LG Potsdam – Az.: 6 O 516/16 – Urteil vom 16.03.2018
1. a. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 5.319,52 € zu zahlen nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 7. September 2015.
b. Der Beklagte wird ferner verurteilt, den Kläger von den außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten seines Prozessbevollmächtigten in Höhe von 480,20 € freizustellen.
c. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für den Klägerin jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags. Der Kläger die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 10.639,40 € festgesetzt.
Tatbestand
Der Kläger begehrt Schadensersatz nach einem Verkehrsunfall am 16. Mai 2013 auf der BAB 9 nahe des Dreiecks Potsdam, an dem auf Seiten des Klägers beteiligt war ein Gespann bestehend aus der Sattelzugmaschine nebst Anhänger sowie unter anderem ein polnischer Lkw, für den der Beklagte einstandspflichtig ist. Dieser schob am Ende eines Staus mehrere LKWs aufeinander. Der Anhänger wurde heckseitig getroffen, die Sattelzugmaschine mit ihrer Front auf den davor stehenden Lkw aufgeschoben.
Der Kläger holte ein Gutachten der Dekra vom 27. Mai 2013 ein. Danach wies das Fahrzeug einen Anstoß auf das Fahrerhaus vorn auf. Es seien zahlreiche Schäden am Stoßfänger vorn, an der Frontklappe, an der Fahrerhauslagerung, den Kühlaggregaten, den Bugschürzen, den Frontspiegeln, der Fahrerhausrückwand sowie der Sattelplatte bzw. Sattelkupplung zu konstatieren. Auch der Arm der Fahrerhauslagerung rechts sei verformt, weshalb auch der Fahrzeugrahmen vermessen werden müsse. Die in diesem Gutachten festgestellten Nettoreparaturkosten wurden von dem Beklagten ausgeglichen. Im Folgenden berechnete der Kläger dem Beklagten Nutzungsausfall für diese Fahrzeuge und bestätigte hierfür, dass Sattelauflieger und Anhänger repariert und instandgesetzt und nach Abschluss der Arbeiten wieder eingesetzt worden seien.
Nach einem weiteren Gutachten vom 5. März 2014 wurde die Sattelzugmaschine am 16. Dezember 2013 nachbesichtigt. Die Trittbretter hinter dem Fahrerhaus seien demontiert worden. Unterhalb der Lochbleche sei der Rahmen des Fahrzeugs eingerissen und habe sich der Stahl stark verformt. Dieses Schadensbild ergebe sich aus dem starken Anstoß rechtzeitig im Frontbereich, bei der die Fahrerhauslagerung stark beschädigt worden sei. Entsprechend sei der Fahrzeugrahmen zu erneuern zu einem Mehrbetrag von 10.639,04 €. Mit Anwaltsschreiben vom 6. August 2015 forderte der Kläger die für den Beklagten handelnden Versicherung zur Zahlung des Differenzbetrages bis zum 31. August 2015 auf zu Kosten von 805,20 €.
Der Kläger behauptet, er sei Eigentümer der bei dem Unfall beschädigten Sattelzugmaschine und des Sattelanhängers. Die im Nachtragsgutachten festgestellten weiteren Schäden seien ebenfalls auf den Unfall vom 16. Mai 2013 zurückzuführen. Insbesondere sei die weitere Verformung letztlich auf den Unfall zurückzuführen und gehe nicht zu seinen Lasten. Der Sachverständige habe zu Recht bezweifelt, dass die im Dekra-Erstgutachten erwähnte Vermessung des Rahmens die Schadensanlage aufgezeigt hätte.
Der Kläger beantragt, den Beklagten zu verurteilen,
1. an ihn 10.639,04 € zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von neun Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 1. September 2015;
2. ihn von den außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten seines Prozessbevollmächtigten in Höhe von 805,20 € freizustellen.
Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Er behauptet, der Kläger habe die – unstreitig von ihm selbst vorgenommene – Reparatur nicht sach- und fachgerecht ausgeführt, was den Schaden in dieser Form hervorgerufen bzw. auf diese Form erweitert habe. Die Stauchung habe spätestens im Moment der Reparatur festgestellt werden können und müssen, zumal schon das Erstgutachten vom 21. Juni 2013 auf die Notwendigkeit einer Vermessung des Rahmens hingewiesen habe und der Kläger auch fünf Stunden Vermessung und Prüfung abgerechnet habe. Die Stauchung könne zudem auch andere Ursachen als ausgerechnet den Unfall haben.
