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Verkehrsunfall – Mietwagenpreise im Internet als Schätzungsgrundlage

AG Bad Neuenahr-Ahrweiler, Az.:32 C 77/14, Urteil vom 07.05.2014

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 4.257,92 € nebst Zinsen  in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 1.201,34 € seit 09.10.2013, aus 599,49 € seit dem 28.09.2013, aus 1.389,10 € seit dem 23.01.2014 und aus 1.067,99 € seit dem 30.01.2014  sowie weitere außergerichtliche Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 632,50 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit 27.02.2014 zu bezahlen.

2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist für die Klägerin gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Klägerin, ein Autovermietungsunternehmen, klagt aus abgetretenem Recht ihrer Kunden, V., B., H. und L. restlichen Schadensersatz ein. Die Kunden der Klägerin erlitten am 16.05.2013 (V.), 24.08.2013 (B.), 26.11.2013 (H.) und 10.12.2013 (L.) im Bezirk des erkennenden Gerichts Verkehrsunfälle, die eine 100-prozentige Haftung der Beklagten begründeten.

Für die Anmietung von Ersatzfahrzeugen während der Dauer der Reparatur rechnete die Klägerin unter Zugrundelegung des Schwacke-Automietpreisspiegels für den Schadensfall V. für die Anmietung vom 10.05. bis 11.06.2013 3.493,86 EUR ab. Hierauf zahlte die Beklagte einen Betrag in Höhe von 2.292,52 EUR, so dass noch ein Betrag in Höhe von 1.201,35 EUR offensteht. Für den Schadensfall B. berechnete die Klägerin für die Mietdauer vom 26.08. bis 06.09.2013 gemäß der Schwacke-Liste einen Betrag in Höhe von 1.799,49 EUR. Hierauf zahlte die Beklagte vorgerichtlich 1.200,00 EUR, so dass noch ein Betrag in Höhe von 599,49 EUR offensteht. Im Schadensfall H. berechnete die Klägerin für die Mietdauer vom 26.11. bis 13.12.2013 2.566,68 EUR.

Hierauf zahlte die Beklagte vorgerichtlich 1.177,58 EUR, so dass noch ein Betrag in Höhe von 1.389,10 EUR offensteht. Im Schadensfall L. berechnete die Klägerin für die Mietdauer vom 12.12.2013 bis 13.01.2014 einen Betrag in Höhe von 3.093,48 EUR. Hierauf zahlte die Beklagte vorgerichtlich 2.025,49 EUR, so dass hier noch ein Betrag in Höhe von 1.067,99 EUR offensteht.

Die Klägerin trägt vor, dass sie im Schadensfall V. gemäß der Schwackeliste berechtigt gewesen wäre, Mietwagenkosten in Höhe von 4.945,60 EUR geltend zu machen.

Diese berechnet sie wie folgt:

1)

Grundpreis

a)

 

3 x Wochenpreis, je 806,00 € 2.418,00 €

b)

2 x 3-Tagespreis, je 425,00 €   850,00 €

2)

Pauschaler Aufschlag 20 %   653,60 €

3)

Nebenkosten

a)

Voll-/Teilkasko (SB, 300,00 €/150,00 €), 27 x 24,00 €    648,00 €

b)

Navigation, 27 x 10,00 €    270,00 €

c)

Vermietung außerhalb der Geschäftszeiten      60,00 €

d)

Zustellen / Abholen, 2 x 23,00 €      46,00 €

„erforderliche Mietwagenkosten“ netto 4.155,97 €  4.945,60 €

Hinsichtlich des Schadensfalles B. sei die Klägerin berechtigt gewesen als erforderlichen Herstellungsaufwand gemäß der herrschenden Rechtsprechung einen Betrag in Höhe von 1.862,80 EUR wie folgt zu berechnen:

1)

Grundpreis

a)

1 x Wochenpreis   630,00 €

b)

1 x 3-Tagespreis   320,00 €

c)

2 x Tagespreis, je 112,00 €   224,00 €

2)

Pauschaler Aufschlag 20 %   234,80 €

3)

Nebenkosten

a)

Voll-/Teilkasko (SB, 300,00 €/150,00 €), 12 x 22,00 €   264,00 €

b)

Zusatzfahrer, 12 x 12,00 €   144,00 €

c)

Zustellen / Abholen, 2 x 23,00 €     46,00 €

„erforderliche Mietwagenkosten“

1.862,80 €

Hinsichtlich des Schadensfalles H. sei sie berechtigt als erforderlichen Herstellungsaufwand wie folgt 2.745,00 EUR in Rechnung zu stellen:

1)

Grundpreis

a)

2 x Wochenpreis, je 627,00 € 1.254,00 €

b)

1 x 3-Tagespreis   336,00 €

2)

Pauschaler Aufschlag 20 %   318,00 €

3)

Nebenkosten

a)

Voll-/Teilkasko (SB, 300,00 €/150,00 €), 17 x 21,00 €   357,00 €

b)

Winterreifen, 17 x 10,00 €   170,00 €

c)

Zusatzfahrer, 17 x 12,00 €   204,00 €

d)

