Substantiierungslast des Geschädigten
OLG Braunschweig – Az.: 7 U 23/16 – Beschluss vom 10.05.2017
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Braunschweig vom 21. Dezember 2015 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsrechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.
Das Urteil des Landgerichts Braunschweig vom 21. Dezember 2015 ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Berufungsstreitwert: 33.332,50 €.
Gründe
I.
Die Klägerin verlangt aus abgetretenem Recht ihres Ehemannes von der Beklagten materiellen und immateriellen Schadensersatz sowie Feststellung der weiteren Ersatzpflicht wegen eines behaupteten Unfalls im öffentlichen Personenverkehr am 09.10.2014. Wegen des Sach- und Streitstandes im Rechtsstreit erster Instanz wird Bezug auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils genommen (S. 2 – 4, Bl. 60 – 62 d. A.).
Das Landgericht hat die Klage mit Urteil vom 21. Dezember 2015 (Bl. 59 ff. d. A.) abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die Klägerin habe keine Ansprüche auf Zahlung von Schmerzensgeld, materiellem Schadensersatz und Feststellung der Ersatzpflicht aus §§ 1, 6 HPflG, 280, 631 BGB oder 823 Abs. 1, 831, 249, 253 BGB. Dabei könne dahinstehen, ob die die Haftungsvoraussetzungen des § 1 Abs. 1 HPflG dargetan seien; Zweifel ergäben sich daraus, dass die Klägerin weder die Straßenbahnlinie noch die Uhrzeit des behaupteten Unfalls vortragen könne. Präzise Angaben seien insoweit aber erforderlich, weil es sich bei der Haltestelle „H.“ um einen vielbefahrenen Knotenpunkt handele, den viele Linien passierten, und im Übrigen allgemein bekannt sei, dass es im fraglichen Zeitraum zu Behinderungen wegen einer Baustelle kam, was gewöhnlich zu die Zuordnung zum planmäßigen Verkehr erschwerenden Verspätungen führe. Selbst wenn die Beklagte eingrenzen könne, welche Fahrzeuge sie im maßgeblichen Zeitraum auf der betroffenen Strecke eingesetzt habe, stehe damit noch nicht der betroffene Anhänger fest; der Zeuge Wiegand habe ihn anlässlich eines Ortstermins der Parteien nicht identifizieren können. Die Klägerin lasse vielmehr selbst offen, ob die eingereichten Lichtbilder den betroffenen Anhänger oder nur ein ähnliches Modell zeigten.
Selbst wenn man aber ihr Vorbringen unterstelle, habe der Geschädigte den Unfall selbst verschuldet, wonach die Gefährdungshaftung der Beklagten gem. § 4 HPflG, 254 BGB zurücktrete. Nach allgemeiner Verkehrsanschauung seien die Sicherheitserwartungen eines durchschnittlichen Fahrgastes davon geprägt, dass sich die Automatiktüren einer Straßenbahn nach kurzer Zeit wieder schlössen und dem Benutzer gesteigerte Aufmerksamkeit abverlangten, damit der Fahrplan eingehalten werden könne. Ebenso sei bekannt, dass sich eine Lichtschranke im Einstieg befinde; es sei Sache des Fahrgastes, sich über den Mechanismus der Türschließung zu informieren, wenn er öffentliche Verkehrsmittel in Anspruch nehme. Dem Zeugen W. als regelmäßigem Straßenbahnfahrer sei die Gefahr bewusst gewesen; die Beklagte habe darauf vertrauen dürfen, dass der Fahrgast den durchschnittlichen Anforderungen an das Ein- und Aussteigen gewachsen sei. Wenn jemand wegen seiner körperlichen Verfassung oder Mitführens eines sperrigen Gepäckstücks die Lichtschranke nicht auslösen und die Bahn besteigen könne, müsse er die Hilfe Dritter in Anspruch nehmen oder die vordere, manuell bediente Tür unter Aufsicht des Fahrers benutzen. Der Ehemann der Klägerin habe sogar ohne fremde Hilfe den Instrumentenkoffer auf die Einstiegsstufe stellen und damit die Lichtschranke blockieren können, bis er selbst eingestiegen sei, anstatt den Koffer unter Umgehung der Lichtschranke vollständig in die Bahn hineinzuschieben. Dagegen habe der Geschädigte verstoßen; das führe auch unter Berücksichtigung der Haftung der Beklagten für Betriebsgefahr zur Alleinhaftung des Geschädigten.
