie im Bereich der linken Fußzehen ein Taubheitsgefühl. Hinzu kämen Probleme beim Gehen, Stehen und Sitzen. Des Weiteren bestünde ein Taubheitsgefühl im Ring- und Kleinfinger, welches sich durch eine Verletzung des nervus ulnaris erklären lasse. Der rechte Arm sei nur eingeschränkt belastbar, die Beweglichkeit des Handgelenks und des Daumens sei eingeschränkt. Der rechte Kleinfinger sei im letzten Glied versteift und gekürzt. Es sei schließlich eine neurologische Beeinträchtigung des rechten Armes gegeben. An den operativ versorgten Gelenken im Bereich des rechten und insbesondere des linken Ellenbogens, des linken Handgelenks, des Beckens und des rechten Knies sei mit arthritischen Veränderungen zu rechnen, welche zu weiteren operativen Maßnahmen, jedenfalls aber zu weiteren Einschränkungen führen würden. Außerdem habe der Kläger durch den streitgegenständlichen Unfall zwei Schneidezähne verloren, wobei es sich bei dem Zahn 22 um ein erst im Jahre 2005 eingebrachtes Einzelimplantat gehandelt habe. In der Phase des Wachwerdens nach dem künstlichen Koma sei es schließlich zu einem delirhaften Durchgang gekommen, der zu einer Phobie in Bezug auf Spritzen, Schläuche und Beutel geführt habe. Es seien psychotherapeutische Behandlungen bis Dezember 2007 erforderlich gewesen.
Der Kläger stellt folgende Anträge:
1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger die folgenden Beträge zu zahlen:
a) 44.763,36 EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit;
b) ein Schmerzensgeld, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, mindestens jedoch weitere 115.000,00 EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit 19.06.2006.
2. Es wird festgestellt, dass die Beklagten gesamtschuldnerisch verpflichtet sind, dem Kläger alle weiteren materiellen Schäden sowie für den Fall einer notwendigen Ellenbogengelenksprothese im linken Arm auch immaterielle Schäden, die aus dem Unfall vom 19.06.2006 resultieren, zu ersetzen.
Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.
Die Beklagten sind der Ansicht, der Ansatz von 4.000,00 EUR für das Motorrad sei überhöht. Das Gutachten weise einen Nettowert von 3.904,00 EUR aus. Die Beklagten bestreiten zudem, dass der Pkw Mercedes Benz als Ersatz für das Motorrad angeschafft worden ist. Im Übrigen sind die Beklagten der Ansicht, dass es sich ohnehin nicht um eine Ersatzbeschaffung für das Motorrad handele. Die Beklagten behaupten, der im Privatgutachten ausgewiesene Restwert wäre zu erzielen gewesen. Sie sind der Ansicht, dass für die Kostenpauschale nicht 25,00 EUR sondern nur 20,00 EUR in Ansatz zu bringen seien. Die Beklagten bestreiten mit Nichtwissen, dass es sich bei der Motorradkombination um eine Kombination der Marke BMW-Seattle handelte und der Kläger diese Kleidung beim Unfall getragen hat. Außerdem bestreiten die Beklagten, dass die Kleidung einen Wert von 1.000,00 EUR gehabt hat. Auch der vom Kläger angegebene Wert von 300,00 EUR für den Sturzhelm sei zu hoch. Die Beklagten bestreiten, dass der Kläger das Motorrad abgemeldet hat und dass ihm insoweit Kosten entstanden sind. Sie bestreiten weiter, dass die Kosten für die Anschaffung einer Vorrichtung, um weiter Gitarre spielen zu können, in der vorliegenden Form und zu den vorliegenden Preisen erforderlich gewesen sind. Hinsichtlich der Fahrtkosten der Zeugin … bestreiten die Beklagten die Anzahl der Fahrten und die Länge der zurückgelegten Wegstrecke zwischen … und der BGU. Außerdem sind die Beklagten der Ansicht, ein Anspruch auf Erstattung der Fahrtkosten sei schon deshalb ausgeschlossen, weil die Zeugin … eine Pauschalpreisvereinbarung mit der Berufsgenossenschaft getroffen hätte. Hinzu käme, dass der vom Kläger angesetzte Kilometerpreis von 0,30 EUR/km zu hoch sei. In Bezug auf die Arztkosten sind die Beklagten der Ansicht, dass ein Ersatzanspruch nicht bestehe. Wenn weder Krankenkasse noch Berufsgenossenschaft die Kosten erstatten würde, müsse es sich entweder um Kosten handeln, die nicht aufgrund des Verkehrsunfalls entstanden sind oder um Kosten für Heilbehandlungen, die nicht erforderlich gewesen sind. Darüber hinaus bestreiten die Beklagten, dass der Kläger die entsprechenden Arztrechnungen bezahlt hat. Auch die Kosten des Betreuungsverfahrens halten die Beklagten für nicht erstattungsfähig. Im Hinblick auf den Haushaltsführungsschaden sind die Beklagten – abgesehen davon, dass sie die Ausmaße des Haushaltes, die Haushaltstätigkeiten etc. bestreiten – der Ansicht, dass der Kläger einen etwaigen Anspruch gegenüber der Berufsgenossenschaft hätte geltend machen können und müssen. In Bezug auf die Handwerkerleistungen bestreiten die Beklagten, dass es sich bei den in den Rechnungen ausgewiesenen Leistungen überhaupt um Renovierungsarbeiten gehandelt hat. Abgesehen davon bestreiten die Beklagten, dass der Kläger vor dem Unfall selbst Renovierungsarbeiten ausgeführt hat, die er nun unfallbedingt nicht mehr ausführen kann. Außerdem bestreiten die Beklagten, die Bezahlung der Rechnungen. Was die Schmerzensgeldforderung angeht rügen die Beklagten die Höhe. Im Übrigen bestreiten sie die vom Kläger behaupteten gesundheitlichen Beeinträchtigungen und Dauerschäden.