Vermietung außerhalb der Geschäftszeiten     60,00 €

e)

Zustellen / Abholen, 2 x 23,00 €     46,00 €

„erforderliche Mietwagenkosten“2.745,00 €

Schließlich trägt die Klägerin vor, dass in dem Schadensfall L. als erforderlicher Herstellungsaufwand ein Betrag in Höhe von 3.990,00 EUR gemäß folgender Abrechnung geltend gemacht werden könnte:

1)

Grundpreis

a)

4 x Wochenpreis, je 471,00 € 1.884,00 €

b)

1 x 3-Tagespreis   252,00 €

c)

1 x Tagespreis     84,00 €

2)

Pauschaler Aufschlag 20 %   444,00 €

3)

Nebenkosten

a)

Voll-/Teilkasko (SB, 300,00 €/150,00 €), 32 x 18,00 €   576,00 €

b)

Winterreifen, 32 x 10,00 €   320,00 €

c)

Zusatzfahrer, 32 x 12,00 €   384,00 €

d)

Zustellen / Abholen, 2 x 23,00 €     46,00 €

 

„erforderliche Mietwagenkosten“ 3.990,00 €

In allen Schadensfällen habe die Klägerin einen geringeren Betrag in Rechnung gestellt, als sie es hätte tun können. Folglich stehe ihr der geltend gemachte Betrag als erforderlicher Herstellungsaufwand zu. Ein Abzug für ersparte Eigenkosten komme nicht in Betracht, da die Geschädigten jeweils ein Fahrzeug einer niedrigeren Fahrzeugklasse angemietet hätten. Gemäß der herrschenden Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes sei die Schwackeliste nach wie vor als Schätzgrundlage geeignet. Auf die entsprechenden Tarife sei ein 20-prozentiger Aufschlag gerechtfertigt. Darüberhinaus seien auch die weiteren Rechnungspositionen auszugleichen. Hierzu gehörten auch die Kosten für die Vollkaskoversicherung bzw. das Zustellen und Abholen der Fahrzeuge bzw. die Kosten für einen Zusatzfahrer. Gleiches gelte für die Kosten der Winterreifen und die Kosten eines Navigationssystemes.

Die Klägerin beantragt, wie erkannt zu entscheiden.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte trägt vor, dass entgegen der Auffassung der Klägerin die zu erstattenden Mietwagenkosten nicht mithilfe der Schwackeliste ermittelt werden könnten. Diese sei als Schätzgrundlage nicht geeignet. Vielmehr sei hier als Schätzgrundlage der Marktpreisspiegel des Fraunhofer-Instituts geeignet. Weiter trägt die Beklagte vor, dass die Geschädigten problemlos ein Fahrzeug bei anderen Autofirmen zu einem geringeren Mietpreis hätten anmieten können. Entsprechende Internetangebote seien beigefügt. Weiter seien die Kosten für die Haftungsreduzierung bei der Vollkaskoversicherung, die Nutzung eines Navigationssystemes, die Kosten für das Holen und Bringen des Mietwagens sowie einen Zusatzfahrer nicht zu erstatten. Schließlich müssten sich die Geschädigten noch einen Abzug in Höhe von 15 % gefallen lassen, da ihr Vorteil der Einsparung, der Nutzung des eigenen Fahrzeuges, in dieser Höhe, zu berücksichtigen sei.

Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist vollumfänglich begründet.

Der Klägerin steht gemäß §§ 7, 17 StVG, § 115 VVG, §§ 249ff., 398 BGB ein Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz aus abgetretenem Recht in Höhe von 4.257,92 EUR aus den 4 Schadensfällen zu.

Die Klägerin ist berechtigt, als im Sinne von § 249 BGB erforderlichen Herstellungsaufwand, nur den Ersatz der Mietwagenkosten zu verlangen, die ein verständiger, wirtschaftlich vernünftig denkender Mensch, in der Lage des Geschädigten, für zweckmäßig und notwendig halten darf. Der Geschädigte ist dabei nach dem, aus dem Grundsatz der Erforderlichkeit hergeleiteten Wirtschaftlichkeitsgebot gehalten, im Rahmen des ihm zumutbaren von mehreren Möglichkeiten den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbeseitigung zu wählen. Dies bedeutet für den Bereich der Mietwagenkosten, dass er von mehreren auf dem örtlich relevanten Markt – nicht nur für Unfallgeschädigte – erhältlichen Tarifen für die Anmietung eines vergleichbaren Ersatzfahrzeuges innerhalb eines gewissen Rahmens grundsätzlich nur den günstigeren Mietpreis ersetzt verlangen kann. Nach den Grundsätzen der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist zunächst der objektiv erforderliche Herstellungsaufwand zu ermitteln und gegebenenfalls zu prüfen, ob über das objektive erforderliche Maß hinaus ein Geschädigter im Hinblick auf die gebotene subjektive Schadensbetrachtung einen übersteigenden Betrag ersetzt verlangen kann. Für die Beurteilung der Erforderlichkeit und die Ermittlung des Normaltarifes kann auf das gewichtete Mittel des Schwacke-Mietpreisspiegels zurückgegriffen werden. Gemäß § 287 ZPO kann dieser als geeignete Schätzgrundlage dienen, um eine umfassende Beweisaufnahme für jeden Einzelfall zu vermeiden. Einwendungen gegen diese Schätzgrundlage sind nach herrschender Rechtsprechung nur dann erheblich, wenn sie auf den konkreten Fall bezogen sind (vgl. Landgericht Koblenz, Beschluss vom 23.01.2014, 6 S 82/14 mit weiteren Nachweisen).