Es sei auch davon auszugehen, dass die Fahrzeuge der Beklagten den gesetzlichen Bestimmungen entsprächen. Unbeachtlich sei der Vortrag der Klägerin ins Blaue hinein, dass der betroffene Anhänger heute nicht mehr zugelassen würde; die Beklagte habe auch nicht sämtliche Betriebserlaubnisse vorzulegen, nur weil der Ehemann der Klägerin sich genaue Zeit und Linie nicht gemerkt habe. Deswegen scheide auch eine sachverständige Untersuchung des betroffenen Anhängers aus. Im Übrigen trage die Klägerin auch widersprüchlich vor, wenn sie einerseits behaupte, die „fühlenden Kanten“ der Türen hätten nicht ordnungsgemäß funktioniert, andererseits aber auch, dass sich beim Ortstermin kein Defekt gezeigt habe. Die Behauptung des Klägervertreters, auch schon eingeklemmt worden zu sein, ändere daran nichts. Schließlich sei es nicht der Beklagten anzulasten, falls der Unfall auf der Nichtauslösung einer Lichtschranke beruhe: Für eine defekte oder falsche Schaltung fehle es an Vorbringen und geeigneten Beweisantritten, und soweit die Klägerin behaupte, es gebe Einsteigesituationen, in denen die Lichtschranke nicht auslöse, sei dies bei der vorgesehenen Benutzung des Einstiegs ausgeschlossen. Die Klägerin trage auch nicht vor, wo weitere Sichtschranken erforderlich sein sollten, um vorzeitiges Schließen der Türen zu verhindern.
Auch Ansprüche aus §§ 280, 631 BGB oder 823 Abs. 1, 249 Abs. 2 S. 1, 253 Abs. 2 BGB seien nicht gegeben, weil die Beklagte keine Verkehrssicherungspflicht verletzt habe. Schließlich schieden auch Ansprüche aus §§ 831, 249 Abs. 2 S. 1, 253 Abs. 2 BGB aus, weil Anhaltspunkte für eine Sorgfaltspflichtverletzung des Fahrers nicht vorgetragen seien, die Klägerin vielmehr selbst vortrage, der Fahrer habe ihren Ehemann vermutlich gar nicht wahrgenommen. Wegen der weiteren Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen (S. 4 – 8, Bl. 62 – 66 d. A.).
Dieses Urteil ist der Klägerin zu Händen ihres Prozessbevollmächtigten am 12.01.2016 zugestellt worden. Mit ihrer am 25.01.2016 eingegangenen, am 29.01.2016 berichtigten und innerhalb der bis 14.04.2016 verlängerten Begründungsfrist begründeten Berufung beanstandet die Klägerin der Sache nach unzutreffende Tatsachenwürdigung und Rechtsfehler. Dazu wiederholt sie ihr erstinstanzliches Vorbringen unter Angabe eines Unfallzeitpunktes „am 09.10.2014 gegen 19.15 Uhr“. Sie meint, zu Unrecht habe das Landgericht überzogene Substantiierungsanforderungen gestellt. Dazu wiederholt sie ihr Vorbringen zum Hergang und meint, damit angesichts des Bestreitens der Beklagten schlüssig die Voraussetzungen des § 1 HPflG vorgetragen zu haben; das Landgericht habe einen Beweisbeschluss erlassen müssen. Die Beklagte beherrsche ihren Linienplan, wisse auch, welche Fahrzeuge aus welchem Baujahr in welcher Art und Beschaffenheit sie betreibe, und habe auch die benutzte Straßenbahnlinie ermitteln können. Sie habe sogar noch die von dem Geschädigten hernach benutzte Anschlusslinie 416 nennen können, obwohl der Zeuge dies nicht mehr gewusst und die Klägerin dies auch nicht vorgebracht habe.
