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Verkehrsunfall – Haftungsverteilung bei Vorfahrtsverstoß als Unfallursache

Ein folgenschwerer Unfall an einer unübersichtlichen Kreuzung in Gelsenkirchen führt zu einem spannenden Rechtsstreit. Zwei Autofahrer, beide mit Fehlern behaftet, müssen nun die Verantwortung für den Zusammenstoß teilen. Das Gericht urteilt: Vorfahrtsmissachtung trifft auf riskante Fahrmanöver – wer trägt die größere Schuld?

Das Wichtigste: Kurz & knapp

  • Der Unfall ereignete sich an einer T-Einmündung, wobei die Beklagte zu 1) vorfahrtpflichtig war.
  • Der Kläger argumentierte, dass der Unfall durch die Parksituation und die Verengung der Fahrbahn verursacht wurde.
  • Es wurde bestritten, dass der Unfall ausschließlich auf einen Vorfahrtsverstoß zurückzuführen sei.
  • Das Gericht verurteilte die Beklagten zur Zahlung eines Teils des Schadens sowie zur Freistellung von Anwaltsgebühren.
  • Die Beklagte zu 1) wurde als Hauptverursacherin des Unfalls angesehen, da sie die Fahrspur nicht korrekt berücksichtigt hatte.
  • Das Gericht stellte fest, dass der Kläger nicht ausreichend nachweisen konnte, an welchen Tagen sein Fahrzeug tatsächlich repariert wurde.
  • Die Klage auf Nutzungsausfall wurde teilweise abgewiesen, da relevante Angaben fehlten.
  • Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, was bedeutet, dass die Beklagten trotz einer möglichen Berufung zahlen müssen.
  • Die Parteien müssen die Kosten des Verfahrens entsprechend ihrem Erfolg tragen.
  • Die Entscheidung hat Auswirkungen auf die Haftungsverteilung und die Schadensersatzansprüche bei ähnlichen Verkehrsunfällen.

Haftungsverteilung nach Verkehrsunfall: Vorfahrtsverstoß im Fokus

Ein Verkehrsunfall kann für die Betroffenen nicht nur eine plötzliche und traumatische Erfahrung sein, sondern auch komplexe rechtliche Fragen aufwerfen. Insbesondere die Haftungsverteilung spielt eine zentrale Rolle bei der Klärung, wer für den entstandenen Schaden verantwortlich ist. Ein häufig auftretender Streitpunkt ist der Vorfahrtsverstoß, der in vielen Fällen als Unfallursache maßgeblich wirkt. Die rechtlichen Grundlagen zur Haftung sind in Deutschland im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) festgelegt und orientieren sich an verschiedenen Aspekten, wie der Schwere des Verstoßes und dem Verhalten der Beteiligten.

In der Regel wird bei der Aufteilung der Schuld zwischen den Unfallbeteiligten geprüft, inwieweit sich jeder Fahrer an die Verkehrsregeln gehalten hat und ob der Vorfahrtsverstoß ein ursächlicher Faktor für den Unfall war. Das bedeutet, auch wenn ein Fahrer in der Vorfahrt war, können andere Umstände, wie z.B. nicht ausreichende Sorgfalt, die Haftung beeinflussen. Die rechtlichen Entscheidungen, die in solchen Fällen getroffen werden, können oft weitreichende finanzielle und emotionale Folgen für die Beteiligten haben.

Im folgenden Abschnitt wird ein konkreter Fall vorgestellt, der die oben genannten Aspekte beleuchtet und die rechtlichen Überlegungen zur Haftungsverteilung bei einem Vorfahrtsverstoß analysiert.

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Der Fall vor Gericht


Vorfahrtsmissachtung führt zu Verkehrsunfall in Gelsenkirchen

Am 7. April 2012 ereignete sich an der T-Einmündung Kuhlmannsweg/Schlenkhoffstraße in Gelsenkirchen-Buer ein folgenschwerer Verkehrsunfall. Beteiligt waren der Fahrer eines Volkswagen Passat Diesel und die Fahrerin eines weiteren Pkw. Der Passat-Fahrer näherte sich der Einmündung auf dem Kuhlmannsweg, während die andere Beteiligte von links aus der Schlenkhoffstraße einbiegen wollte.

Komplexe Verkehrssituation und widersprüchliche Aussagen

Die Situation vor Ort war durch geparkte Fahrzeuge auf der rechten Fahrspur des Kuhlmannswegs zusätzlich erschwert. Diese Verengung machte es unmöglich, dass zwei Fahrzeuge nebeneinander passieren konnten. Der genaue Unfallhergang blieb trotz Zeugenaussagen und mehrerer Gutachten unklar. Der Passat-Fahrer gab an, die Einbiegende sei aufgrund der Parksituation in seine Fahrspur geraten, ohne ihm die Möglichkeit zum Ausweichen zu lassen. Die einbiegende Fahrerin hingegen behauptete, sie habe bereits gestanden, als der Passat-Fahrer, möglicherweise abgelenkt, in ihr stehendes Fahrzeug fuhr.

Gerichtliche Aufarbeitung und Schadensregulierung

Der Halter des Passat klagte auf Schadensersatz in Höhe von 5.496,64 Euro, einschließlich Nutzungsausfall für fünf Tage. Die Versicherung der Unfallgegnerin hatte zunächst nur 25% der Schadenssumme reguliert, was der Kläger als unzureichend erachtete. Das Amtsgericht Gelsenkirchen-Buer musste nun über die Haftungsverteilung entscheiden.

Urteil: Geteilte Verantwortung für den Unfall

In seinem Urteil vom 10. Juli 2015 kam das Gericht zu dem Schluss, dass beide Parteien eine Mitschuld an dem Unfall trugen. Der Passat-Fahrer hatte die Vorfahrt der von links einbiegenden Fahrerin missachtet, was als Hauptursache für den Unfall gewertet wurde. Allerdings berücksichtigte das Gericht auch die erschwerte Verkehrssituation durch die geparkten Fahrzeuge. Es bewertete das Einfahren der Beklagten in die verengte Stelle trotz des herannahenden Passats als Erhöhung der Betriebsgefahr ihres Fahrzeugs.