Hinsichtlich des weiteren Parteivorbringens wird auf die Schriftsätze der Klägerseite vom 19.09.2008 (Bl. 1 ff. d. A.), 01.12.2008 (Bl. 86 ff. d. A.), 13.03.2009 (Bl. 102 ff. d. A.), 15.06.2009 (Bl. 151 ff. d. A.), 17.01.2011 (Bl. 431 ff. d. A.) und 22.03.2011 (Bl. 489 ff. d. A.) sowie der Beklagtenseite vom 05.11.2008 (Bl. 74 ff. d. A.), 24.02.2009 (Bl. 95 ff. d. A.), 01.04.2009 (Bl. 113 ff. d. A.), 30.06.2009 (Bl. 199/200 d. A.), 13.12.2010 (Bl. 347 ff. d. A.), 03.01.2011 (Bl. 367 ff. d. A.), 17.01.2011 (Bl. 425 ff. d. A.), 01.02.2011 (Bl. 458/459 d. A.), 10.02.2011 (Bl. 464 ff. d. A.), 04.04.2011 (Bl. 507 ff. d. A.) und 05.05.2011 (Bl. 534 ff. d. A.) Bezug genommen.
Die Kammer hat Beweis erhoben durch Einholung von drei Sachverständigengutachten sowie Vernehmung der Zeugin … und der Zeugen … und … Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das orthopädischunfallchirurgische Gutachten des Sachverständigen … vom 01.12.2009 (Bl. 215 ff. d. A.), das neurologische Gutachten der Sachverständigen … vom 12.03.2010 (Bl. 266 ff. d. A.) und das zahnmedizinische Gutachten der Sachverständigen … vom 19.08.2010 (Bl. 314 ff. d. A.) sowie die Sitzungsniederschriften vom 05.11.2008 (Bl. 74 ff. d. A.) und 27.04.2011 (Bl. 510 ff. d. A.) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Der Klageantrag zu 2) ist unzulässig. Es fehlt an einem Feststellungsinteresse des Klägers (§ 256 ZPO). Die Verpflichtung der Beklagten, dem Kläger den aus dem Verkehrsunfall vom 19.06.2006 auf der … entstandenen und künftig entstehenden materiellen und immateriellen Schaden mit einer Haftungsquote von 75 % zu ersetzen, ergibt sich bereits aus dem am 15.01.2008 vor dem Oberlandesgericht geschlossenen gerichtlichen Vergleich.
Im Übrigen ist die Klage zulässig und teilweise begründet.
Der Kläger hat gegen die Beklagten bei Zugrundelegung einer eigenen Mithaftungsquote von 1/4 einen Anspruch auf Schadensersatz aus Verkehrshaftpflicht (§§ 7, 18 StVG; 823 Abs. 1, 253 Abs. 2 BGB; 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VVG) in Höhe von insgesamt 28.057,57 EUR; wobei 25.000,00 EUR der tenorierten Summe auf das weitere Schmerzensgeld entfallen.
Bei einer Gesamtabwägung aller Umstände, nämlich der Art der Verletzung, dem Verlauf der Heilung, der verbleibenden Dauerschäden, des Regulierungsverhaltens der Beklagten und des Mitverschuldens des Klägers am Verkehrsunfall hält die Kammer vorliegend ein Schmerzensgeld in Höhe von insgesamt 60.000,00 EUR, d. h. mithin weitere 25.000,00 EUR, für angemessen, um die unfallbedingt aufgetretenen psychischen und physischen Belastungen des Klägers auszugleichen.
Der Kläger hat bei dem Verkehrsunfall am 19.06.2006 Mehrfachbrüche an beiden Armen und am rechten Bein davon getragen. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass es am linken Arm des Klägers zu einer Polytraumatisierung mit Luxationsfraktur des Ellenbogengelenkes kam, wobei der Kronenfortsatz der Elle abriss sowie eine Radiusköpfchentrümmerfraktur auftrat. Außerdem waren die Speiche und einige Handwurzelknochen gebrochen (Mittelhandknochen I-Basisfraktur links). Am rechten Arm erlitt der Kläger einen Speichenköpfchenbruch und eine proximale Fibulafraktur. Hinzu kam eine offene Endgliedtrümmer- und Grundgliedfraktur des rechten Kleinfingers, eine Mittelhandknochen IV-Basisfraktur rechts sowie ein knöcherner Strecksehnenausriss des rechten Daumens. Am rechten Bein kam es zu Brüchen des Waden- und Schienbeinkopfes. Außerdem erlitt der Kläger eine komplexe Beckenfraktur mit Acetabulumfraktur (Gelenkpfanne des Hüftgelenks, die durch Darm-, Sitz- und Schambein gebildet wird) rechts, zentraler Hüftluxation rechts, Iliosacralfugensprengung rechts, Sitzbeinfraktur rechts und Fraktur des hinteren Pfeilers des linken Acetabulums. Hinzu kommt ein stumpfes Bauchtrauma mit Einriss des Dünndarm-Mesenteriums im Bereich der terminalen Ileums.
Aufgrund des detaillierten, nachvollziehbaren und daher überzeugenden Gutachtens der Sachverständigen … geht die Kammer ferner ohne wesentliche Zweifel davon aus (§ 286 ZPO), dass der Kläger durch den Verkehrsunfall zwei Schneidezähen verloren hat; wobei es sich bei Zahn 22 allerdings nicht um ein Einzelimplantat, sondern um einen Zahn mit Einzelkrone handelte. Wie die Sachverständige auf Seite 9 ihres Gutachtens vom 19.08.2010 ausführt, könne aufgrund der vorliegenden Dokumentation mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass die Schädigung der Zähne 21 und 22 durch den Unfall verursacht worden ist. Zwar führe die bloße röntgenologische Darstellung des Bereiches um die Zahnwurzel 21 auf der Übersichtsaufnahme vom Unfalltag (vgl. insoweit das Lichtbild auf Seite 6 des Gutachtens = Bl. 319 d. A.) allein nicht zu einer eindeutigen klinischen Diagnose. Diese ergebe sich aber aus der Zusammenschau mit dem am 22.06.2006 durch den Konsiliararzt erhobenen Befund. Aus diesem Befund ergibt sich, dass am 22.06.2006 im Rachen des intubierten Klägers das Zahnteil 22 gefunden worden ist (Seite 4 des Gutachtens = Bl. 317 d. A.). Der Zahn 21 wird als gelockert mit Alveolenwandfraktur und nicht erhaltungswürdig beschrieben.