Auch höhere Gewalt liege nicht vor. Der technische Laie könne kaum genaue Baureihen und -serien oder die exakte Struktur einer Sicherheitsschaltung bei Straßenbahntüren wiedergeben. Es reiche aus, dass er seine Wahrnehmung schildere, und das habe die Klägerin getan. Außerdem habe bei einem Ortstermin die Situation exakt nachgestellt werden können. Es sei dezidiert vorgetragen, dass der Zeuge Wiegand in einer Einstiegsposition gewesen sei, in der die Lichtschranke ihn nicht erfasse, und dass die Tür trotz der Kantenfühler den Fahrgast einklemme.
Die Kammer habe zudem gegen § 139 ZPO verstoßen, indem sie überraschend auch Ansprüche aus §§ 823, 831 BGB verneint habe. Wenn die Klägerin auf diese Absicht hingewiesen worden wäre, hätte sie vorgebracht, dass dem Fahrer eine „Fehlstörung der rechten Seitentür“ hätte auffallen müssen (Berufungsbegründung S. 8 Bl. 91 d. A.). Denn die Tür habe sich nicht geschlossen, weil der Ehemann der Klägerin sie zweimal „wieder mit Gewalt aufdrückte“. Dem Fahrer sei eine Gefahrmeldung an der hinteren rechten Tür auf seinem Schaltpult angezeigt worden, deshalb habe er nicht einfach erneut den Schließmechanismus auslösen dürfen. Da er den Hinweis übersehen oder missachtet habe, falle ihm ein Verschulden zur Last, das die Beklagte sich zurechnen lassen müsse. Dass der Fahrer richtig ausgewählt und ausreichend eingewiesen worden sei, dass er eine gültige Fahrerlaubnis und ausreichend Fahrpraxis gehabt habe und dass die Beklagte die eingesetzten Fahrer ausreichend überprüfe und überwache, werde mit Nichtwissen bestritten. Soweit die Tür vollautomatisch schließe, sei eine technische Störung und eine Haftung aus Betriebsgefahr evident, weil die Tür nur mit der behaupteten Warnanzeige beim Fahrer sicher sei.
Dass der Ehemann der Klägerin regelmäßiger Straßenbahnbenutzer gewesen sei und der durchschnittliche Fahrgast wisse, dass Automatiktüren nach kurzer Zeit schlössen, sei von keiner Partei vorgetragen gewesen. Auch insoweit sei die Entscheidung überraschend und habe einen Hinweis gem. § 139 ZPO erfordert. Ein durchschnittlicher Fahrgast müsse nicht damit rechnen, dass sich die Tür schließe, wenn er noch in der Treppe stehe. Die Klägerin hätte auf einen Hinweis vorgetragen, dass ihr Ehemann keineswegs ein erfahrener Straßenbahnfahrer sei und nicht erwartet habe, dass sich die Tür schließe, während er noch in der Tür stehe. Die Auffassung der Kammer, der Fahrgast habe sich zu beeilen und zu konzentrieren, weil sonst die Fahrpläne nicht eingehalten werden könnten, entbehre ohnehin der Rechtsgrundlage; die Einhaltung der Fahrpläne sei Sache der Verkehrsunternehmen. Soweit das Gericht Vortrag zur Erforderlichkeit weiterer Lichtschranken vermisse, überspanne es die Substantiierungspflicht; soweit es Benutzer mit sperrigen Gepäckstücken auf die Hilfe Dritter verweise, fehle wiederum eine Rechtsgrundlage. Die Alternative, mit dem Posaunenkoffer die Lichtschranke zu blockieren, existiere nicht, weil der Koffer ja dann den Einstieg verhindere. Im Übrigen sei ein „Informationsirrtum“ zu korrigieren; der Koffer sei nicht 150 cm lang, sondern nur 90 x 33 x 27 cm groß und 7 kg schwer, also kein besonders sperriges Gepäckstück. Im Übrigen sei substantiiert vorgetragen und unter Beweis gestellt, dass der Geschädigte auf der untersten Stufe gestanden habe, als er von der Tür erfasst worden sei; er habe gedacht, von der Lichtschranke erfasst zu sein.