Haftungsquote und finanzielle Folgen

Das Gericht legte eine Haftungsverteilung von zwei Dritteln zu Lasten des Passat-Fahrers und einem Drittel zu Lasten der einbiegenden Fahrerin fest. Von dem Gesamtschaden in Höhe von 5.496,64 Euro sprach das Gericht dem Kläger somit 1.832,21 Euro zu. Nach Abzug der bereits geleisteten Zahlungen verurteilte das Gericht die Beklagten zur Zahlung von 531,79 Euro nebst Zinsen. Zusätzlich mussten sie den Kläger von einem Teil der entstandenen Anwaltskosten freistellen.

Rechtliche Grundlagen und Urteilsbegründung

Das Gericht stützte sein Urteil auf die §§ 7, 17 und 18 des Straßenverkehrsgesetzes sowie § 115 des Versicherungsvertragsgesetzes. Es berücksichtigte dabei die grundsätzliche Haftung beider Fahrzeughalter für Schäden aus dem Betrieb ihrer Kraftfahrzeuge. Keiner der Beteiligten konnte den Unabwendbarkeitsnachweis erbringen, der sie von der Haftung befreit hätte. Das Gericht betonte, dass ein besonders sorgfältiger Fahrer auf beiden Seiten den Unfall möglicherweise hätte vermeiden können.

Die Schlüsselerkenntnisse


Das Urteil verdeutlicht, dass bei komplexen Verkehrssituationen die Haftung differenziert betrachtet werden muss. Trotz Vorfahrtsmissachtung als Hauptursache kann eine erhöhte Betriebsgefahr des vorfahrtsberechtigten Fahrzeugs zu einer Mithaftung führen. Die Entscheidung unterstreicht die Pflicht aller Verkehrsteilnehmer zur erhöhten Vorsicht in unübersichtlichen Situationen und zeigt, dass die Vorfahrtsregel allein nicht vor einer Mithaftung schützt.


Was bedeutet das Urteil für Sie?

Wenn Sie in einen Verkehrsunfall verwickelt sind, zeigt dieses Urteil, dass die Haftung oft komplexer ist als zunächst angenommen. Selbst wenn Sie Vorfahrt haben, können Sie teilweise haftbar gemacht werden, wenn besondere Umstände vorliegen. In diesem Fall führte eine Fahrbahnverengung zu einer erhöhten Sorgfaltspflicht für beide Parteien. Beachten Sie, dass Ihre Versicherung möglicherweise nicht den vollen Schaden übernimmt. Es ist ratsam, bei Unfällen in komplexen Verkehrssituationen umgehend einen Anwalt zu konsultieren und alle Umstände genau zu dokumentieren, um Ihre Rechte bestmöglich zu wahren.


FAQ – Häufige Fragen

In unserer FAQ-Rubrik finden Sie wertvolle Informationen zu häufigen rechtlichen Fragen, die im Zusammenhang mit Verkehrsunfällen auftreten. Besonders beleuchten wir die Haftungsverteilung bei Verkehrsunfällen, um Ihnen ein besseres Verständnis für Ihre Rechte und Pflichten zu vermitteln. Tauchen Sie ein in unsere prägnanten Antworten und gewinnen Sie klare Einblicke in komplexe Themen.


Wie wird die Haftung bei einem Verkehrsunfall mit Vorfahrtsverstoß grundsätzlich verteilt?

Bei einem Verkehrsunfall mit Vorfahrtsverstoß erfolgt die Haftungsverteilung nach den Grundsätzen des deutschen Zivilrechts, insbesondere des Straßenverkehrsrechts. Die Verteilung basiert auf dem Prinzip der Verursachung und dem Grad des Verschuldens der beteiligten Parteien.

Der Fahrer, der die Vorfahrt missachtet hat, trägt in der Regel den Hauptteil der Haftung. Dies ergibt sich aus § 1 StVO, wonach die Teilnahme am Straßenverkehr ständige Vorsicht und gegenseitige Rücksicht erfordert, sowie aus den spezifischen Vorfahrtsregeln der §§ 8 und 9 StVO. Ein Verstoß gegen diese Regeln begründet eine Vermutung für die überwiegende Haftung des Vorfahrtsverletzers.

Allerdings gilt im deutschen Verkehrsrecht das Prinzip der Betriebsgefahr, das in § 7 StVG verankert ist. Dieses besagt, dass allein durch das Führen eines Kraftfahrzeugs im öffentlichen Straßenverkehr eine gewisse Gefährdung entsteht. Daher trägt auch der vorfahrtsberechtigte Fahrer in der Regel einen Teil der Haftung, selbst wenn er sich regelkonform verhalten hat.

Die genaue Haftungsverteilung wird von den Gerichten unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls festgelegt. Typische Verteilungsschlüssel bei Vorfahrtsverstößen sind 75:25 oder 2/3:1/3 zu Lasten des Vorfahrtsverletzers. In besonders schweren Fällen kann die Haftung auch 100:0 betragen.

Folgende Faktoren beeinflussen die Haftungsverteilung maßgeblich:

1. Schwere des Vorfahrtsverstoßes: Ein besonders grober Verstoß, etwa das Überfahren eines Stoppschildes ohne anzuhalten, führt zu einer höheren Haftungsquote.

2. Erkennbarkeit der Verkehrssituation: War die Vorfahrtssituation für alle Beteiligten klar erkennbar, spricht dies für eine höhere Haftung des Verletzers.

3. Geschwindigkeit: Überhöhte Geschwindigkeit eines der Beteiligten kann dessen Haftungsanteil erhöhen.

4. Sichtverhältnisse: Bei schlechter Sicht oder Dunkelheit kann auch der Vorfahrtsberechtigte zu erhöhter Vorsicht verpflichtet sein.

5. Reaktionszeit: Hatte der Vorfahrtsberechtigte die Möglichkeit, den Unfall durch rechtzeitiges Reagieren zu verhindern?

6. Örtliche Gegebenheiten: Besondere Verkehrssituationen oder Straßenverhältnisse können die Haftungsverteilung beeinflussen.

Das Oberlandesgericht Hamm hat in einem Urteil vom 13.09.2019 (Az. 7 U 29/19) die Grundsätze der Haftungsverteilung bei Vorfahrtsverstößen bekräftigt. Es betonte, dass der Vorfahrtsberechtigte grundsätzlich darauf vertrauen darf, dass seine Vorfahrt beachtet wird. Gleichzeitig stellte das Gericht klar, dass auch der Vorfahrtsberechtigte eine Pflicht zur Unfallvermeidung hat, wenn er die Gefahr rechtzeitig erkennen kann.

