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Verkehrsunfall – Nutzungsausfallentschädigung für Motorrad für längere Zeit

OLG Frankfurt – Az.: 22 U 182/18 – Urteil vom 09.12.2019

Die Berufung der Beklagten gegen das am 05.09.2018 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Darmstadt, Az.: 4 O 36/17, wird zurückgewiesen.

Die Beklagten haben die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Dieses und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 5.455,00 € festgesetzt.

Gründe

I.

Von der Abfassung eines Tatbestandes wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 ZPO in Verbindung mit § 26 Nr. 8 EGZPO abgesehen. Der Streitwert liegt unter 20.000,00 €.

II.

Die Berufung der Beklagten erweist sie sich in der Sache als unbegründet.

Die Entscheidung des Landgerichts beruht weder auf einer Rechtsverletzung, noch rechtfertigen nach § 529 ZPO zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung, § 513 Abs. 1 ZPO.

Das Landgericht hat der Klage zu Recht in Höhe von 5.455,00 € nebst Zinsen und vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten stattgegeben.

Zunächst ist es nicht zu beanstanden, dass das Landgericht dem Anspruch auf Nutzungsausfallentschädigung für einen Zeitraum von weiteren 99 Tagen à 45,00 € (4.455,00 €) stattgegeben hat. Auf die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts hierzu wird verwiesen.

Der vorübergehende Entzug der Gebrauchsmöglichkeit eines Motorrades, das dem Geschädigten als einziges Kraftfahrzeug zur Verfügung steht und nicht reinen Freizeitzwecken dient, stellt einen Vermögensschaden dar und kann einen Anspruch auf Nutzungsentschädigung begründen (BGH, Urteil vom 23.01.2018 – VI ZR 57/17, zitiert nach juris, Rz. 9). Der Kläger hat im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht am 07.06.2017 dargelegt, dass er neben dem Motorrad kein weiteres Auto habe. Er sei Student, er habe die Wahl zwischen einem Motorrad und einem Auto gehabt. Er habe sich für das Motorrad entschieden, weil er gern Motorrad fahre und ein Motorrad auch günstiger sei. Dies hat der Kläger im Rahmen der informatorischen Anhörung im Termin zur mündlichen Verhandlung am 09.12.2019 glaubhaft bestätigt. Er hat ferner ausgeführt, er sei mit dem Motorrad zur Universität und zur Arbeit gefahren. Es ist nicht erkennbar, dass der Kläger das bei dem Unfall beschädigte Motorrad lediglich für die Freizeit genutzt hat.

Der Geschädigte ist im Rahmen der ihm nach § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB obliegenden Schadensminderungspflicht nicht stets gehalten, ein Deckungsgeschäft vorzunehmen. Dies muss vielmehr im Einzelfall von der Sache her geboten und ihm auch zuzumuten sein. Es ist grundsätzlich Sache des Schädigers, die vom Geschädigten zu veranlassende Schadensbeseitigung zu finanzieren. Der Geschädigte hat Anspruch auf sofortigen Ersatz und ist nicht verpflichtet, den Schaden zunächst aus eigenen Mitteln zu beseitigen oder zur Vermeidung von Folgeschäden Kredit aufzunehmen. Vielmehr hat der Schädiger grundsätzlich auch die Nachteile zu ersetzen, die daraus herrühren, dass der Schaden mangels sofortiger Ersatzleistung nicht gleich beseitigt worden ist und sich dadurch vergrößert hat. Das Risiko, dem Geschädigten überhaupt zum Ersatz verpflichtet zu sein, trägt dabei der Schädiger, wie es umgekehrt zu Lasten des Geschädigten geht, wenn ein anfänglicher Streit über den Haftungsgrund später zu seinen Ungunsten geklärt wird (OLG des Landes Sachsen-Anhalt, Urteil vom 15.06.2017 – 9 U 3/17, zitiert nach juris, Rz. 7; OLG Celle, Urteil vom 15.05.2018 – 14 U 179/17, zitiert nach juris, Rz. 8).

Allenfalls kann eine Verpflichtung des Geschädigten, den Schaden zunächst aus eigenen Mitteln zu beseitigen oder gar Kredit zur Schadensbehebung aufzunehmen, ausnahmsweise dann bejaht werden, wenn der Geschädigte sich den Kredit ohne Schwierigkeiten beschaffen kann und er durch die Rückzahlung nicht über seine wirtschaftlichen Verhältnisse hinaus belastet wird (OLG des Landes Sachsen-Anhalt, Urteil vom 15.06.2017 – 9 U 3/17, zitiert nach juris, Rz. 8; OLG Celle, Urteil vom 15.05.2018 – 14 U 179/17, zitiert nach juris, Rz. 8; BGH, Urteil vom 18.02.2002 – II ZR 355/00, zitiert nach juris, Rz. 18;).

