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Verkehrsunfall: Kollision beim parallelen Rechtsabbiegen

LG Berlin, Az.: 43 S 154/09, Urteil vom 14.01.2010

1. Die Berufung der Klägerin gegen das am 1. September 2009 verkündete Urteil des Amtsgerichts Mitte – 115 C 3160/09 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Der Wert für die im Berufungsverfahren zu erhebenden Gebühren wird auf 2.049,89 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Von der Darstellung eines Tatbestandes wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 S. 1 ZPO in Verbindung mit § 26 Nr. 8 EGZPO abgesehen.

II.

Die Berufung der Klägerin ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt worden. Sie ist jedoch nicht erfolgreich.

Verkehrsunfall: Kollision beim parallelen Rechtsabbiegen
Symbolfoto: Artzzz/Bigstock

Zwar war gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO entgegen der Ansicht des Amtsgerichts eine Beweisaufnahme durch Vernehmung der Zeugen xxx und xxx über die Behauptungen der Klägerin zum Unfallhergang – insbesondere hinsichtlich des Kollisionsortes und des Fahrverhaltens der Beklagten zu 1 – angezeigt, da insoweit kein Sachverhalt unstreitig war, aus dem sicher auf einen engen räumlichen Zusammenhang mit dem parallelen Rechtsabbiegen geschlossen werden konnte. Jedoch führt die Würdigung der Angaben der Zeugen und der sonstigen Beweismittel vorliegend zu keinem anderen Ergebnis als das angefochtene Urteil.

Die Klägerin hat gegen die Beklagten als Gesamtschuldner keine Ansprüche gemäß §§ 7 Abs. 1, 18 Abs. 1 StVG, 115 VVG, 823, 421 BGB. Der Unfall ereignete sich zwar beim Betrieb des von der Beklagten zu 1 gesteuerten Kraftfahrzeuges, wurde nicht durch höhere Gewalt verursacht (§ 7 Abs. 2 StVG) und war für beide Beteiligte kein unabwendbares Ereignis im Sinne des § 17 Abs. 3 StVG. Die nach §§ 9, 17 Abs. 2 und Abs. 1 StVG notwendige Abwägung der wechselseitigen Verursachungs- und Verschuldensanteile unter Berücksichtigung der von den Fahrzeugen ausgehenden Betriebsgefahr führt vorliegend jedoch zu einer vollen Haftung der Klägerin. Nach dem gegen den Fahrer ihres Fahrzeugs (den Zeugen xxx) sprechenden Anscheinsbeweis ist von einer alleinigen Verursachung des Unfalles durch ihn auszugehen. Hinter seinem vermuteten Verstoß gegen die Pflicht, der gemäß § 9 Abs. 1 S. 2 StVO möglichst weit rechts eingeordneten Beklagten zu 1 den Vortritt zu lassen, tritt die Betriebsgefahr des Beklagtenfahrzeugs zurück.

Der Unfall ereignete sich allerdings nicht unstreitig im unmittelbaren räumlichen Zusammenhang mit dem parallelen Rechtsabbiegen der Fahrzeuge. Denn die Klägerin hat behauptet, die Beklagte zu 1 sei erst etwa zwei Fahrzeuglängen hinter der Fußgängerfurt überraschend von der zunächst gewählten rechten in die linke Fahrspur gewechselt.

Die durchgeführte Beweisaufnahme hat jedoch ergeben, dass der Zusammenstoß sich noch im Bereich der Fußgängerfurt, möglicherweise an deren Ende, ereignet hat. Dies ist bewiesen durch die schriftliche Schilderung des Unfallhergangs sowie die dazu gefertigte Symbolskizze der unfallaufnehmenden Polizeibeamten. Diese haben urkundlichen Beweiswert (vgl. nur OVG Lüneburg, Beschluss vom 11. März 2004 – 11 LA 380/03, NVwZ 2004, 1381). Nach deren Beschreibung und Zeichnung war es am Unfallort zwischen den Beteiligten unstreitig, dass sich der Zusammenstoß „im Bereich der Fußgänger-LZA” ereignet hatte. Zusammen mit der von ihnen gefertigten Skizze gibt es keinen vernünftigen Zweifel daran, dass sie damit den Bereich der markierten Fußgängerfurt meinten. Dies entspricht auch der Unfallschilderung der Beklagten zu 1.