Neben den direkten unfallbedingten Verletzungen ist zu berücksichtigen, dass beim Kläger trotz der recht positiven gesundheitlichen Entwicklung gewisse unfallbedingte Dauerschäden verbleiben werden. Aufgrund der detaillierten, nachvollziehbaren und daher überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen … steht für die Kammer unter anderem fest (§ 286 ZPO), dass der Kläger als Folge des Unfalls nach wie vor unter ständigen Schmerzen beim Treppabgehen leidet und er Probleme beim Gehen, Stehen und Sitzen hat. Die vom Kläger angegebenen Schmerzen seien, so der Sachverständige, durch die partielle Instabilität des rechten Kniegelenkes sowie die noch einliegenden Schrauben zu erklären. Der Sachverständige hat bei der Untersuchung des Klägers insoweit festgestellt, dass es bei Bewegung des rechten Kniegelenkes zu einem Druckschmerz und Reiben des Innenbandes an der Schraubenspitze kommt (Seite 24 des Gutachtens = Bl. 238 d. A.). Außerdem würden sich im Bereich des äußeren rechten Kniegelenks drei 1 cm große Narben in Höhe des Schienbeinkopfes befinden. Hier ließen sich die Schraubenköpfe belastend untersuchen, d. h. palpieren (Seite 25 des Gutachtens = Bl. 239). Die vom Kläger beschriebenen Probleme beim Gehen, Stehen und Sitzen führt der Sachverständige sowohl auf die deutlich eingezogene Narbe im Bereich der linken Gesäßhälfte als auch auf die Verletzung und Verschraubung der Kreuzdarmbeingelenke zurück (Seite 35 des Gutachtens = Bl. 249 d. A.).
Darüber hinaus hat der Sachverständige … bestätigt, dass bei dem Kläger eine deutliche Bewegungseinschränkung des linken Armes besteht. Nach den Feststellungen des Sachverständigen ist insbesondere die Ellenbogenbeweglichkeit des linken Armes deutlich eingeschränkt. Der linke Arm sei vermindert belastbar. Außerdem sei die Beweglichkeit des linken Handgelenkes endgradig eingeschränkt. Zusätzlich sei eine geringgradige Schwäche der Daumenadduktion linksseitig gegeben. Aber auch rechtsseitig finde sich eine eingeschränkte Belastbarkeit des Ellenbogengelenkes. Der rechte Kleinfinger sei im Endglied verkürzt, jedoch nicht versteift. Eine neurologische Beeinträchtigung des rechten Armes ist nach Aussage des Sachverständigen allerdings nicht erkennbar.
Die Kammer ist ferner davon überzeugt, dass der Kläger unter Taubheitsgefühlen im Bereich des Ring- und Kleinfingers der linken Hand, des linken Fußes und des rechten Unterschenkels leidet. Die Kammer stützt sich dabei zunächst auf das Gutachten des Sachverständigen … . Dieser hat ausgeführt, dass hinsichtlich des linken Armes eine Hypästesie (herabgesetzte Empfindung von Sinnesreizen) des 4. und 5. Fingers sowie der ellenseitigen Handkante gegeben sei. Das Taubheitsgefühl im Bereich des Ring- und Kleinfingers sei als Folge der Verletzung des Nervus ulnaris erklärbar. Auch die Sachverständige … führt in ihrem Gutachten aus, dass von einer andauernden Irritation des Nervus ulnaris links im Bereich des Ellenbogens auszugehen sei mit der Folge von zum Teil schmerzhaften Sensibilitätsstörungen im Ring- und Kleinfinger und an der Handkante. Dem Gutachten der Sachverständigen … lässt sich zudem entnehmen, dass das angegebene Taubheitsgefühl in einem Areal am proximalen lateralen Unterschenkel rechts durch Läsion eines sensiblen Hautastes bei Zustand nach Tibiakopf- und proximaler Fibulafraktur mit operativer Versorgung zu erklären ist. Der Sachverständige … hat bei der Untersuchung des Klägers darüber hinaus eine Taubheit der 2. bis 4. Zehe bis anteilig auf den Fußrücken feststellen können.
Für die Kammer steht außerdem fest, dass es beim Kläger in Zukunft zu weiteren Einschränkungen kommen wird. Den Feststellungen des Sachverständigen …. … zufolge sind auf den Röntgenbildern insbesondere im Bereich des linken Ellenbogengelenkes deutliche arthrotische Veränderungen zu sehen. Im Bereich des rechten Ellenbogengelenkes sind 3 Jahre nach dem Unfall geringe Arthroseanzeichen erkennbar. Unklar ist jedoch (dies wirkt sich Schmerzensgeldmindern aus), ob es zwingend zu Folgeoperationen. Der Sachverständige hat zwar im Bereich der linken Hüfte eine deutliche Einziehung der Haut festgestellt. Eine deutliche Arthrose des Hüftgelenks war jedoch nicht erkennbar.
Schmerzensgelderhöhend wirkt sich hingegen der lange Heilungsverlauf aus. Der Kläger befand sich insgesamt 5 Monate in stationärer Behandlung. Danach schloss sich eine intensive Phase der Rehabilitation an. Vom 22.06.2006 bis zum 19.07.2006 (31 Tage) lag der Kläger zudem im künstlichen Koma.
Zu berücksichtigen war schließlich auch, dass der Kläger den detaillierten und nachvollziehbaren Ausführungen des Sachverständigen … unter einem medikamenteninduzierten delirhaften Durchgang mit Alpträumen, Verwirrtheit und paranoidhalluzinatorischer Symptomatik gelitten hat.
