AG Hannover – Az.: 525 C 15184/11 – Urteil vom 05.09.2012
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 3.002,40 Euro nebst Zinsen hierauf in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 27. Januar 2012 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 12 % und die Beklagte zu 88 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für die Klägerin jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages.
Der Klägerin bleibt nachgelassen, die gegen sie gerichtete Vollstreckung wegen der Kosten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt aus übergegangenem Recht eine Schadensersatzleistung aufgrund eines Unfallgeschehens von der Beklagten.
Die Klägerin ist Haftpflichtversicherung eines Nissan Primära Traveller mit dem amtlichen Kennzeichen … . Die Beklagte ist Haftpflichtversicherung eines Anhängers mit dem amtlichen Kennzeichen … . Der vorgenannte Anhänger war am 05.05.2008 gegen 07.20 Uhr in Lindlar auf der Dr.-Meinerzhagen-Straße geparkt. Dort, wo der Anhänger geparkt war, war die Fahrbahn mit Richtungspfeilen gekennzeichnet. Dabei stand er auf der Geradeausspur und daneben befand sich noch eine Linksabbiegerspur. Das bei der Klägerin versicherte Fahrzeug ist auf den geparkten Anhänger aufgefahren. Im PKW befand sich die Tochter der Fahrzeugführerin, …, die durch das Unfallgeschehen eine Orbitabodenfraktur rechts, ein Hirnödem, eine Sprengung der Sutura frontozygomatica und eine Contusio bulbi et orbitae erlitt. Deshalb zahlte die Klägerin an diese ein Schmerzensgeld von 1.500,– Euro. Weiterhin zahlte die Klägerin an die Unfallkasse ihrer Versicherungsnehmerin einen Betrag in Höhe von 3.326,69 Euro, wobei ein Abfindungsbetrag von 800,– Euro zwischen den Parteien streitig ist. Zudem regulierte die Klägerin Straßenreinigungskosten in Höhe von 1.752,– Euro und zahlte aus der Kaskoversicherung 3.680,– Euro an die Versicherungsnehmerin, wobei sie 400,– Euro nachträglich bezüglich des Fahrzeugrestwertes in Abzug brachte. Von dem Gesamtbetrag der vorgenannten Schadenspositionen begehrt die Klägerin von der Beklagten die Erstattung von einem Drittel.
Die Klägerin behauptet, dass der geparkte Anhänger wegen der Blendwirkung der Sonne für ihre Versicherungsnehmerin schwer wahrnehmbar gewesen sei. Zudem sei zu berücksichtigen, dass der Anhänger auf der Geradeausspur geparkt war und somit der nachfolgende Fahrzeugverkehr, der beabsichtigte, geradeaus zu fahren, zu einem Fahrspurwechsel gezwungen wurde. Das an Frau … gezahlte Schmerzensgeld sei angemessen. Auch die Abfindungszahlung von 800,– Euro an die Unfallkasse sei angemessen gewesen. Im Übrigen vertritt sie die Rechtsauffassung, dass die Beklagte gemäß § 117 VVG an die Regulierungsentscheidungen der Klägerin gebunden sei.
Die Klägerin nahm die Klage in Höhe eines Teilbetrages von 133,33 Euro (vergessener Abzug des Restwertes, siehe oben) zurück. Nunmehr beantragt sie,
die Beklagte zu verurteilen, an sie 3.269,07 Euro nebst Zinsen hierauf in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte stimmte der teilweisen Klagrücknahme unter Protest gegen die Kostenlast zu und beantragt im Übrigen, die Klage abzuweisen.
Die Beklagte vertritt die Ansicht, dass die Versicherungsnehmerin der Klägerin für das Unfallgeschehen alleine haftbar sei, weil die Strecke vor dem geparkten Anhänger weit einsehbar gewesen sei. Es habe allenfalls eine geringe Blendwirkung der Sonne bestanden. Zudem weist sie darauf hin, dass laut eigener Angaben der Versicherungsnehmerin der Klägerin in der polizeilichen Unfallaufnahme sich vor ihrem Fahrzeug noch drei Fahrzeuge befunden hatten, die an dem abgestellten Anhänger vorbeigefahren sind. Hinsichtlich des Schmerzensgeldes für Frau … ist sie der Ansicht, dass dieses bei nur fünf Tagen Krankenhausaufenthalt und einer nachfolgenden ärztlichen Behandlung bis 14.05.2008 überhöht sei. Zudem bestreitet sie die Angemessenheit der Abfindungszahlung an die Unfallkasse. Schließlich erhebt sie die Einrede der Verjährung.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist überwiegend begründet.
Die Beklagte kann sich nicht auf die Einrede der Verjährung berufen. Die Klage ist am 29.12.2011 bei Gericht eingegangen. Die Klägerin hat unverzüglich nach Mitteilung des Gerichts Kostenvorschuss eingezahlt, so dass die Klagzustellung am 27.01.2012 erfolgt ist (vgl. § 167 ZPO).
Der Klägerin steht aus übergegangenem Recht gemäß § 117 VVG in Verbindung mit §§ 7 Abs. 1 StVG, 823 BGB, 115 VVG ein Schadensersatzanspruch in der ausgeurteilten Höhe zu.