Soweit die Beklagte  hier die Geeignetheit der Schwackeliste als Schätzgrundlage in Frage gestellt hat, ist daher auf die vorbezeichnete Rechtsprechung zu verweisen, der das Gericht folgt. Der Hinweis auf die Markterhebung des Fraunhofer-Instituts ist nicht geeignet, den aktuellen Schwacke-Mietpreisspiegel zum Zeitpunkt der Anmietung der Fahrzeuge als Schätzgrundlage in Frage zu stellen. Gleiches gilt für die von der Beklagten vorgelegten Ausdrucke anderer Anbieter aus dem Internet. All den Ausdrucken und Preisangeboten ist gemein, dass sie sich nicht auf den Zeitpunkt der Anmietung nach dem Unfall der Geschädigten beziehen und daher nicht die gleichen Anmietbedingungen zur Grundlage haben. Damit ist der Vortrag der Beklagten nicht geeignet, die Anwendung der Schwackeliste als Schätzgrundlage in Frage zu stellen.

Allen von der Klägerin erstellten Abrechnungen ist gemein, dass sie unterhalb des erforderlichen Herstellungsaufwandes liegen, der sich anhand der Berechnung des Schwacke-Mietpreisspiegels ergibt, so dass der, von der Klägerin berechtigte Betrag, als erforderlicher Herstellungsaufwand anzusehen ist.

Ob die unfallgeschädigten Fahrzeuge voll- bzw. teilkaskoversichert waren oder nicht, kann dahingestellt bleiben, da in jedem Fall die Geschädigten berechtigt gewesen sind, eine Voll/Teilkaskoversicherung abzuschließen, so dass die von der Klägerin in Rechnung gestellten Beträge berechnet werden durften. Gemäß der herrschenden Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes kann der, durch einen fremdverschuldeten, unfallgeschädigte Kfz-Eigentümer bei Inanspruchnahme eines Mietwagens die Aufwendungen für eine der Vollkaskoversicherung ohne Selbstbeteiligung entsprechende Haftungsfreistellung grundsätzlich insoweit ersetzt verlangen, als er während der Mietzeit einem erhöhtem wirtschaftlichen Risiko ausgesetzt ist. Die Anmietung eines Ersatzfahrzeuges mit Vollkaskoschutz stellt in der Regel eine adäquate Schadensfolge dar.

Hinsichtlich der Positionen Zustellen/Abholen war die Klägerin ebenfalls berechtigt, diese Positionen in Rechnung zu stellen. Aus den vorgelegten Anlagen ergibt sich, dass die Fahrzeuge den Geschädigten zugestellt und abgeholt werden mussten.

Aufgrund der herrschenden Rechtsprechung ist die Beklagte ebenfalls verpflichtet für die entsprechenden Schadensfälle einen Zusatzfahrer bzw. die Vergütung für die Winterreifen zu erstatten. Diese Verpflichtung besteht gemäß herrschender Rechtsprechung unabhängig davon, ob das unfallgeschädigte Fahrzeug mit Winterreifen ausgerüstet war (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 15.05.2008, Az. 11 U 11/2008).

Auch die Kosten für ein Navigationsgerät sind zu erstatten. Unstreitig war das Fahrzeug des Geschädigten in dem Schadensfall V. mit einem Navigationsgerät ausgestattet, so dass dem Geschädigten auch ein Fahrzeug mit Navigationsgerät zur Verfügung gestellt werden durfte und musste. Da das Vorhandensein eines Navigationsgerätes gerichtsbekanntermaßen den Kaufpreis eines Fahrzeuges deutlich erhöht, war die Klägerin berechtigt, hierfür die geltend gemachten Kosten in Rechnung zu stellen. Letztendlich kann dies im Schadensfall V. aber dahingestellt bleiben, da auch ohne Berechnung der Kosten für das Navigationsgerät die berechneten Kosten deutlich unter dem erforderlichen Herstellungsaufwand gemäß dem Schwacke-Mietpreisspiegel liegen.

Die geltend gemachten Kosten sind auch nicht um weitere 15 % zu verringern, da den Geschädigten ersparte eigene Aufwendungen entgegen zu halten sind. Unstreitig haben sämtliche Geschädigte ein Fahrzeug einer niedrigeren Fahrzeugklasse angemietet, so dass dieser Einwand nach herrschender Rechtsprechung nicht geltend gemacht werden kann.

Die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 632,50 EUR sind gemäß §§ 280, 286 BGB geschuldet.

Die geltend gemachte Zinsforderung ergibt sich aus §§ 288, 291 BGB.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 709 ZPO.

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