Aufgrund der vorgenannten Feststellungen ist zudem davon auszugehen, dass die im unfallchirurgischen Gutachten der Berufgenossenschaftlichen Unfallklinik vom 18.03.2008 ausgewiesene Erwerbsminderung von 70 Prozent besteht und der Grad der Behinderung des Klägers 80 % beträgt.
Auf der Grundlage der vorbenannten Parameter hält die Kammer letztlich – auch im Vergleich zu anderen Entscheidungen (OLG Frankfurt, Urt. v. 16.08.2001 – 3 U 160/00, VersR 2002, 1568; LG Kleve, Urt. v. 03.07.1998 – 1 O 47/98; OLG München, Urt. v. 27.10.2000 – 10 U 1817/00) ein Schmerzensgeld von insgesamt 60.000,00 EUR für angemessen aber auch ausreichend, so dass abzüglich der bereits gezahlten 35.000,00 EUR noch 25.000,00 EUR verbleiben. Zu beachten ist hierbei, dass die durchaus schwerwiegenden Verletzungen und Unfallfolgen nach Art und Umfang bei Weitem nicht an diejenigen heranreichen, die der Entscheidung des Oberlandesgerichts Frankfurt mit dem Aktenzeichen 13 U 128/09 zugrunde lagen (Anlage zum Klägerschriftsatz vom 03.01.2011 = Bl. 388 ff. d.A.).
Neben dem Schmerzensgeldanspruch steht dem Kläger ein Anspruch auf Ersatz des materiellen Schadens in Höhe von insgesamt 18.057,57 EUR zu, von dem allerdings der von der Beklagten zu 3) bereits gezahlte Betrag von 15.000,00 EUR in Abzug zu bringen ist, so dass 3.057,57 EUR verbleiben.
Der Kläger kann von den Beklagten zunächst 3/4 des Totalschadens an seinem Motorrad, mithin 2.812,50 EUR verlangen. Der Kläger rechnet den Totalschaden am Motorrad auf Basis des Privatgutachtens des Sachverständigen … vom 25.03.2008 ab (vgl. Anlage K 1 = Bl. 19 ff. d. A.), welches durch die Beklagte zu 3) in Auftrag gegeben worden ist. Der Kläger ist nach Ansicht der Kammer insoweit berechtigt, den im Gutachten ausgewiesenen Bruttowiederbeschaffungswert von 4.000,00 EUR zugrunde zu legen. Die Kammer ist aufgrund des nachvollziehbaren Vortrags im Schriftsatz vom 13.03.2009 und der als Anlage zu diesem Schriftsatz vorgelegten Rechnung vom 31.03.2007 (vgl. die Rechnung der Torpedo Garage, Bl. 108 d. A.) davon überzeugt, dass der Kläger etwa 2 Monate nach Ende seiner Arbeitsunfähigkeit einen Pkw Mercedes Benz E 220 CDI T erworben hat, der zukünftig als Ersatz für das zerstörte Motorrad dient. Es ist durchaus plausibel, dass sich der Kläger nach dem erlittenen Unfall nie wieder auf ein Motorrad setzen will; zumal in der Rechtsprechung anerkannt ist, dass beispielsweise ein Pkw für ein Leichtkraftrad eine Ersatzbeschaffung darstellt (BFH, Urt. v. 10.12.1953 – IV 222/53 U, DB 1954, 119). Von dem Bruttowiederbeschaffungswert in Höhe von 4.000,00 EUR ist allerdings der Restwert des Motorrades abzuziehen. Diesen schätzt die Kammer auf 250,00 EUR (§ 287 ZPO). Die Kammer orientiert sich hierbei an den im Privatgutachten des Sachverständigen … vom 25.03.2008 ausgewiesenen Restwertgeboten. Danach beträgt das Höchstgebot 340,00 EUR und das Mindestgebot 160,00 EUR. Der Mittelwert liegt daher bei 250,00 EUR. Der Kläger kann sich insofern nicht darauf berufen, dass ein Restwert zum Zeitpunkt, zu dem ihm das Gutachten zur Verfügung gestellt worden ist (10.07.2008), nicht mehr zu erzielen gewesen sei. Es ist zwar richtig, dass die Bindungsfrist für die Bieter lediglich bis zum 16.04.2008 lief. Die Abgabe der im Privatgutachten aufgeführten Gebote spricht jedoch gegen die Annahme, dass 3 Monate später nicht ein ähnlicher Restwert zu erzielen gewesen ist; zumal der Kläger mit Schriftsatz vom 03.01.2011 selbst eine Umsatzübersicht vorgelegt hat, aus der hervorgeht, dass er 2 1/2 Jahre nach dem Unfall immerhin noch 100,00 EUR für das Motorrad bekommen hat.
Im Hinblick auf die beschädigte Motorradkleidung und den Sturzhelm sind nach Ansicht der Kammer 550,00 EUR in die Berechnung einzustellen, wobei der Mitverschuldensanteil von 1/4, mithin 137,50 EUR in Abzug zu bringen sind, so dass ein Betrag von 412,50 EUR verbleibt. Die Schätzung der Kammer (§ 287 ZPO) basiert auf den Internetrecherchen, die der Kläger mit Schriftsatz vom 03.01.2011 vorgelegt hat. Danach sind für eine gebrauchte BMW Seattle Motorradkombi 300,00 EUR aufzuwenden. Der Preis für Stiefel bewegt sich zwischen 107,95 EUR und 219,95 EUR. Der Wert des Motorradhelms ist mangels substantiierten Vortrags zu Helmmodell und Preis lediglich mit 99,95 EUR anzusetzen. Dies ist der Preis, den die Beklagten in der Klageerwiderung für den preisgünstigsten Shoei Helm vorgetragen haben. Dass der Kläger bei dem Verkehrsunfall die entsprechende Motorradbekleidung getragen hat, ergibt sich für die Kammer zum einen aus den vom Kläger mit Schriftsatz vom 03.01.2011 vorgelegten Lichtbildern. Trotz der relativ schlechten Bildqualität ist auf dem Lichtbild Nr. 1 anhand des in der Jacke eingenähten Schildes zu erkennen, dass es sich um einen BMW Seattle Anzug handelt (Bl. 380 d. A.). Zum anderen hat die Ehefrau des Klägers, die Zeugin …, schriftlich versichert, dass es sich bei den auf den Fotos abgebildeten Kleidungsstücken um diejenige handelt, die der Kläger zum Zeitpunkt des Verkehrsunfalls getragen habe (Anlage 5 zum Schriftsatz vom 22.03.2011 = Bl. 506 ad. A.).