Die Klägerin beantragt, unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils
1. die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin ein angemessenes Schmerzensgeld (15.000,- €) nebst Zinsen i. H. v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 18. Dezember 2014 zu zahlen;
2. die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin weitere 4.656,50 € nebst Zinsen i. H. v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 18. Dezember 2014 zu zahlen;
3. die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin ab dem, 1. Oktober 2015 monatlich 278,- € zu zahlen, fällig zum Letzten eines jeden Monats, zuzüglich Zinsen i. H. v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz auf die jeweils fällige Rente ab dem 1. desjenigen Monats, welcher auf die Fälligkeit folgt;
4. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin den materiellen und immateriellen Zukunftsschaden zu ersetzen, den Herr R. W., geb. am 1947, B.-str. 7, 3 B., als Anlass des Unfalls vom 9. Oktober 2014, ca. 19.15 Uhr bei der Benutzung eines Anhängers der Straßenbahn der Beklagten in B. an seiner rechten Schulter bzw. am Schultergelenk erlitten hat mit Riss der Supraspinatussehne rechts und Gelenkbeschädigung (Labrumeinriss rechts), soweit die Ansprüche nicht auf Dritte übergegangen sind;
5. die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin vorgerichtliche und nicht festsetzbare Rechtsanwaltskosten i. H. v. 1.474,89 € nebst Zinsen i. H. v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 23. Mai 2015 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt, Zurückweisung der Berufung.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil und macht es sich zu Eigen. Zu Recht habe die Kammer ausgeführt, dass die Klägerin Linie und genaue Uhrzeit nicht vorgetragen habe, und auf Widersprüche im Vorbringen hingewiesen. Gleichwohl habe die Beklagte die Automatiktüren sämtlicher in Betracht kommenden Straßenbahnmodelle überprüfen lassen und die ordnungsgemäße Funktion aller Türen festgestellt. Insoweit wiederholt auch die Beklagte ihr erstinstanzliches Vorbringen und meint, soweit die Klägerin auf die Kenntnis der Beklagten von der benutzten Anschlusslinie abstellen wolle, habe sie diese selbst bereits mit Anwaltsschreiben vom 11.11.2014 genannt. Im Übrigen könne die Beklagte ohne konkrete Darlegungen der Klägerin nicht nachvollziehen, welches Fahrzeug welchen Baujahrs und welcher Art und Beschaffenheit beteiligt gewesen sein solle.
Das Landgericht habe von der Klägerin auch nicht verlangt, technische Voraussetzungen oder Baureihen / -serien der Straßenbahnen vorzutragen, sondern genaue Uhrzeit und Liniennummer; das sei auch einem Laien möglich. Die Klägerin behaupte lediglich „ins Blaue hinein“, entweder die Sicherheitsausstattung oder die Beschaffenheit des Anhängers sei ungenügend gewesen (Berufungserwiderung S. 2 Bl. 112 d. A.). Der Zeuge W. habe das betreffende Fahrzeug beim Ortstermin nicht identifizieren können; das gehe aber zu Lasten der darlegungspflichtigen Klägerin.
Auch die Feststellung eines Mitverschuldens sei nicht zu beanstanden. Zunächst verkenne die Klägerin, dass das Gericht bei seinen Hilfserwägungen dazu den Klagevortrag als richtig und die Haftungsvoraussetzungen auf Seiten der Beklagten als gegeben unterstellt habe. Auch insoweit macht sich die Beklagte die Erwägungen der Kammer zu Eigen. Sie betont, nicht bestritten zu haben, dass die Türen nach kurzer Zeit wieder schlössen, sondern nur, dass sie hätten schließen können, während der Ehemann der Klägerin noch in der Tür gestanden habe. Auf Anhaltspunkte für Mitverschulden habe die Kammer auch bereits am 13.10.2015 hingewiesen.
Soweit die Klägerin jetzt ihre Angaben zur Größe des Koffers korrigiere, handele es sich jedenfalls um ein sperriges Gepäckstück, und mit einem solchen treffe den Fahrgast eine erhöhte Pflicht zur Aufmerksamkeit. Im Übrigen könne öffentlichen Verkehrsunternehmen nicht zugemutet werden, jeden Fahrgast detailliert über den Schließmechanismus von Straßenbahntüren aufzuklären. Vom Fahrgast könnten zügiges Einsteigen und aufmerksames Verhalten verlangt werden.