In der Praxis wird die Haftungsverteilung oft von den Versicherungen der Beteiligten ausgehandelt. Bei Uneinigkeit kann ein Gericht angerufen werden, um die Verteilung verbindlich festzulegen. Es ist wichtig zu beachten, dass die Haftungsverteilung nicht nur die Schadensregulierung beeinflusst, sondern auch Auswirkungen auf eventuelle Schadensfreiheitsrabatte in der Kfz-Versicherung haben kann.

Die Rechtsprechung zu Vorfahrtsverstößen ist umfangreich und differenziert. So hat der Bundesgerichtshof in seinem Urteil vom 26.04.2022 (Az. VI ZR 196/20) betont, dass auch bei einem Vorfahrtsverstoß stets eine Einzelfallbetrachtung erforderlich ist und pauschale Haftungsverteilungen vermieden werden sollten.

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Welche Faktoren beeinflussen die Haftungsquote neben dem Vorfahrtsverstoß?

Bei der Bestimmung der Haftungsquote nach einem Verkehrsunfall spielt der Vorfahrtsverstoß zwar eine zentrale Rolle, ist jedoch nicht der einzige zu berücksichtigende Faktor. Die Gerichte ziehen eine Vielzahl weiterer Umstände in Betracht, um eine gerechte Haftungsverteilung zu ermitteln.

Ein wesentlicher Aspekt ist die Betriebsgefahr der beteiligten Fahrzeuge. Diese ergibt sich aus der bloßen Teilnahme am Straßenverkehr und dem damit verbundenen Risiko. Größere und schwerere Fahrzeuge wie LKWs oder Busse tragen in der Regel eine höhere Betriebsgefahr als PKWs oder Motorräder. Dies kann zu einer Erhöhung der Haftungsquote für den Halter des größeren Fahrzeugs führen, selbst wenn diesem kein Verschulden am Unfall nachgewiesen werden kann.

Die Geschwindigkeit der Unfallbeteiligten stellt einen weiteren bedeutenden Faktor dar. Überhöhte Geschwindigkeit kann die Haftungsquote des zu schnell fahrenden Verkehrsteilnehmers erhöhen, da sie als Verstoß gegen die allgemeine Sorgfaltspflicht im Straßenverkehr gewertet wird. Dabei ist nicht nur die absolute Geschwindigkeit relevant, sondern auch die Angemessenheit in Bezug auf die konkrete Verkehrssituation.

Das Verhalten der Unfallbeteiligten unmittelbar vor und während des Unfalls wird ebenfalls berücksichtigt. Hierzu zählen etwa Ablenkungen durch Handynutzung, Unaufmerksamkeit oder aggressive Fahrmanöver. Solche Verhaltensweisen können als Verletzung der im Straßenverkehr gebotenen Sorgfalt gewertet werden und die Haftungsquote des betreffenden Verkehrsteilnehmers erhöhen.

Die Erkennbarkeit der Gefahrensituation spielt eine wichtige Rolle bei der Haftungsverteilung. Konnte ein Unfallbeteiligter die Gefahr frühzeitig erkennen und hätte er durch angemessenes Verhalten den Unfall vermeiden können, kann dies seine Haftungsquote erhöhen. Umgekehrt kann eine schwer erkennbare Gefahrensituation zu einer Minderung der Haftung führen.

Technische Mängel am Fahrzeug können ebenfalls die Haftungsquote beeinflussen. Defekte Bremsen, abgefahrene Reifen oder nicht funktionierende Beleuchtung können als Verstoß gegen die Pflicht zur Erhaltung der Verkehrssicherheit des Fahrzeugs gewertet werden und zu einer höheren Haftung führen.

Die Witterungsverhältnisse zum Unfallzeitpunkt fließen in die Beurteilung ein. Bei schlechten Sichtverhältnissen durch Regen, Nebel oder Dunkelheit wird von allen Verkehrsteilnehmern eine erhöhte Sorgfalt erwartet. Wer diese nicht walten lässt, kann mit einer höheren Haftungsquote belastet werden.

Besondere Schutzwürdigkeit bestimmter Verkehrsteilnehmer kann die Haftungsverteilung beeinflussen. Kinder, ältere Menschen oder Personen mit erkennbaren Einschränkungen genießen einen erhöhten Schutz im Straßenverkehr. Bei Unfällen mit ihrer Beteiligung kann dies zu einer Verschiebung der Haftungsquoten zu ihren Gunsten führen.

Die Verletzung von Verkehrsregeln neben dem Vorfahrtsverstoß wird ebenfalls berücksichtigt. Hierzu zählen etwa Verstöße gegen Überholverbote, Missachtung von Verkehrszeichen oder Fahren unter Alkoholeinfluss. Jeder dieser Verstöße kann die Haftungsquote des Verursachers erhöhen.

Örtliche Besonderheiten der Unfallstelle können die Haftungsverteilung beeinflussen. Unübersichtliche Kreuzungen, fehlende oder schlecht sichtbare Verkehrszeichen oder irreführende Straßenmarkierungen können zu einer Minderung der Haftung führen, wenn sie zur Entstehung des Unfalls beigetragen haben.

Bei der Festlegung der Haftungsquote wägen die Gerichte all diese Faktoren sorgfältig gegeneinander ab. Sie berücksichtigen dabei die Umstände des Einzelfalls und orientieren sich an der ständigen Rechtsprechung zu vergleichbaren Fällen. Ziel ist es, eine gerechte und den individuellen Umständen angemessene Haftungsverteilung zu erreichen.

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Welche rechtlichen Schritte können Unfallbeteiligte unternehmen, wenn sie mit der Haftungsverteilung nicht einverstanden sind?

Unfallbeteiligte, die mit der Haftungsverteilung nach einem Verkehrsunfall nicht einverstanden sind, haben verschiedene rechtliche Möglichkeiten, um ihre Interessen zu wahren. Der erste Schritt besteht in der Regel darin, Einspruch gegen die Haftungseinschätzung der gegnerischen Versicherung einzulegen. Dies sollte schriftlich und mit einer detaillierten Begründung erfolgen, warum die vorgeschlagene Haftungsverteilung als nicht angemessen erachtet wird.