Die Abmeldekosten in Höhe von 5,90 EUR waren dem Kläger allerdings nicht zuzusprechen. Trotzdem dieser Punkt von der Beklagtenseite ausdrücklich bestritten worden ist, ist der Kläger beweisfällig geblieben.
Der Kläger hat allerdings Anspruch auf eine Kostenpauschale in Höhe von 25,00 EUR. Dieser Betrag ist in der Rechtsprechung allgemein anerkannt, um dem durch einen Verkehrsunfall Geschädigten einen Ausgleich für etwaige Telefon- Porto-, und Fahrtkosten zu gewähren (vgl. OLG München NJW 2010, 1462, Palandt-Grüneberg, 70. Auflage, § 249 Rn. 79).
Der Kläger hat zudem einen Anspruch auf Ersatz der Kosten für die Anschaffungen, die er getätigt hat, um wieder Gitarre spielen zu können. Dieser Anspruch beläuft sich bei Berücksichtigung der Mitverschuldensquote von 1/4 auf 274,65 EUR. Aufgrund der Aussage der Zeugin … in der mündlichen Verhandlung vom 05.01.2011 ist die Kammer davon überzeugt, dass der Kläger vor dem Unfall Gitarre gespielt hat. Anhand der Feststellungen des Sachverständigen … ist davon auszugehen, dass es dem Kläger aufgrund der bei dem Verkehrsunfall erlittenen Verletzungen und der daraus resultierenden Bewegungseinschränkungen im linken Arm nicht ohne weiteres möglich ist, Gitarre zu spielen. Vor diesem Hintergrund geht die Kammer davon aus, dass die angeschafften Hilfsmittel (Gitarrenstütze und Gitarrenhalter) in der vorliegenden Form und Ausstattung zu den geltend gemachten Preisen (366,20 EUR) erforderlich waren. Da es sich um einen sehr geringen Teil der Klageforderung handelt, ist die Kammer nicht gehalten, ein Sachverständigengutachten einzuholen (§ 287 Abs. 2 ZPO).
Hinsichtlich der Fahrtkosten zum Krankenhaus steht dem Kläger ein Anspruch in Höhe von 2.169,00 EUR zu (8.676 km x 0,25 EUR), der jedoch zunächst um die Zahlungen der Berufsgenossenschaft in Höhe von 718,80 EUR und sodann um den eigenen Mitverschuldensanteil von 1/4 zu kürzen ist, so dass letztlich ein Betrag von 1.087,65 EUR zugunsten des Klägers verbleibt.
Aufgrund der detaillierten, nachvollziehbaren und daher überzeugenden Aussage der Zeugin … geht die Kammer zunächst davon aus, dass die Zeugin im Zeitraum vom 19.06. bis zum 22.11.2006 insgesamt 105 mal von … nach … sowie 6 mal nach … gefahren ist, um ihren Ehemann, den Kläger, in der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik (BGU) bzw. der Rehabilitationseinrichtung zu besuchen. Die Zeugin hat in der mündlichen Verhandlung eindrucksvoll geschildert, dass sie in der Zeit, in welcher der Kläger im künstlichen Koma gelegen habe – dies sind unstreitig 31 Tage (22.06. bis 19.07.2006) – täglich von zu Hause aus in die BGU gefahren sei. In der Zeit danach – der Kläger befand sich abzüglich des 2 1/2-wöchigen Aufenthaltes in der Rehabilitationseinrichtung insgesamt noch weitere 3 1/2 Monate (15 1/2 Wochen) in der BGU – sei sie unter der Woche zwei- bis dreimal gefahren. An den Wochenenden hätte sie den Kläger sogar jeden Tag besucht. In … sei sie jedes Wochenende gewesen. Unter der Woche sei die Zeugin ungefähr zweimal in Bad Orb gewesen.
Die Kammer ist der Ansicht, dass sich die geltend gemachte Anzahl der Krankenbesuche in der BGU und der Rehabilitationseinrichtung in … durchaus im angemessenen Rahmen gehalten hat und für die Genesung des Klägers zweckmäßig gewesen ist. Im Anschluss an die Ausführungen des Landgerichts Saarbrücken (Urt. v. 18.12.1987 – 14 O 117/87, NJW 1988, 2958/2959) geht die Kammer davon aus, dass eine intensive Betreuung des Verletzten durch nahe stehende Personen eine ganz entscheidende Rolle für den Heilungsprozess spielen kann. So können insbesondere tägliche Besuche der Ehefrau zur Gesundung des schwer verletzten Ehemannes beitragen (OLG Frankfurt, Urt. v. 02.11.1979 – 2 U 76/79, VersR 1981, 239/240). Dies gilt auch dann, wenn der Verletzte – wie hier – im Koma liegt (LG Saarbrücken a. a. O.). Hinzu kommt schließlich, dass die Zeugin … in der mündlichen Verhandlung vom 05.01.2011 angegeben hat, dass die Ärzte ihr gesagt hätten, dass sie zum Kläger kommen solle, um die Genesung zu fördern.
Auch die vom Kläger angegebenen Fahrtstrecken von 76 km bzw. 116 km sind nachvollziehbar. Die Klägerseite hat mit Schriftsatz vom 13.03.2009 einen Ausdruck des Allianz-Routenplaners vorgelegt, nach dem die einfache Fahrstrecke von der Wohnanschrift des Klägers bzw. der Zeugin … in … bis zur BGU 38,7 km beträgt. Dass es sich bei dieser vom Routenplaner vorgegebenen und von der Zeugin tatsächlich gefahrenen Strecke nicht um die kürzeste Route gehandelt hat, ist nach Ansicht der Kammer nicht zu beanstanden. Die Zeugin hat den (nur etwa 7 km weiteren) Weg über die Autobahn gewählt, um die Fahrtzeit zu verkürzen. Es liegt insoweit kein Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht vor (§ 254 Abs. 2 BGB). Die Entfernung von … nach … ist unstreitig. Nach Ansicht der Kammer ist jedoch in Anlehnung an § 5 Abs. 2 Ziffer 1 JVEG lediglich eine Kilometerpauschale von 0,25 EUR/km anzusetzen.