Vor Ablehnung von Ansprüchen aus §§ 823, 831 BGB habe die Kammer keinen Hinweis zur Rechtsgrundlage erteilen müssen, zumal die Klägerin anwaltlich vertreten sei. Der dazu gehaltene Vortrag sei verspätet.
Vorsorglich werde bestritten, dass dem Fahrer eine „Fehlstörung“ hätte auffallen müssen und der Ehemann der Klägerin die Tür zweimal mit Gewalt habe aufdrücken müssen. Auch dies sei nur Vortrag ins Blaue hinein. Abgesehen davon, dass dieses Vorgehen wohl mehr als einfaches Mitverschulden begründe, werde dem Fahrer keine Gefahrmitteilung angezeigt, er habe den automatischen Schließmechanismus auch bei keinem der in Betracht kommenden Straßenbahntypen manipulieren können.
Der Senat hat die Klägerin mit Beschluss vom 21.02.2017 (Bl. 123-127 d. A.) darauf hingewiesen, dass er ihre Berufung wegen offensichtlicher Aussichtslosigkeit zurückzuweisen beabsichtige. Die Klägerin hat dazu mit Schriftsatz vom 10.04.2017 (Bl. 133-136 d. A.) Stellung genommen. Wegen des darin enthaltenen Vorbringens sowie des weiteren Vorbringens beider Parteien im Berufungsrechtsstreit wird auf die zu den Akten gelangten Schriftsätze Bezug genommen.
II.
Die Berufung der Klägerin ist offensichtlich ohne Aussicht auf Erfolg, § 522 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Insoweit wird zur Begründung auf den Hinweisbeschluss des Senats vom 21.02.2017 Bezug genommen. Die Stellungnahme der Klägerin vom 10.04.2017 vermag zu einer anderen Entscheidung nicht zu führen.
1. Die Klägerin ist für die tatbestandlichen Voraussetzungen einer Schadensersatzpflicht der Beklagten gem. §§ 1 HPflG, 823, 831 BGB wegen eines Verkehrsunfalls beim Betrieb einer Schienenbahn der Beklagten vollen Umfangs darlegungs- und ggf. gem. § 286 ZPO beweispflichtig. Zwar muss sie grundsätzlich nicht den Lebensvorgang in allen Einzelheiten darstellen; es genügt die Wiedergabe der tatsächlichen Umstände, aus denen sich die gesetzlichen Voraussetzungen der begehrten Rechtsfolge ergeben (BGH NJW 2009, 2137; 1991, 2707; Zöller / Greger, ZPO, 31. Aufl., Rz. 7b zu § 138). Die Klägerin verkennt insoweit, dass die Beklagte in erster Linie den Unfallhergang bestreitet, weil der Ehemann der Klägerin sich nicht beim Fahrer gemeldet habe und ihr auch sonst davon nichts bekannt geworden sei (Klagerwiderung S. 1 f.; Schriftsatz vom 13.10.2015 Abs. 1, Bl. 30f, 36 d.A.). Dieses Bestreiten mit Nichtwissen ist zulässig, solange die Klägerin keine konkreten Einzelheiten dazu behauptet, zu welcher Uhrzeit und mit welcher Straßenbahnlinie oder welchem Straßenbahnzug ihr Ehemann verunfallt sein soll; auf das einfache Bestreiten hin ist es wiederum Sache des Darlegungspflichtigen, sein Vorbringen entsprechend zu vereinzeln und so den Gegner im Rechtsstreit zu verpflichten, seinerseits substantiiert zu bestreiten (BGH NJW 1995, 3311; Zöller / Greger a. a. O. Rz. 8a zu § 138). Insoweit bleibt es auch gegenüber der Stellungnahme der Klägerin vom 10.04.2017 bei der bereits im Hinweisbeschluss vom 21.02.2017 ausgeführten Auffassung des Senats.
a) Ihr kann zunächst nicht entgegengehalten werden, die Beklagte wisse doch, worum es gehe, da sie selbst vortrage, alle Fahrzeuge überprüft, aber bei keinem eine Fehlfunktion des Türschließmechanismus festgestellt zu haben. Denn abgesehen davon, dass dies die Beklagte ausdrücklich nur hilfsweise behauptet (seit dem Schriftsatz vom 13.10.2015 Abs. 2, Bl. 36 d.A.), ist daraus nicht zu entnehmen, sie wüsste bereits, um welche Fahrt welcher Linie bzw. welches Fahrzeugs es gehe. Der Senat hat auch bereits in Ziff. I.1.c) seines Beschlusses vom 21.02.2017 darauf hingewiesen, dass sich dies auch nicht aus der Erwähnung der Anschlusslinie 416 im Beklagtenvorbringen ergibt und die Klägerin selbst nicht bestreitet, dass ihrem Ehemann die Identifizierung des betroffenen Fahrzeugs auch bei einem Ortstermin nicht gelungen ist.