Führt der Einspruch nicht zum gewünschten Ergebnis, können Betroffene ein gerichtliches Verfahren in Betracht ziehen. Hierbei ist es ratsam, zunächst einen auf Verkehrsrecht spezialisierten Rechtsanwalt zu konsultieren. Dieser kann die Erfolgsaussichten einer Klage einschätzen und bei der Vorbereitung des Verfahrens unterstützen.

Vor einer Klageerhebung besteht die Möglichkeit, ein außergerichtliches Schlichtungsverfahren anzustreben. In Deutschland gibt es hierfür spezielle Schlichtungsstellen für Verkehrsunfälle, wie beispielsweise die Schlichtungsstelle der Rechtsanwaltschaft. Diese Verfahren sind oft kostengünstiger und schneller als ein Gerichtsprozess.

Entscheidet sich der Unfallbeteiligte für den Klageweg, wird in der Regel eine Feststellungsklage beim zuständigen Amts- oder Landgericht eingereicht. Ziel ist es, die tatsächliche Haftungsverteilung gerichtlich feststellen zu lassen. Das Gericht prüft dann anhand der vorgelegten Beweise und Zeugenaussagen den Unfallhergang und legt die Haftungsquoten fest.

Wichtig zu beachten ist, dass für die Einreichung einer Klage Fristen gelten. Die reguläre Verjährungsfrist für Schadensersatzansprüche aus Verkehrsunfällen beträgt drei Jahre, beginnend mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den anspruchsbegründenden Umständen Kenntnis erlangt hat.

Während des gesamten Prozesses ist es entscheidend, alle relevanten Unterlagen wie Unfallberichte, Fotos, Zeugenaussagen und medizinische Gutachten sorgfältig zu dokumentieren und aufzubewahren. Diese Beweise können sowohl in außergerichtlichen Verhandlungen als auch vor Gericht von großer Bedeutung sein.

In komplexeren Fällen oder bei hohen Streitwerten kann das Gericht ein Sachverständigengutachten anordnen. Der Gutachter untersucht den Unfallhergang detailliert und gibt eine fachliche Einschätzung zur Haftungsverteilung ab. Dieses Gutachten hat oft erheblichen Einfluss auf die richterliche Entscheidung.

Es ist zu beachten, dass ein Gerichtsverfahren mit Kosten und Risiken verbunden ist. Die unterlegene Partei muss in der Regel die Gerichtskosten und die Anwaltskosten beider Seiten tragen. Daher sollten Unfallbeteiligte vor der Einleitung rechtlicher Schritte sorgfältig die Erfolgsaussichten und möglichen finanziellen Konsequenzen abwägen.

Eine weitere Option stellt die Mediation dar. Hierbei versucht ein neutraler Mediator, zwischen den Parteien zu vermitteln und eine einvernehmliche Lösung zu finden. Dieses Verfahren ist besonders dann sinnvoll, wenn beide Seiten an einer schnellen und kostengünstigen Beilegung des Streits interessiert sind.

Besondere Vorsicht ist geboten bei Unfällen mit Auslandsbezug. Hier können abweichende Rechtsvorschriften und Fristen gelten. In solchen Fällen ist die frühzeitige Konsultation eines Rechtsanwalts mit Erfahrung im internationalen Verkehrsrecht besonders wichtig.

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Wie wirken sich widersprüchliche Aussagen der Unfallbeteiligten auf die Entscheidung zur Haftungsverteilung aus?

Widersprüchliche Aussagen der Unfallbeteiligten stellen für Gerichte und Versicherungen eine besondere Herausforderung bei der Ermittlung des Unfallhergangs und der daraus resultierenden Haftungsverteilung dar. In solchen Fällen müssen weitere Beweismittel herangezogen werden, um den tatsächlichen Ablauf des Unfalls zu rekonstruieren.

Das Gericht oder die Versicherung wird zunächst versuchen, den Sachverhalt durch eine genaue Analyse der vorliegenden Aussagen zu klären. Hierbei werden die Aussagen auf innere Logik, Konsistenz und Plausibilität geprüft. Oft lassen sich bereits durch diese Prüfung Widersprüche auflösen oder zumindest eingrenzen.

Wenn die Aussagen der Beteiligten allein keine eindeutige Klärung ermöglichen, gewinnen objektive Beweismittel an Bedeutung. Hierzu zählen insbesondere:

– Unfallspuren am Unfallort (z.B. Bremsspuren, Glassplitter)

– Beschädigungen an den beteiligten Fahrzeugen

– Fotos vom Unfallort und den Fahrzeugen

– Aufzeichnungen von Verkehrsüberwachungskameras

– Daten aus Fahrzeugcomputern oder Fahrtenschreibern

Diese objektiven Beweise können oft entscheidende Hinweise auf den tatsächlichen Unfallhergang liefern und somit zur Auflösung der widersprüchlichen Aussagen beitragen.

Eine wichtige Rolle spielen zudem Zeugenaussagen. Unbeteiligte Zeugen gelten als besonders glaubwürdig, da sie in der Regel kein eigenes Interesse am Ausgang des Verfahrens haben. Ihre Aussagen können maßgeblich zur Klärung des Sachverhalts beitragen.

In komplexen Fällen oder bei besonders schwerwiegenden Unfällen kann das Gericht auch Sachverständigengutachten in Auftrag geben. Unfallrekonstrukteure analysieren dabei anhand der vorhandenen Spuren und technischen Daten den wahrscheinlichsten Unfallhergang. Solche Gutachten haben oft ein hohes Gewicht bei der gerichtlichen Entscheidungsfindung.

Bei der Beweiswürdigung gilt der Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung. Das bedeutet, dass der Richter alle vorliegenden Beweise nach seiner freien Überzeugung würdigt. Er muss dabei jedoch logisch und nachvollziehbar argumentieren und darf nicht willkürlich entscheiden.

Können trotz aller Bemühungen die Widersprüche nicht aufgelöst werden, greift das Prinzip der Beweislastverteilung. Grundsätzlich muss jede Partei die für sie günstigen Umstände beweisen. Bei Verkehrsunfällen gibt es jedoch oft Beweiserleichterungen oder sogar Beweislastumkehr, etwa bei Auffahrunfällen oder Verstößen gegen die Straßenverkehrsordnung.