Das Gericht hat Beweis erhoben gemäß Beweisbeschluss vom 2. Juni 2017 durch Einholung eines Gutachten des Kfz-Sachverständigen Dipl. Ing. H S . Auf das schriftliche Gutachten vom 28. September 2017 und das Protokoll der Anhörung des Sachverständigen vom 12. Januar 2018 wird Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die ohne weiteres zulässige Klage ist nur im tenorierten Umfang begründet und im Übrigen unbegründet.
I.
Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Ersatz der hälftigen weiteren Schadenskosten aus dem Unfallereignis vom 16. Mai 2013.
1.
Der Kläger ist aktivlegitimiert. Zwar bestreitet der Beklagte sein Eigentum an dem beschädigten Lkw. Dieses wird indes gemäß §§ 1006 Abs. 1 und 855 BGB vermutet. Der bei dem Unfall beschädigte Lkw und der Anhänger waren in diesem Moment in seinem Besitz; der Fahrer, ein Angestellter, war insoweit lediglich Besitzdiener. Auch ist das Bestreiten unsubstantiiert vor dem Hintergrund, dass der Beklagte bereits Schäden an dem Lkw und dem Anhänger gegenüber dem Kläger ausgeglichen hat. Angesichts dessen ist es zumindest erklärungsbedürftig, aufgrund welcher Tatsachen er nunmehr nicht mehr von der Aktivlegitimation des Klägers ausgeht.
2.
Die grundsätzliche Einstandspflicht des Beklagten ist unstreitig.
3.
Die Ursächlichkeit des Unfalls für den weiteren Schaden hat der Gutachter bestätigt. Er hat überzeugend ausgeführt, dass auch die weiteren in dem nachfolgend eingeholten Dekra-Gutachten dargestellten Schäden „mit ziemlich hoher Wahrscheinlichkeit“ Folgen des in Rede stehenden Unfalls sind. Zwar hat er dies relativiert dahingehend, dass er dies beweissicher nicht sagen könne, da er weder das Verhalten des Fahrzeugs im Vorfeld, das heißt seine Historie kenne, noch wisse, was in den sechs Monaten zwischen der ersten Besichtigung und der zweiten passiert ist. Auf den 21.000 km, die das Fahrzeug zwischenzeitlich gefahren sei, könne einiges passieren. Allerdings stimmten die von ihm festgestellten Schadensfolgen nur mit dem hier in Rede stehenden Unfallbild plausibel überein.
4.
Auch der weitere Unfallschaden ist dem Unfall und damit dem für ihn einstandspflichtigen Beklagten zuzurechnen.
Grundsätzlich sind auch diejenigen Schäden dem Schädiger zuzurechnen, die erst durch die von dem Geschädigten zur Schadensbeseitigung oder Schadensabwicklung eingeschalteten Hilfspersonen verursacht wurden. Das gilt zum Beispiel für Schäden, die an einem zu reparierenden Kfz in der vom Geschädigten beauftragten Werkstatt entstehen, und für solche, die auf dem Fehler eines vom Geschädigten beauftragten Sachverständigen beruhen. Die Zurechnung findet ihre Grenze aber dort, wo der weitere Schaden Folge eines außergewöhnlichen Fehlverhaltens der Hilfsperson ist (vgl. nur Ebert in: Erman, BGB, 15. Aufl. 2017, Rdnr. 64 vor § 249 BGB; Staudinger/Schiemann (2017) § 249 BGB Rdnr. 67 ff).
Nach diesen Maßstäben ist auch der weitere Schaden noch dem Schädiger zuzurechnen. Der Sachverständige hat nachvollziehbar dargetan, dass der weitere Schaden in Form des deutlich verzogenen Rahmens Folge dessen sei, dass der Unfallschaden anfänglich nicht vollständig repariert worden sei und insbesondere die Schadensanlage in Form des leicht beschädigten Rahmens nicht erkannt worden sei. Diese Schadensanlage habe aber auch mit einer Laser-Vermessung des Rahmens nicht ohne weiteres erkannt werden müssen. Sie sei aber wahrscheinliche Folge eines Unfalls der hier in Rede stehenden Art und habe taktil festgestellt werden können und müssen. Auch das Erstgutachten benenne dies aber nicht, sondern verweise nur auf die notwendige Untersuchung.