Darauf kommt es aber für die Feststellung eines konkreten Unfallhergangs, wie ihn die Klägerin behauptet, entscheidend an. Nachdem die Beklagte die vagen und hinsichtlich Uhrzeit und Anschlusslinie widersprüchlichen Angaben der Klägerin mit Nichtwissen bestritten hat, hätte aber die für die Voraussetzungen des Schadensersatzanspruches darlegungspflichtige Klägerin nach der o. g. höchstrichterlichen Rechtsprechung die genannten Einzelheiten vorzutragen gehabt, weil die Beklagte andernfalls nicht zu einer substantiierten Stellungnahme verpflichtet ist und ggf. auch kein Beweis über ein konkretes Geschehen erhoben werden kann.
Auch der Klägervertreter räumt in seiner Stellungnahme vom 10.04.2017 der Sache nach ein, dass die Substantiierungspflicht einer Partei nur auf den Einzelfall bezogen festgestellt wird. Dass es dabei für ein bestimmtes Verkehrsunfallgeschehen nicht auf sekundengenaue Zeitangaben oder die genaue Typbezeichnung des beteiligten Fahrzeugs ankommt, bedarf keiner Erörterung. Der Senat hat jedoch auch bereits ausgeführt, dass im vorliegenden Fall angesichts des Bestreitens der Beklagten mit Nichtwissen wenigstens eine ungefähre Zeit- und Linien- oder Fahrzeugangabe erforderlich wäre, um der Beklagten eine qualifizierte Stellungnahme nach Ermittlung von unfallbeteiligtem Fahrzeug und Fahrzeugführer und danach ggf. eine Tatsachenfeststellung durch Beweisaufnahme zu ermöglichen, und dass derartige Angaben auch unfallbeteiligten Laien ohne weiteres zumutbar sind (Ziff. I.1.a] bis c] des Hinweisbeschlusses). Denn es bedarf keiner vertiefenden Erörterung, dass es für Schadensersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall, auch im öffentlichen Personennahverkehr, wenigstens genauen Feststellung des gegnerischen Unfallbeteiligten bedarf, der selbst oder dessen Arbeitgeber in Anspruch genommen werden soll. Substantiierter Vortrag zu Zeit und Ort des Unfalls sowie des gegnerischen Fahrzeugkennzeichens oder ersatzweise der benutzten Linie sind auch einem Fahrgast des öffentlichen Nahverkehrs im Regelfall ohne weiteres möglich. Nicht ausreichend ist daher auch die Angabe, es habe sich um einen Straßenbahnanhänger der Beklagten mit einer Doppeltür gehandelt, und zwar erst recht deshalb nicht, weil die Klägerin der Sache nach die Fehlerhaftigkeit oder Fehleinstellung eines Türschließmechanismus behauptet, der bzw. die eben an einem Fahrzeug vorhanden sein kann und an anderen nicht. Auch ein Sachverständiger könnte deshalb aufgrund derartig allgemeiner Angaben kein konkretes technisches Gutachten darüber erstatten, wie die Klägerin meint; die Einholung eines allgemeinen Gutachtens über den Türschließmechanismus derartiger Fahrzeuge wäre die Erhebung unzulässigen Ausforschungsbeweises. Ebenso läge eine unzulässige Ausforschung darin, den Zeugen – nicht „Sachverständigen“, wie es in der Stellungnahme vom 10.04.2017 zusätzlich heißt – Wiegand zur generellen Möglichkeit des behaupteten Schadensereignisses zu vernehmen. Der Senat hat auch bereits darauf hingewiesen, dass dies erst recht deshalb gilt, weil die Beklagte hilfsweise und unwidersprochen behauptet, alle ihre Anhänger auf nicht ordnungsgemäße Funktion untersucht, aber keinen gefunden zu haben. Deshalb muss es zu Lasten der Klägerin gehen, wenn ihr – etwa mangels Erinnerung ihres Ehemannes – genauere Angaben nicht möglich sind.