Die als Zeugen vernommenen Insassen des klägerischen Fahrzeugs konnten das Gericht nicht davon überzeugen, dass der Unfall sich tatsächlich erst wesentlich nach der markierten Fußgängerfurt ereignet hätte. Der Zeuge xxx hat insoweit nämlich sowohl zu dem Ort des Zusammenstoßes als auch zu der Stelle, an welcher die Fahrzeuge nach dem streifenden Anstoß zum Stehen gekommen sein sollen, letztlich die gleichen Angaben gemacht. Nämlich zum einen „circa 2 Fahrzeuglängen” und zum anderen „2,5 bis 3 Fahrzeuglängen”. Da der Zeuge xxx seinerseits bekundet hat, er habe bereits wieder beschleunigt, bevor es zu dem Zusammenstoß gekommen sei, hält es das Gericht für wenig wahrscheinlich, dass Kollisionsort und Ort des Anhaltens so nahe zusammen lagen. Das Gericht ist daher davon überzeugt, dass sich die Kollision dort ereignet hat, wo sie auch in der Symbolskizze der Polizei zu erkennen und von der Beklagten zu 1 beschrieben worden ist, nämlich im Bereich der östlichen Begrenzung der Fußgängerfurt.

Unstreitig hatte sich der Zeuge xxx mit dem Pkw der Klägerin links neben dem von der Beklagten zu 1 gesteuerten Fahrzeug in einem nicht als Rechtsabbiegerspur markierten Fahrstreifen der xxx und damit entgegen der Regel des § 9 Abs. 1 S. 2 StVO nicht möglichst weit rechts eingeordnet. Ihn traf daher gegenüber der auf der markierten Rechtsabbiegerspur eingeordneten Beklagten zu 1 eine erhöhte Sorgfaltspflicht. Er musste sie deshalb sorgfältig beobachten, durfte sie nicht behindern, in Bedrängnis bringen oder gefährden und musste ihr notfalls den Vortritt lassen (vgl. nur KG, Urteil vom 17. Dezember 1990 – 12 U 960/90, NZV 1991, 194 m.w.N.; Urteil vom 28. Juni 2004 – 12 U 89/03, NZV 2005, 91). Dass er dies nicht getan hat, dafür spricht ein Anscheinsbeweis. Es ergibt sich jedoch auch aus seinen zeugenschaftlichen Angaben, nach denen die Beklagte zu 1 zuerst noch ganz am Bordstein gefahren und dann – mehr oder weniger übergangslos – plötzlich schräg vor ihn gezogen sein soll; offenbar hatte der Zeuge xxx die Beklagte zu 1 also nicht sorgfältig beobachtet.

Umgekehrt stellt die Weiterfahrt der Beklagten zu 1 in einem anderen als dem bisher befahrenen Fahrstreifen nach dem Abbiegen grundsätzlich keinen Fahrstreifenwechsel im Sinne des § 7 Abs. 5 StVO dar, so dass gegen die Beklagte zu 1 kein Anscheinsbeweis spricht. Denn die Fahrstreifen der bisher befahrenen Straße enden an der Kreuzungseinmündung, sofern sie nicht durch Markierungen in die neue Straße weitergeführt werden. Der Rechtsabbieger, der sich noch nicht auf dem rechten Fahrstreifen der neuen Straße eingeordnet hat sondern diesen lediglich überquert, um sich in einen der nächsten Fahrstreifen der neuen Straße einzuordnen, nimmt deshalb keinen Fahrstreifenwechsel vor (vgl. KG, NZV 2005, 91 f. m.w.N.).

Es kommt auch nicht darauf an, ob der Zeuge xxx die xxx möglicherweise zuerst erreicht hatte, sondern allein darauf, dass sich die Beklagte zu 1 auf der äußerst rechten Spur zum Abbiegen eingeordnet hatte und sich der Unfall noch im Vorgang des Abbiegens ereignete. Die Beklagte zu 1 hatte dabei die Wahl, in welchen der Fahrstreifen der xxx sie einfahren wollte (vgl. KG NZV 2005, 91, 92).

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Ein Grund, die Revision gemäß § 543 Abs. 2 S. 1 ZPO zuzulassen, besteht nicht. Die vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung war gemäß §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO in Verbindung mit § 26 Nr. 8 EGZPO auszusprechen. Der Berufungswert war gemäß § 63 Abs. 2 S. 1 GKG festzusetzen.

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