In manchen Fällen kann es auch zu einer Teilung der Haftung kommen, wenn sich der genaue Unfallhergang nicht zweifelsfrei klären lässt. Das Gericht schätzt dann den Anteil der Beteiligten am Zustandekommen des Unfalls und verteilt die Haftung entsprechend. Dies kann beispielsweise zu einer 50:50 oder 70:30 Aufteilung der Schadensersatzpflicht führen.

Wichtig ist, dass die Unfallbeteiligten möglichst zeitnah nach dem Unfall alle relevanten Informationen und Beweise sichern. Dazu gehören Fotos vom Unfallort und den Fahrzeugen, Kontaktdaten von Zeugen und ein detailliertes Unfallprotokoll. Je mehr Beweise vorliegen, desto eher lassen sich widersprüchliche Aussagen aufklären und eine faire Haftungsverteilung erreichen.

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Welche Rolle spielt die Verkehrssituation (z.B. geparkte Autos) bei der Beurteilung der Haftung bei einem Vorfahrtsverstoß?

Die Verkehrssituation, einschließlich parkender Autos, spielt eine wesentliche Rolle bei der Beurteilung der Haftung bei einem Vorfahrtsverstoß. Das Oberlandesgericht Hamm hat in einem Urteil vom 13.09.2019 (Az. 7 U 29/19) festgestellt, dass die konkrete Verkehrssituation am Unfallort für die Haftungsverteilung von entscheidender Bedeutung ist.

Bei der rechtlichen Bewertung eines Vorfahrtsverstoßes wird grundsätzlich das Vertrauensprinzip angewandt. Dieses besagt, dass Verkehrsteilnehmer darauf vertrauen dürfen, dass andere sich regelkonform verhalten. Allerdings gilt dieses Prinzip nicht uneingeschränkt. Besondere Umstände, wie etwa eingeschränkte Sichtverhältnisse durch geparkte Fahrzeuge, können zu einer erhöhten Sorgfaltspflicht für alle beteiligten Verkehrsteilnehmer führen.

In Situationen, in denen die Sicht durch geparkte Autos beeinträchtigt ist, müssen Fahrer ihre Geschwindigkeit anpassen und mit erhöhter Aufmerksamkeit fahren. Dies gilt sowohl für den vorfahrtsberechtigten als auch für den wartepflichtigen Fahrer. Der Bundesgerichtshof hat in seiner Rechtsprechung betont, dass bei unübersichtlichen Kreuzungen oder Einmündungen eine besondere Vorsicht geboten ist (BGH, Urteil vom 26.01.2010, Az. VI ZR 337/08).

Ein konkretes Beispiel verdeutlicht die Relevanz der Verkehrssituation: An einer Kreuzung mit parkenden Autos, die die Sicht beeinträchtigen, kollidieren zwei Fahrzeuge. Obwohl Fahrer A die Vorfahrt hatte, wird ihm eine Mitschuld zugesprochen, da er trotz der erkennbar eingeschränkten Sicht nicht ausreichend vorsichtig in die Kreuzung eingefahren ist. Fahrer B, der die Vorfahrt missachtete, trägt zwar die Hauptschuld, aber nicht die alleinige Verantwortung für den Unfall.

Die Gerichte berücksichtigen bei der Haftungsverteilung verschiedene Faktoren. Dazu gehören die Geschwindigkeit beider Fahrzeuge, die Erkennbarkeit der Gefahrensituation und die Reaktionsmöglichkeiten der Beteiligten. Auch die Frage, ob einer der Fahrer sein Fahrzeug hätte zum Stehen bringen können, bevor es zur Kollision kam, spielt eine Rolle.

Es ist wichtig zu betonen, dass jeder Fall individuell betrachtet wird. Die genaue Haftungsverteilung hängt von den spezifischen Umständen des Einzelfalls ab. In manchen Fällen kann die Haftung zu gleichen Teilen aufgeteilt werden, in anderen Fällen kann eine Partei den größeren Anteil tragen.

Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main hat in einem Urteil vom 18.06.2020 (Az. 17 U 183/19) festgestellt, dass selbst bei einem Vorfahrtsverstoß die Haftung des Vorfahrtsberechtigten bis zu 50% betragen kann, wenn dieser trotz erkennbarer Gefahrenlage nicht ausreichend vorsichtig gefahren ist.

Für alle Verkehrsteilnehmer gilt daher der Grundsatz der gegenseitigen Rücksichtnahme, wie er in § 1 Abs. 1 der Straßenverkehrsordnung (StVO) verankert ist. Dieser Grundsatz gewinnt besonders an Bedeutung in Situationen mit eingeschränkter Sicht oder anderen erschwerenden Verkehrsbedingungen.

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Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt

  • Haftungsverteilung: Die Aufteilung der Verantwortung für einen Schaden zwischen mehreren Beteiligten. Im Verkehrsrecht wird sie oft in Prozenten ausgedrückt und berücksichtigt Faktoren wie Verschulden, Betriebsgefahr und Mitverschulden. Im vorliegenden Fall wurde eine Haftungsverteilung von 2/3 zu 1/3 festgelegt. Dies bedeutet, dass der Passat-Fahrer 2/3 und die einbiegende Fahrerin 1/3 des Gesamtschadens tragen müssen. Die Haftungsverteilung hat direkte Auswirkungen auf die Höhe der Schadensersatzzahlungen und kann auch die Versicherungsprämien beeinflussen.
  • Betriebsgefahr: Das allgemeine Risiko, das von einem Kraftfahrzeug im Straßenverkehr ausgeht, unabhängig vom Verschulden des Fahrers. Sie basiert auf der Annahme, dass Kraftfahrzeuge aufgrund ihrer Masse und Geschwindigkeit ein inhärentes Gefahrenpotenzial darstellen. Im Urteil wurde die Betriebsgefahr der einbiegenden Fahrerin als erhöht eingestuft, weil sie trotz der verengten Fahrbahn und des herannahenden Passats einbog. Die Berücksichtigung der Betriebsgefahr kann zu einer Mithaftung führen, selbst wenn kein direktes Verschulden vorliegt.
  • Unabwendbarkeitsnachweis: Ein rechtliches Konzept, bei dem ein Unfallbeteiligter nachweisen muss, dass der Unfall auch bei Anwendung äußerster Sorgfalt nicht zu vermeiden gewesen wäre. Gelingt dieser Nachweis, kann er von der Haftung befreit werden. Im vorliegenden Fall konnten weder der Passat-Fahrer noch die einbiegende Fahrerin diesen Nachweis erbringen. Das Gericht war der Ansicht, dass ein besonders sorgfältiger Fahrer den Unfall möglicherweise hätte vermeiden können. Der Unabwendbarkeitsnachweis setzt sehr hohe Standards an das Verhalten der Beteiligten und wird nur selten erfolgreich geführt.
  • Vorfahrtsverletzung: Das Missachten der Vorfahrtsregeln im Straßenverkehr. Sie liegt vor, wenn ein Fahrzeug, das Vorfahrt gewähren muss, in den vorfahrtsberechtigten Verkehr einfährt und diesen behindert oder gefährdet. Im beschriebenen Fall hat der Passat-Fahrer die Vorfahrt der von links einbiegenden Fahrerin missachtet, was als Hauptursache für den Unfall gewertet wurde. Eine Vorfahrtsverletzung führt oft zu einer höheren Haftungsquote, kann aber durch andere Faktoren wie erhöhte Betriebsgefahr des vorfahrtsberechtigten Fahrzeugs gemildert werden.
  • Nutzungsausfall: Ein Anspruch auf Entschädigung für den Zeitraum, in dem ein beschädigtes Fahrzeug nicht genutzt werden kann. Er wird oft pauschal pro Tag berechnet und soll den Verlust der Gebrauchsmöglichkeit ausgleichen. Im Urteil wurde dem Kläger ein Nutzungsausfall für fünf Tage zugesprochen, obwohl er die genauen Reparaturtage nicht benannt hatte. Das Gericht erkannte den Anspruch an, da das Fahrzeug nachweislich fachgerecht repariert wurde. Der Nutzungsausfall ist Teil des Gesamtschadens und unterliegt ebenfalls der festgelegten Haftungsverteilung.
  • Gesamtschuldnerische Haftung: Eine Haftungsform, bei der mehrere Schuldner gemeinsam für eine Schuld einstehen. Der Gläubiger kann die gesamte Leistung von jedem der Schuldner verlangen. Im vorliegenden Fall wurden die Beklagten (wahrscheinlich Fahrerin und Halter des einbiegenden Fahrzeugs) gesamtschuldnerisch zur Zahlung verurteilt. Dies bedeutet, dass der Kläger den zugesprochenen Betrag von 531,79 Euro von jedem der Beklagten in voller Höhe fordern kann, unabhängig davon, wer letztendlich intern für welchen Anteil aufkommt. Die gesamtschuldnerische Haftung soll die Position des Geschädigten stärken und die Schadensregulierung vereinfachen.

Wichtige Rechtsgrundlagen


  • § 7 StVG (Straßenverkehrsgesetz): Haftung des Fahrzeughalters: Dieser Paragraph regelt die grundsätzliche Haftung des Fahrzeughalters für Schäden, die beim Betrieb seines Fahrzeugs entstehen. Im vorliegenden Fall ist dies relevant, da beide Fahrzeughalter für die durch den Unfall entstandenen Schäden grundsätzlich haften, es sei denn, sie können nachweisen, dass der Unfall durch höhere Gewalt verursacht wurde oder sie den Unfall nicht hätten vermeiden können.
  • § 17 StVG: Haftung des Fahrzeugführers: Dieser Paragraph legt fest, dass der Fahrzeugführer neben dem Halter ebenfalls für Schäden haftet, die er bei der Benutzung des Fahrzeugs verursacht. Im konkreten Fall sind beide Fahrer in die Entstehung des Unfalls verwickelt und tragen daher eine Mitverantwortung.
  • § 18 StVG: Haftungsverteilung bei mehreren Beteiligten: Dieser Paragraph regelt die Haftungsverteilung, wenn mehrere Personen an einem Unfall beteiligt sind. Das Gericht hat in diesem Fall entschieden, dass beide Fahrer eine Teilschuld tragen und die Haftung entsprechend aufgeteilt wird.
  • § 115 VVG (Versicherungsvertragsgesetz): Ersatzpflicht des Versicherers: Dieser Paragraph verpflichtet den Versicherer, den Schaden zu ersetzen, für den der Versicherungsnehmer aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen einstehen muss. Im vorliegenden Fall ist die Versicherung der Beklagten verpflichtet, den Anteil des Schadens zu übernehmen, für den die Beklagte haftet.
  • § 3 Pflichtversicherungsgesetz: Dieses Gesetz schreibt vor, dass Halter von Kraftfahrzeugen eine Haftpflichtversicherung abschließen müssen. Diese Versicherung deckt Schäden ab, die Dritten durch den Betrieb des Fahrzeugs entstehen. Im vorliegenden Fall ist die Versicherung der Beklagten aufgrund dieser Pflicht zur Leistung verpflichtet.

Das vorliegende Urteil

AG Gelsenkirchen-Buer – Az.: 9 C 343/12 – Urteil vom 10.07.2015


* Der vollständige Urteilstext wurde ausgeblendet, um die Lesbarkeit dieses Artikels zu verbessern. Klicken Sie auf den folgenden Link, um den vollständigen Text einzublenden.

→ Lesen Sie hier den vollständigen Urteilstext…

 

I.

Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, an den Kläger einen Betrag in Höhe von 531,79 Euro zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 15.05.2012.

II.

Die Beklagten werden weiter gesamtschuldnerisch verurteilt, den Kläger von den ihm entstandenen Anwaltsgebühren in Höhe von 70,78 Euro freizustellen.

III.

Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

IV.

Von den Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger 85 % zu tragen und die Beklagten als Gesamtschuldner 15 %.

V.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

VI.

Beiden Parteien wird nachgelassen, die Vollstreckung abzuwenden gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages, wenn nicht die jeweils andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

VII.

Streitwert: 4.466,88 Euro.