b) Zu den Ausführungen des Senats in Ziff. I.1.e) seines Hinweisbeschlusses, dass nach h.M. bei Fällen wie dem hier behaupteten der Beweis des ersten Anscheins für eine Unachtsamkeit des Fahrgasts selbst spricht, verhält sich die Stellungnahme der Klägerin nicht weiter. Im Übrigen verkennt der Klägervertreter, dass der Senat in dem bezeichneten Abschnitt der Klägerin kein konkretes Mitverschulden ihres Ehemannes vorgehalten hat. Das ist offenbar mit dem „Vorwurf unvager Einschätzung“ (Schriftsatz vom 10.04.2017 S. 3 oben) gemeint. Der Senat hat vielmehr darauf hingewiesen, dass selbst bei Unterstellung des Klägervorbringens als richtig – also bei Verzicht auf eine genauere Beschreibung von Unfallzeit und beteiligtem Fahrzeug – mangels genaueren Vorbringens zum Unfallhergang die behaupteten Verletzungen auf dreierlei Weise entstanden sein können, von denen zwei der Ehemann der Klägerin selbst zu vertreten hätte. Insoweit kommt es auf die von dem Klägervertreter gestellte Frage nach der noch akzeptierten Benutzungsweise der Tür nicht an, weil sich die ernsthaft in Betracht kommenden Alternativen der Unfallverursachung außer durch einen Fehler des Türmechanismus aus seinem eigenen Parteivortrag ergeben. Auch deshalb ist die die Klage, wie auch das Landgericht bereits festgestellt hat (Urteil S. 7), unschlüssig.
In Ziff. I.3. seines Hinweisbeschlusses hat der Senat zudem bereits ausgeführt, dass es mangels substantiierten Vorbringens der Klägerin zu Umständen und Ablauf des behaupteten Unfalls auf die Frage des Mitverschuldens nicht mehr ankommt.
c) Dazu, dass das Berufungsvorbringen nicht mehr gem. §§ 529, 531 ZPO zuzulassen ist, soweit die Klägerin nunmehr in der Berufungsinstanz eine deutlich geringere Länge des Posaunenkoffers behauptet, und dass das Landgericht zu Recht auf die sicherere Möglichkeit des Einstiegs beim Fahrer verwiesen hat, verhält sich die Stellungnahme der Klägerin vom 10.04.2017 nicht weiter.
d) Die Meinung des Klägervertreters, der Verweis auf § 529 ZPO sei unbehelflich, soweit es um die Haftung aus §§ 823, 831 BGB gehe, kann der Berufung ebenfalls nicht zum Erfolg verhelfen. Es bleibt dabei, dass die Klägerin schon zum Unfallhergang nicht substantiiert vorträgt; ihre neue Vermutung, der Fahrer müsse eine „Gefahrmeldung“ von der hinteren Beiwagentür erhalten und missachtet haben, ist nicht von konkreten Tatsachen untermauert und steht zudem in unerklärtem Widerspruch zu ihrer erstinstanzlichen Behauptung, die Türen schlössen automatisch. Denn die Klägerin geht bei ihrer Vermutung nunmehr erstmals davon aus, es sei der Straßenbahnfahrer, der die Türen manuell schließe (Senatsbeschluss vom 30.03.2017 Ziff. I.4).
2. Die Rechtssache hat auch keine grundsätzliche Bedeutung, und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht, und eine mündliche Verhandlung ist nicht geboten (§ 522 Abs. 2 Nr. 2-4 ZPO).
3. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus § 708 Nr. 10 S. 2 ZPO. Der Berufungsstreitwert war gem. §§ 63 Abs. 2 GKG, 3, 9 ZPO auf 33.332,50 € festzusetzen. § 42 Abs. 1 GKG steht nicht entgegen, weil die Vorschrift für Schadensersatzrenten nicht einschlägig ist.