Die Ersatzpflicht der Beklagten ist auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil die Zeugin mit der Berufsgenossenschaft eine Fahrtkostenpauschale vereinbart hat. Es handelt sich hierbei keineswegs um einen Vertrag zulasten der Beklagten. Der Geschädigte eines Verkehrsunfalls ist nicht gehalten, sich zunächst an Dritte zu wenden. Im Verkehrsunfallprozess ist es vielmehr regelmäßig so, dass der in Vorleistung getretene Sozialversicherungsträger letztlich die Haftpflichtversicherung des Schädigers in Regress nimmt.
Von den geltend gemachten Arztkosten kann der Kläger 1.901,74 EUR verlangen. Dies entspricht 3/4 des von der Kammer in Ansatz gebrachten Betrages von 2.535,65 EUR.
Der Schädiger hat dem Geschädigten grundsätzlich die tatsächlich entstandenen, angemessenen Kosten aller unfallbedingten und erforderlichen Heilbehandlungsmaßnahmen zu ersetzen; wobei eine Heilbehandlung als erforderlich gilt, wenn sie vom Standpunkt eines verständigen Menschen bei der gegebenen Sachlage medizinisch zweckmäßig und geboten erschien (Küppersbusch, Ersatzansprüche bei Personenschäden, 10. Auflage, Rn. 226). Zu beachten ist in diesem Fall jedoch, dass es an einer Aktivlegitimation des Geschädigten fehlt, soweit ein Sozialversicherungsträger kongruente Leistungen zu erbringen hat (§§ 116 SGB X, 67 Abs. 1 VVG).
Die Kammer geht aufgrund der vom Kläger vorgelegten Rechnungen, Quittungen und Bescheinigungen davon aus, dass bei dem – ausweislich des als Anlage zum Klägerschriftsatz vom 13.03.2009 vorgelegten Schreiben der DKV vom 03.03.2009 – privat krankenversicherte Kläger insgesamt 3.630,79 EUR an Heilbehandlungskosten angefallen sind, von denen lediglich 1.442,41 EUR durch die Berufsgenossenschaft erstattet worden sind.
Der Kläger hat unter anderem eine Rechnung des … vom 06.07.2007 über 567,36 EUR vorgelegt (Anlage zum Klägerschriftsatz vom 15.06.2009 = Bl. 157 d. A.). Außerdem hat der Kläger fünf Rechnungen der Dipl.-Psychologin … für Verhaltenstherapien vorgelegt. Die Rechnungssumme beläuft sich auf insgesamt 2.860,70 EUR. Hinzu kommen fünf Quittungen und drei Rechnungen über Osteopathie-Behandlungen übereinen Gesamtbetrag von 550,00 EUR.
Der Kläger hat im Wesentlichen nachgewiesen, dass er die vorgenannten Rechnungen bezahlt hat. Ausweislich der als Anlage 2 zum Klägerschriftsatz vom 22.03.2011 vorgelegten Kontoauszüge sind sämtliche Rechnungen der Dipl.-Psychologin … bezahlt worden. Gleiches gilt für die Rechnung des … Diese ist am 30.07.2007 ausgeglichen worden. Außerdem findet sich unter dem Datum des 03.05.2007 eine Überweisung von 80,00 EUR an die Osteopathiepraxis … Was die Kosten für die weiteren sechs Osteopathiebehandlung angeht, so sind diese zum Teil durch die Vorlage von drei Quittungen nachgewiesen. Im Übrigen erachtet die Kammer die Vorlage der entsprechenden Rechnungen als ausreichend, da sich ein etwaiger Freistellungsanspruch des Klägers aufgrund der ernsthaften und endgültigen Weigerung der Beklagten, Schadensersatz zu leisten, in einen Zahlungsanspruch umwandelt (KG, Urt. v. 03.11.2003 – 12 U 102/03, Rn. 3, zitiert nach juris; Palandt-Grüneberg, 70. Auflage, § 250 Rn. 2).
Die Kammer geht ferner davon aus, dass sämtliche Heilbehandlungen medizinisch notwendig und geboten waren. Hinsichtlich der von Herrn … durchgeführten Behandlung ergibt sich dies bereits aus der Rechnung selbst. Danach ist eine Computertomographie des bei dem Verkehrsunfall verletzten linken Ellenbogengelenkes sowie der linken Handwurzel angefertigt worden. Aber auch die 7 Mal durchgeführte osteopathische Heilbehandlung des rechten Kniegelenks ist den detaillierten, nachvollziehbaren und deshalb überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen … entsprechend als intensive Nachbehandlung einzustufen und als unfallbedingt erforderlich zu werten. Gleiches gilt für die vom Kläger in Anspruch genommene psychotherapeutische Behandlung. Die Sachverständige … gelangt in ihrem Gutachten vom 12.03.2010 zu dem Ergebnis, dass von einem medikamenteninduzierten Delir mit Alpträumen, Verwirrtheit und paranoid-halluzinatorischer Symptomatik auszugehen sei. Aufgrund der lebhaften Erinnerung an zumindest Teile dieser Symptomatik sei zur Behandlung dieser psychischen Belastungssituation eine psychotherapeutische Behandlung indiziert gewesen, deren Dauer bis Ende 2007 im üblichen Rahmen liege.