Tatbestand

Zwischen der Beklagten zu 1) und dem Zeugen B M, welcher den klägerischen Pkw Passat Diesel fuhr, ereignete sich ein Verkehrsunfall am 07.04.2012 im Bereich Kuhlmannsweg/Schlenkhoffstraße, einer sogenannten T-Einmündung, in Gelsenkirchen-Buer. Auf den von Klägerseite angemeldeten Gesamtschaden in Höhe von 5.496,64 Euro (inklusive Nutzungsausfall für fünf Tage in Höhe von 295,00 Euro) leistete die Beklagtenseite unter Annahme einer Haftungsquote von 25 % zulasten der Beklagten einen Betrag in Höhe von 1.029,76 Euro und einen weiteren Betrag nach Rechtshängigkeit in Höhe von 270,66 Euro. Über den Restbetrag verhält sich die Klage.

Der Kläger räumt ein, dass der Zeuge B M gegenüber der von links einbiegende Beklagte zu 1) vorfahrtspflichtig war. Er meint aber, der Unfall beruhe gar nicht auf einer Vorfahrtsverletzung, sondern darauf, dass die Beklagte zu 1) im Hinblick auf aus Sicht des klägerischen Zeugen links geparkten Fahrzeuge in dessen Fahrspur geraten sei, obwohl diese aufgrund der Parksituation und der dadurch bedingten Verengung der Fahrbahn zunächst den Unfallgegner hätte passieren lassen müssen. Zum Zeitpunkt des Unfalls habe die Beklagte zu 1) mit dem von ihm geführten Fahrzeug aufgrund der Mitbenutzung der klägerischen Fahrspur dieses Fahrzeug berührt, ohne dass der Zeuge M noch die Möglichkeit hatte, auszuweichen. Durch den Aufprall sei das Fahrzeug dann auch gegen die Bordsteinkante gedrückt worden. Insoweit liege trotz kreuzungsbedingten Vorfahrtsrechts der Beklagten zu 1) das Alleinverschulden bei dieser. Diese habe nämlich zunächst beachten müssen, dass die Fahrspur, welche verblieben war, zu eng war für zwei Fahrzeuge und hätte den Zeugen M zunächst passieren lassen müssen. Wäre der Zeuge M hingegen deutlich früher noch stehen geblieben, beispielsweise 15 Meter vor der Einmündung und wäre die Beklagte zu 1) in die verbliebende Fahrzeug geraten, hätten sich die Fahrzeuge gegenüber gestanden, ohne dass irgendein Fahrzeug seine Fahrt noch hätte fortsetzen können.

Nachdem die Parteien übereinstimmend die Hauptsache für erledigt erklärt haben über einen Betrag in Höhe von 270,66 Euro, beantragt der Kläger nunmehr,

die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an ihn 4.596,22 Euro zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem 15.05.2012 und ihn von entstandenen Anwaltsgebühren in Höhe von 471,87 Euro freizustellen.

Die Beklagten beantragen, Klageabweisung.

Sie behaupten, die Beklagte zu 1) habe mit dem von ihr geführten Fahrzeug bereits gestanden, als es zur Kollision mit dem sich in Vorwärtsbewegung befindlichen Zeugen M gekommen sei. Dieser sei zuvor auch abgelenkt gewesen, indem er beispielsweise auf ein Mobiltelefon geschaut habe, aber nicht die Straße vor ihm beachtet habe. Der Zeuge M sei auch in Anbetracht der beengten Verhältnisse viel zu schnell gefahren, nämlich mit ca. 50 km/h. Der Unfall sei auch entgegen der Darstellung des Klägers nicht 15 Meter vor der Einmündung, sondern bereits im Einmündungsbereich passiert. Die Beklagten meinen, im Wege der fiktiven Abrechnung könne der Kläger Nutzungsausfall nicht geltend machen, da er nicht konkret benenne, an welchen Tagen das Fahrzeug repariert worden sei.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch uneidliche Vernehmung des Zeugen B M. Insoweit wird Bezug genommen auf das Protokoll zur Sitzung vom 26.11.2012. Desweiteren hat das Gericht Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens des Sachverständigen Ing. Büro D H. Insoweit wird Bezug genommen auf das Gutachten vom 08.04.2013 und das Ergänzungsgutachten vom 15.07.2013, die Erläuterungen des Sachverständigen im Termin vom 11.11.2013, in dem auch der Parteigutachter B O angehört wurde, der anwesend war als Berater der Beklagtenseite. Schließlich wird Bezug genommen auf das eingeholte Obergutachten des Sachverständigenbüros S & B vom 28.11.2014, Blatt 253 ff der Gerichtsakten.

Wegen des übrigen Sach- und Streitstandes wird verwiesen auf den Akteninhalt.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist teilweise begründet. Der Klägerseite steht gegen die Beklagten ein Zahlungsanspruch in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang aus §§ 7 Abs. 1, 17, 18 Abs. 1 StVG, § 115 VVG.

Die grundsätzliche Haftung der Beklagten als Halter, Fahrer und Versicherer des auf der Beklagtenseite beteiligten Fahrzeuges für die eingeklagten materiellen Schäden ergibt sich aus §§ 7 Abs. 1, 17, 18 Abs. 1 StVG, 3 Nr. 1 und 2 Pflichtversicherungsgesetz. Denn diese Schäden sind bei dem Betrieb des Kraftfahrzeuges entstanden, § 7 Abs. 1 StVG.

Sie wurden nicht durch höhere Gewalt verursacht, § 7 Abs. 2 StVG. Denn es liegt kein außergewöhnliches, betriebsfremdes, von außen durch elementare Naturkräfte oder Handlungen dritter betriebsfremder Personen herbeigeführtes und nach menschlicher Einsicht und Erfahrung unvorhersehbares Ereignis vor, das mit wirtschaftlich erträglichen Mitteln auch durch nach den Umständen äußerste, vernünftigerweise zu erwartende Sorgfalt nicht verhütet werden konnte.

Des Weiteren haben die Beklagten weder den Unabwendbarkeitsnachweis gemäß § 17 Abs. 3 StVG führen können, noch nachweisen können, dass der Unfall nicht auf ein Verschulden des beklagten Fahrers zurückzuführen ist, § 18 Abs. 1 Satz 2 StVG.

Bei dem Unabwendbarkeitsnachweis kommt es darauf an, ob auch für einen besonders sorgfältigen Kraftfahrer bei der gegebenen Sachlage der Unfall unvermeidbar gewesen wäre. Es ist jedoch nicht auszuschließen, dass ein besonders sorgfältiger Fahrer des Beklagtenfahrzeuges den Unfall vermieden hätte.