Die Klägerin geht zutreffend davon aus, dass die Beklagte als Haftpflichtversicherer des geparkten Anhängers eine Mithaftung von 1/3 des entstandenen Schadens trifft. Die Klägerin trägt hierzu zutreffend war, dass gemäß § 12 StVO a. F. auf einer Fahrbahn, die mit Richtungspfeilen gekennzeichnet ist, nicht gehalten werden darf und dies einem absoluten Halteverbot entspricht. Dies stellt einen eklatanten Verkehrsverstoß dar, da ein derartiges Verhalten eine erhebliche Gefahrenquelle in sich birgt. Die Haftungsverteilung gemäß § 17 StVG ergibt deshalb eine Mithaftung der Beklagten als Haftpflichtversicherer des Anhängers von 1/3. Dabei war zu berücksichtigen, dass die Versicherungsnehmerin der Klägerin ein erhebliches Verschulden trifft, weil sie auf gerader gut einsehbarer Strecke nicht sachgerecht auf den abgestellten Anhänger reagiert hat, zumal vor ihr ein LKW und zwei PKW’s an dem abgestellten Anhänger vorbeifahren konnten. Dabei ist aber zu berücksichtigen, dass sich der Anhänger auf der Geradeausspur befand und die Linksabbiegerspur erst kurz vor dem abgestellten Anhänger begann. Demzufolge mussten sich zuvor alle vorausfahrenden Fahrzeuge sowie die Versicherungsnehmerin der Klägerin auf der Geradeausspur befunden haben und zumindest die Fahrzeugführer, die der Geradeausspur folgen wollten, wurden zu einem Spurwechsel durch den abgestellten Anhänger gezwungen. Ob möglicherweise die vorausfahrenden Fahrzeuge ohnehin links abbiegen wollten, weshalb sich das Gefahrenpotential des abgestellten Anhängers bei ihnen nicht verwirklicht hat, ist offen. Jedenfalls war für die Versicherungsnehmerin der Klägerin nicht nur aufgrund einer zumindest auch teilweise durch die Beklagte zugestandene Blendwirkung der Sonne, sondern auch durch den vorausfahrenden LKW die Sicht eingeschränkt, da dieser ja auch erst kurzfristig auf die Abbiegerspur überwechseln konnte, was die Reaktionszeit für die Versicherungsnehmerin der Klägerin in Bezug auf den geparkten Anhänger verkürzte, so dass sich das Gefahrenpotential durch den abgestellten Anhänger verwirklichte.
Unter diesen Umständen ist es nicht zu beanstanden, dass die Klägerin eine Haftungsverteilung von 2/3 zu Lasten ihrer Versicherungsnehmerin und zu 1/3 der Beklagten angenommen hat.
Soweit die Klägerin an Frau … ein Schmerzensgeld in Höhe von 1.500,– Euro gezahlt hat, war dieses angemessen. Auch wenn die stationäre Behandlung nur fünf Tage andauerte, handelt es sich jedoch um eine erhebliche Verletzung, so dass ein Schmerzensgeld in Höhe von 1.500,– Euro durchaus als angemessen erscheint.
Zu Recht wehrt sich die Beklagte aber dagegen, dass die Klägerin an die Unfallkasse einen Abfindungsbetrag in Höhe von 800,– Euro gezahlt hat. Eine sachgerechte Entscheidungsgrundlage wurde von der Klägerin nicht dargetan. Insbesondere ist nicht ersichtlich, mit welchen weiteren anfallenden Kosten zu rechnen gewesen wäre. Laut einer Aktennotiz ging der Sachbearbeiter der Klägerin selbst davon aus, dass der Betrag etwas hoch ist. Letztendlich ist die diesbezügliche Regulierungsentscheidung der Klägerin nicht nachvollziehbar, so dass diesbezüglich kein Schadensersatzanspruch gegenüber der Beklagten besteht.
Die Klägerin kann sich nicht darauf berufen, dass die Beklagte nach § 117 VVG an die Regulierungsentscheidung der Klägerin gebunden sei. Diese Rechtsauffassung ist unzutreffend. Gemäß § 117 Abs. 5 VVG gilt diese Bindungswirkung des Regulierungsverhaltens der Klägerin nur gegenüber ihrem Versicherungsnehmer, nicht aber gegen den anderen Unfallbeteiligten bzw. dessen Haftpflichtversicherung. Gegenteiliges ergibt sich nicht aus der von der Klägerin zitierten Kommentierung. Denn die wiedergegebenen Textpassagen beziehen sich ausschließlich auf das Rechtsverhältnis zwischen Versicherung und Versicherungsnehmer. Mit dem Begriff „Regresspflichtiger“ ist in diesem Zusammenhang der Versicherungsnehmer und nicht außenstehende Dritte gemeint.
Nach alledem beträgt der erstattungsfähige Gesamtschaden 9.007,21 Euro (1.500,– Euro + 2.526,69 Euro + 1.700,52 Euro + 3.280,– Euro). Ein Drittel hiervon beträgt 3.002,40 Euro.
Der Zinsanspruch folgt aus §§ 291, 288 BGB.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 709, 708 Nr. 11, 711 ZPO.