Es steht zudem fest, dass die tenorierten Kosten nicht von einem Sozialversicherungsträger übernommen werden. Dem als Anlage zur Klageschrift beigefügten Schreiben der DKV vom 13.07.2007 lässt sich entnehmen, dass die Krankenkasse die Kosten für die Untersuchung durch Herrn … nicht übernimmt. In der mündlichen Verhandlung vom 27.04.2011 hat der Kläger sodann eine Rechnung vorgelegt, aus der sich ergibt, dass die Berufsgenossenschaft auf die Rechnung des Herrn … 347,27 erstattet hat. Eine weitergehende Erstattung hat die Krankenkasse jedoch abgelehnt. Außerdem hat der Kläger nachgewiesen, dass die Kosten für die Osteopathie und die Psychotherapie nur teilweise übernommen worden sind. Mit Schreiben vom 21.02.2011 hat die Berufsgenossenschaft mitgeteilt (Anlage 1 zum Klägerschriftsatz vom 08.03.2011 = Bl. 493 d. A.), dass die Kosten für die Psychotherapie entsprechend den Richtlinien der gesetzlichen Unfallversicherung nur teilweise übernommen worden sind. Eine Kostenübernahme der Osteopathie sei nicht möglich gewesen, weil es sich nicht um eine – für die gesetzliche Unfallversicherung – akzeptierte Therapiemaßnahme handele.
Der Kläger hat zudem Anspruch auf 3/4 der Kosten des Betreuungsverfahrens i. H. v. 649,50 EUR. Ausweislich der Rechnung des Rechtsanwalts … vom 15.09.2007 (Anlage 4, Bl. 50/51 d. A.) belaufen sich die außergerichtlichen Kosten auf 866,00 EUR. Diese Kosten sind nach Ansicht der Kammer als unfallursächliche Kosten erstattungsfähig. Der Kläger befand sich infolge der bei dem Verkehrsunfall erlittenen Verletzungen im künstlichen Koma. Die Einrichtung einer Betreuung war angezeigt.
Der Kläger kann darüber hinaus Ersatz des Haushaltsführungsschadens in Höhe von 9.774,99 EUR verlangen.
Aufgrund der Aussage der Zeugin … geht die Kammer zunächst davon aus, dass sich der voll erwerbstätige Kläger vor dem Unfall morgens um das Frühstück gekümmert bzw. die beiden Kinder schulfertig gemacht hat. Die Zeugin hat insoweit angegeben, dass man sich diese Arbeiten geteilt habe. Außerdem habe der Kläger leichtere Haushaltstätigkeiten erledigt, bevor er zur Arbeit ging, z. B. Ausräumen der Spülmaschine oder Wegräumen von Sachen. Die Kammer schätzt den Zeitaufwand für die vorbenannten Tätigkeiten auf etwa 1 Stunde am Tag bzw. 7 Stunden pro Woche. Unter Zugrundelegung der Aussage der Zeugin … geht die Kammer ferner davon aus, dass der Kläger die beiden Kinder nach der Arbeit jeweils circa 1/2 Stunde bei den Hausaufgaben unterstützt hat. Hinzu kommt die musikalische Förderung der Kinder, deren zeitlichen Aufwand die Kammer entsprechend den Angaben der Zeugin … mit jeweils 2 Wochenstunden bewertet. Für das von der Zeugin angegebene Bestücken der Heizung ist für den Zeitraum von Ende September bis März/April von einer Stunde täglich auszugehen. Auf das Jahr umgelegt ergibt dies 1/2 Stunde am Tag bzw. 3,5 Stunden in der Woche. Das Holzmachen selbst ist über das Jahr verteilt mit etwa 1 Wochenstunde zu berücksichtigen. Die Zeugin hat insoweit angegeben, dass das Holz machen einmal im Jahr 1 1/2 Wochen, d.h. 10 Tage á 6 Stunden gedauert habe. Für das Einkaufen schätzt die Kammer den wöchentlichen Aufwand des Klägers auf 1 Stunde. Dies hängt damit zusammen, dass die teilzeitbeschäftigte Zeugin nachvollziehbar angegeben hat, dass sie des Öfteren Einkäufen gegangen wäre. Für die Gartenarbeit ist nach Ansicht der Kammer lediglich 1 Stunde pro Woche in Ansatz zu bringen, da die Gartenarbeit laut Zeugenaussage überwiegend vom Vater der Zeugin … gemacht werde. Der Kläger habe nur Kleinigkeiten im Garten erledigt, z. B. den Rasen gemäht oder die Hecke geschnitten.
Die Kammer schätzt den wöchentlichen Arbeitsaufwand des Klägers im Haushalt daher auf 22,5 Stunden (§ 287 ZPO). Dies deckt sich in etwa mit den Angaben bei Schulz-Borck/Parday (Der Haushaltsführungsschaden, 7. Auflage). Dort ist in Tabelle 10 für einen 4-Personenhaushalt bei dem das jüngste Kind 6 bis unter 18 Jahre alt ist für den Ehemann eine wöchentliche Stundenzahl 21,5 ausgewiesen; wobei die Tabelle davon ausgeht, dass beide Partner nebeneinander gleich im Haushalt und/oder auf dem Arbeitsmarkt tätig sind. Die Zeugin … hat den wöchentlichen Arbeitsaufwand ihres Mannes sogar nur auf 15 Stunden geschätzt.
Für den Zeitraum des stationären Aufenthalts des Klägers vom 19.06. bis zum 22.11.2006 (20,71 Wochen) schätzt die Kammer den Haushaltsführungsschaden unter Zugrundelegung der oben genannten Parameter (22,5 Wochenstunden), eines Stundensatzes von 8,27 EUR (Stundenvergütung BAT X) und der Berücksichtigung der Verschuldensquote des Klägers von 1/4 auf 2.890,21 EUR. Der Kläger ist nicht gehalten, tatsächlich eine Ersatzkraft einzustellen. Wird der Ausfall oder die Behinderung des Haushaltsführenden durch Mehrarbeit der Familienmitglieder, unentgeltliche Hilfeleistung Dritter oder überobligatorische Anstrengungen des Verletzten aufgefangen, ist der Schaden normativ zu berechnen (Küppersbusch, a. a. O., Rn. 188).