Ein besonders sorgfältiger Fahrer anstelle der Beklagten zu 1) hätte im Hinblick auf die Verengung der Fahrbahn im Kuhlmannsweg durch geparkte Fahrzeuge von dem Einbiegemanöver zunächst Abstand genommen und den Zeugen M zunächst passieren lassen, so dass dann möglicherweise eine Kollision nicht zu verzeichnen gewesen wäre.

Aber auch die Klägerseite haftet grundsätzlich gemäß § 7 Abs. 1 StVG für die Unfallfolgen. Denn auch sie hat nicht nachweisen können, dass der Unfall unabwendbar war. Auch hier ist nicht auszuschließen, dass ein besonders vorsichtiger Fahrer anstelle des Fahrers des klägerischen Fahrzeuges den Unfall vermieden hätte.

Ein besonders sorgfältiger Fahrer anstelle des Klägers hätte im Hinblick auf das Vorfahrtrecht der Beklagten zu 1) noch mehr Sorgfalt walten lassen und dann möglicherweise seine Fahrt auf die abbiegende Beklagte zu 1) einstellen können.

Die Abwägung nach §§ 17, 18 Abs. 3 StVG führt dazu, dass die Beklagten dem Grunde nach zu 2/3 zum Schadensersatz verpflichtet sind.

Im Verhältnis der Parteien zueinander hängt die Verpflichtung zum Schadensersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes gemäß §§ 17, 18 Abs. 3 StVG von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder anderen Teil verursacht worden ist. Für das Maß der Verursachung ist ausschlaggebend, mit welchem Grad von Wahrscheinlichkeit ein Umstand allgemein geeignet ist, Schäden der vorliegenden Art herbeizuführen. Hierbei richtet sich die Schadensverteilung auch nach dem Grad eines etwaigen Verschuldens eines Beteiligten. Jedoch können im Rahmen dieser Abwägung zu Lasten einer Partei nur solche Umstände berücksichtigt werden, die als unfallursächlich feststehen.

Nach diesen Grundsätzen ist eine Haftungsverteilung von 2/3 zulasten des Klägers und 1/3 zulasten der Beklagtenseite hier vorzunehmen. Zunächst steht fest, dass der Zeuge M trotz der Vorfahrtverpflichtung gegenüber der von links herannahenden Beklagten zu 1) sich dem Einmündungsbereich angenähert hat, sein Fahrzeug als auf 20 km/h herunter zu bremsen bzw. zum Stillstand zu bringen. Ob die Beklagte zu 1) mit ihrem Fahrzeug noch in Bewegung war oder schon sich im Stillstand befunden hat, war hingegen nicht mehr aufzuklären. Zwar stellte der Sachverständige Heiler in seinem Gutachten nachvollziehbar fest, dass nach seiner sachverständigen Überzeugung auch die Beklagte zu 1) sich noch in Vorwärtsbewegung befand, plausibel sind aber auch die Feststellungen des als Berater der Beklagtenseite angehörten Privatgutachters O und des Obergutachters S, dass aus technischer Sicht sowohl möglich ist, dass die Beklagte zu 1) gestanden hat mit ihrem Fahrzeug, als auch, dass diese sich in Vorwärtsbewegung befand. Insoweit ist hinsichtlich des Beitrages der Beklagten zu 1) durch Fortsetzung der Vorwärtsfahrt der Nachweis bzw. der Ausschluss bedauerlicherweise nicht mehr möglich, so dass dies bei der Entscheidung offen bleiben muss. Seht aber lediglich fest, dass der Zeuge M das Vorfahrtsrecht der Beklagten zu 1) missachtet hat, wobei dies auf der gesamten Fahrbahnbreite gilt, liegt das alleinige Verschulden aufgrund der feststehenden Umstände bei dem Zeugen M. Zu beachten ist allerdings desweiteren nach Auffassung des Gerichts, dass insoweit für die Beklagte zu 1) ersichtlich eine Verkomplizierung der Verkehrssituation vorlag im Hinblick auf abgeparkte Fahrzeuge auf der für die Beklagte zu 1) vorgesehenen rechten Fahrspur. Die Verengung war so gravierend, dass innerhalb des verengten Bereiches zwei Fahrzeuge nicht mehr aneinander vorbei fahren konnten mit der Folge, dass eine Abstimmung der Verkehrsteilnehmer notwendig war. Im Hinblick darauf hält das Gericht es hier nicht für angemessen bei der Betriebsgefahr, welche auch von dem Beklagtenfahrzeug ausgeht, lediglich den üblichen Prozentsatz von 25 anzunehmen, vielmehr liegt in dem Verhalten der Beklagten zu 1) trotz des herannahenden Zeugen M in diese Verengung einzufahren, eine Betriebsgefahrerhöhung, so dass dem Kläger 1/3 des ihm entstandenen Schadens zusteht und nicht nur 25 %, wie von der Beklagtenseite angenommen. Hier geht das Gericht von einem Gesamtschaden in Höhe von 5.496,64 Euro aus inklusive des geltend gemachten Nutzungsausfalls für fünf Tage.

Zwar benennt der Kläger nicht die Tage, an denen das Fahrzeug konkret repariert wurde, indes hat das Gericht das Fahrzeug in Augenschein genommen und konnte von allen Unfallbeteiligten erkannt werden, dass dieses fachgerecht repariert wurde, so dass die in dem Gutachten angesetzten fünf Tage hier angenommen werden können. Bei einem Schaden von 5.496,64 Euro steht dem Kläger mithin Erstattung von 1.832,21 Euro zu, was 1/3 entspricht. Von diesem Betrag in Abzug zu bringen waren die bereits geleisteten Beträge in Höhe von 1.029,76 Euro und von 270,66 Euro, so dass der ausgeurteilte Betrag verbleibt. Der Anspruch auf Zinsen und auf vorgerichtliche Anwaltskosten im Wege der Freistellung steht dem Kläger aus Verzugsgesichtspunkten zu, der Anspruch auf vorgerichtliche Anwaltskostenkosten lediglich in Relation zu dem Obsiegen.

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 92, 708 Nr. 11, 711 ZPO.


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