Damit ist Schadensursache sowohl das Nichterkennen der Unfallfolgen und in Folge dessen die – nach dem Gutachten ohne weiteres festzustellende – unzureichende Erstreparatur und schließlich die umfangreiche Weiterbenutzung des weiterhin beschädigten Fahrzeugs ohne Rücksicht hierauf. In der Gesamtschau auch mit Blick auf die Einschätzungen des Sachverständigen ist dies kein „außergewöhnliches Fehlverhalten“ im oben genannten Sinne, sondern eine noch dem ursprünglichen Schaden zuzurechnende mögliche Unfallfolge.
5.
Allerdings sind die unzureichende Reparatur und das Weiterbenutzen des Fahrzeugs als Mitverschulden des Klägers zu berücksichtigen. Hierbei wird ihm nicht entgegen den oben erwähnten Grundsätzen über § 252 Abs. 2 Satz 2 BGB und § 278 BGB das Verschulden der von ihm eingeschalteten Hilfspersonen zugerechnet. Vielmehr ist ihm sein eigenes Verschulden gegen sich selbst vorzuhalten: Wer sein in einem Unfall beschädigtes Kfz selbst und ohne Einschaltung von fachkundigen Hilfspersonen repariert, hat sich die Folgen einer auch ihm erkennbar unzureichenden Reparatur zurechnen zu lassen. So liegt der Fall hier, wo der Kläger entgegen der Empfehlung in dem Erstgutachten das Fahrzeug nicht auf mögliche Rahmenschäden untersucht hat, und es sodann in Kenntnis einer nicht vollständig dem Gutachten gemäßen Reparatur weiterbenutzte. Als Kfz-Fachmann war ihm dies auch ohne weiteres erkennbar. Der Sachverständige hat hierzu überzeugend ausgeführt, dass schon das Erstgutachten die erheblichen Kräfte erkennen ließ, die bei dem Unfall über den Lkw und seinen Rahmen abgeleitet worden seien. Entsprechend musste der Rahmen auf mögliche Folgeschäden überprüft werden. Zwar verweist das Dekra-Gutachten auf eine Vermessung, deren Geeignetheit nach der Erfahrung des Sachverständigen zweifelhaft ist. Allerdings empfiehlt sich ihm zufolge in Fällen dieser Art stets eine taktile Prüfung. Eine solche hätte die Schadensanlage hier erkennen lassen. Dann aber wäre eine Reparatur noch möglich und zu weitaus geringeren Kosten möglich gewesen. Der Schaden hätte sich nicht so ausgeweitet, dass nur noch der kostenträchtige Rahmentausch als Reparaturmöglichkeit verblieb.
Die jeweiligen Verursachungsbeiträge wirken in der Abwägung gleichwertig, so dass eine Schadensteilung angezeigt erscheint (§ 254 Abs. 1 BGB, § 287 ZPO).
6.
Der Zinsausspruch beruht auf §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB. Ein höherer Zinssatz war schon deswegen nicht anzusetzen, weil es sich bei dem in Rede stehenden Schadenersatz nicht um eine Entgeltforderung im Sinne des § 288 Abs. 2 BGB handelt. In Verzug geriet die Beklagte auch nicht schon mit dem Ablauf der von dem Kläger gesetzten Zahlungsfrist, sondern erst mit Ablauf einer angemessenen Prüfungsfrist. Haftpflichtversicherungen kann üblicherweise eine Prüfung von vier bis sechs Wochen zugestanden werden (vgl. OLG Frankfurt, VersR 2015, 1373); auch hier genügte angesichts der Vorbefassung und der unstreitigen Einstandspflicht dem Grunde nach ein Monat, war aber auch erforderlich. Der Kläger meldete den Schaden mit Schreiben vom 6. August 2015 an.
II.
Die Beklagte hat dem Kläger auch die außergerichtlichen Kosten der Rechtsverfolgung dadurch zu ersetzen, dass sie ihn von den Kosten seines Rechtsanwalts freistellt. Hierbei handelt es sich um notwendige Rechtsverfolgungskosten, indes nur berechnet aus einem Gegenstandswert von 5.319,52 €, der zugesprochenen Summe.
III.
Die Kostenentscheidung folgt § 92 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit §§ 708 Nr. 11, 709 Satz 1 und 2 sowie 711 ZPO. Die Streitwertbemessung beruht auf § 43 Abs. 1 GKG.