Für den Zeitraum vom 23.11.2006 bis 31.08.2008 (92,5 Wochen) ergibt sich ein Haushaltsführungsschaden von 6.884,78 EUR (12 Wochenstunden x 92,5 Wochen x8,27 EUR x 0,75). Aufgrund der Feststellungen des Sachverständigen … und der Aussage der Zeugin … ist die Kammer davon überzeugt, dass es dem Kläger infolge seines Gesundheitszustandes nicht mehr möglich ist, das Brennholz selbst zu machen und den Ofen zu Bestücken (4 Wochenstunden). Wobei bei der Bestückung des Ofens bereits eine gewisse Umorganisation stattgefunden hat, indem sich der Kläger der Hilfe des Schwiegervaters bedient. Dieser gehört allerdings nicht zum Haushalt des Klägers. Nachvollziehbar ist zudem, dass der Kläger aufgrund vermehrter Pausen im Büro die Hausaufgabenbetreuung nicht mehr übernehmen kann (7 Wochenstunden). Verschiedene Tätigkeiten sind jedoch nach wie vor möglich. So übernimmt der Kläger nach wie vor die musikalische Unterstützung der Kinder. Auch das Frühstück könne der Kläger noch vorbereiten. Die Zeugin … berichtet jedoch von Schwierigkeiten beim in die Knie gehen und beim Heben schwerer Kisten. Dies deckt sich nach Ansicht der Kammer auch mit den Ausführungen des Sachverständigen … zu den gesundheitlichen Einschränkungen des Klägers. Aus diesem Umstand dürfte beim Einkäufen und bei der Gartenarbeit ein gewisser Zeitverlust eintreten, den die Kammer insgesamt mit einer Wochenstunde bewertet.
Im Hinblick auf die im Jahre 2008 und 2010 erbrachten Handwerksleistungen stehen dem Kläger insgesamt 1.531,54 EUR zu. Sämtliche Rechnungen sind ausweislich der vom Kläger vorgelegten Kontoauszüge (Anlage 3 zum Schriftsatz vom 22.03.2011 = Bl. 494 ff. d. A.) bezahlt worden. Hinsichtlich der in der Rechnung der … vom 22.04.2008 ausgewiesenen Lohnkosten von 1.249,50 EUR ist nach Ansicht der Kammer zunächst nur ein Drittel der Rechnungssumme, mithin 416,50 EUR, in Ansatz zu bringen. Die Kammer geht zwar aufgrund der Aussage der Zeugin … und des Zeugen … davon aus, dass die Arbeiten der … die Neuverlegung des Parkettfußbodens betreffen. Die Kammer ist aufgrund der Ausführungen im medizinischen Gutachten des Sachverständigen … (es wird insoweit auf die zum Schmerzensgeld getroffenen Feststellungen Bezug genommen) davon überzeugt, dass der Kläger selbst keine Parkettverlegearbeiten mehr durchführen kann. Die Kammer ist jedoch nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme auch davon überzeugt, dass der Kläger bei frühren Parkettlegearbeiten lediglich Handlangertätigkeiten vorgenommen hat. Der Zeuge … hat explizit gesagt, dass der Kläger quasi der „Zuträger“ bei den Parkettarbeiten gewesen sei und ihm beim Zuschneiden geholfen habe. Was die Rechnung der … vom 25.04.2008 betrifft, ist auch hier ein Drittel der mit 5.479,95 EUR brutto bezifferten Lohnkosten, mithin 1.826,65 EUR, in die Berechnung einzustellen. Ausweislich der Rechnung handelt es sich im Wesentlichen um Malerarbeiten. Diese Arbeiten sind den Angaben der Zeugin … und des Zeugen … zufolge allerdings nicht durch den Kläger allein, sondern von allen drei Personen ausgeführt worden. Man habe sich abgewechselt. Dass der Kläger hinsichtlich der Malerarbeiten unfallbedingt eingeschränkt ist, ergibt sich aus den gutachterlichen Feststellungen zu den Bewegungseinschränkungen des Klägers. Außerdem hat die Zeugin … ausgeführt, dass der Kläger Probleme beim Bücken und Heben habe. Gleiches gilt für die von der… im Jahr 2010 durchgeführten Renovierungsarbeiten, für die dem Kläger am 05.03.2010 Lohnkosten in Höhe von 2.019.10 EUR netto bzw. 2.402,73 EUR brutto in Rechnung gestellt worden sind. Auch hier kann der Kläger aufgrund der in der Vergangenheit vorgenommenen Arbeitsteilung allenfalls ein Drittel, also 800,91 EUR in Ansatz bringen. Für die Montage der Gardinen (Rechnung der FA … vom 27.03.2010; Lohnkosten 261,80 EUR brutto) sind nach Ansicht der Kammer 130,90 EUR berücksichtigungsfähig. Wie die Zeugin … angegeben hat, ist das Gardinenaufhängen vor dem Unfall arbeitsteilig mit dem Kläger erfolgt. Von dem Gesamtbetrag von 3.174,96 EUR ist sodann die Steuerrückerstattung von 1.132,91 EUR abzuziehen, so dass ein Betrag von 2.042,05 EUR verbleibt, von dem wiederum 1/4 abzuziehen ist, so dass dem Kläger 1.531,54 EUR zu Gute kommen.
Soweit der Kläger darüber hinaus Mehrkosten für das Kaufen von Brennholz geltend macht, ist darauf hinzuweisen, dass diese Schadensposition bereits im Rahmen des Haushaltsführungsschadens Berücksichtigung gefunden hat.
Der Kläger ist berechtigt, Prozesszinsen ab Rechtshängigkeit geltend zu machen (§ 291 ZPO). Eine Anspruchsgrundlage für die Geltendmachung von Zinsen ab dem Unfalltag ist nicht ersichtlich. Die Regelung des § 849 BGB beschränkt sich auf die Verzinsung bei Entziehung oder Beschädigung einer Sache. Ein Verzugsschaden (§§ 280 Abs. 1 und 2, 286, 288 Abs. 1 BGB) ist nicht dargelegt.
Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91a, 92 Abs. 1, 709 ZPO.