Verkehrsunfall - Nutzungsausfallentschädigung für Motorrad für längere Zeit
(Symbolfoto: DedMityay/Shutterstock.com)

Nach diesen Grundsätzen ist es die Regel und nicht etwa die Ausnahme, dass der Geschädigte die Reparatur nicht vorfinanzieren muss. Zunächst ist es Aufgabe des Schädigers bzw. des gesamtschuldnerisch mit ihm haftenden Versicherers, für eine umgehende Reparatur und für die Vermeidung von weiteren Kosten zu sorgen (OLG des Landes Sachsen-Anhalt, Urteil vom 15.06.2017 – 9 U 3/17, zitiert nach juris, Rz. 9; OLG Celle, Urteil vom 15.05.2018 – 14 U 179/17, zitiert nach juris, Rz. 8). Es ist das Risiko des Schädigers, wenn er auf einen Geschädigten trifft, der finanziell nicht in der Lage ist, die zur Ersatzbeschaffung notwendigen Mittel vorzustrecken und sich hierdurch der Zeitraum des Nutzungsausfalls und der Umfang der damit einhergehenden Schäden vergrößert (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 02.07.2015 – I-1 W 17/15, zitiert nach juris, Rz. 4).

Der Kläger hat im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht am 07.06.2017 erklärt, er habe sich erst dann ein neues Motorrad kaufen können, als er finanziell dazu in der Lage gewesen sei. Dies sei dann nach einer Zahlung der Beklagten zu 2) der Fall gewesen. Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 09.12.2019 hat der Kläger dies glaubhaft bestätigt. Er hat ferner erklärt, er sei zum Unfallzeitpunkt Student gewesen und einer Beschäftigung auf 400,00 Euro Basis nachgegangen. Eine Kreditaufnahme kam vor diesem Hintergrund nicht in Betracht.

Schließlich hat der Kläger die Beklagte zu 2) mit Schreiben vom 28.07.2015, also zeitnah nach dem Unfall, und mit weiteren Schreiben vom 12.08.2015 und 11.09.2015 darauf hingewiesen, dass er nicht in der Lage sei, für eine Ersatzbeschaffung in Vorleistung zu treten. Damit war die Beklagte zu 2) hinreichend über das Risiko einer Schadensvergrößerung bei verzögerter Regulierung informiert. Obwohl die Haftung dem Grunde nach unstreitig war, ist die Beklagte zu 2) erst am 04.11.2015 teilweise in die Regulierung eingetreten.

Ferner ist die Verurteilung zur Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von 1.000,00 € an den Kläger nicht zu beanstanden. Zunächst kann auf die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts hierzu in der angefochtenen Entscheidung verwiesen werden.

Das Landgericht war nach Durchführung der Beweisaufnahme durch Einholung eines Sachverständigengutachtens davon überzeugt, dass der Kläger durch den streitgegenständlichen Unfall verletzt worden ist.

Nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO hat das Berufungsgericht seiner Entscheidung die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen zugrunde zu legen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen. Grundsätzlich ist das Berufungsgericht an die Beweiswürdigung des Erstgerichts gebunden, wenn keine konkreten Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit der Beweiswürdigung vorgetragen werden. Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit der Beweiswürdigung sind ein unrichtiges Beweismaß, Verstöße gegen Denk- und Naturgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze, Widersprüche zwischen einer protokollierten Aussage und den Urteilsgründen sowie Mängel in der Darstellung des Meinungsbildungsprozesses wie Lückenhaftigkeit oder Widersprüche (BGH, Urteil vom 19.04.2005 – VI ZR 175/04, zitiert nach juris, Rz. 9; OLG München, Urteil vom 24.06.2016 – 10 U 3161/15, zitiert nach juris, Rz.10). Konkreter Anhaltspunkt in diesem Sinn ist jeder objektivierbare rechtliche oder tatsächliche Einwand gegen die erstinstanzlichen Feststellungen, bloß subjektive Zweifel, lediglich abstrakte Erwägungen oder Vermutungen der Unrichtigkeit ohne greifbare Anhaltspunkte genügen nicht. Dass eine andere Beweiswürdigung möglich gewesen wäre, reicht nicht aus (OLG München a.a.O.).

Die Beweiswürdigung des Landgerichts ist nicht zu beanstanden. Verstöße gegen Denk- und Naturgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze, Widersprüche zwischen protokollierten Angaben und den Urteilsgründen und/oder Mängel in der Darstellung des Meinungsbildungsprozesses wie Lückenhaftigkeit oder Widersprüche sind nicht erkennbar.

Entgegen der Auffassung der Beklagten besteht der von ihnen angesprochene Widerspruch nicht. Der Kläger hat vorgetragen, er sei in der Lage gewesen, unter Schmerzen mit dem Motorrad zu fahren. Dies ist auch nachvollziehbar. Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 09.12.2019 hat er ferner glaubhaft dargestellt, dass die Beschwerden am Ellenbogen noch zwei Monate andauerten.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht erfordert (§ 543 Abs. 2 ZPO).

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 3 ZPO, 47 GKG.

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